Rechtsanwältin Christine Bonke-Heseler

recht.flott. UG (haftungsbeschränkt)
22765, Hamburg
Rechtsgebiete
Recht der freien Berufe
20.01.2013

Anwalt muss „Zweigstelle“ auf Briefbogen nicht kenntlich machen

Ein Anwalt muss auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen weder sämtliche Standorte seiner Niederlassungen oder durch Verwendung der Begriffe "Kanzlei" und "Zweigstelle" kenntlich machen, wo er seine Kanzlei und wo er Zweigstellen unterhält. Dies hat der BGH mit Beschluss vom 16.05.2012 - I ZR 74/11 – entschieden. Darüber hinaus besteht nach Ansicht des BGH keine Verpflichtung, auf den in einer Zweigstelle verwendete Briefbögen den Standort der Kanzlei anzugeben; der Rechtsanwalt muss vielmehr nur auf solchen Briefbögen die Anschrift der Zweigstelle nennen und nicht auch die Anschrift der (Haupt-)Kanzlei. Denn grundsätzlich begründe die Bestimmung des § 5a Abs. 2 UWG keine generelle Informationspflicht, sondern verpflichte allein zur Offenlegung solcher Informationen, die für die geschäftliche Entscheidung erhebliches Gewicht haben und deren Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann.
 
Sachverhalt
Die Klägerin (Kl) ist eine RAK, der Beklagte (Bekl) ist ein bei der Kl. zugelassener RA, in M., der Zweigstellen in E. und K. unterhält. Für die Zweigstelle in E. verwendet er Briefbögen, auf deren Vorderseite allein die Anschrift der Kanzlei in E. angegeben und der Bekl. an zweiter Stelle von drei in dieser Kanzlei tätigen RAen genannt ist. Auf der Rückseite der Briefbögen sind sowohl die Anschrift der Kanzlei in E. als auch die Anschriften der Kanzleien in M. und K. angegeben. Der Bekl. ist für die Kanzlei in M. an erster Stelle von drei RAen und für die Kanzlei in K. an zweiter Stelle von zwei RAen genannt. Die Angaben zur Kanzlei in E. sind gegenüber den Angaben zu den Kanzleien in M. und K. farblich hervorgehoben. Für seine Kanzleien in M. und K. verwendet der Bekl. in gleicher Weise gestaltete Briefbögen. Die Kl. ist der Ansicht, die Gestaltung der Briefbögen verstoße gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 10 Abs. 1 BORA sowie gegen § 5a Abs. 2 UWG und sei damit wettbewerbswidrig. Auf der Vorderseite der Briefbögen fehle jeglicher Hinweis, dass der Bekl. seiner anwaltlichen Tätigkeit auch an anderen Standorten nachgehe, wo er seine Hauptkanzlei und wo er Zweigstellen unterhalte. Es genüge nicht, dass die übrigen Standorte auf der Rückseite der Briefbögen angegeben seien; der Verbraucher nehme die Rückseite solcher Briefbögen nicht unbedingt zur Kenntnis.
 
 
Keine Nennung sämtliche Standorte von Niederlassungen notwendig
Der BGH gab dem Rechtsanwalt Recht: Er sei weder nach § 10 Abs. 1 BORA noch nach § 37a Abs. 1 HGB oder § 5a Abs. 2 UWG verpflichtet, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen zu nennen; selbst wenn eine solche Verpflichtung bestünde, hätte der Bekl. ihr dadurch entsprochen, dass er auf der Rückseite dieser Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen angegeben hat. Der Bekl sei auch weder nach § 10 Abs. 1 BORA noch nach § 5a Abs. 2 UWG verpflichtet, durch Verwendung der Begriffe "Kanzlei" und "Zweigstelle" kenntlich zu machen, wo er seine Kanzlei i.S.v. § 27 Abs. 1 BRAO und wo er Zweigstellen unterhält.

