Urteil des VG Stuttgart vom 08.07.2016

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VG Stuttgart Urteil vom 8.7.2016, 7 K 3161/15
Zur Frage der Rechtmäßigkeit der Neuauszählung der Stimmzettel einer Bürgermeisterwahl
Leitsätze
Eine Neuauszählung der Stimmzettel einer Bürgermeisterwahl durch kommunale Verwaltungsmitarbeiter,
welche nichtöffentlich und ohne Beschluss des Gemeindewahlausschusses erfolgt, verstößt gegen den
Öffentlichkeitsgrundsatz bei der Feststellung des Wahlergebnisses und gegen die Kompetenzen des
Gemeindewahlausschusses (§ 11 Abs. 1 KomWG BW i.V.m. § 43 Abs. 1 KomWO BW, § 21 KomWG BW, § 21 Abs.
3 KomWO BW).
Bei einem Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz ist die abstrakte Möglichkeit von Manipulationen nicht
ausreichend, um die Wahl für ungültig zu erklären; vielmehr ist zu ermitteln, ob die festgestellten Mängel im
konkreten Fall Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben konnten.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu
1 und 2, die diese jeweils selbst tragen.
Tatbestand
1 Die Klägerin wendet sich gegen die Gültigkeit der Bürgermeisterwahl vom 26.04.2015 in G.
2 Zur Durchführung der Wahl bestellte der Gemeinderat der Beigeladenen zu 1 in seiner Sitzung vom ...2014
den Gemeindewahlausschuss (zugleich Briefwahlvorstand).
3 Bei der Wahl des hauptamtlichen Bürgermeisters kandidierten die Beigeladene zu 2 als amtierende
Bürgermeisterin sowie als weiterer Bewerber B.
4 Am Wahltag nach 18 Uhr ermittelten die Wahlvorstände in den einzelnen Wahlbezirken zunächst die
Ergebnisse und übermittelten diese telefonisch an Herrn R., Mitarbeiter im Ordnungsamt der Beigeladenen
zu 1 und stellvertretender Schriftführer des Gemeindewahlausschusses. Anschließend wurden in den
jeweiligen Wahlbezirken die Wahlniederschriften gefertigt und gemeinsam mit den in Kuverts verpackten
Stimmzetteln sowie den Schnellmeldungen zu Herrn R. ins Rathaus gebracht. Alle Umschläge waren
verschlossen und mit Inhaltsangabe versehen; teilweise verwendeten die Wahlvorsteher die dafür
vorgesehenen Siegelaufkleber. Herr R. verbrachte die Wahlunterlagen gemeinsam mit zwei
Verwaltungsmitarbeitern in einen separaten und verschlossenen Raum.
5 Der Gemeindewahlausschuss traf sich am Wahltag um 15.30 Uhr im Rathaus der Beigeladenen zu 1 und
ermittelte als Briefwahlvorstand das Briefwahlergebnis. Nachdem die Ergebnisse aller Wahlbezirke vorlagen,
erstellte Herr R. mit Hilfe des PC-Programms „PC-Wahl“ das vorläufige amtliche Ergebnis. Herr S., der
Vorsitzende des Gemeindewahlausschusses und stellvertretender Bürgermeister, gab dieses Ergebnis mit
Hilfe einer Lautsprecheranlage auf dem Rathausvorplatz bekannt. Danach entfielen von den insgesamt
3.499 abgegebenen Stimmen, von denen 45 als ungültig und 3.454 als gültig aufgeführt wurden, 1.728
Stimmen auf die Beigeladene zu 2 und 1.719 Stimmen auf den weiteren Bewerber. Die Beigeladene zu 2
erzielte danach eine Stimme mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen (1.727 + 1) und damit die absolute
Mehrheit.
6 Nach der Feststellung des Briefwahlergebnisses am Wahlsonntagabend sollte der Gemeindewahlausschuss
am Folgetag, dem 27.04.2015 um 16 Uhr, zur Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses
zusammentreten. Die Einladung hierzu wurde den Mitgliedern des Gemeindewahlausschusses am
Wahlsonntag ausgehändigt.
7 Zur Vorbereitung der Sitzung des Gemeindewahlausschusses nahmen drei Verwaltungsmitarbeiter der
Beigeladenen zu 1 im Laufe des Montags, 27.04.2015, eine Nachprüfung des Wahlergebnisses vor. Herr V.,
Schriftführer des Gemeindewahlausschusses, Herr R., stellvertretender Schriftführer, und Herr H.,
Hauptamtsleiter, zählten die Stimmzettel und die Stimmabgabevermerke nach und überprüften die
Niederschriften der einzelnen Wahlbezirke. Dazu wurden je Wahlkreis die mit Inhaltsangabe beschrifteten
braunen Kuverts einzeln geöffnet und die darin enthaltenen Stimmzettel geprüft, gezählt und mit der Zahl
der Wähler im Wählerverzeichnis bzw. der sogenannten Gegenliste abgeglichen. Die Gegenliste wurde
zusätzlich zum Wählerverzeichnis als Kontrollinstrument in jedem Wahlbezirk geführt, um das Ermitteln der
Zahl der Wähler am Wahlabend zu erleichtern. In sechs der acht Wahlbezirke sowie im Briefwahlergebnis
bestätigte sich das von den Wahlvorständen am Vorabend ermittelte Ergebnis. In den Wahlbezirken 103 und
507 ergab die Nachzählung jeweils eine Abweichung, über die der Gemeindewahlausschuss nachfolgend
Beschluss fasste.
8 Kurz nach Beginn der Nachprüfung nahm das Landratsamt ..., Frau L., als Wahlprüfungsbehörde telefonisch
mit Herrn V. Kontakt auf und bat darum, aufgrund des knappen Wahlergebnisses alle ungültigen
Stimmzettel sowie alle Stimmzettel der sonstigen Bewerber an sie zu übermitteln. Ihr wurde mitgeteilt,
dass die Verwaltung das in den Wahlvorständen ermittelte Ergebnis noch einmal prüfe. Sie bestätigte, dass
dies Aufgabe der Verwaltung sei und gerade angesichts des knappen Wahlergebnisses auch dringend
erforderlich.
9 Zu dem Telefonat vom 27.04.2015 erklärte Frau L. später in einem Aktenvermerk vom 22.05.2015, Herr V.
habe in dem Telefonat am 27.04.2015 nicht erwähnt, dass das Wahlergebnis noch nicht vom
Gemeindewahlausschuss festgestellt worden sei. Deshalb habe sie die Auskunft gegeben, dass gegen eine
Nachzählung durch die Verwaltung keine Bedenken bestünden.
10 Ort, Zeit und Gegenstand der Sitzung des Gemeindewahlausschusses vom 27.04.2015 um 16 Uhr wurden
durch entsprechenden Aushang am Eingang des Sitzungsgebäudes am selben Tag um 15.48 Uhr bekannt
gemacht.
11 In der ab 16 Uhr stattfindenden Sitzung stellte der Gemeindewahlausschuss fest, dass ein Stimmzettel aus
dem Wahlbezirk 103, der für den weiteren Bewerber gezählt wurde, ungültig sei, weil auf dem Stimmzettel
nicht dieser, sondern eine nicht identifizierbare Person („F. M.“) gekennzeichnet war. Außerdem erklärte der
Gemeindewahlausschuss einen aus dem Wahlbezirk 507 stammenden und zunächst für ungültig
befundenen Stimmzettel, auf dem die Beigeladene zu 2 angekreuzt und der Beruf des weiteren Bewerbers
unterstrichen worden war, zugunsten der Beigeladenen zu 2 für gültig. Auf dieser Grundlage stellte der
Gemeindewahlausschuss als endgültiges Wahlergebnis fest, dass von den insgesamt 3.499 abgegebenen
Stimmen – davon 45 ungültig und 3.454 gültig – auf die Beigeladene zu 2 1.729 Stimmen sowie den
anderen Bewerber 1.718 Stimmen entfallen sind. Damit erzielte die Beigeladene zu 2 zwei Stimmen mehr
als die Hälfte (1.727) der gültigen Stimmen. An der Sitzung des Gemeindewahlausschusses nahmen ca.
zehn bis fünfzehn Zuschauer, darunter die Klägerin, teil.
