MaßstG

Maßstäbegesetz

Gesetz über verfassungskonkretisierende allgemeine Maßstäbe für die Verteilung des Umsatzsteueraufkommens, für den Finanzausgleich unter den Ländern sowie für die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

(1) Dieses Gesetz benennt Maßstäbe für die Festsetzung der Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer (vertikale Umsatzsteuerverteilung) nach Artikel 106 Abs. 3 Satz 4 und Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes, für die Vergabe von Ergänzungsanteilen der Länder an der Umsatzsteuer (horizontale Umsatzsteuerverteilung) nach Artikel 107 Abs. 1 Satz 4 zweiter Halbsatz des Grundgesetzes, für die Voraussetzungen und die Höhe der Ausgleichsansprüche und Ausgleichsverbindlichkeiten (Länderfinanzausgleich) nach Artikel 107 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes sowie für die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen nach Artikel 107 Abs. 2 Satz 3 des Grundgesetzes.

(2) Die Maßstäbe konkretisieren die in Absatz 1 genannten Normen des Grundgesetzes. Die Anwendung der Maßstäbe stellt sicher, dass Bund und Länder die verfassungsrechtlich vorgegebenen Ausgangstatbestände in gleicher Weise interpretieren und ihnen dieselben Indikatoren zugrunde legen. Sie gewährleistet auch haushaltswirtschaftliche Planbarkeit und Voraussehbarkeit der finanzwirtschaftlichen Grundlagen sowie Transparenz der Mittelverteilung im Gesamtstaat.

(1) Das Finanzausgleichsgesetz dient der Ableitung der konkreten jährlichen Zuteilungs- und Ausgleichsfolgen im Regelungsbereich des § 1 Abs. 1.

(2) Das Finanzausgleichsgesetz hat den finanzwirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Möglichkeiten der Anpassung an finanzwirtschaftliche Veränderungen sind sicherzustellen.

(3) Die Regelungen müssen den Erfordernissen der Normenklarheit und Normenverständlichkeit genügen.

Von Mehr- oder Mindereinnahmen gegenüber den länderdurchschnittlichen Einnahmen sowie von überdurchschnittlichen Mehreinnahmen oder unterdurchschnittlichen Mindereinnahmen je Einwohner gegenüber dem Vorjahr muss dem betreffenden Land ein Eigenbehalt verbleiben.

(1) Die vertikale Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern wird auf der Grundlage des Deckungsquotenprinzips festgesetzt.

(2) Zusätzlich werden in die Festsetzung der Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer Steuermindereinnahmen einbezogen, die den Ländern ab 1. Januar 1996 aus der Berücksichtigung von Kindern im Einkommensteuerrecht entstehen.

(3) Bei der Abstimmung der Deckungsbedürfnisse von Bund und Ländern sowie der Gestaltung der öffentlichen Haushalte ist über die Bestimmungen des Artikels 106 Abs. 3 Satz 4 und 5 des Grundgesetzes hinaus sicherzustellen, dass durch eine gemeinsame Ausgabenlinie die Bestimmungen des Maastricht-Vertrages und des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes zur Begrenzung des gesamtstaatlichen Defizits umgesetzt werden.

(1) Aus dem Länderanteil am Aufkommen der Umsatzsteuer sollen in Höhe von bis zu einem Viertel Ergänzungsanteile den Ländern gewährt werden, deren Einnahmen je Einwohner aus den Landessteuern, aus der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer und nach dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund den Durchschnitt aller Länder unterschreiten; bei der Grunderwerbsteuer ist anstelle der Einnahmen die Steuerkraft anzusetzen. Zur Bestimmung der Steuerkraft der Grunderwerbsteuer sind die Einnahmen um die durch länderunterschiedliche Steuersätze entstehenden Einnahmeunterschiede zu bereinigen.

(2) Die Vergabe von Ergänzungsanteilen dient der Verminderung besonders großer Unterschiede der Einnahmen im Sinne von Absatz 1.

Der Finanzausgleich unter den Ländern dient der Annäherung ihrer Finanzkraft. Dabei sind die Eigenstaatlichkeit der Länder einerseits und ihre Einbindung in die bundesstaatliche Solidargemeinschaft andererseits zu berücksichtigen. Es bestehen Ausgleichsansprüche der Länder mit unterdurchschnittlicher Finanzkraft (ausgleichsberechtigte Länder) und Ausgleichsverbindlichkeiten der Länder mit überdurchschnittlicher Finanzkraft (ausgleichspflichtige Länder).

