Rechtsanwältin Christine Bonke-Heseler

recht.flott. UG (haftungsbeschränkt)
22765, Hamburg
Rechtsgebiete
Recht der freien Berufe
27.02.2012

„Nicht die Gestattung der Anwaltswerbung bedarf einer Rechtfertigung, sondern deren Einschränkung“ - Anwaltswerbung in Form von Rundschreiben an Fondsgesellschafter kann zulässig sein

Im Rahmen der Entscheidungen zum anwaltlichen Werberecht, die Ihnen recht.flott. in Erinnerung rufen will, ist der Beschluss des KG vom 31.08.2010, 5 W 198/10, aus drei Gründen äußerst interessant. Zum einen macht das Gericht ganz deutlich, dass bei der Auslegung von § 43b BRAO berücksichtigt werden muss: Rechtsanwälten ist eine Werbung für ihre berufliche Tätigkeit im Grundsatz nicht verboten, sondern erlaubt, so der eindeutige Standpunkt. Zum anderen wird über Möglichkeiten und Grenzen eines wirklich beherzten Marketings entschieden, das vielleicht gerade Anwälte reizt, die sich frisch am Anwaltsmarkt bewegen. Darüber hinaus bietet der Beschluss einen guten Überblick über das Verbot einer auf Erteilung eines Auftrages im Einzelfall gerichteten Werbung. Darauf wird zusammenfassend am Ende dieses Beitrags eingegangen.

Sachverhalt

Ein Rechtsanwalt sendete ein Rundschreiben an die Gesellschafter einer Filmproduktions-Fondsgesellschaft und informierte sie über mögliche steuerrechtliche Nachteile ihres Investments und damit verbundene etwaige Regressansprüche. Er machte auf die zum Jahresende drohende Verjährung aufmerksam und wies auf die Möglichkeit einer gemeinsamen Rechtsverfolgung gegenüber Banken und anderen Beteiligten hin. In das Rundschreiben waren seine Honorarvorstellungen eingebunden. Er lud außerdem zu einer Informationsveranstaltung zu verschiedenen Terminen in verschiedenen Großstädten Deutschlands ein. Der Anwalt musste sich dem Vorwurf der wettbewerbsrechtlichen Unlauterkeit (Werbung um die Erteilung eines Auftrages im Einzelfall) stellen.

Das Gericht hat für den Anwalt entschieden
Allemal könne eine für sich genommene an sich zulässige Werbung um mögliche Auftraggeber eine auf die Erteilung von Aufträgen im Einzelfall gerichtete, gegen § 43b BRAO verstoßende Werbung darstellen. Laut Gericht ist dem so, wenn der Umworbene in einem konkreten Einzelfall der Beratung und Vertretung bedarf und der Werbende dies in Kenntnis der Umstände zum Anlass für seine Werbung nimmt. Diese Form der Werbung sei unzulässig, weil eine Lage des Umworbenen ausgenutzt werden könne, in der er auf Hilfe angewiesen ist und sich und sich möglicherweise nicht frei für einen Anwalt entscheiden kann. Das KG stellt aber klar, dass vom Zweck der Vorschrift nicht solche Fälle erfasst werden sollen, in denen ein konkreter Handlungs- oder Beratungsbedarf beim Adressaten erst aufgrund der in der Anwaltswerbung enthaltenen Angaben zu einer konkreten Fallgestaltung bewusst gemacht wird. Wende sich der Anwalt an Personen, bei denen er ein generelles Interesse an seinen Leistungen erwarten darf und die er deshalb als Auftraggeber zu gewinnen hofft, sei dies rechtlich nicht zu beanstanden.