12 Das Wahlergebnis wurde auf Antrag des Gemeindewahlausschusses durch den Beklagten als
Wahlprüfungsbehörde überprüft und bestätigt. Das am 27.04.2015 festgestellte Ergebnis der Wahl wurde
im amtlichen Mitteilungsblatt der Beigeladenen zu 1 am 30.04.2015 bekannt gemacht.
13 Mit Schreiben vom 06.05.2015, eingegangen am 07.05.2015, legte die Klägerin beim Beklagten Einspruch
gegen die Bürgermeisterwahl ein, welchen sie damit begründete, dass das Wahlergebnis unter Verstoß
gegen das Kommunalwahlgesetz (KomWG) und die Kommunalwahlordnung (KomWO) ermittelt worden sei
und nicht mehr nachvollzogen werden könne, ob die Beigeladene zu 2 tatsächlich die im ersten Wahlgang
erforderliche absolute Mehrheit der Stimmen erreicht habe. Insbesondere liege eine Verletzung des § 39 Abs.
1 KomWO vor, die darauf beruhe, dass die die gültigen Stimmzettel und sonstigen Wahlunterlagen
enthaltenden Umschläge bei deren Übergabe von den Verwaltungsmitarbeitern Herrn V. und Herrn R. an die
Mitglieder des Gemeindewahlausschusses in der öffentlichen Sitzung vom 27.04.2015 nicht versiegelt
gewesen seien. Dabei seien die Umschläge von den Verwaltungsmitarbeitern entgegen § 21 KomWG unter
Ausschluss der Öffentlichkeit geöffnet worden. Ferner hätten die Herren V. und R. die Überprüfung der
Stimmzettel unbefugt vorgenommen. Die Nachprüfung des Wahlergebnisses obliege nach § 43 Abs. 1 i.V.m.
§ 21 KomWO ausschließlich dem Gemeindewahlausschuss selbst. Im Hinblick auf das Auffinden der zwei
Stimmzettel aus den Wahlbezirken 103 und 507, explizit diesem, welcher zwischen den gültigen Stimmen
des weiteren Bewerbers aufgetaucht sei, müsse man davon ausgehen, dass die Auszählung in den
Wahllokalen fehlerhaft gewesen sei, so dass eine öffentliche Nachzählung erforderlich gewesen wäre. Es sei
möglich, dass das Wahlergebnis nach § 32 Abs. 1 KomWG durch die vorliegenden Rechtsfehler beeinflusst
worden sei. Es sei nicht mehr zu ermitteln, ob die Beigeladene zu 2 im ersten Wahlgang tatsächlich die nach
§ 45 Abs. 1 Satz 2 GemO erforderliche absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erreicht habe. Weiter
bezweifelte die Klägerin, ob die Sitzung des Gemeindewahlausschusses am 27.04.2015 den
Öffentlichkeitsanforderungen des § 21 KomWG entsprochen habe.
14 Dem Einspruch traten 160 Personen, davon 159 Wahlberechtigte, mit ihrer Unterschrift bei.
15 Mit Schreiben vom 13.05.2015 nahm die Beigeladene zu 1 gegenüber dem Beklagten Stellung und
schilderte den Ablauf der Ermittlung des Wahlergebnisses am 26. und 27.04.2015. Die Vorprüfung der
Wahlunterlagen sei am 27.04.2015 durch die Herren H., R. und V. vorgenommen worden. Hierauf habe Herr
H. bereits am Wahltag um 15.30 Uhr hingewiesen, als der Ablauf zur Ermittlung des Briefwahlergebnisses
besprochen worden sei. Bei den drei prüfenden Personen habe es sich um leitende Beamte bzw. Angestellte
der Gemeinde gehandelt. Der Gemeinderat habe die Herren V. und R. in seiner Sitzung vom 19.11.2014
zum Schriftführer bzw. stellvertretenden Schriftführer gewählt. Bei den Wahlhandlungen sei Herr H. als
Hilfskraft hinzugezogen worden. Eine Vorprüfung durch die Verwaltung sei aufgrund der Vielzahl der zu
prüfenden Stimmzettel und Niederschriften unerlässlich. In der Sitzung des Gemeindewahlausschusses am
27.04.2015 seien hinter dem Verhandlungstisch zwei weitere Tische aufgebaut gewesen, auf denen
sämtliche Wahlunterlagen ordentlich ausgelegt gewesen seien. Für jeden Wahlbezirk sei ein Stapel mit
Wählerverzeichnissen, großen braunen Kuverts, in denen die Stimmzettel aufbewahrt worden seien
(getrennt nach der Beigeladenen zu 2, dem weiteren Bewerber, sonstigen und ungültigen) sowie den
Wahlniederschriften gebildet worden. Der Vorwurf, Herr R. und Herr V. seien mit geöffneten Wahlunterlagen
in den Sitzungsraum gekommen, entspreche nicht der Wahrheit.
16 Auf die Aufforderung des Beklagten hin bestätigte der Wahlvorstand des Wahlbezirks 507 mit Schreiben
vom 18.05.2015, dass der Stimmzettel, auf dem die Beigeladene zu 2 gewählt und beim weiteren Bewerber
der Berufstitel unterstrichen wurde, in dieser Form im Wahllokal vorgelegen hätte. Für den Wahlvorstand
des Wahlbezirks 103 bestätigte das Mitglied Frau M. am 18.05.2015, dass sie den Stimmzettel, mit dem „F.
M.“ gewählt wurde, in der Hand gehabt hätte. Frau P., ein weiteres Mitglied dieses Wahlvorstandes,
bestätigte am 19.05.2015, dass sie sich an die akkurate Handschrift, mit der dieser Namensvorschlag
geschrieben war, erinnern könne und meine, den Namen „F.“ wahrgenommen zu haben.
17 Der Beklagte wies den Einspruch mit Bescheid vom 01.06.2015, zugestellt durch Boten am selben Tag,
zurück. Der Einspruch der Klägerin sei zulässig, aber unbegründet. Es sei keine wesentliche Vorschrift über
die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG unbeachtet geblieben,
so dass eine Ungültigkeitserklärung nicht gerechtfertigt sei. Es seien keine konkreten Anhaltspunkte dafür
ersichtlich, dass die Nachprüfung der Stimmzettel durch die Verwaltungsmitarbeiter mit einer Manipulation
des Wahlergebnisses einhergegangen sei. Soweit der Gemeindewahlausschuss am 27.04.2015 die von den
einzelnen Wahlvorständen ermittelten Wahlergebnisse – mit Ausnahme der beiden anders gewerteten
Stimmzetteln aus den Wahlbezirken 103 und 507 – zum Zwecke ihrer Feststellung unverändert
übernommen habe, sei eine Einflussnahme auf das Wahlergebnis durch die Nachprüfung ausgeschlossen.
