AtStrlSV

Verordnung über die Gewährleistung von Atomsicherheit und Strahlenschutz

Auf der Grundlage des § 14 des Atomenergiegesetzes vom 8. Dezember 1983 (GBl. I Nr. 34 S. 325) wird folgendes verordnet:

Für Verwaltungshandlungen und Leistungen, die das Staatliche Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz auf Grund dieser Verordnung durchführt, werden Gebühren nach den Bestimmungen der Verordnung vom 28. Oktober 1955 über die staatlichen Verwaltungsgebühren (GBl. I Nr. 96 S. 787) in der Fassung der Zweiten Verordnung vom 28. November 1967 über die staatlichen Verwaltungsgebühren (GBl. II Nr. 119 S. 837) und den zu dieser Verordnung bekanntgegebenen Gebührentarifen erhoben.

(1) Gegen Auflagen gemäß § 6 Abs. 6 kann beim Präsidenten des Staatlichen Amtes für Atomsicherheit und Strahlenschutz Beschwerde eingelegt werden. Die Beschwerde ist schriftlich unter Angabe der Gründe innerhalb einer Frist von 2 Wochen nach Zugang der Entscheidung einzulegen. Über die Beschwerde ist innerhalb von 2 Wochen nach ihrem Eingang und, wenn sie sich gegen Sperrungen richtet, unverzüglich zu entscheiden. Die Entscheidung des Präsidenten des Staatlichen Amtes für Atomsicherheit und Strahlenschutz ist endgültig.

(2) Kann in Ausnahmefällen eine Entscheidung innerhalb der Frist nicht getroffen werden, ist rechtzeitig ein Zwischenbescheid unter Angabe der Gründe sowie des voraussichtlichen Abschlußtermins zu geben. Entscheidungen über Beschwerden haben schriftlich zu ergehen, sind zu begründen und dem Beschwerdeführer auszuhändigen oder zuzusenden. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung, sofern dies nicht bei der Erteilung der Auflage wegen unmittelbarer Gefahr für die Gesundheit der Werktätigen ausgeschlossen wurde.

Durchführungsbestimmungen zu dieser Verordnung erläßt der Präsident des Staatlichen Amtes für Atomsicherheit und Strahlenschutz.

Die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung erteilten Erlaubnisse, Zulassungen sowie staatlichen Befähigungs- und Qualifikationsnachweise behalten ihre Gültigkeit.

(1) Diese Verordnung tritt am 1. Februar 1985 in Kraft.

(2) Gleichzeitig treten außer Kraft:

1.
Verordnung vom 26. November 1969 über den Schutz vor der schädigenden Einwirkung ionisierender Strahlung - Strahlenschutzverordnung - (GBl. II Nr. 99 S. 627),
2.
Erste Durchführungsbestimmung vom 26. November 1969 zur Strahlenschutzverordnung (GBl. II Nr. 99 S. 635),
3.
Anordnung vom 9. Mai 1972 über die personendosimetrische Überwachung beruflich strahlenexponierter Personen und einzelner Personen oder Personengruppen aus der Bevölkerung (GBl. II Nr. 29 S. 346).

