Urteil des VG Stuttgart vom 15.11.2012

VG Stuttgart: raumordnung, regionalplanung, ausnahme, landesplanung, konzentrationsgebot, grundversorgung, bad, bindungswirkung, gestaltungsspielraum, gemeinde

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 15.11.2012, 8 S 2525/09
Leitsätze
1. Eine Festlegung des Regionalplans, die ein in einem landesweiten Raumordnungsplan
festgelegtes Ziel der Raumordnung nicht beachtet, verstößt gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG.
2. Die Bindungswirkung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG begrenzt den regionalplanerischen
Spielraum zur Ausformung eines Zieles der Raumordnung des Landesentwicklungsplanes i. S.
des § 11 Abs. 2 Satz 2 LplG auf Festlegungen, die den durch das Ziel festgelegten Rahmen
nachvollziehend räumlich und sachlich verfeinern, soweit dieser Rahmen nicht selbst Spielraum
für abweichende Ausgestaltungen im Regionalplan eröffnet.
3. Plansatz 3.3.7 Z Abs. 1 des Landesentwicklungsplans 2002 Baden-Württemberg (Verordnung
der Landesregierung vom 23.07.2002, GBl. S. 301) gibt als Ziel der Raumordnung zur
Konzentration der Standorte von Einzelhandelsgroßprojekten im Zentrale-Orte-System
landesweit einen verbindlichen Differenzierungsrahmen in Gestalt einer Soll-/Regel-Ausnahme-
Struktur ohne regionalplanerischen Abweichungsspielraum vor (Aufgabe der im
Senatsbeschluss vom 09.12.2005 - 8 S 1754/05 - ZfBR 2006, 483 vertretenen Auffassung).
4. Ergänzende regionalplanerische Regelungen über Agglomerationen von
Einzelhandelsbetrieben, die schädliche überörtliche Wirkungen entfalten, sind nach § 11 Abs. 3
Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 5 LplG zulässig (im Anschluss an VGH Baden-Württemberg, Urteil vom
21.09.2010 - 3 S 324/08 - NuR 2011, 149).
Tenor
Plansatz 2.4.3.2.2 (Z) Absatz 1 des Regionalplans des Verbands Region Stuttgart vom 22. Juli
2009 wird für unwirksam erklärt.
Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Der Landesentwicklungsplan 2002 Baden-Württemberg (Verordnung der Landesregierung
vom 23.07.2002, GBl. S. 301) - LEP 2002 - strukturiert das Land in Verdichtungsräume,
Randzonen um die Verdichtungsräume sowie Ländlichen Raum und legt ein Zentrale-
Orte-System und insoweit bestimmte Ober- und Mittelzentren sowie zentralörtliche
Verflechtungsbereiche (Mittelbereiche) fest. Die Antragstellerin ist eine Stadt im Landkreis
Esslingen. Sie gehört zum Verdichtungsraum Stuttgart und zum Mittelbereich Kirchheim
(Mittelzentrum Kirchheim unter Teck). Der Regionalplan weist sie als Kleinzentrum aus.
Der Antragsgegner ist u.a. Träger der Regionalplanung für die Gebiete der
Landeshauptstadt Stuttgart sowie der Landkreise Böblingen, Esslingen, Göppingen,
Ludwigsburg und Rems-Murr-Kreis mit dem Oberzentrum Stuttgart und vierzehn
Mittelzentren (Region Stuttgart). Die landesweit bevölkerungsreichste Region Stuttgart
gehört weitgehend zum Verdichtungsraum Stuttgart.
2 Der Landesentwicklungsplan 2002 legt im Kapitel "3.3 Wirtschaftsentwicklung,
Standortbedingungen“ Ziele und Grundsätze der Raumordnung über Standorte für
Einzelhandelsgroßprojekte und insoweit insbesondere fest:
3
"3.3.7 Z Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige
großflächige Handelsbetriebe für Endverbraucher (Einzelhandelsgroßprojekte)
sollen sich in das
zentralörtliche Versorgungssystem einfügen; sie dürfen in der Regel nur in
Ober-, Mittel- und Unterzentren ausgewiesen, errichtet oder erweitert werden.