Doch auch für die Annahme einer Einflussnahme der Verwaltungsmitarbeiter auf die beiden korrigierten
Stimmzettel sei kein Raum. Denn Mitglieder der Wahlvorstände 507 und 103 hätten schriftlich bestätigt,
dass diese beiden Stimmzettel am Wahlabend vorlagen. Zudem sei unbedenklich, dass der
Gemeindewahlausschuss das von den Verwaltungsmitarbeitern ermittelte Ergebnis übernommen und
lediglich über die beiden abweichend gewerteten Stimmen aus den Wahlbezirken 103 und 507 Beschluss
gefasst habe. Er sei nicht verpflichtet, eine komplette Nachzählung der Stimmen durchzuführen. Auch biete
die abweichende Bewertung der beiden Stimmzettel aus den Wahlbezirken 103 und 507 für sich genommen
keinen hinreichenden Anlass zur Annahme, dass die Stimmenauszählung in sämtlichen Wahlbezirken
fehlerbehaftet sei. Diese Annahme beruhe auf einer reinen Spekulation und lasse konkrete Anhaltspunkte
vermissen. Sie stehe ferner im Widerspruch zu der vom Beklagten als Wahlprüfungsbehörde durchgeführten
Nachzählung, weil diese mit dem am 27.04.2015 ermittelten Wahlergebnis übereinstimme. Auch seien im
Hinblick auf die Sitzung des Gemeindewahlausschusses vom 27.04.2015 die Erfordernisse des
Öffentlichkeitsgrundsatzes gemäß § 21 KomWG eingehalten worden. Die Bekanntgabe in der vom
Kommunalrecht geforderten Form sei laut der Niederschrift der Sitzung des Gemeindewahlausschusses zur
Ermittlung des Wahlergebnisses am 27.04.2015 erfolgt. Dass die Sitzung öffentlich bekannt gegeben
worden sei, werde auch darin manifest, dass ihr außer der Klägerin noch ca. 13 weitere Personen
beigewohnt hätten. Soweit hingegen die Nachprüfung der Wahl durch die Verwaltungsmitarbeiter den
Öffentlichkeitsgrundsatz aus § 21 KomWG nicht gewahrt habe, sei dies mit Blick auf § 32 Abs. 1 Nr. 2
KomWG unbeachtlich, weil dieser Verstoß das Ergebnis der Wahl nicht beeinflusst haben konnte.
18 Am 29.06.2015 hat die Klägerin dagegen Klage erhoben. Die Klägerin wiederholt und vertieft im
Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und führt weiter aus, dass der Aushang für die am 27.04.2016 um
16 Uhr stattfindende Sitzung des Gemeindewahlausschusses erst um 15.48 Uhr angebracht worden sei, also
erst 12 Minuten vor Sitzungsbeginn. Sie ist der Ansicht, die Kompetenz des Gemeindewahlausschusses zur
Leitung der Gemeindewahl und Feststellung des Wahlergebnisses nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KomWG und zur
Überprüfung der Wahlniederschriften nach § 43 Abs. 1 Satz 1 KomWO sei verletzt worden. Der
Gemeindewahlausschuss habe im Hinblick auf Vorfälle, die die Wahlbezirke 101 und 103 beträfen, seine
Aufklärungspflicht aus § 43 Abs. 1 Satz 2 KomWO nicht erfüllt. So habe der Wahlvorstand im Wahlbezirk
101 bei nur 456 Haken in der Wählerliste und bei nur 456 Kontrollvermerken die Abgabe von 457
Stimmzetteln festgestellt. Daher erweise sich die Wahlniederschrift nach § 37 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 38 Abs.
2 Nr. 10 KomWO als unrichtig. Diese Unstimmigkeiten seien dem Gemeindewahlausschuss nicht mitgeteilt
worden. Entsprechendes gelte auch für Wahlbezirk 103: Hier seien nach der Wahlniederschrift lediglich 570
Stimmen abgegeben worden, obwohl sich die Zahl der Stimmabgabevermerke im Wählerverzeichnis auf 572
belaufen habe. Dies habe das Landratsamt bei seiner Wahlprüfung festgestellt. Die vom
Gemeindewahlausschuss „erneut geprüften“ Niederschriften hätten nicht den Anforderungen des § 37 Abs.
1 Satz 4 i.V.m. § 38 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 KomWO genügt und seien entgegen der Darstellung der
Beigeladenen zu 1 unrichtig. Der Einsatz der sogenannten „Gegenliste“ bzw. „Zählliste“ sei als
Kontrollinstrument nicht „freiwillig“ erfolgt. Denn normalerweise gäben die Wähler ihre
Wahlbenachrichtigung bei der Wahl ab. Im vorliegenden Fall hätten sie dies jedoch nicht getan, weil die
Wahlbenachrichtigung im Fall eines zweiten Wahlganges wieder benötigt worden wäre. Da die abgegebenen
Wahlbenachrichtigungen als Kontrollmöglichkeit ausfielen, habe dies durch die Zählliste ersetzt werden
sollen. Bei einer Diskrepanz zwischen Haken im Wählerverzeichnis und der Zählliste sei nun nicht
feststellbar gewesen, welches der beiden Kontrollinstrumente richtig gewesen sei. Ferner sei die Klägerin
hinsichtlich der Unregelmäßigkeiten in den Wahlbezirken 101 und 103 nicht präkludiert. Zwar seien diese
Unregelmäßigkeiten nicht ausdrücklich im Einspruchsschreiben aufgeführt, weil diese innerhalb der
Anfechtungsfrist von einer Woche selbst dem Gemeindewahlausschuss nicht bekannt gewesen seien. Die
Klägerin habe aber unter Bezugnahme auf das Auffinden zweier Stimmzettel darauf hingewiesen, man
müsse davon ausgehen, dass die Auszählung in den Wahllokalen fehlerhaft gewesen sei, so dass eine
öffentliche Nachzählung erforderlich gewesen wäre, d.h. sie habe die fehlerhafte und unzulässige Ermittlung
des Wahlergebnisses gerügt. Überdies hätten die Verwaltungsmitarbeiter die Nachzählung und Nachprüfung
unbefugt und unter Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 KomWG i.V.m. § 43 Abs. 1 KomWO vorgenommen. Aus
den vorgelegten Akten ergebe sich - entgegen der Stellungnahme der Beigeladenen zu 1 vom 13.05.2015 -
nicht, dass Herr H., der Hauptamtsleiter der Stadt, als Hilfskraft bestellt worden wäre. Den Akten sei auch
nicht zu entnehmen, wer den Auftrag zu dieser Nachzählung erteilt habe. Der Gemeindewahlausschuss
habe den drei Mitarbeitern jedenfalls keinen Auftrag erteilt. Der Hinweis von Herrn H. am Wahltag um 15.30
Uhr und das fehlende Entgegentreten des Gemeindewahlausschusses könne nicht in einen Auftrag dieses
Gremiums umgedeutet werden. Auch das Landratsamt wäre als Wahlprüfungsbehörde in dieser Phase nicht
befugt gewesen, einen entsprechenden Prüfauftrag zu erteilen. Die Nichtöffentlichkeit der Nachprüfung der
Wahl durch die Verwaltungsmitarbeiter sei nicht mit § 21 KomWG und § 21 Abs. 3 Satz 1 KomWO zu
vereinbaren und schließe zudem den Gemeindewahlausschuss von jeglicher Kontrollmöglichkeit aus.
