KJHG

Kinder- und Jugendhilfegesetz

Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts

Erster Teil
 Ergänzung und Änderung des Sozialgesetzbuchs
Artikel 1
 Sozialgesetzbuch (SGB)
  Achtes Buch (VIII)
   Kinder- und Jugendhilfe
Artikel 2
 Änderung des Sozialgesetzbuchs
 - Allgemeiner Teil -
Artikel 3
 Änderung des Sozialgesetzbuchs
 - Verwaltungsverfahren -
Zweiter Teil
 Änderung weiterer Gesetze
Artikel 4
 Änderung des Bundessozialhilfegesetzes
Artikel 5
 Änderung des Bürgerlicher Gesetzbuchs
Artikel 6
 Änderung des Jugendgerichtsgesetzes
Artikel 7
 Änderung des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
Artikel 8
 Änderung des Gesetzes über die Durchführung von Statistiken auf dem Gebiet der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe
Artikel 9
 Änderung sonstigen Bundesrechts
Dritter Teil
 Überleitungs- und Schlußvorschriften
  Erster Abschnitt
    Überleitungsvorschriften
Artikel 10
 Übergangsfassung einzelner Vorschriften
Artikel 11
 Übergangsvorschrift für Leistungen an seelisch behinderte Kinder und Jugendliche
Artikel 12
 Fortführung einer Einrichtung
Artikel 13
 Jugendhilfeausschuß, Landesjugendhilfeausschuß
Artikel 14
 Örtliche Zuständigkeit, Kostenerstattung
Artikel 15
 Sachliche Zuständigkeit des Landesjugendamts
Artikel 16
 Fortgeltung von Verwaltungsakten
Artikel 17
 Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten
Artikel 18
 Verfahren vor dem Vormundschaftsgericht
Artikel 19
 Eintragungen im Erziehungsregister
  Zweiter Abschnitt
    Schlußvorschriften
Artikel 20
 Einschränkung von Grundrechten
Artikel 21
 Zuständigkeit für die Kostenerstattung auf Grund der deutsch-schweizerischen Fürsorgevereinbarung
Artikel 22
 Stadtstaatenklausel
Artikel 23
 Inkrafttreten

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

(1) Bis zum 31. Dezember 1994 sind abweichend von Artikel 1 in folgenden Fassungen anzuwenden:

1.
§ 17 Abs. 1 Satz 1:
"(1) Müttern und Vätern kann im Rahmen der Jugendhilfe Beratung in Fragen der Partnerschaft angeboten werden, wenn sie für ein Kind oder einen Jugendlichen zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen."
2.
§ 17 Abs. 2:
"(2) Im Fall der Trennung oder Scheidung können Eltern bei der Entwicklung eines einvernehmlichen Konzepts für die Wahrnehmung der elterlichen Sorge unterstützt werden, das als Grundlage für die richterliche Entscheidung über das Sorgerecht nach der Trennung oder Scheidung dienen kann."
3.
§ 20 Abs. 1:
"(1) Fällt der Elternteil, der die überwiegende Betreuung des Kindes übernommen hat, für die Wahrnehmung dieser Aufgabe aus gesundheitlichen oder anderen zwingenden Gründen aus, so kann der andere Elternteil bei der Betreuung und Versorgung des im Haushalt lebenden Kindes unterstützt werden, wenn
1.
er wegen berufsbedingter Abwesenheit oder Krankheit nicht in der Lage ist, die Aufgabe wahrzunehmen,
2.
die Hilfe erforderlich ist, um das Wohl des Kindes zu gewährleisten,
3.
Angebote der Förderung des Kindes in Tageseinrichtungen oder in Tagespflege nicht ausreichen."
4.
§ 20 Abs. 2:
"(2) Fällt ein alleinerziehender Elternteil oder fallen beide Elternteile aus gesundheitlichen oder anderen zwingenden Gründen aus, so kann unter der Voraussetzung des Absatzes 1 Nr. 3 das Kind im elterlichen Haushalt versorgt und betreut werden, wenn und solange es für sein Wohl förderlich ist."
5.
§ 41 Abs. 1 Satz 1:
"(1) Einem jungen Volljährigen kann Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange die Hilfe aufgrund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist."
6.
§ 41 Abs. 4:
"(4) Der junge Volljährige kann auch nach Beendigung der Hilfe bei der Verselbständigung im notwendigen Umfang beraten werden."

(2) Bis zum 31. Dezember 1994 ist Artikel 1 § 27 Abs. 2 mit folgender Maßgabe anzuwenden:
"Wenn und soweit die in den §§ 31 und 32 genannten Hilfearten nicht bedarfsgerecht zur Verfügung stehen, sollen sie vorrangig Kindern und Jugendlichen geleistet werden, denen sonst Hilfe zur Erziehung nach § 33 oder § 34 gewährt werden müßte."

(3)

(1) Abweichend von Artikel 1 § 10 Abs. 2 Satz 2 und § 35a gehen bis zum 31. Dezember 1994 auch für junge Menschen, die seelisch behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, die Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz vor.