Hiervon abweichend kommen auch Standorte in Kleinzentren und Gemeinden
ohne zentralörtliche Funktion in Betracht, wenn
- dies nach den raumstrukturellen Gegebenheiten zur Sicherung der
Grundversorgung geboten ist oder
- diese in Verdichtungsräumen liegen und mit Siedlungsbereichen
benachbarter Ober-, Mittel- oder Unterzentren zusammengewachsen sind.
Z
Hersteller-Direktverkaufszentren als besondere Form des großflächigen
Einzelhandels sind grundsätzlich nur in Oberzentren zulässig.
3.3.7.1
Z
Die Verkaufsfläche der Einzelhandelsgroßprojekte soll so bemessen sein,
dass deren Einzugsbereich den zentralörtlichen Verflechtungsbereich nicht
wesentlich
überschreitet. Die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung im
Einzugsbereich und die Funktionsfähigkeit anderer Zentraler Orte dürfen nicht
wesentlich
beeinträchtigt werden.
3.3.7.2
Z
Einzelhandelsgroßprojekte dürfen weder durch ihre Lage und Größe noch
durch ihre Folgewirkungen die Funktionsfähigkeit der Stadt- und Ortskerne der
Standortgemeinde wesentlich beeinträchtigen. Einzelhandelsgroßprojekte
sollen vorrangig an städtebaulich integrierten Standorten ausgewiesen,
errichtet oder erweitert werden. Für nicht zentrenrelevante Warensortimente
kommen auch städtebauliche Randlagen in Frage.
3.3.7.3
G
Neue Einzelhandelsgroßprojekte sollen nur an Standorten realisiert werden,
wo sie zeitnah an den öffentlichen Personennahverkehr angeschlossen
werden können.
3.3.7.4
G
Die Festlegung von Standorten für regionalbedeutsame
Einzelhandelsgroßprojekte in den Regionalplänen soll vor allem auf Grund
eines regionalen
Entwicklungskonzepts vorgenommen werden. Als Teil einer integrierten
städtebaulichen Gesamtplanung soll auf der Grundlage von regional
abgestimmten
Einzelhandelskonzepten eine ausgewogene Einzelhandelsstruktur erhalten
oder angestrebt werden."
4 In der Begründung dazu heißt es, soweit hier von Bedeutung:
5
"Die genannten Einzelhandelsgroßprojekte entsprechen den in § 11 Abs. 3 der
Baunutzungsverordnung
aufgeführten
Vorhaben.
Hierzu
wird
auf
den
Einzelhandelserlass vom 21.02.2001 (GABl. S. 290) verwiesen.
Einzelhandelsgroßprojekte können bei falscher Standortwahl und Größenordnung das
zentralörtliche Versorgungssystem, die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung
und die Funktionsfähigkeit der Stadt- und Ortskerne nachteilig beeinflussen. Deshalb ist
es notwendig, durch landesplanerische Festlegungen auf die Raumverträglichkeit
derartiger Vorhaben hinzuwirken. Dazu dienen die Vorgaben für Standortgemeinden
entsprechend ihrer zentralörtlichen Versorgungsfunktion, zu den Auswirkungen eines
Einzelhandelsgroßprojekts und zum Standort innerhalb der Gemeinde. Die Kommunen
sind gesetzlich verpflichtet, ihre Bauleitpläne an diese Ziele der Raumordnung
anzupassen.
Einzelhandelsgroßprojekte sind in der Regel nur in Ober-, Mittel- und Unterzentren
zulässig. Von dieser Regelung kann über die beiden ausdrücklich geregelten
Ausnahmefälle hinaus nur in atypischen Fällen abgewichen werden.