Schließlich liege ein Verstoß gegen das Verwahrungsgebot vor. Die Wahlvorsteher hätten entgegen § 39
Abs. 1 Satz 1 KomWO die verpackten Stimmzettel nur teilweise versiegelt. Zudem hätten die Herren V. und
R. dem Gemeindewahlausschuss in dessen Sitzung am 27.04.2015 in offenen und unversiegelten Kuverts
die abgegebenen Stimmzettel übergeben. Soweit die Beigeladene zu 1 dies bestreite, sei deren Darstellung
schon allein deshalb unzutreffend, weil die Herren R. und V. im Rahmen ihrer „Vorprüfung“ die
Wahlunterlagen geöffnet haben müssten. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen zu 1 sei die Klägerin
mit dem Vorbringen, dass die Kuverts bei der Übergabe der Unterlagen an den Gemeindewahlausschuss am
27.04.2015 offen waren, auch nicht präkludiert, weil sie dies ausdrücklich im Einspruchsschreiben gerügt
habe. Wegen der Missachtung von § 39 Abs. 1 und Abs. 2 KomWO sei nicht sichergestellt gewesen, dass die
Pakete mit den Stimmzetteln für die Verwaltungsmitarbeiter V., R. und H. als Unbefugte nicht zugänglich
waren. Darin sei zugleich ein Außerachtlassen der Anforderungen des § 39 Abs. 4 KomWO zu erblicken. Die
vorstehend bezeichneten Vorschriften seien auch wesentlich i.S.d. § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG. Zudem könne
auf der Grundlage einer konkreten Betrachtungsweise nicht ausgeschlossen werden, dass das Wahlergebnis
durch die Fehler beeinflusst worden sei. Der Gemeindewahlausschuss sei nicht über die Unstimmigkeiten in
den Wahlbezirken 101 und 103 informiert worden. Bei 572 Stimmabgabevermerken und nur 570
Stimmzetteln stelle sich die Frage, wo die beiden fehlenden Stimmzettel seien bzw. wie die unbefugten
Nachprüfer in ihrem Aktenvermerk vom 29.04.2015 zu dem Ergebnis gekommen seien, dass zwei Wähler
„fälschlicherweise abgehakt worden“ seien. Man müsse davon ausgehen, dass diese beiden Wähler auch
gewählt hätten. Wenn diese gültige Stimmzettel abgegeben hätten und nicht die Beigeladene zu 2 gewählt
hätten, so blieben für diese nur noch 1.727 Stimmen und damit weniger als die Hälfte der gültigen Stimmen
von dann 3.457 Stimmen. Wenn man weiter davon ausgehe, dass im Wahlbezirk 101 tatsächlich nur 456
Stimmen abgegeben worden seien (entgegen der behaupteten undeutlichen Kennzeichnung auf S. 6 des
Wählerverzeichnisses), so hätte die Beigeladene zu 2 nur 1.726 Stimmen erhalten und damit wiederum
weniger als die Hälfte der dann noch 3.456 gültigen Stimmen. Es sei im Interesse der unbefugten
Nachprüfer gewesen, ein positives Ergebnis für die „Chefin“ zu bestätigen. Eine ordnungsgemäße
Nachzählung habe nicht stattgefunden und könne wegen der Verstöße gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz
und das Verwahrungsgebot auch nicht mehr stattfinden. Es seien entscheidende Sicherungsmechanismen
des Kommunalwahlrechts hinsichtlich der Öffentlichkeit von Wahlen und der manipulationssicheren
Verwahrung von Wahlunterlagen unterlaufen worden.
19 Die Klägerin beantragt,
20 den Einspruchsbescheid des Beklagten vom 01.06.2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die
Bürgermeisterwahl der Stadt G. vom 26.04.2015 für ungültig zu erklären.
21 Der Beklagte beantragt,
22 die Klage abzuweisen.
23 Zur Begründung bezieht sich der Beklagte auf den Einspruchsbescheid vom 01.06.2015 und führt im
Weiteren aus, dass der Beklagte als Wahlprüfungsbehörde nach § 30 KomWG eine umfassende Nachzählung
der Stimmen sowie Überprüfung der gesamten Wahl vorgenommen habe. Der Einwand der Klägerin in der
Klageschrift hinsichtlich der Vorkommnisse in den Wahlbezirken 101 und 103 könne keine Berücksichtigung
finden, weil dieser nicht bereits Teil des Einspruchs der Klägerin vom 06.05.2015 gewesen und somit nicht
innerhalb der Einspruchsfrist nach § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG gerügt worden sei. Im Übrigen habe die
Wahlprüfungsbehörde im Zuge ihrer Wahlprüfung die Abweichungen in den Wahlbezirken 101 und 103
aufklären können, so dass ein von ihnen ausgehender Einfluss auf das Wahlergebnis verneint werden könne.
24 Die Beigeladene zu 1 beantragt,
25 die Klage abzuweisen.
26 Zur Begründung führt sie aus, dass die von den Verwaltungsmitarbeitern V. und R. am 27.04.2015 dem
Gemeindewahlausschuss übergebenen Kuverts mit den Stimmzetteln nicht offen, sondern verschlossen
gewesen seien. Daher komme ein Verstoß gegen § 39 Abs. 1 KomWO nicht in Betracht. Des Weiteren sei es
im Wahlbezirk 101 zu keinen Unregelmäßigkeiten gekommen. In der Gegenliste, der keine Rechts- oder
Bindungswirkung zukomme, seien für den Wahlbezirk 101 456 Wählernummern notiert worden. Zwar sei
zutreffend, dass am Wahlabend zunächst die Anzahl der Stimmabgabenvermerke im Wählerverzeichnis
(456) nicht der Anzahl der abgegebenen Stimmzettel (457) entsprochen habe. Diese Abweichung erkläre
sich indessen damit, dass, was am Folgetag bemerkt worden sei, die im Wählerverzeichnis auf Seite 6
vermerkte Zwischensumme mit undeutlicher Schriftform festgehalten und falsch abgelesen worden sei.
Damit stehe fest, dass die Stimmenanzahl mit den Stimmabgabenvermerken korrespondiere und
gleichermaßen 457 betrage. Bezüglich des Wahlbezirks 103 erkläre sich die Unstimmigkeit in Gestalt von
572 abgegebenen Stimmzetteln und 570 auf der Gegenliste vermerkten Wählern damit, dass zwei
Stimmzettel, die leer gewesen und zunächst nicht zu den ungültigen Stimmen gezählt worden seien,
beiseite genommen wurden. Jedenfalls sei die Klägerin mit ihrem Vorbringen bezüglich der
Unregelmäßigkeiten in den Wahlbezirken 101 und 103 nach Maßgabe des § 31 Abs. 1 Satz 2 präkludiert,
weil sie diese nicht bis zum Ablauf der Einspruchsfrist geltend gemacht habe. Der allgemein vorgetragene
Einspruchsgrund, die Auszählungen seien fehlerhaft gewesen, sei nicht ausreichend. Anderenfalls würde die
Präklusionsvorschrift immer dadurch umgangen, dass die Fehlerhaftigkeit der gesamten Wahl gerügt würde.
Außerdem habe der Wahlprüfungsausschuss am 27.04.2015 sämtliche Niederschriften einer erneuten
Überprüfung unterzogen und nicht nur die von den Verwaltungsmitarbeitern V. und R. ermittelten
Nachprüfungsergebnisse übernommen. Die geprüften Niederschriften und die Feststellung des endgültigen
Wahlergebnisses hätten den Anforderungen des § 37 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 38 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 KomWO
entsprochen, woran auch eine spätere Kenntnis neuer Umstände nichts ändern könne. Es stehe auch nicht
in Widerspruch zu § 11 Abs. 1 Satz 1 KomWG und § 43 Abs. 1 KomWO, dass der Gemeindewahlausschuss
zur Vorbereitung der Wahlnachprüfung auf Gemeindebedienstete zurückgreife. In dem Hinweis von Herrn H.
am Wahltag um 15.30 Uhr, dass die Herren H., R. und V. die Vorprüfung der Wahlunterlagen am nächsten
Tag übernehmen würden, und dem fehlenden Entgegentreten des Gemeindewahlausschusses sei die
Beauftragung zur Vorprüfung zu sehen. Deshalb liege auch kein Verstoß gegen das aus § 39 Abs. 1 und 2
KomWO folgende Verwahrungsgebot vor. Die Beanstandung, die die Stimmzettel enthaltenden Umschläge
seien teilweise nicht durch die Wahlvorsteher versiegelt worden, sei nicht innerhalb der nach § 31 Abs. 1
Satz 2 KomWG vorgesehenen Frist erfolgt und daher nicht berücksichtigungsfähig. Der von § 21 KomWG
und § 21 Abs. 3 Satz 1 KomWO statuierte Öffentlichkeitsgrundsatz sei nicht verletzt worden. Die
Feststellung des Wahlergebnisses sei unter Beachtung des Öffentlichkeitsgrundsatzes erfolgt, wozu auf den
Einspruchsbescheid vom 01.06.2015 verwiesen werde. Auch unter der hypothetischen Annahme der
Verletzung von Bestimmungen aus dem KomWG und der KomWO dürfe die Wahl nicht für ungültig erklärt
werden, weil die Verletzungen insoweit nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG ohne Einfluss auf das Ergebnis der
Wahl gewesen seien. Eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit einer
Beeinflussung des Wahlergebnisses sei nicht zu erkennen. Etwas Entgegenstehendes ergebe sich auch nicht
aus dem Vorbringen der Klägerin, der Gemeindewahlausschuss sei von den Wahlvorständen in den
Wahlbezirken 101 und 103 nicht über die dort anzutreffenden Unregelmäßigkeiten unterrichtet worden.