(2) Landesrecht kann die Geltung von Absatz 1 ausschließen oder eine andere Übergangsfrist vorsehen.

(1) Für Einrichtungen, die vor dem Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes in Betrieb genommen worden sind, gelten die nachstehenden besonderen Vorschriften.

(2) Für Einrichtungen, die nach § 79 Abs. 2 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. April 1977 (BGBl. I S. 633, 795), das zuletzt durch Artikel 6 § 8 des Gesetzes vom 25. Juli 1986 (BGBl. I S. 1142) geändert worden ist, von der Anwendung des § 28 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt in der genannten Fassung widerruflich befreit sind, gilt die Befreiung als Erlaubnis nach Artikel 1 § 45.

(3) Eine am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes bestehende Einrichtung, zu deren Betrieb der Träger einer Erlaubnis nach Artikel 1 § 45 bedarf, darf ohne diese Erlaubnis weiterbetrieben werden, sofern die Erlaubnis unverzüglich beantragt wird. Bis zum Abschluß des Erlaubniserteilungsverfahrens kann die nach Landesrecht zuständige Behörde den Betrieb einer solchen Einrichtung untersagen, wenn Tatsachen festgestellt werden, die geeignet sind, das leibliche, geistige oder seelische Wohl der in der Einrichtung betreuten Kinder und Jugendlichen zu gefährden und eine unverzügliche Beseitigung der Gefährdung nicht zu erwarten ist.

(1) Ein am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes bestehender und nach § 14 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt zusammengesetzter Jugendwohlfahrtsausschuß gilt als Jugendhilfeausschuß, bis sich die erstmals nach diesem Zeitpunkt gewählte Vertretungskörperschaft konstituiert hat.

(2) Ein am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes bestehender und nach § 21 Abs. 3 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt zusammengesetzter Landesjugendwohlfahrtsausschuß gilt als Landesjugendhilfeausschuß, bis aufgrund landesrechtlicher Regelung ein neuer Landesjugendhilfeausschuß gebildet wird.

(1) Abweichend von den Vorschriften des Artikels 1 über die örtliche Zuständigkeit bleibt für die Gewährung einer Hilfe zur Erziehung, die am Tage des Inkrafttretens des Kinder- und Jugendhilfegesetzes bereits eingeleitet war, der örtliche Träger, der die Hilfe zur Erziehung eingeleitet hat, so lange örtlich zuständig, bis das Kind oder der Jugendliche den gewöhnlichen Aufenthalt wechselt, höchstens jedoch bis zum 1. April 1993.

(2) Abweichend von den Vorschriften des Artikels 1 über die Kostenerstattung sind in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand bis zum 3. Oktober 1990 für Hilfen zur Erziehung und Hilfen für junge Volljährige, die am Tage des Inkrafttretens des Kinder- und Jugendhilfegesetzes bereits eingeleitet oder gewährt wurden, bis zum 1. April 1993 für die Kostenerstattung die §§ 103 bis 111 des Bundessozialhilfegesetzes entsprechend anzuwenden, solange die Hilfe ohne Unterbrechung weitergewährt wird; eine Unterbrechung der Hilfe von bis zu drei Monaten bleibt außer Betracht.

(1) Abweichend von Artikel 1 § 85 Abs. 1 ist bis zum 31. Dezember 1994 für die Gewährung von Hilfe zur Erziehung nach Artikel 1 §§ 32 bis 35 und ihre Weiterführung nach Artikel 1 § 41 das Landesjugendamt oder die am Tage vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zuständige Behörde sachlich zuständig, wenn die leibliche, geistige oder seelische Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen oder des jungen Volljährigen gefährdet oder geschädigt ist und zur Abwendung der Gefahr oder zur Beseitigung des Schadens eine besondere erzieherische Hilfe notwendig ist, die nur durch das Landesjugendamt sichergestellt werden kann. Satz 1 gilt nicht in den Ländern, in denen am Tage vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes aufgrund Landesrechts das Jugendamt für die Ausführung der Freiwilligen Erziehungshilfe und der Fürsorgeerziehung nach den §§ 62 bis 77 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt zuständig war.

(2) Landesrecht kann die Geltung von Absatz 1 Satz 1 ausschließen oder eine andere Übergangsfrist vorsehen.

(3) Bis zum 31. Dezember 1994 ist der überörtliche Träger auskunftspflichtig für Erhebungen nach Artikel 1 § 99 Abs. 1 Nr. 3, sofern nicht Landesrecht nach Absatz 2 eine andere Regelung trifft.

Nach dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes gelten fort:

1.
eine aufgrund des § 9 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt erteilte Anerkennung eines Trägers der freien Jugendhilfe als Anerkennung nach Artikel 1 § 75 Abs. 1 dieses Gesetzes,
2.
eine aufgrund des § 12 Abs. 3 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt erteilte Zulassung eines kreisangehörigen Jugendamts als Zulassung nach Artikel 1 § 69 Abs. 2 Satz 1 dieses Gesetzes,
3.
eine aufgrund der §§ 28 und 29 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt erteilte Pflegeerlaubnis nach Artikel 1 § 44 dieses Gesetzes,
4.
eine aufgrund des § 53 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt erteilte Eignungserklärung als Erlaubnis nach Artikel 1 § 54 Abs. 2 dieses Gesetzes.

