Rechtsanwältin Christine Bonke-Heseler

recht.flott. UG (haftungsbeschränkt)
22765, Hamburg
Rechtsgebiete
Recht der freien Berufe
05.07.2012

Werbung mit der Bezeichnung "zertifizierter Testamentsvollstrecker" durch einen Rechtsanwalt ist nicht grundsätzlich irreführend, aber im Einzelfall möglicherweise unsachlich

Bei einem Rechtsanwalt, der sich als „zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)„ bezeichnet, erwartet der Verkehr, dass der Rechtsanwalt nicht nur über besondere Kenntnisse, sondern auch über praktische Erfahrungen auf dem Gebiet der Testamentsvollstreckung verfügt. Hat er diese Kenntnisse nicht, ist die Werbung damit unsachlich; die Rechtsanwalts-kammer kann ihr Mitglied auf Unterlassung des Gebrauchs der Bezeichnung in Anspruch nehmen (Urteil des BGH vom 09.06.2011, Az.: I ZR 113/10).


Sachverhalt
 Der Beklagte betreibt gemeinsam mit drei anderen RAen eine Rechtsanwaltskanzlei. Im Briefkopf der Anwaltskanzlei bezeichnet er sich als "Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)". Die Abkürzung "AGT" steht für die Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge, die auf Antrag eine Bescheinigung als "Zertifizierter Testamentsvollstrecker" ausstellt, wenn der Ast. an verschiedenen Unterrichtseinheiten mit Leistungskontrollen teilgenommen hat. Bei einem RA genügt es als Nachweis der praktischen Fertigkeiten als Testamentsvollstrecker, dass er vor der Stellung eines Antrags auf Erteilung des Zertifikats durchgängig mindestens zwei Jahre lang eine Tätigkeit als RA ausgeübt hat. Der Bekl. ist Inhaber eines von der AGT ausgestellten Zertifikats.


Rechtsanwaltskammer sah unsachlich Werbung, da keinerlei praktische Fähigkeiten vorliegen
 Die klagende Rechtanwaltskammer vertrat die Ansicht, der Beklagte verstoße mit seiner Bezeichnung als "Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)" gegen § 43b BRAO und § 6 Abs. 1 BORA. Die Werbung mit der beanstandeten Bezeichnung sei unsachlich, da der Beklagte keinerlei praktische Fähigkeiten auf dem Gebiet der Testamentsvollstreckung habe. Durch den Gebrauch der Bezeichnung "Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)" würden die angesprochenen Verkehrskreise zudem irregeführt, weil damit der Eindruck erweckt werde, es gebe den Beruf eines Testamentsvollstreckers. Zur Unsachlichkeit führte die Kammer weiter aus: „Beim Durchschnittsverbraucher würden durch die Bezeichnung Vorstellungen über eine Qualifizierung erweckt, die der Beklagte nicht erfülle. Der mit der beanstandeten Bezeichnung angesprochene Verkehr nehme - ähnlich wie bei einem Insolvenzverwalter - an, dass derjenige, der sich als "Testamentsvollstrecker" präsentiere, regelmäßig auch als solcher tätig werde“. Davon könne in Bezug auf den Beklagten keine Rede sein: denn nach eigenen Angaben habe er bisher nur zweimal eine Tätigkeit als Testamentsvollstrecker ausgeübt.Das Landgericht Regensburg hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat ihr stattgegeben und sich der Begründung der Kammer angeschlossen.


BGH stellt klar: Grundsätzlich bestehen gegen diesen Hinweis keine Bedenken
Der BGH hat die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Beklagten zurückgewiesen. Jedoch hat er vorab klargestellt, das gegen den Hinweis auf die Zertifizierung im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Testamentsvollstrecker grundsätzlich aus berufs- und wettbewerbsrechtlicher Sicht allerdings keine Bedenken bestehen. Die Angabe enthalte eine Information, die für das rechtssuchende Publikum durchaus von Bedeutung sei. Zum einen habe der Gesetzgeber mit der Einführung der Fachanwaltsbezeichnungen keine abschließende Regelung des Werberechts der Rechtsanwaltschaft getroffen. Hinweise auf zusätzliche Qualifikationen seien dem Rechtsanwalt daher nicht etwa von vornherein versagt, heißt es. Zum anderen ist eine Irreführung nicht schon deswegen zu bejahen, weil der Begriff der "Zertifizierung" beim angesprochenen Verkehr eine Fehlvorstellung über eine amtliche Verleihung hervorrufen würde; denn  als Zertifizierung werde ein Verfahren bezeichnet, mit dessen Hilfe die Einhaltung bestimmter Anforderungen an Dienstleistungen einschließlich der Herstellungsverfahren nachgewiesen werden kann, so der BGH  weiter. Der Verkehr erkenne auch, dass mit dem Begriff "Testamentsvollstrecker" eine Tätigkeit beschrieben und nicht etwa ein Beruf bezeichnet wird.


Aber: Zweimalige Tätigkeit reicht nicht aus, um Erwartungen der Verbraucher gerecht zu werden
Jedoch gab es auch ein „Aber“: Die angesprochenen Verbraucher erwarten nach Ansicht des BGH von einem "zertifizierten Testamentsvollstrecker", dass er über besondere theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen auf dem Gebiet der Testamentsvollstreckung verfügt. Dies setze auch bei Rechtsanwälten voraus, dass sie in der Vergangenheit wiederholt als Testamentsvollstrecker tätig geworden sind. Es sei daher irreführend, wenn Rechtsanwälte ohne praktische Erfahrung als Testamentsvollstrecker die Bezeichnung "zertifizierter Testamentsvollstrecker" verwenden. Auch eine zweimalige Tätigkeit als Testamentsvollstrecker reiche nicht aus, um den Erwartungen zu entsprechen, die der Verkehr an einen "zertifizierten Testamentsvollstrecker" stellt.