Auch insoweit greife die Präklusionswirkung des § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG durch. Selbst wenn keine
Präklusion erfolgt sein sollte, hätten die beiden Unstimmigkeiten im Wahlbezirk 101 und 103 keinen Einfluss
auf das Wahlergebnis haben können. Es habe sich bei den zwei fehlenden Stimmzetteln um leere und damit
ungültige Stimmen gehandelt, wie die Stellungnahme des Wahlvorstandes im Wahlbezirk 103 vom
30.04.2015 belege. Im Wahlbezirk 101 ergebe sich aus der Niederschrift des Wahlvorstandes vom
18.05.2015, dass die Stimmenzahl und die Summenzahl der Stimmabgabenvermerke 457 betrug. Auch
könne eine mögliche Wahlbeeinflussung nicht auf den unzutreffenden Umstand gestützt werden, dass die
die Nachprüfung vornehmenden Verwaltungsmitarbeiter V., R. und H. ein Interesse an einem Wahlsieg der
Beigeladenen zu 2, die zugleich ihre Vorgesetzte ist, hätten.
27 Im Klageverfahren legt die Beigeladene zu 1 einen Auszug aus der sogenannten Gegenliste des Wahlbezirks
101, das Wählerverzeichnis des Wahlbezirks 101, eine Stellungnahme des Wahlvorstandes des Wahlbezirks
101 vom 18.05.2015, eine Stellungnahme des Wahlvorstandes des Wahlbezirks 103 vom 30.04.2015 und
einen Umschlag mit den als ungültig bewerteten Stimmen aus dem Wahlbezirk 103 vor.
28 Die Beigeladene zu 2 hat keinen Antrag gestellt und sich im Verfahren auch nicht geäußert.
29 Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakten des Beklagten und der
Beigeladenen zu 1 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
30 Die Klage ist zulässig. Die Klägerin ist gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Durch die ablehnende
Einspruchsentscheidung vom 01.06.2015 ist die Klägerin beschwert und möglicherweise in ihren Rechten
verletzt. Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 31 Abs. 3 KomWG kann der Wahlberechtigte, der
Einspruch erhoben hat, ohne Widerspruchsverfahren unmittelbar Verpflichtungsklage erheben.
31 Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 01.06.2015 ist rechtmäßig
und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, den Beklagten zu
verpflichten, die Wahl des Bürgermeisters der Beigeladenen zu 1 vom 26.04.2015 für ungültig zu erklären
(§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
32 Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG kann gegen die Wahl binnen einer Woche nach der öffentlichen
Bekanntmachung des Wahlergebnisses von jedem Wahlberechtigten und von jedem Bewerber Einspruch bei
der Rechtsaufsichtsbehörde erhoben werden. Nach § 31 Abs. 1 Satz 3 KomWG ist der Einspruch eines
Wahlberechtigten und eines Bewerbers, der nicht die Verletzung seiner Rechte geltend macht, nur zulässig,
wenn ihm 1 vom Hundert der Wahlberechtigten, mindestens jedoch fünf Wahlberechtigte, bei mehr als
10.000 Wahlberechtigten mindestens 100 Wahlberechtigte beitreten.
33 Diese Voraussetzungen erfüllt der Einspruch der Klägerin, so dass er zulässig ist. Insbesondere sind dem
Einspruch 159 Wahlberechtigte beigetreten, so dass das notwendige Quorum von 58 Unterstützern erreicht
ist.
34 Auf einen Einspruch ist nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 KomWG eine Bürgermeisterwahl u.a. dann für ungültig zu
erklären, wenn das Ergebnis der Wahl dadurch beeinflusst werden konnte, dass ein Bewerber oder Dritte
eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben. Das gleiche gilt gemäß § 32 Abs. 1
Nr. 2 KomWG, wenn wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die
Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind.
35 Es können dabei gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG nur Einspruchsgründe berücksichtigt werden, die binnen
der einwöchigen Einspruchsfrist des § 31 Abs. 1 Satz 1 KomWG geltend gemacht worden sind. Der
gesetzliche Ausschluss von Einspruchsgründen, die nach Ablauf der Frist zur Wahlanfechtung geltend
gemacht werden, gilt auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren (materielle Präklusion), weil es im
öffentlichen Interesse liegt, dass die Gültigkeit einer Wahl alsbald geklärt wird. Gegenstand der Klage ist
nicht unmittelbar die Gültigkeit der angefochtenen Wahl, sondern der auf den zulässigen Einspruch
ergangene Einspruchsbescheid. Folglich ist auch die gerichtliche Prüfung auf die fristgerecht vorgebrachten
Einspruchsgründe beschränkt und nicht auf weitere Anfechtungsgründe zu erstrecken (VGH Baden-
Württemberg, Urteil vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -; Urteil vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -; VG Karlsruhe,
Urteil vom 26.01.2012 - 2 K 2293/11 -; jeweils juris). Der Sachverhalt, aus dem sich ein Wahlfehler ergeben
soll, muss hinreichend konkretisiert werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.05.2007 – 1 S
567/07 –, juris, Rn. 39). Das im Wahlprüfungsrecht enthaltene Substantiierungsgebot soll sicherstellen, dass
das sich auf der Grundlage der Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses ergebende Ergebnis nicht
vorschnell in Frage gestellt wird und dadurch Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit geweckt werden.
Wahlbeanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von
Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht
enthalten, dürfen deshalb als unsubstantiiert zurückgewiesen werden (BVerfG, Beschluss vom 12.12.1991 -
2 BvR 562.91 -, BVerfGE 85, 148; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.1996 – 1 S 2570/95 –, juris,
Rn. 46, 47).
36 Im vorliegenden Fall konnte durch die im Einspruch gerügten Verstöße gegen wesentliche Vorschriften über
die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG das Wahlergebnis nicht
beeinflusst werden.
37 Soweit die Klägerin die nichtöffentliche Nachprüfung der Wahl durch die Verwaltungsmitarbeiter V., R. und
H. rügt, vermag dies der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn das Wahlergebnis konnte durch diese
Nachprüfung nicht im Sinne von § 32 Abs. 1 KomWG beeinflusst werden. Der nach § 32 Abs. 1 KomWG
erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis ist nur gegeben, wenn sich
aus dem mit der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht
nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende
Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt. Entscheidend ist danach nicht die abstrakt
vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des
Wahlfehlers (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.01.1997 - 1 S 1741/96 -, juris, Rn. 29;
Quecke/Gackenholz/Bock, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2014, § 32 Rn. 105).
