Rechtsanwalt Dr. Alfred Stapelfeldt

Rechtsanwälte SZK
65185, Wiesbaden
Rechtsgebiete
Verwaltungsrecht Umweltrecht Immobilien, Baurecht, Architektenrecht
06.09.2013

BVerwG: Umweltverbände können Luftreinhalteplan einklagen

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat mit Urteil vom 5.9.2013 (7 C 21.12) entschieden, dass anerkannte Umweltverbände die Einhaltung der Vorschriften über Luftreinhaltepläne gerichtlich geltend machen können.

Sachverhalt:

Der Luftreinhalteplan für die Stadt Darmstadt sieht für die Verminderung der Schadstoffkonzentration von Feinstaub und Stickoxiden verschiedene insbesondere verkehrsbezogene Maßnahmen wie z.B. Durchfahrt- und Nachtfahrtverbote für Lkw vor. Die geltenden Grenzwerte für Stickoxide werden an den drei am stärksten belasteten Straßenzügen gleichwohl auf absehbare Zeit nicht eingehalten. Auf die Klage eines Umweltverbandes hat das Verwaltungsgericht das beklagte Land verpflichtet, den Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des Immissionsgrenzwerts für NO2 vorsieht; zu den in Betracht kommenden Maßnahmen zählt etwa auch die Einführung einer Umweltzone. Mit seiner Sprungrevision machte das Land in erster Linie geltend, dass der klagende Umweltverband ungeachtet des Unionsrechts nicht klagebefugt und die Klage demnach bereits unzulässig sei.

Entscheidung:

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Sprungrevision des Landes zurückgewiesen und die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis bestätigt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Aarhus-Konvention fordert das Unionsrecht einen Zugang von Umweltverbänden zu den Gerichten zur effektiven Durchsetzung des europäischen Umweltrechts. Bei Beachtung dieser Leitlinie kann das deutsche Recht so ausgelegt werden, dass den nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannten Umweltverbänden ein Recht auf Beachtung der Vorgaben des zur Umsetzung einer unionsrechtlichen Richtlinie erlassenen Luftreinhalterechts eingeräumt ist, das sie gerichtlich geltend machen können. Auf der Grundlage der tatsächlichen Annahmen des Verwaltungsgerichts, die das Bundesverwaltungsgericht zugrunde zu legen hatte, war auch die Sachentscheidung nicht zu beanstanden.

Europarechtlicher Hintergrund zur Verbandsklage:

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat am 12. Mai 2011 in einem Grundsatzurteil (Trianel) die Klagebefugnis von Umweltverbänden ausgeweitet. Aus der Umweltverträglichkeits-Richtlinie (Richtlinie 85/337/EWG des Rates über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten –UVP-RL) leitet der EuGH die Befugnis von sich für den Umweltschutz einsetzenden Nichtregierungsorganisationen ab, gerichtlich gegen die Genehmigung solcher Projekte vorzugehen, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben. In einem gerichtlichen Verfahren können Umweltverbände die Verletzung von aus dem Unionsrecht hervorgegangenen Umweltschutz-Vorschriften geltend machen – und zwar auch solcher, die nur die Interessen der Allgemeinheit und nicht die Rechtsgüter Einzelner schützen.

Kurz zuvor hatte der EuGH mit Urteil vom 8. März 2011 im Rahmen einer Streitigkeit, in welcher ein slowakischer Umweltschutzverband die Beteiligung an einem Verwaltungsverfahren im Hinblick auf Schutzregelungen für Arten wie den Braunbären begehrte, entschieden, dass die nationalen Gerichte verpflichtet sind, das jeweilige Verfahrensrecht so weit wie möglich so auszulegen, dass Umweltschutzvereinigungen in die Lage versetzt werden, behördliche Entscheidungen, die möglicherweise im Widerspruch zu Unionsrecht stehen, vor einem Gericht anzufechten. Insbesondere auf diese Entscheidung stützt das BVerwG nun sein Urteil vom 5.9.2013.

Quelle: Pressemitteilung des BVerwG Nr. 60/2013

 

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