(1) Die Finanzkraft bemisst sich nach den ausgleichserheblichen Einnahmen. Grundsätzlich sind alle Einnahmen von Ländern und Gemeinden sowie Gemeindeverbänden zu berücksichtigen. Nicht ausgleichserheblich sind solche Einnahmen, deren Volumen unerheblich ist, die in allen Ländern verhältnismäßig je Einwohner gleich anfallen, die als Entgelte oder entgeltähnliche Abgaben lediglich Leistungen des Landes oder seiner Gemeinden und Gemeindeverbände ausgleichen oder bei denen der Aufwand für die Ermittlung der auszugleichenden Einnahmen zur möglichen Ausgleichswirkung außer Verhältnis steht.

(2) Die ausgleichserheblichen Einnahmen nach Absatz 1 sind vorbehaltlich § 8 Abs. 4 in voller Höhe zu berücksichtigen.

(1) Um die Finanzkraft der Länder vergleichbar zu machen, ist als abstraktes Bedarfskriterium die jeweilige Einwohnerzahl eines Landes zugrunde zu legen. Die Einwohnerzahl nach Satz 1 ist zu modifizieren, wenn strukturelle Eigenarten der Länder und ihrer Gemeinden abstrakte Mehrbedarfe begründen. Im Ansatz der abstrakten Mehrbedarfe findet auch der Finanzbedarf der Gemeinden und Gemeindeverbände Berücksichtigung.

(2) Die Berücksichtigung eines abstrakten Mehrbedarfs eines Landes und seiner Gemeinden und Gemeindeverbände setzt die Einbeziehung vergleichbarer abstrakter Mehrbedarfe anderer Länder und deren Gemeinden und Gemeindeverbände voraus. Die Höhe eines abstrakten Mehrbedarfs ist anhand objektivierbarer Indikatoren zu bestimmen.

(3) Um die Finanzkraft der Stadtstaaten einerseits und die der Flächenländer andererseits vergleichen zu können, ist den abstrakten Mehrbedarfen der Stadtstaaten durch eine Modifizierung der Einwohnerzahl Rechnung zu tragen. Ferner kann die Berücksichtigung abstrakter Mehrbedarfe besonders dünn besiedelter Flächenländer notwendig werden.

(4) Sofern eine umfassende Abbildung des kommunalen Finanzbedarfs nach Maßgabe der vorstehenden Absätze nicht möglich ist, muss dem insoweit nicht berücksichtigten abstrakten Mehrbedarf durch einen Abschlag von den nach § 7 ausgleichserheblichen Einnahmen der Gemeinden und Gemeindeverbände Rechnung getragen werden.

Der angemessene Ausgleich erfordert eine den ländereigenen Aufgaben entsprechende hinreichende Annäherung der Finanzkraft der Länder. Diese ist erreicht, wenn die Eigenstaatlichkeit der Länder und ihre Einbindung in die bundesstaatliche Solidargemeinschaft zugleich berücksichtigt sind. Auszuschließen sind sowohl eine entscheidende Schwächung der Leistungsfähigkeit der ausgleichspflichtigen Länder als auch eine Nivellierung der Finanzkraft der Länder. Der Länderfinanzausgleich darf weder die Finanzkraftabstände zwischen einzelnen Ländern aufheben, noch zu einer Verkehrung der Finanzkraftreihenfolge unter den Ländern führen.

(1) Bundesergänzungszuweisungen dienen dem ergänzenden Ausgleich im Anschluss an den Länderfinanzausgleich. Die Vergabe von Bundesergänzungszuweisungen setzt eine Leistungsschwäche des Empfängerlandes voraus. Leistungsschwach sind grundsätzlich nur ausgleichsberechtigte Länder. Die Leistungsschwäche ist anhand des Verhältnisses von Finanzaufkommen und Ausgabenlasten zu bestimmen.

(2) Der Bund kann die Finanzkraft leistungsschwacher Länder allgemein anheben (allgemeine Bundesergänzungszuweisungen) und Sonderlasten leistungsschwacher Länder mitfinanzieren (Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen).

(3) Bundesergänzungszuweisungen stellen eine nachrangige und ergänzende Korrektur des Finanzausgleichs unter den Ländern dar. Dem ist bei der Bemessung des Gesamtumfangs der Bundesergänzungszuweisungen Rechnung zu tragen. Dieser darf daher im Verhältnis zum Gesamtvolumen des Finanzausgleichs unter den Ländern nicht beträchtlich sein. Abweichungen von Satz 3 sind aus besonderen Gründen und vorübergehend zulässig.