Grenzbereich wettbewerbsrechtlich zulässiger Anwaltswerbung
Nach Ansicht des KG bewegt sich der Anwalt in einem Grenzbereich wettbewerbsrechtlich zulässiger Anwaltswerbung: Denn er habe sich gezielt an die Gesellschafter einer bestimmten Filmproduktions-Fondsgesellschaft gewendet und dabei auch das "Ziel einer gemeinsamen Rechtsverfolgung gegenüber beratenden Banken und Initiatoren" ausdrücklich bekundet. Zudem werde unter Hinweis auf eine zum Jahresende drohende Verjährung von Ansprüchen ein zeitlicher Druck erzeugt. Der Anwalt spreche von der "Möglichkeit und Notwendigkeit einer gebündelten anwaltlichen Vertretung" und biete sich ausdrücklich als rechtsanwaltlicher Vertreter an, noch dazu unter Hinweis auf die Höhe von ihm geforderter Anwaltsgebühren.

Grenzen einer Werbung für anwaltliche Leistungen ist noch nicht überschritten
Das Gericht sieht die wettbewerbsrechtlichen Grenzen einer Werbung für anwaltliche Leistungen aber als noch nicht überschritten an. Die Gründe: Die Fondsgesellschaft, an der die angesprochenen Gesellschafter beteiligt sind, sei nicht notleidend. Mit dem Rundschreiben werde nur auf drohende steuerrechtliche Nachteile und in diesem Zusammenhang nahe liegende Regressansprüche der Fondsgesellschafter aufmerksam gemacht, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist würden noch mehrere Monate verbleiben. Das Rundschreiben nehme eine steuerrechtliche Entwicklung auf und sei keine Aufforderung zu einer Mandatierung, sondern Einladung zu einer Informationsveranstaltung. Dies unterstreiche umso mehr die Absicht, den Fondsgesellschaftern einen konkreten Handlungs- und Beratungsbedarf (zu einer konkreten Fallgestaltung) erst durch seine Aufklärung in der Werbung und in den Informationsveranstaltungen bewusst zu machen, so das KG abschließend; der Adressat des Rundschreibens erkenne das im Vordergrund stehende, um eine Aufklärung bemühte Ziel dieser Werbung.

Verbot einer auf Erteilung eines Auftrages im Einzelfall gerichteten Werbung – was ist erlaubt?
Das KG hält fest, dass vor der Einführung des § 43b in die BRAO zu dem aus § 43 BRAO zu dem hergeleiteten Verbot berufswidriger Werbung auch das unaufgeforderte direkte Herantreten an potentielle Mandanten als gezielte Werbung gerechnet wurde. Das nunmehr in § 43b BRAO enthaltene Verbot einer auf Erteilung eines Auftrages im Einzelfall gerichteten Werbung sei nicht mit dem früher aus § 43 BRAO abgeleiteten Verbot der gezielten Werbung gleichzusetzen. Die Bestimmung verbiete grundsätzlich nur die Werbung um einzelne Mandate, d.h. unmittelbar auf die Erteilung eines Auftrags in einem konkreten Einzelfall gerichtete Maßnahmen. Demgegenüber sei die Werbung um einzelne Mandanten, die darauf gerichtet ist, die Umworbenen dafür zu gewinnen, die Leistungen des Werbenden in Anspruch zu nehmen, grundsätzlich erlaubt. Insbesondere sei eine Anwaltswerbung nicht deshalb unzulässig, weil sie sich an Personen richtet, zu denen kein mandantschaftliches Verhältnis besteht oder bestanden hat. Eine für sich genommen an sich zulässige Werbung um mögliche Auftraggeber könne sich allerdings als eine auf die Erteilung von Aufträgen im Einzelfall gerichtete, gegen § 43b BRAO verstoßende Werbung darstellen, wenn der Umworbene in einem konkreten Einzelfall der Beratung und Vertretung bedarf und der Werbende dies in Kenntnis der Umstände zum Anlass für seine Werbung nimmt. In Hinblick auf den Zweck der Vorschrift (Schutz vor gezielter persönlicher Kontaktaufnahme, die gegebenenfalls als aufdringlich empfunden werden kann) würden nicht auch solche Fälle erfasst, in denen ein konkreter Handlungs- oder Beratungsbedarf beim Adressaten erst aufgrund der in der Anwaltswerbung enthaltenen Angaben zu einer konkreten Fallgestaltung bewusst gemacht wird.