Der Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik

1.
Primäre Grenzwerte:
Grenzwerte für die jährliche effektive Äquivalentdosis und die jährliche Äquivalentdosis in Organen und Geweben sowie bei innerer Bestrahlung für die 50-Jahre-Folgeäquivalentdosis.
2.
Sekundäre Grenzwerte:
Grenzwerte für Äquivalentdosen bei äußerer Bestrahlung sowie für die jährliche Aktivitätszufuhr bei innerer Bestrahlung, die an die Stelle der nur in Ausnahmefällen direkt anwendbaren primären Grenzwerte treten.
3.
Abgeleitete Grenzwerte:
Grenzwerte für unmittelbar gemessene oder berechnete Strahlungsfeldgrößen oder Mengen oder Konzentrationen von Radionukliden, die aus den primären bzw. sekundären Grenzwerten mittels Modellannahmen abgeleitet werden.
4.
Autorisierte Grenzwerte:
Grenzwerte, die in Rechtsvorschriften oder im Rahmen des Erlaubnisverfahrens festgelegt werden.
5.
Betriebliche Grenzwerte:
Grenzwerte, die für den innerbetrieblichen Strahlenschutz festgelegt werden.
6.
Referenzschwellen:
Schwellenwerte für Meßgrößen oder aus Meßgrößen abgeleitete Größen, bei deren Überschreitung bestimmte Handlungen ausgelöst werden (Aufzeichnungs-, Untersuchungs- und Interventionsschwellen).
7.
Freigrenzen für radioaktive Stoffe:
Aktivität oder Aktivitätskonzentration von Stoffen, die Radionuklide enthalten, bei deren Unterschreitung keine radioaktiven Stoffe im Sinne der Verordnung vorliegen.
8.
Äquivalentdosis:
Die Äquivalentdosis H, gemessen in Sievert, wird definiert als
H = Q x D
D ist die Energiedosis, gemessen in Gray, Q der Qualitätsfaktor. Im praktischen Strahlenschutz kann gesetzt werden
fürPhotonen, Elektronen und PositronenQ = 1
fürNeutronen, Protonen und einfach geladene Teilchen mit einer Ruhemasse größer als eine atomare MasseneinheitQ = 10
fürAlpha-Teilchen und mehrfach geladene TeilchenQ = 20
9.
Effektive Äquivalentdosis:
Die effektive Äquivalentdosis H(tief)E wird definiert als

