Rechtsanwältin Christine Bonke-Heseler

recht.flott. UG (haftungsbeschränkt)
22765, Hamburg
Rechtsgebiete
Recht der freien Berufe
26.05.2013

Bei Zusatz "& Kollegen" müssen keine vier Sozien tätig sein

Bezeichnet sich eine Kanzlei als Rechtsanwaltssozietät, die aus zwei Namen und dem Zusatz "& Kollegen" besteht, ist die gewählte Bezeichnung berufsrechtlich zulässig, wenn dort jedenfalls vier zugelassene Rechtsanwälte tätig sind. Es ist hingegen nicht notwendig, dass es sich bei allen vier Berufsträgern um Sozien handelt. Dies hat das LG Bielefeld mit Urteil vom 10.08.2012, 15 O 109/12, entschieden und denkt dabei auch an Berufsanfänger: Ihnen die Bezeichnung „& Kollegen“ zu verwehren, bis bei jedem „Kollegen“ ein bestimmtes Maß der effektiven Tätigkeit erreicht ist, hält das Gericht für nicht umsetzbar.

Auch interessant: Mit Urteil vom 28.03.2012, 6 W 133/10, hat das OLG Karlsruhe entschieden, dass es irreführend ist, wenn ein Einzelanwalt auf seinem Briefkopf (und Webpräsenz) die Bezeichnung "Associates" verwendet.  Die Entscheidung ist aufbereitet im Newsbereich von recht.flott. zu finden: http://www.recht-flott.de/news-details/items/42.html
 
Sozietät und freie Mitarbeit
Das Landgericht Bielefeld hatte darüber zu entscheiden, wie die Bezeichnung einer Kanzlei in einer bestimmten Konstellation der Berufsträger lauten darf. Es handelt sich um eine Anwaltskanzlei, die sich Dr. X., I. & Kollegen, Rechtsanwaltssozietät, nennt und unter dem gleichlautenden Briefbogen auftritt. Gesellschafter sind Rechtsanwalt Dr. X. und Rechtsanwältin I. Die Kanzlei beschäftigt zwei Rechtsanwälte in freier Mitarbeit, die jeweils im Hauptberuf einer anderen Tätigkeit als der in der Kanzlei nachgehen. Beide haben von ihren Arbeitgebern jedoch eine Freistellungserklärung erhalten. Die Anwälte, die bei der Antragsgegnerin als freie Mitarbeiter tätig sind, sind auf dem Briefbogen mit einem  Sternchen gekennzeichnet, das unten auf der Seite mit der Bedeutung „Freie Mitarbeiter“ aufgelöst wird.
 
Irreführende Werbung?
Eine andere Kanzlei störte sich u.a. an dem Zusatz „& Kollegen“ und verfolgt Unterlassungsansprüche. Sie ist der Ansicht, dass in der Bezeichnung „Dr. X., I. & Kollegen“ eine irreführende Werbung im Sinne von §§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 3; 5a Abs. 1, 2 UWG liege, weil vorgegaukelt werde, es seien mindestens vier aktiv tätige Rechtsanwälte in anwaltsüblichen Maße verfügbar. Der vermittelte Eindruck sei aber falsch (demgemäß: Irreführung über Verfügbarkeit der Anwälte und Größe der Praxis). Darüber hinaus liege auch ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 UWG vor, weil zwar die Bezeichnung „Rechtsanwaltssozietät“ verwendet werde, mit einem – zu klein geratenen – Sternchenhinweis aber auf die Stellung als freie Mitarbeiter hingewiesen werde, die demnach keine Sozien sein wollten. Damit vertrage es sich nicht, durch „& Kollegen“ damit werben zu lassen, dass eine sozietätsmäßige Verbindung bestehe.
 
LG Bielefeld: Kanzlei darf Zusatz „& Kollegen“ benutzen
Das LG Bielefeld war der Ansicht, dass die gewählte Bezeichnung mit dem Zusatz „& Kollegen“ in der konkreten Situation nicht verwehrt werden durfte, berufsrechtlich sei die gewählte Bezeichnung zulässig. Nach ihr müssten vier Berufsträger vorhanden sein, wobei die Kanzlei diesem Erfordernis genüge. Denn es sei nicht nötig, dass sämtliche vier Anwälte Sozien sind, so das Gericht. Nach § 8 S. 1 BORA gebe es auch Verbindungen zur gemeinschaftlichen Berufsausübung „in sonstiger Weise“, zu denen auch die freie Mitarbeit gehört, erklärt das LG weiter.  Des Weiteren macht es klar, dass eine Beanstandung aus wettbewerbsrechtlicher Sicht, insbesondere nach §§ 5, 5a UWG, nur in Ausnahmefällen in Betracht komme. Dies gelte dann, wenn der durch den Briefbogen erweckte Anschein der Mitarbeiter weiterer Berufsträger falsch ist, weil die weiteren Mitarbeiter nur zum Schein aufgeführt sind. Das könne vorliegend trotz der anderweitigen Berufstätigkeit zweier Berufsträger in Vollzeit nicht festgestellt werden: Denn es bestehe eine Verfügbarkeit kraft der vorgelegten Freistellungsbescheinigungen; zureichende Anhaltspunkte dafür, dass sie von vorneherein davon nicht Gebrauch machen wollen, sich also nur zum Schein in den Briefbogen haben aufnehmen lassen, seien aber nicht vorhanden. Eine Verfügbarkeit lediglich auf Anfrage liege nicht vor.  Weiter heißt es in der Entscheidung: „Darüber hinaus erscheint es der Kammer kein gangbarer Weg zu sein, Berufsanfängern, die sich zur gemeinschaftlichen Berufsausübung als Anwälte zusammentun, die Bezeichnung „& Kollegen“ erst zu gestatten, wenn bei jedem „Kollegen“ ein bestimmtes Maß der effektiven Tätigkeit (wieviele Stunden pro Woche?) erreicht ist“. Zu berücksichtigen sei weiter, dass eine Verkehrserwartung dahin, dass alle auf dem Briefbogen einer Anwaltsgemeinschaft aufgeführten Anwälte „echte“ Sozien sind, nicht mehr bestehe; dies verdeutliche § 8 BORA.
 
„Rechtsanwaltssozietät“ ist nicht irreführend
Anknüpfend daran ist auch die Zusatzbezeichnung „Rechtsanwaltssozietät“ entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht irreführend. Denn unbestritten bestehe eine aus zwei Rechtsanwälten gebildete GbR, damit eine Sozietät. Der Versuch, mittels Sternchenhinweises die freien Mitarbeiter vor einer möglichen Haftung als sogenannte Scheinsozien zu bewahren, sei nicht zu beanstanden. Denn eine Pflicht zur Begründung einer Scheinsozietät bestehe nicht. Nicht jede Benennung eines weiteren Rechtsanwalts im Briefbogen führe zwingend zu einer diesen Berufsträger in die Haftung einschließenden Außengesellschaft. Vielmehr sei die konkrete Gestaltung des Außenauftritts im Einzelfall entscheidend. Hierbei bestehe durchaus die Möglichkeit, durch ausdrückliche Hinweise an die Rechtssuchenden, wie etwa die nach § 8 BORA zulässige Angabe des Anstellungsverhältnisses oder freien Mitarbeit, Transparenz zu schaffen und einen haftungsbegründenden Rechtsschein zu vermeiden. Über die Frage, ob es irreführend ist, wenn der Sternchenhinweis an anderer Stelle – im Internet – fehlen sollte, hatte das Gericht nicht zu entscheiden.