Auf Grund der stetig rückläufigen Zahl von flächenmäßig kleineren
Lebensmittelgeschäften müssen zunehmend Lebensmittelsupermärkte mit Vollsortiment
die Aufgabe der verbrauchernahen Grundversorgung übernehmen. Die ökonomische
Entwicklung im Lebensmitteleinzelhandel führt jedoch zu einem erhöhten
Flächenbedarf, der bei Neuansiedlungen meist oberhalb der Regelvermutungsgrenze
des § 11 Abs. 3 der Baunutzungsverordnung liegt. Zur Sicherung einer
verbrauchernahen Grundversorgung vor allem mit Lebensmitteln ist es deshalb
erforderlich, von der sonst geltenden Bindung an Zentralitätsstufen abzuweichen und
ausnahmsweise auch Kleinzentren und Gemeinden ohne zentralörtliche Funktion als
Standorte für großflächige Einzelhandelsbetriebe vorzusehen.
Insbesondere im Verdichtungsraum haben die hohe Siedlungsdichte und die damit
verbundene Entwicklung von zahlreichen neuen "Versorgungszentren" sowohl zu einer
gegenseitigen Überlagerung zentralörtlicher Funktionen beigetragen als auch zu einer
Mehrfachorientierung im Versorgungsverhalten der Bevölkerung geführt. Deshalb
kommen im Verdichtungsraum ausnahmsweise auch Kleinzentren und Gemeinden
ohne zentralörtliche Funktion als Standorte für großflächige Einzelhandelsbetriebe in
Betracht, wenn sie mit Siedlungsbereichen benachbarter Ober-, Mittel- und Unterzentren
zusammengewachsen sind. Die Standorte in den Kleinzentren und Gemeinden ohne
zentralörtliche
Funktion
sollen
dann
in
den
zusammengewachsenen
Siedlungsbereichen liegen.
[...]
Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 des Landesplanungsgesetzes sind in den Regionalplänen
gebietsscharf Standorte für Einzelhandelsgroßprojekte auszuweisen, soweit diese
regionalbedeutsam sind. Dabei sollen regionale und kommunale Entwicklungskonzepte
für den Einzelhandel dazu beitragen, das Nebeneinander von großflächigem
Einzelhandel und Facheinzelhandel vorausschauend raum- und stadtverträglich zu
steuern."
6 Der Regionalplan des Antragsgegners vom 22.07.1998 in der Fassung einer Teiländerung
vom 13.03.2002 legte im Kapitel 2.7 ebenfalls Ziele und Grundsätze der Raumordnung
über Standorte für Einzelhandelsgroßprojekte und im Plansatz 2.7.2 Abs. 1 insoweit
insbesondere fest:
7
"2.7.2
(Z)
Großflächige
Einzelhandelsbetriebe,
Einkaufszentren,
und
sonstige
großflächige Handelsbetriebe für Endverbraucher im Sinne von § 11 Abs. 3
BauNVO
1990,
die
überörtliche
Wirkungen
entfalten
(Einzelhandelsgroßprojekte), sowie die Erweiterung bestehender Einrichtungen
sind nur im Oberzentrum bzw. den Mittel- und Unterzentren zulässig."
8 Im Juli 2005 beschloss die Regionalversammlung, den Regionalplan im Kapitel 2.7 durch
Änderung des Plansatzes 2.7.2 und Einfügung eines neuen Plansatzes 2.7.11 über
Agglomerationen von Einzelhandelsbetrieben fortzuschreiben. Die Antragstellerin und
andere Gemeinden rügten die beabsichtigte Streichung des Nebensatzes "die überörtliche
Wirkungen entfalten" im Plansatz 2.7.2 Abs. 1 und machten geltend, der neue Plansatz
2.7.11 sei in der Bauleitplanung nicht realisierbar. Am 09.07.2008 beschloss die
Regionalversammlung die Teilfortschreibung als Satzung. Das Wirtschaftsministerium
erklärte sie mit Genehmigung vom 10.11.2008 für verbindlich. Die Genehmigung wurde
am 21.11.2008 im Staatsanzeiger öffentlich bekannt gemacht.
9 Am 19.11.2009 hat die Antragstellerin beim erkennenden Gerichtshof beantragt, die
Teilfortschreibung vom 09.07.2008 für unwirksam zu erklären.