 ----- 
H(tief)E =>W(tief)T x H(tief)T
 ----- 
T
mit
H(tief)T -mittlere Äquivalentdosis im Organ oder Gewebe T, gemittelt über das gesamt Organ und
W(tief)T -Wichtungsfaktor für das Organ oder Gewebe T.
Die Werte der Wichtungsfaktoren für die Organe oder Gewebe
sind:
Organ oder GewebeW(tief)T 
Gonaden0,25
Brust0,15
rotes Knochenmark0,12
Lunge0,12
Schilddrüse0,03
Knochen (Oberfläche)0,03
andere Organe *)0,30
10.
50-Jahre-Folgeäquivalentdosis:
Äquivalentdosis für ein gegebenes Organ oder Gewebe infolge einer einmaligen Zufuhr eines radioaktiven Stoffes in den Körper, die über 50 Jahre nach der Zufuhr akkumuliert wird.
11.
Organdosis:
Maximale Äquivalentdosis in einem Organ, Organsystem oder Gewebe, wobei über einen solchen Teil des Organs gemittelt werden darf, in dem sich nichtstochastische Strahlenwirkungen ausprägen können.
12.
Oberflächendosis:
Maximale Äquivalentdosis in der Haut in einer Tiefe von 7 mg/qcm bzw. bei Photonenstrahlung in einer größeren Tiefe, wenn erst dort das Dosismaximum durch Aufbau des Sekundärelektronenfeldes erreicht wird.
13.
Radioaktives Material:
Ein radioaktiver Stoff, bei dem die Radioaktivität genutzt wird, ausgenommen die Anwendung am Menschen, oder der beim Einsatz von Kernanlagen oder Strahleneinrichtungen erzeugt wird und dessen Aktivität und Aktivitätskonzentration die festgelegten Freigrenzen überschreitet.
14.
Radioaktiv kontaminiertes Material:
Ein radioaktiver Stoff, der als Rohstoff, Halbfabrikat oder Fertigerzeugnis verwendet wird, ohne daß die Radioaktivität genutzt wird, und dessen Aktivitätskonzentration die festgelegte Freigrenze für radioaktiv kontaminiertes Material überschreitet.
15.
Radioaktives Ausgangsmaterial:
Ein radioaktiver Stoff, der als mineralischer Rohstoff Uranium oder Thorium enthält und aus dem durch physikalische und chemische Verfahren Kernmaterial hergestellt werden kann und dessen Aktivität und relativer Massenanteil an Uranium und Thorium die festgelegten Freigrenzen für radioaktives Ausgangsmaterial überschreitet.
16.
Radioaktiver Auswurf:
Radioaktiver Stoff, der mit Abwasser oder Abluft in die Umwelt abgegeben oder in fester Form in der Umwelt deponiert wird und dessen Aktivitätskonzentration die festgelegten Freigrenzen für radioaktiven Auswurf überschreitet.
17.
Radioaktiver Abfall:
Radioaktiver Stoff, dessen weitere Verwendung aus wissenschaftlichen, technischen und ökonomischen Gründen nicht möglich ist und der unter Bedingungen beseitigt wird, die ihn von der Umwelt isolieren und dessen Aktivität und Aktivitätskonzentration die festgelegten Freigrenzen für radioaktiven Abfall überschreiten.
18.
Radioaktiv kontaminierte Lebensmittel:
Radioaktiver Stoff, der Lebensmittel im Sinne des Lebensmittelgesetzes ist und dessen Aktivitätskonzentration die festgelegten Freigrenzen für radioaktiv kontaminierte Lebensmittel überschreitet.
19.
Radioaktives Arzneimittel und mit Radionukliden markiertes Arzneimittel:
Radioaktiver Stoff, der Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes ist und dessen Aktivität die festgelegte Freigrenze für radioaktive Arzneimittel und mit Radionukliden markierte Arzneimittel überschreitet.
20.
Strahlenwerktätige:
Werktätige, die beruflich in Strahlenschutzbereichen tätig sind, ausgenommen Personen, die diese Bereiche nur selten zur Ausführung spezieller Tätigkeiten betreten und deren Strahlenbelastung die Grenzwerte für einzelne Personen aus der Bevölkerung nicht überschreiten kann.
21.
Bedienungspersonal:
Werktätige, die Kernanlagen oder Strahleneinrichtungen bedienen oder warten und dadurch Einfluß auf Atomsicherheit und Strahlenschutz haben, auch wenn sie keine Strahlenwerktätige sind.
22.
Stochastische Strahlenschäden:
Schäden, für die die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens mit der Strahlenbelastung zunimmt und deren Schweregrad nicht dosisabhängig ist.
23.
Nichtstochastische Strahlenschäden:
Schäden, deren Schweregrad mit der Strahlenbelastung zunimmt und die erst oberhalb bestimmter Werte der Strahlenbelastung klinisch nachweisbar werden.
24.
Außergewöhnliches Ereignis:
Eine Abweichung vom beabsichtigten Betriebsablauf oder -zustand, bei der unzulässige Strahlenbelastungen auftreten oder auftreten können oder bei der die nukleare Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist oder nicht mehr gewährleistet sein kann.
-----
*) Zur Bestimmung des Beitrages der anderen Organe zur effektiven Äquivalentdosis wird die mittlere Äquivalentdosis für die fünf am stärksten strahlenbelasteten anderen Organe (mit Ausnahme der Augenlinse, Haut, Hände, Unterarme, Füße und Knöchel) ermittelt, wobei für jedes dieser anderen Organe ein Wichtungsfaktor von 0,06 zu verwenden ist. Der Beitrag der dabei nicht berücksichtigten übrigen Organe zur effektiven Äquivalentdosis entfällt.

Abschnitt III
Folgendes Recht der Deutschen Demokratischen Republik bleibt mit folgenden Maßgaben in Kraft:

1.
...
2.
Verordnung über die Gewährleistung von Atomsicherheit und Strahlenschutz vom 11. Oktober 1984 (GBl. I Nr. 30 S. 341) nebst Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Gewährleistung von Atomsicherheit und Strahlenschutz vom 11. Oktober 1984 (GBl. I Nr. 30 S. 348; Ber. GBl. I 1987 Nr. 18 S. 196)
mit folgender Maßgabe:
Die Vorschriften gelten fort für bergbauliche und andere Tätigkeiten, soweit dabei radioaktive Stoffe, insbesondere Radonfolgeprodukte, anwesend sind. An die Stelle des in den fortgeltenden Regelungen genannten Staatlichen Amtes für Atomsicherheit und Strahlenschutz oder des Präsidenten dieses Amtes treten die zuständigen Stellen.
...

Jur. Bezeichnung
AtStrlSV
Veröffentlicht
11.10.1984
Fundstellen
1984, 341: GBl DDR I
1984, Nr 30, 341: GBl DDR I