Hat bei einer Bürgermeisterwahl einer der Bewerber im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der gültigen
Stimmen erreicht, liegt ein erheblicher Wahlfehler dann vor, wenn ohne diesen Fehler die konkrete
Möglichkeit bestanden hätte, dass dieser Bewerber die absolute Mehrheit nicht erreicht hätte und es also zu
einem zweiten Wahlgang gekommen wäre, in dem der im ersten Wahlgang unterlegene Bewerber eine
neue - nicht ganz fernliegende - Chance gehabt hätte (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 10.11.2015 – 5 K
1472/15 –, juris).
38 Ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses liegt
im vorliegenden Fall zwar vor. Insbesondere wurde gegen § 11 Abs. 1 KomWG i.V.m. § 43 Abs. 1 KomWO, §
21 KomWG und § 21 Abs. 3 Satz 1 KomWO verstoßen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KomWG obliegt dem
Gemeindewahlausschuss die Leitung der Gemeindewahlen und die Feststellung des Wahlergebnisses. Der
Gemeindewahlausschuss hat gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 KomWO die Wahlniederschriften der Wahlvorstände
auf Vollständigkeit und Ordnungsmäßigkeit zu prüfen und dabei die Feststellungen der Wahlvorstände
nachzuprüfen. Ergeben sich aus den Wahlniederschriften oder aus sonstigen Gründen Bedenken gegen die
Ordnungsmäßigkeit des Wahlgeschäfts, ist es gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 KomWO Aufgabe des
Gemeindewahlausschusses, diese so weit wie möglich aufzuklären. Gemäß § 21 KomWG sind die
Wahlhandlung und die Feststellung des Wahlergebnisses öffentlich. Nach § 21 Abs. 3 Satz 1 KomWO
verhandeln und entscheiden die Wahlausschüsse in öffentlicher Sitzung. Die Befugnis zur Feststellung des
Wahlergebnisses beinhaltet das Recht des Gemeindewahlausschusses eine Nachzählung der Stimmen
anzuordnen (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 24.06.1998 - 4 ZB 97.2164 -, juris).
39 Vorliegend hat der Gemeindewahlausschuss über eine Nachzählung am Morgen des 27.04.2015 zuvor
keinen Beschluss gefasst. In dem Hinweis von Herrn H. um 15.30 Uhr am Wahltag auf die Vorprüfung der
Wahlunterlagen und dem Schweigen des Gemeindewahlausschusses kann auch kein Auftrag des
Gemeindewahlausschusses gesehen werden. Am Wahltag, dem 26.04.2015, traf sich der
Gemeindewahlausschuss als Briefwahlvorstand, um die Briefwahlunterlagen auszuzählen, worüber eine
Niederschrift als Briefwahlvorstand gefertigt wurde. Eine Sitzung als Gemeindewahlausschuss ist nicht
durch ein Protokoll o.ä. belegt. Nach der Stellungnahme der Beigeladenen zu 1 vom 13.05.2015 hielten sich
die Mitglieder des Gemeindewahlausschusses nach der Ermittlung des Briefwahlergebnisses teilweise im
Bürgerbüro, teilweise im an das Bürgerbüro angrenzenden Büro von Herrn R. sowie teilweise vor dem
Rathaus auf. Es sei seit Jahrzehnten gängige Praxis, die Sitzung des Gemeindewahlausschusses zur
Feststellung des amtlichen Wahlergebnisses auf den Folgetag zu terminieren. Aus dieser Stellungnahme
lässt sich schließen, dass der Gemeindewahlausschuss am Wahltag keine Beschlüsse hinsichtlich einer
Nachzählung in einer Sitzung getroffen hat. Das Schweigen der Mitglieder des
Briefwahlvorstandes/Gemeindewahlausschusses auf den Hinweis von Herrn H. hin kann unter diesen
Umständen nicht als Willenserklärung („Auftrag“) verstanden werden, so dass die Nachprüfung durch die
Verwaltungsmitarbeiter gegen § 11 Abs. 1 KomWG i.V.m. § 43 Abs. 1 KomWO verstieß. Dadurch, dass die
Nachprüfung nicht öffentlich erfolgte, liegt ferner ein Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz, § 21
KomWG und § 21 Abs. 3 Satz 1 KomWO, vor. Denn auch vorbereitende Sitzungen bedürfen der
Öffentlichkeit (vgl. Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 11 Rn. 19). Zudem hätte eine Nachzählung in einer
öffentlichen Sitzung erfolgen müssen (vgl. VG Köln, Urteil vom 25.03.2015 - 4 K 7076/14 -, juris). Schließlich
spricht Vieles dafür, dass die Nachprüfung gegen das Verwahrungsgebot des § 39 KomWO verstoßen hat.
Nach § 39 Abs. 2 KomWO hat der Bürgermeister die vom Wahlvorstand übergebenen Pakete bis zur
Vernichtung der Wahlunterlagen zu verwahren. Er hat sicherzustellen, dass die Pakete Unbefugten nicht
zugänglich sind. Nach § 39 Abs. 4 KomWO hat der Bürgermeister die Unterlagen auf Anforderung dem
Gemeindewahlausschuss sowie der Wahlprüfungsbehörde vorzulegen. Da die Bürgermeisterin hier selbst
kandidierte, dürfte entsprechend § 11 Abs. 2 Satz 3 KomWG der Vorsitzende des Gemeindewahlausschusses
bzw. stellvertretende Bürgermeister Herr S. zuständig gewesen sein. Selbst wenn man - wie die
Beigeladene zu 1 vorträgt - von einer Delegation an Herrn R. ausgehen sollte, so hätte dieser die Pakete
nicht den Herren V. und H. zur Nachzählung zugänglich machen dürfen.
40 Die verletzten Vorschriften sind wesentlich im Sinne des § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG. Wesentliche Vorschriften
sind solche, die entweder die tragenden Grundsätze des Wahlrechts sichern sollen, oder solche, welche die
Öffentlichkeit des Verfahrens und korrekte wahlrechtliche Entscheidungen sowie die richtige Ermittlung und
Feststellung des Wahlergebnisses gewährleisten sollen (vgl. Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 32 Rn. 97).
Die Regelungen der § 21 KomWG, § 21 Abs. 3 KomWO, die die Öffentlichkeit der Ermittlung sowie
Feststellung des Ergebnisses der Wahl sichern sollen, sind wesentlich (vgl. Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O.,
§ 21 Rn. 12, § 32 Rn. 98). Als wesentlich sind auch § 11 Abs. 1 KomWG, § 43 Abs. 1 KomWO anzusehen
(vgl. Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 11 Rn. 14), weil diese die Ordnungsmäßigkeit der Wahl dadurch
gewährleisten sollen, dass der Gemeindewahlausschuss selbst die Ermittlung des Wahlergebnisses
vornimmt. Die Wesentlichkeit des § 39 Abs. 2 Satz 2 KomWG ergibt sich daraus, dass das Vertrauen der
Öffentlichkeit in die Rechtmäßigkeit der Wahl erheblich erschüttert werden kann, wenn die verschlossenen
Wahlpakete Unbefugten zugänglich sind.
41 Jedoch konnte das Ergebnis der Wahl durch die Nachprüfung durch die Verwaltungsmitarbeiter nicht
beeinflusst werden. Auch bei einem Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz ist die abstrakte Möglichkeit
von Manipulationen nicht ausreichend, um die Wahl für ungültig zu erklären; vielmehr ist zu ermitteln, ob
die festgestellten Mängel im konkreten Fall Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben konnten (vgl.