10 Am 19.10.2010 erklärte das Wirtschaftsministerium eine von der Regionalversammlung
am 22.07.2009 als Satzung beschlossene Gesamtfortschreibung des Regionalplans für
verbindlich. Der Regionalplan legt nun im Unterkapitel 2.4.3.2 Ziele und Grundsätze der
Raumordnung über Standorte für Einzelhandelsgroßprojekte sowie für Agglomerationen
von Einzelhandelsbetrieben fest, die mit den Plansätzen im Kapitel 2.7 des Regionalplans
nach der Teilfortschreibung vom 09.07.2008 weitgehend identisch sind. Insoweit lauten
die Plansätze 2.4.3.2.2 (Z) und 2.4.3.2.8 (Z), soweit hier von Bedeutung:
11
11
"2.4.3.2.2 (Z) Standorte für
Einzelhandelsgroßprojekte
und Veranstaltungszentren
(1) Einzelhandelsbetriebe, Einkaufszentren und sonstige
Handelsbetriebe für Endverbraucher mit einer
Verkaufsfläche von mehr als 800 m²
(Einzelhandelsgroßprojekte), sowie die Erweiterung
bestehender Einrichtungen sind nur im Oberzentrum bzw.
den Mittel- und Unterzentren zulässig.
(2) Verkaufsflächenumfang und Einzugsbereich
entsprechender Einrichtungen sind insbesondere auf die
Einwohnerzahl des Zentralen Ortes und
dessen Verflechtungsbereichs abzustimmen. Hersteller-
Direktverkaufszentren/Fabrik-verkaufszentren sind als
Einkaufszentren zu behandeln und
nur im Oberzentrum vorzusehen. Bei Einzugsbereichen,
die nicht wesentlich über einen Mittelbereich hinausgehen
kommen hierfür auch Mittelzentren
in Betracht.
(3) Die Funktionsfähigkeit des zentralörtlichen Siedlungs-
und Versorgungskerns der Standortgemeinde und anderer
Zentraler Orte sowie die
verbrauchernahe Versorgung dürfen dabei nicht
beeinträchtigt werden.
(4) Einzelhandelsgroßprojekte, die ausschließlich der
Grundversorgung der Einwohner dienen und keine
schädliche Wirkungen erwarten lassen,
insbesondere auf die zentralörtlichen Siedlungs- und
Versorgungskerne und die wohnortnahe Versorgung der
Bevölkerung anderer Gemeinden oder
deren Ortskerne, sind auch in Kleinzentren und
Gemeinden ohne zentralörtliche Funktion zulässig. Für die
vorgenannten Einzelhandelsgroßprojekte
gelten die Plansätze 2.4.3.2.3 bis 2.4.3.2.5 nicht.
Ausschließlich der Grundversorgung dienen
Einzelhandelsgroßprojekte, deren Sortiment
Nahrungs- und Genussmittel einschließlich Getränke
sowie Drogerieartikel umfasst; sonstige Waren dürfen nur
als Nebensortiment auf nicht mehr
als 10 % der Verkaufsfläche angeboten werden.
[...]
12
2.4.3.2.8 (Z) Räumliche
Konzentration von
Einzelhandelsbetrieben
(Agglomeration)
(1) Agglomerationen von Einzelhandelsbetrieben sind in den
Ortskernen aller Gemeinden zulässig. Wird ein Bauleitplan
aufgestellt oder
geändert, dessen Geltungsbereich den Ortskern ganz oder
teilweise erfasst, so darf die hiernach zulässige
Agglomeration von
Einzelhandelsbetrieben keine schädlichen, überörtlichen
Wirkungen entfalten, insbesondere auf die zentralörtlichen
Versorgungskerne,
die wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung anderer
Gemeinden oder deren Ortskerne. Ansonsten gelten für
Agglomerationen von
Einzelhandelsbetrieben die Plansätze 2.4.3.2.2 (Z) bis
2.4.3.2.6 (Z) entsprechend.