(1) Bei der Gewährung von allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen bestimmt sich die Leistungsschwäche eines Landes danach, ob dessen Finanzkraft im Anschluss an den Länderfinanzausgleich nach dem bundesstaatlichen Prinzip des solidarischen Einstehens füreinander noch unangemessen im Verhältnis zur länderdurchschnittlichen Finanzkraft ist. Die Finanzkraft eines Landes ist unangemessen im Sinne des Satzes 1, wenn sie erkennbar unterhalb der länderdurchschnittlichen Finanzkraft liegt.

(2) Eine Nivellierung der Finanzkraft der Länder durch allgemeine Bundesergänzungszuweisungen ist auszuschließen. § 9 Satz 4 gilt entsprechend.

(1) Die Gewährung von Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen setzt voraus, dass die Sonderlasten benannt und begründet werden. Nur aus besonderen Gründen können Sonderlasten berücksichtigt werden. Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen dienen nicht dazu, aktuelle Vorhaben zu finanzieren oder finanziellen Schwächen abzuhelfen, die eine unmittelbare und voraussehbare Folge von politischen Entscheidungen eines Landes bilden. Auch kurzfristige Finanzschwächen können Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen nicht rechtfertigen. Die benannten und begründeten Sonderlasten müssen bei allen Ländern berücksichtigt werden, bei denen sie vorliegen.

(2) Ausnahmsweise kann die Gewährung von Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen dazu führen, dass die Finanzkraft des Empfängerlandes die länderdurchschnittliche Finanzkraft übersteigt.

(3) Die Vergabe von Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen ist zu befristen. Auch sollen Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen im Regelfall degressiv ausgestaltet werden. Die Voraussetzungen für die Vergabe von Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen sind in angemessenem Zeitabstand zu überprüfen.

(4) Soweit Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen als ein Instrument zur Sanierung des Haushaltes eines Landes aufgrund einer extremen Haushaltsnotlage in Betracht kommen, setzt ihre Gewährung angesichts der nur in Ausnahmefällen gegebenen Hilfeleistungspflicht der bundesstaatlichen Gemeinschaft zusätzlich voraus, dass das betreffende Land ausreichende Eigenanstrengungen unternommen hat, um eine drohende Haushaltsnotlage abzuwenden oder sich aus ihr zu befreien. Es dürfen keine ausgabenseitigen Sonderbedarfe als Ursache für eine Haushaltsnotsituation geltend gemacht werden, die bereits im Wege anderer Hilfen abgegolten worden sind. Hilfen zur Haushaltssanierung sind mit strengen Auflagen und einem verbindlichen Sanierungsprogramm zu verknüpfen.

(5) Die besondere Situation der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nach der Herstellung der Deutschen Einheit begründet Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen zur Deckung von Sonderlasten aus dem bestehenden starken infrastrukturellen Nachholbedarf und zum Ausgleich unterproportionaler kommunaler Finanzkraft. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung eines solchen Nachholbedarfs und die Regelung seiner Finanzierung ist das Inkrafttreten des Finanzausgleichsgesetzes im Sinne von § 2 Abs. 1.

(6) Kosten politischer Führung können Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen begründen, sofern ein Land im Hinblick auf seine Einwohnerzahl mit solchen Kosten überproportional belastet ist. Sonderlasten durch die strukturelle Arbeitslosigkeit und daraus entstehende überproportionale Lasten bei der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für Erwerbsfähige können Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen begründen. Absatz 3 Satz 1 gilt nicht.

Bis zum Inkrafttreten eines Finanzausgleichsgesetzes, das den Anforderungen der vorstehenden Vorschriften genügt, ist das Finanzausgleichsgesetz vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944, 977), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 16. August 2001 (BGBl. I S. 2074), weiter anzuwenden, längstens bis zum 31. Dezember 2004.

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Dieses Gesetz tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2019 außer Kraft.

Jur. Bezeichnung
MaßstG
Pub. Bezeichnung
MaßstG
Veröffentlicht
09.09.2001
Fundstellen
2001, 2302: BGBl I
Standangaben
Aufh: Das G tritt gem. § 15 mit Ablauf des 31.12.2019 außer Kraft
Stand: Zuletzt geändert durch Art. 8 G v. 29.5.2009 I 1170