BVerwG, Urteil vom 07.03.2012 - 8 C 7/11 -, juris). Soweit obergerichtliche Rechtsprechung im Einzelfall
eine abstrakte Möglichkeit von Manipulationen ausreichen lässt (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom
26.02.2009 - 4 L 364/08 -, juris) oder in jedem Fall die Ungültigkeit der Wahl annimmt (OVG Rheinland-
Pfalz, Urteil vom 04.12.1990 - 7 A 11827/90 -, juris), folgt das Gericht dem im vorliegenden Fall nicht. Denn
vorliegend wurde gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz nicht bei der ersten Ermittlung des Wahlergebnisses in
den Wahlvorständen verstoßen, sondern diese hatten bereits ein Ergebnis ermittelt, welches durch die
nichtöffentliche Nachprüfung nur überprüft werden sollte. Es lässt sich daher trotz Verstoßes gegen den
Öffentlichkeitsgrundsatz ermitteln, ob im konkreten Fall Auswirkungen auf das Wahlergebnis vorliegen
könnten. Der Gemeindewahlausschuss hat das - auch bereits am Wahlabend telefonisch mitgeteilte -
Ergebnis in sechs Wahlbezirken und das Briefwahlergebnis unverändert übernommen. Insofern eröffnete die
nichtöffentliche Nachprüfung keine Manipulationsmöglichkeiten. Soweit der Gemeindewahlausschuss eine
Stimme im Wahlbezirk 507 für gültig erklärt hat, die der Wahlvorstand als ungültig gewertet hatte, war der
Gemeindewahlausschuss dazu gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3 KomWO befugt. Der Wahlvorstand hat mit
Schreiben vom 18.05.2015 bestätigt, dass der Stimmzettel in dieser Form bereits am Wahlabend im
Wahllokal vorlag. Insoweit ist nicht ersichtlich, wie eine Manipulation hätte erfolgen können. Zudem ist der
Stimmzettel, bei dem die Beigeladene zu 2 angekreuzt und die Berufsbezeichnung des weiteren Bewerbers
unterstrichen war, zu Recht als gültig gewertet worden. Denn nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 KomWG sind Stimmen
ungültig, wenn die Person des Gewählten auf dem Stimmzettel nicht unzweifelhaft erkennbar ist.
Vorliegend ist das Kreuz bei der Beigeladenen zu 2 jedoch eindeutig und somit die gewählte Person
unzweifelhaft erkennbar, woran auch die Unterstreichung der Berufsbezeichnung nichts zu ändern vermag.
Soweit der Gemeindewahlausschuss eine Stimme, die bei dem weiteren Bewerber einsortiert gewesen sein
soll, aber die Kennzeichnung „F. M.“ enthält, als ungültig gewertet hat, belegen zwei Stellungnahmen von
Mitgliedern des Wahlvorstandes, dass dieser Stimmzettel am Wahlabend bereits vorhanden war. Die Zahl
der gültigen Stimmen und die auf die Bewerber abgegebenen Stimmen konnte durch die nachprüfenden
Verwaltungsmitarbeiter allenfalls im Hinblick auf die eine Stimme „F. M.“ verändert werden, weil telefonisch
am Wahlabend bereits das Wahlergebnis gemeldet worden war. Selbst wenn man eine theoretisch denkbare
Manipulation annehmen sollte, dahingehend, dass die Stimme „F. M.“ sich im Stapel der ungültigen Stimmen
befunden hätte, in den Stapel des weiteren Bewerbers verschoben und dafür eine gültige Stimme des
weiteren Bewerbers unterschlagen worden wäre, hätte dies das Wahlergebnis nicht verändern können, weil
die Beigeladene zu 2 trotzdem mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen erreicht hätte (1.729 Stimmen von
dann 3.455 gültigen Stimmen).
42 Ferner hat auch die Rüge der Klägerin, dass die Sitzung des Gemeindewahlausschusses vom 27.04.2015 erst
kurzfristig zwölf Minuten vor Sitzungsbeginn ausgehängt wurde, keinen Erfolg. Zwar ist dadurch wohl
gegen § 21 Abs. 3 Satz 2 KomWO verstoßen worden. Nach § 21 Abs. 3 Satz 2 KomWO gibt der Vorsitzende
des Gemeindewahlausschusses Zeit, Ort und Gegenstand der Sitzung durch Aushang am oder im Eingang
des Sitzungsgebäudes mit dem Hinweis bekannt, dass jedermann Zutritt zu der Sitzung hat. Durch Aushang
zwölf Minuten vor Sitzungsbeginn ist fraglich, ob eine rechtzeitige Bekanntgabe vorliegt, weil Zuschauer
nur durch Zufall davon erfahren können und nur dann, wenn sie sich schon vor Ort befinden. Jedenfalls ist
nicht ersichtlich, wie das Ergebnis der Wahl durch diesen wahrscheinlichen Verstoß beeinflusst werden
konnte, zumal 13 Zuschauer einschließlich der Klägerin in der Sitzung anwesend waren.
43 Die Rüge der Klägerin, dass für das Verschließen der Umschläge für die Stimmzettel die Wahlvorsteher nur
teilweise die dafür vorgesehenen Siegelmarken verwendet hätten, wodurch gegen § 39 Abs. 1 KomWG
verstoßen worden sei, ist nach § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG präkludiert. Denn diese Rüge findet im
Einspruchsschreiben vom 06.05.2015 keine Erwähnung, sondern wurde erst im Klageverfahren ausgeführt.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich dieser Umstand auf das Wahlergebnis auswirken konnte. Dass die
Umschläge mit den Stimmzetteln von den Herren V., R. und H. geöffnet wurden, ist unstreitig. Die Kammer
brauchte daher auch nicht der Frage nachzugehen, ob die Umschläge am nächsten Tag offen oder
verschlossen in den Gemeindewahlausschuss verbracht wurden.
44 Schließlich bestehen Zweifel, ob die Klägerin mit ihrer Rüge in der Klageschrift, dass die Stimmenanzahl in
der Gegenliste und im Wählerverzeichnis in den Wahlbezirken 101 und 103 nicht übereinstimme und somit
die Wahlniederschriften unrichtig seien, im Einspruchsverfahren gehört werden kann. Der diesbezügliche
Tatsachenvortrag findet sich - zumindest ausdrücklich - nicht in der Einspruchsschrift und wurde nicht
innerhalb der einwöchigen Frist vorgebracht. In ihrem Einspruch verweist die Klägerin darauf, dass man
davon ausgehen müsse, dass die Auszählung in den Wahllokalen fehlerhaft war, so dass eine öffentliche
Nachzählung erforderlich gewesen wäre. Fehlertatbestände müssen zumindest so weit konkretisiert
werden, dass sie einer Nachprüfung zugänglich sind (vgl. Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 31 Rn. 50). Der
Einspruchsgrund, die Stimmenauszählung sei fehlerhaft gewesen, ist ohne nähere Darlegung nicht
hinreichend konkretisiert. Allerdings dürfen die Anforderungen daran, was ein Einspruchsführer vortragen
muss, um eine Überprüfung der Wahl bezogen auf den von ihm beanstandeten Fehler zu erreichen, nicht
überspannt werden oder gar Unmögliches gefordert werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom
27.02.1996 – 1 S 2570/95 –, juris). Vorliegend hatte die Klägerin von den konkreten Unstimmigkeiten
bezüglich der Stimmenanzahl und der Wahlniederschriften in den Wahlbezirken 101 und 103 während der
Einspruchsfrist noch keine Kenntnis und es ist fraglich, ob von ihr Unmögliches gefordert würde, wenn man
eine weitere Konkretisierung der Fehlertatbestände fordern würde. Die Klägerin hat erst am 10.06.2015 um
Akteneinsicht nachgesucht, also nach Ablauf der Einspruchsfrist. Allerdings wurde ihr versagt, in die
Wahlprüfungsakte, aus der sich die Unregelmäßigkeiten in den Niederschriften der Wahlbezirke 101 und 103
ergeben hätten, Einsicht zu nehmen.