(2) Eine Agglomeration von Einzelhandelsbetrieben entsteht,
wenn räumlich nahe beieinander liegend mehrere
Einzelhandelsbetriebe errichtet
werden, zu einem bestehenden Einzelhandelsbetrieb ein
oder mehrere neue Einzelhandelsbetriebe hinzu treten oder
bestehende
Einzelhandelsbetriebe erweitert oder umgenutzt werden, so
dass die Summe der Verkaufsflächen der räumlich nahe
beieinander
liegenden Einzelhandelsbetriebe größer als 800 m
2
ist.
Räumlich nahe beieinander liegen Einzelhandelsbetriebe,
wenn die Luftlinie
zwischen den Gebäudezugängen nicht länger als 150 m ist."
13 Weitere Plansätze legen zulässige Standorte anhand der Zentrenrelevanz von
Sortimenten (2.4.3.2.3 (Z)), Vorrang- und Ausschlussgebiete für zentrenrelevante
Einzelhandelsgroßprojekte (2.4.3.2.4 (Z)) sowie Grundsätze über Ergänzungsstandorte
(2.4.3.2.5 (G)) und über Anforderungen zur Anbindung an den öffentlichen
Personennahverkehr (2.4.3.2.6 (G) fest. Die Genehmigung des Wirtschaftsministeriums
wurde am 12.11.2010 im Staatsanzeiger öffentlich bekannt gemacht. Gleichzeitig traten
frühere Satzungen zur Fortschreibung oder Änderung des Regionalplans außer Kraft.
14 Am 09.12.2010 hat die Antragstellerin ihren Normenkontrollantrag geändert. Sie beantragt
nunmehr,
15 die Plansätze 2.4.3.2.2 Abs. 1 und 2.4.3.2.8 im Regionalplan des Verbands Region
Stuttgart vom 22.07.2009 für unwirksam zu erklären.
16 Die Antragsänderung sei sachdienlich. Die Antragsbefugnis folge daraus, dass die
Plansätze ihre nach Art. 28 Abs. 2 GG geschützte Planungshoheit verletzen könnten.
Plansatz 2.4.3.2.2 Z Abs. 1 verstoße gegen § 11 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. Satz 1 LplG,
weil er mit der bloßen Anknüpfung an eine bestimmte Verkaufsfläche auch nicht
regionalbedeutsame Einzelhandelsgroßprojekte ohne überörtlich schädliche Wirkungen i.
S. des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO erfasse. Denn nicht jeder großflächige
Einzelhandelsbetrieb sei per se regionalbedeutsam. Außerdem sei Plansatz 2.4.3.2.2 Abs.
1 nicht nach § 1 Abs. 4 BauGB i.V.m. § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO umsetzbar. Schließlich
verstoße der als Muss-Vorschrift mit nur einer Ausnahme formulierte Plansatz 2.4.3.2.2 Z
Abs. 1 gegen das als Sollvorschrift mit zwei ausdrücklich benannten Ausnahmen
ausgestaltete Konzentrationsgebot im Plansatz 3.3.7 Z Abs. 1 LEP 2002. Für eine
"rettende" Auslegung "im Lichte" des Plansatzes 3.3.7 Z Abs. 1 LEP 2002 sei kein Raum.