(1) Für Verfahren in Angelegenheiten nach dem Gesetz für Jugendwohlfahrt in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. April 1977 (BGBl. I S. 633, 795), zuletzt geändert durch Artikel 6 § 8 des Gesetzes vom 25. Juli 1986 (BGBl. I S. 1142), die einen vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes bekanntgegebenen Verwaltungsakt betreffen oder vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes bei den Verwaltungsgerichten anhängig geworden sind und deren Rechtsgrundlage durch dieses Gesetz geändert worden oder erloschen ist, gelten die nachstehenden besonderen Vorschriften.

(2) Eine mündliche Verhandlung, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes geschlossen worden und auf die eine Entscheidung noch nicht ergangen ist, wird wieder eröffnet.

(3) Tatsachen, die erst durch dieses Gesetz erheblich geworden sind, können noch in der Revisionsinstanz vorgebracht werden. Das Revisionsgericht verweist die Sache an das Berufungsgericht zurück, wenn bezüglich der neuen Tatsache eine Beweisaufnahme erforderlich wird.

(4) In der Hauptsache als erledigt anzusehen sind Verfahren über

1.
die widerrufliche Befreiung eines Pflegekindes von der Beaufsichtigung nach § 31 Abs. 3 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt,
2.
die Übertragung der Überprüfung von Einrichtungen auf einen zentralen Träger der Freien Jugendhilfe nach § 78 Abs. 6 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt,
3.
die Erteilung oder Aufhebung einer Pflegeerlaubnis für Minderjährige in Einrichtungen nach § 79 Abs. 1 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt und
4.
die widerrufliche Befreiung einer Einrichtung von der Anwendung des § 28 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt nach § 79 Abs. 2 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt.
§ 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist entsprechend anzuwenden.

(1) Für Verfahren in Angelegenheiten nach dem Gesetz für Jugendwohlfahrt in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. April 1977 (BGBl. I S. 633, 795), zuletzt geändert durch Artikel 6 § 8 des Gesetzes vom 25. Juli 1986 (BGBl. I S. 1142), die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes bei den Vormundschaftsgerichten anhängig geworden sind und deren Rechtsgrundlage durch dieses Gesetz geändert oder erloschen ist, gelten die nachstehenden besonderen Vorschriften.

(2) Tatsachen, die erst durch dieses Gesetz erheblich geworden sind, können noch im Verfahren der weiteren Beschwerde vorgebracht werden. Das Gericht, das über die weitere Beschwerde zu entscheiden hat, verweist die Sache an das Beschwerdegericht zurück, wenn bezüglich der neuen Tatsachen eine Beweisaufnahme erforderlich wird.

(3) Ein Verfahren auf Anordnung einer Erziehungsbeistandschaft nach § 57 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt oder auf Anordnung der Fürsorgeerziehung nach den §§ 65 und 67 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt ist in der Hauptsache als erledigt anzusehen.

(4) Eine vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nach § 57 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt angeordnete Erziehungsbeistandschaft und eine nach den §§ 65 und 67 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt angeordnete Fürsorgeerziehung hebt das Vormundschaftsgericht von Amts wegen auf und prüft gleichzeitig, ob Maßnahmen nach § 1666 des Bürgerlichen Gesetzbuchs erforderlich sind.

Eintragungen über die Anordnung der Erziehungsbeistandschaft oder der Fürsorgeerziehung durch den Vormundschaftsrichter werden aus dem Erziehungsregister entfernt.

Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) werden nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt.

Deutsche Fürsorgestelle im Sinne der Erklärung der Bevollmächtigten der Regierung der Bundesrepublik Deutschland zum Schlußprotokoll zur Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Fürsorge für Hilfsbedürftige vom 14. Juli 1952 (BGBl. 1953 II S. 32) ist für Leistungen der Jugendhilfe das Landesjugendamt, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche geboren ist. Liegt der Geburtsort nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder ist er nicht zu ermitteln, so ist das Landesjugendamt Berlin zuständig.

Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg können zur Anpassung an ihren besonderen Verwaltungsaufbau abweichen von den Vorschriften dieses Gesetzes über

1.
die Träger der öffentlichen Jugendhilfe und ihre Zuständigkeiten,
2.
die Errichtung von Jugendämtern und
3.
die Bildung, Zusammensetzung und die Befugnisse von Jugendhilfe- und Landesjugendhilfeausschüssen; dabei haben sie für eine angemessene Beteiligung der anerkannten Träger der freien Jugendhilfe zu sorgen.

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1991 in Kraft.

Jur. Bezeichnung
KJHG
Pub. Bezeichnung
KJHG
Veröffentlicht
26.06.1990
Fundstellen
1990, 1163: BGBl I
Standangaben
Stand: Zuletzt geändert durch Art. 3 Satz 2 G v. 15.12.1995 I 1775