 
Keine Verpflichtung zur Angabe weiterer Niederlassungen aus DL-InfoV
Das Berufungsgericht habe mit Recht angenommen, dass das Fehlen von Angaben zu anderen Niederlassungen des RA nicht - was in diesem Fall insoweit allein in Betracht komme - gegen die Verordnung über Informationspflichten für Dienstleistungserbringer (DL-InfoV) verstößt, die der Umsetzung der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt dient, so der BGH. Zwar mag die Präsenz eines RA in seinem Büro ein Umstand sein, der für die Entscheidung eines Durchschnittsverbrauchers bei der Auswahl eines RA von Bedeutung ist; dies beutet nach Ansicht des Gerichtshofs aber nicht, dass es sich dabei um eine wesentliche Information i.S.d. § 5a Abs. 2 UWG handelt, die dem Verbraucher nicht vorenthalten werden darf. „Eine Information ist nicht allein deshalb wesentlich i.S.d. Bestimmung, weil sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein kann“. Für einen Durchschnittsverbraucher mögen bei der Auswahl eines RA beispielsweise auch dessen Examensnoten von Interesse sein. Dennoch bestehe sicherlich keine Verpflichtung des RA, seine Examensnoten anzugeben. Die unerlässlichen Informationen ergäben sich bereits aus § 5a Abs. 1 UWG und damit aus dem allgemeinen Irreführungsverbot.
 
 
Angaben auf Rückseite reichen aus
Selbst wenn der Bekl verpflichtet wäre, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen zu nennen, hätte er dieser Verpflichtung dadurch entsprochen, dass er auf der Rückseite der Briefbögen diese Angaben gemacht hat. Denen sei eindeutig zu entnehmen, dass der Bekl. an allen drei Standorten seiner Kanzlei tätig ist, während die anderen RAe jeweils in nur einer dieser Niederlassungen tätig sind. Der Durchschnittsverbraucher könne daraus schließen, dass die Präsenz des Bekl. an den einzelnen Standorten eingeschränkt ist. Der BGH sagt ganz klar, dass die Rückseite der Briefbögen bei der Beurteilung der Frage, ob der Bekl die Information über das Bestehen weiterer Standorte seiner Kanzlei vorenthalten hat, in die Betrachtung einzubeziehen ist; die Angaben müssten nicht bereits auf der Vorderseite des ersten Briefbogens gemacht werden. Ohne Erfolg mach die Kl. geltend, dass bei einer Übermittlung des anwaltlichen Schriftverkehrs per Telefax oder E-Mail die Rückseite des Briefkopfes häufig nicht mitübersandt werde, denn sie habe ihren Unterlassungsanspruch nicht darauf gestützt.

 
Keine Kenntlichmachung von (Haupt-)Kanzlei und Zweigstelle nötig
Der Bekl. sei nach § 10 Abs. 1 BORA nicht verpflichtet, durch Verwendung der Begriffe "Kanzlei" und "Zweigstelle" kenntlich zu machen, wo er seine Kanzlei i.S.v. § 27 Abs. 1 BRAO und wo er Zweigstellen unterhält. Aus der Verpflichtung zur Angabe der Kanzleianschrift folgt laut BGH keine Verpflichtung des RA, kenntlich zu machen, ob er unter dieser Anschrift seine Kanzlei i.S.v. § 27 Abs. 1 BRAO oder eine Zweigstelle betreibt. Auch aus § 5a Abs. 2 UWG ergebe sich dieses nicht, denn auch hier handele es sich nicht um eine wesentliche Information. Auch für die Briefbögen, die der Bekl. in seiner Niederlassung benutzt, gelte grundsätzlich das Gesagte.

Aus § 10 Abs. 1 BORA ergebe sich zudem bereits keine Verpflichtung zur Angabe des Kanzleistandorts, sondern eine Verpflichtung zur Angabe der Kanzleianschrift. Auf den Briefbögen, die der RA für seine anwaltliche Tätigkeit in einer Zweigstelle verwendet, müsse der nur die Anschrift der Zweigstelle und nicht auch die Anschrift der (Haupt-)Kanzlei angeben. Der Begriff "Kanzleianschrift" umfasst nicht nur die Anschrift der Kanzlei i.S.d. § 27 Abs. 1 BRAO, sondern auch die Anschrift von Zweigstellen, so der BGH.