Die Unwirksamkeit des Plansatzes 2.4.3.2.2 (Z) Abs. 1 bewirke die Unwirksamkeit aller
darauf aufbauenden weiteren Plansätze. Die Agglomerationsregelung des Plansatzes
2.4.3.2.8 (Z) sei ungeachtet dessen unwirksam, weil sie mangels Regionalbedeutsamkeit
nicht von § 11 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 5 LplG gedeckt sei. Denn sie erfasse mit der bloßen
Anknüpfung an eine Verkaufsfläche von mehr als 800 m
2
auch Agglomerationen
kleinflächiger Einzelhandelsbetriebe ohne wesentliche Auswirkungen auf die
Verwirklichung von Zielen der Raumordnung und Landesplanung. Zudem sei sie nicht aus
dem Plansatz 3.3.7 Z Abs. 1 LEP 2002 abzuleiten, der auf eine vergleichbare Regelung
bewusst verzichte. Schließlich sei auch die Agglomerationsregelung in der Bauleitplanung
nicht umsetzbar. Es sei nach § 1 BauNVO nicht möglich, festzusetzen, dass mehrere
selbstständige, je für sich nicht großflächige Einzelhandelsbetriebe bei einer räumlichen
Konzentration mit einer Luftlinie zwischen den Gebäudeeingängen von nicht mehr als 150
m als "Agglomeration" und mithin als großflächiger Einzelhandelsbetrieb i. S. des § 11
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 oder 2 BauNVO zu behandeln seien. Auch sei es nicht möglich,
Baugebiete wie ein Gewerbe-oder Mischgebiet so zuzuschneiden, dass Agglomerationen
i. S. dieses Plansatzes rechtlich zuverlässig verhindert werden könnten. Es sei unmöglich,
im Umkreis von 150 m um die Tür eines Lebensmittelmarktes Gebäudezugänge anderer
Betriebe abwägungsfehlerfrei auszuschließen, wenn ein solcher Zugang 150,01 m
entfernt zulässig wäre. Das Raumordnungsrecht könne nicht rechtfertigen, dass auf einem
Grundstück Einzelhandel zulässig sei, auf einem anderen aber nicht. Ein vollständiger
Ausschluss des Einzelhandels greife unverhältnismäßig in die kommunale
Planungshoheit und Art. 14 GG ein.
17 Der Antragsgegner stimmt der Antragsänderung zu und beantragt,
18 den Antrag abzuweisen.
19 Er erwidert: Plansatz 2.4.3.2.2 Z Abs. 1 finde seine Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 1 bis 3
LplG. Für die Regionalbedeutsamkeit komme es nicht auf die erfassten Vorhaben,
sondern die Festlegung an sich an. §§ 1, 9 BauGB und § 11 BauNVO regelten keine
Vorgaben für die Raumordnung. Die Konzentrationsplanung sei auch i. S. des § 11 Abs. 3
Satz 1 LplG "erforderlich". Der Träger der Regionalplanung habe im Rahmen des
Raumordnungsgesetzes, des Landesplanungsgesetzes und des
Landesentwicklungsplans eine ähnliche Gestaltungsfreiheit wie Gemeinden nach § 1 Abs.
Landesentwicklungsplans eine ähnliche Gestaltungsfreiheit wie Gemeinden nach § 1 Abs.
3 BauGB. Das festgelegte Ziel sei in der Bauleitplanung auch umsetzbar. Der sonstige
rechtliche Rahmen sei eingehalten, insbesondere werde die Regel des Plansatzes 3.3.7 Z
Abs. 1 LEP 2002 gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 LplG rechtmäßig ausgeformt. Plansatz 3.3.7 Z
Abs. 1 LEP 2002 eröffne den Trägern der Regionalplanung insoweit einen
Gestaltungsspielraum. Dafür sprächen bereits der offen gefasste Wortlaut des Plansatzes
sowie dessen Begründung, soweit danach "durch landesplanerische Festlegungen" auf
die Raumverträglichkeit von Einzelhandelsgroßprojekten hinzuwirken sei. Damit könnten
nicht nur die Festlegungen des Landesentwicklungsplans selbst gemeint sein, weil dem
Land außer dem Landesentwicklungsplan kein Instrument zur Einwirkung auf die
Raumverträglichkeit von Einzelhandelsgroßprojekten zur Verfügung stehe. Das besäßen
nur die Träger der Regionalplanung. Für deren Gestaltungsspielraum spreche auch, dass
der Plansatz nicht zwischen Trägern der Regionalplanung und Gemeinden differenziere.