45 Im Ergebnis kann offen bleiben, ob die Klägerin mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen präkludiert ist. Denn
jedenfalls konnte durch diese Unstimmigkeiten das Wahlergebnis nicht im Sinne von § 32 Abs. 1 KomWG
beeinflusst werden. Zwar liegt ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften zur Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG vor. Im Wahlbezirk 101 hätte der
Gemeindewahlausschuss über die Abweichung der Zahl der Stimmzettel und der Kontrollvermerke
informiert werden müssen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KomWG obliegt dem Gemeindewahlausschuss die
Leitung der Gemeindewahlen und die Feststellung des Wahlergebnisses. Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 KomWO
hat der Gemeindewahlausschuss die Wahlniederschriften der Wahlvorstände auf Vollständigkeit und
Ordnungsmäßigkeit nachzuprüfen. Ergeben sich aus den Wahlniederschriften oder aus sonstigen Gründen
Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit des Wahlgeschäfts, klärt er sie so weit wie möglich auf (§ 43 Abs. 1
Satz 2 KomWO). Nach § 37 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 38 Abs. 2 Nr. 10 KomWO ist es in der Wahlniederschrift zu
vermerken, wenn die Zahl der Stimmzettel und der Stimmabgabevermerke im Wählerverzeichnis nicht
übereinstimmen. Die Wahlniederschrift des Wahlvorstandes des Wahlbezirks 101 enthält keinen Hinweis,
obwohl am Wahlabend die Zahl der Stimmzettel mit 457 und der Stimmabgabevermerke mit (vermeintlich)
456 nicht übereinstimmten. Weil sich der Wahlvorstand am Morgen des 27.04.2015 an die Herren V. und R.
wandte, war diesen die Diskrepanz bewusst, so dass sich „aus sonstigen Gründen“ Bedenken gegen die
Ordnungsmäßigkeit des Wahlgeschäfts ergaben und diese den Gemeindewahlausschuss in der Sitzung am
Nachmittag des 27.04.2015 hätten informieren müssen, auch wenn sich die Diskrepanz durch die
Nachzählung der Stimmabgabevermerke im Wählerverzeichnis und eine undeutliche Kennzeichnung auf
Seite 6 aus ihrer Sicht hatte aufklären lassen. Bei den verletzten Vorschriften handelt es sich um
wesentliche Vorschriften im Sinne des § 32 Abs. 1 KomWG (vgl. Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 11 Rn.
14).
46 Allerdings konnte das Ergebnis der Wahl durch diese Verstöße nicht beeinflusst werden. Das Gericht hat die
Stimmabgabevermerke im Wählerverzeichnis des Wahlbezirks 101 nachgeprüft. Dieses enthält 457
Stimmabgabevermerke, was mit der Zahl der Stimmzettel übereinstimmt. Die Diskrepanz zwischen am
Wahlabend gezählten 456 und vom Gericht festgestellten 457 Stimmabgabevermerken dürfte allerdings auf
einer unrichtigen Addition der Stimmabgabevermerke auf S. 31 des Wählerverzeichnisses beruhen, anstatt
auf einer undeutlichen Kennzeichnung auf S. 6. Die bloße Tatsache, dass der im Wählerverzeichnis
„abgehakte“ Wähler mit der Nr. 254 in der Gegenliste nicht notiert wurde, führt angesichts der
Übereinstimmung der Zahl von Stimmabgabevermerken und Stimmzetteln nicht zu einer anderen
rechtlichen Bewertung. Es ist zudem nicht ersichtlich, wie der Fehler – mangelnde Information des
Gemeindewahlausschusses und unrichtige Niederschrift – sich auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben
könnte.
47 Im Wahlbezirk 103 hat der Wahlvorstand gegen § 37 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 38 Abs. 2 Nr. 10 KomWO
verstoßen, indem er die Diskrepanz zwischen der Anzahl der Stimmzettel, der Zahl der
Stimmabgabevermerke im Wählerverzeichnis und der Zahl in der Gegenliste vermerkten Wähler nicht in die
Wahlniederschrift aufnahm und statt dessen zwei Stimmzettel zur Seite legte. Dabei handelt es sich auch
um wesentliche Vorschriften im Sinne des § 32 Abs. 1 KomWG. Hingegen hat der Gemeindewahlausschuss in
seiner Sitzung am 27.04.2015 nicht gegen § 43 Abs. 1 Satz 2 KomWO verstoßen, weil er von dieser
Unstimmigkeit noch nichts wissen konnte. Aus der Niederschrift des Wahlbezirks 103 ergab sich diese
Unstimmigkeit nicht. Erst das Landratsamt als Wahlprüfungsbehörde deckte diese Unstimmigkeit auf und der
Wahlvorstand nahm mit Erklärung vom 30.04.2015 dazu Stellung. Bei der Sitzung des
Gemeindewahlausschusses am 27.04.2015 zur Feststellung des Wahlergebnisses ergaben sich aus der
Wahlniederschrift oder aus sonstigen Gründen noch keine Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit des
Wahlgeschäfts. Soweit der Wahlvorstand gegen wesentliche Vorschriften im Sinne des § 32 Abs. 1 KomWG
verstoßen hat, konnte das Ergebnis der Wahl durch diesen Verstoß nicht beeinflusst werden. Nach der
Erklärung des Wahlvorstandes vom 30.04.2015, die von allen acht Mitgliedern unterschrieben ist, hat es
sich um zwei leere, d.h. nicht gekennzeichnete, Stimmzettel gehandelt. Diese ungültigen Stimmzettel
konnten das Wahlergebnis nicht beeinflussen. Die Kammer sieht keine Veranlassung, an der Richtigkeit der
übereinstimmenden Erklärung des Wahlvorstandes zu zweifeln. Ohne dass es entscheidungserheblich darauf
ankommt, sei auf folgendes hingewiesen: Selbst wenn man unterstellt, dass es sich entgegen der Erklärung
des Wahlvorstandes um zwei gültige Stimmen zugunsten des weiteren Bewerbers gehandelt hätte, hätte
dies das Wahlergebnis nicht beeinflussen können. Denn dann hätte die Beigeladene zu 2 mit 1.729 Stimmen
immer noch mehr als die Hälfte (1.728) der dann 3.456 gültigen Stimmen erreicht. Soweit der
Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung geäußert hat, dass zwei Wähler jeweils zwei Stimmen für
die Beigeladene zu 2 abgegeben haben könnten, wenn ihnen versehentlich zwei Stimmzettel ausgehändigt
worden waren, so fehlt dafür jeder konkrete Anhaltspunkt. Der Stimmzettel wurde gefaltet und war einzeln
in die Wahlurne einzuwerfen (vgl. § 29 Abs. 4 Satz 2 KomWO). Wenn zwei Stimmzettel ineinander gefaltet
eingeworfen worden wären, so wäre dies spätestens bei der Auszählung bemerkt worden. Selbst wenn man
dennoch unterstellt, dass zwei Wähler jeweils zwei Stimmen für die Beigeladene zu 2 abgegeben hätten,
konnte dies das Wahlergebnis nicht beeinflussen, weil die Beigeladene zu 2 mit dann noch 1.727 (1.729 - 2)
Stimmen immer noch mehr als die Hälfte (1.726) der dann 3.452 gültigen Stimmen erreicht hätte.
48 Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Zwar hat die Beigeladene zu 1 einen
Antrag gestellt und ist damit ein Kostenrisiko eingegangen (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Nachdem die
Beigeladene zu 1 aber gegen wesentliche Vorschriften zur Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses
verstoßen hat und damit die Ursache für die Wahlanfechtung gesetzt hat, entspricht es nicht der Billigkeit,
der unterlegenen Klägerin die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 aufzuerlegen (vgl. auch
Rechtsgedanke des § 31 Abs. 2 Satz 2 KomWG). Die Beigeladene zu 2 hat keinen Antrag gestellt und sich
somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt, so dass es ebenfalls nicht der Billigkeit entspricht, ihre
außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen.
49 Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gem. § 124a Abs. 1
Satz 1 VwGO liegen nicht vor.