Zudem wäre die in seiner Begründung betonte Aufgabe, durch "landesplanerische
Festlegungen" auf die Raumverträglichkeit von Einzelhandelsgroßprojekten hinzuwirken,
sinnentleert, wenn die Regionalplanung alle im Plansatz 3.3.7 Z Abs. 1 LEP 2002
festgelegten Ausnahmen in Betracht ziehen müsste und es letztlich an den Gemeinden
läge, davon Gebrauch zu machen. Primärer Adressat dieses Plansatzes seien gerade
nicht die Gemeinden, sondern die Träger der Regionalplanung. Das folge auch aus
Wortlaut und systematischer Stellung des § 11 Abs. 2 LplG sowie Sinn und Zweck dieser
Norm, die daran anknüpfe, dass die Ziele des übergeordneten Landesentwicklungsplans
der nachgeordneten Regionalplanung einen Gestaltungsspielraum definierten. Es liege
gerade in der Natur übergeordneter Landesplanung, dass sie nur Rahmenbedingungen
setze. Die Versagung regionalplanerischen Gestaltungsspielraums widerspräche aber
auch Sinn und Zweck des Plansatzes 3.3.7 Z Abs. 1 LEP 2002, "durch landesplanerische
Festlegungen auf die Raumverträglichkeit solcher Vorhaben hinzuwirken". Die
Agglomerationsregelung des Plansatzes 2.4.3.2.8 sei aus den vorgenannten Gründen
ebenfalls nach § 11 Abs. 1 bis 3 LplG rechtmäßig. Insbesondere stehe ihr nicht entgegen,
dass der Landesentwicklungsplan 2002 nichts Entsprechendes festlege. Die auf den
Umkreis von 150 m abstellende Definition des Tatbestandsmerkmals "räumlich nahe
beieinander liegend" diene der Rechtssicherheit. Die kommunale Planungshoheit werde
nicht unverhältnismäßig eingeschränkt. Die Agglomerationsregelung sei in der
Bauleitplanung umsetzbar.
20 Dem Senat liegen Akten des Antragsgegners in den Verfahren zur Fortschreibung des
alten Regionalplanes und zur Aufstellung des neuen Regionalplanes vor. Wegen der
Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt dieser Unterlagen und die
Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
21 Der nachgelassene Schriftsatz des Antragsgegners vom 09.11.2012 gibt keine
Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Insoweit wird auf die
nachfolgenden Gründe verwiesen.
B.
22 Der Normenkontrollantrag ist zulässig (I.) und teilweise begründet (II.).
I.
23 Der zulässig geänderte (§ 91 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) Normenkontrollantrag ist statthaft (§ 47
Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 4 AGVwGO) und auch sonst zulässig.
24 Der als Satzung festgestellte (§ 12 Abs. 10 LplG) Regionalplan des Antragsgegners ist
eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift, die Gegenstand eines
Normenkontrollverfahrens sein kann (BVerwG, Urteil vom 20.11.2003 - 4 CN 6.03 -
BVerwGE 119, 217; VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 07.12.2009 - 3 S 1528/07 -
juris und vom 15.07.2005 - 5 S 2124/04 - VBlBW 2005, 434 jeweils m.w.N.). Die
Antragstellerin ist unabhängig davon, ob der Regionalplan sie in ihrem Recht der
Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 71 LV) konkret beeinträchtigt, schon als
Behörde antragsbefugt (§ 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 VwGO). Denn sie hat den Regionalplan
als Behörde nach § 1 Abs. 4 BauGB, § 4 Abs. 1 und 2 ROG sowie nach § 4 Abs. 1 und 2
LplG zu beachten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.03.1989 - 4 NB 10.88 - Buchholz 310 §
47 VwGO Nr. 38; VGH Baden-Württemberg, Urteil 15.07.2005, a.a.O. m.w.N.). Die
einjährige Antragsfrist, die mit der Verbindlichkeit des Regionalplans durch
Bekanntmachung der Genehmigung des Wirtschaftsministeriums im Staatsanzeiger
Baden-Württemberg (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 3 LplG) am 12.11.2010 zu laufen begann, ist
durch die Antragsänderung vom 09.12.2010 gewahrt.
25 Für den auf zwei bestimmte Plansätze des Unterkapitels 2.4.3.2 "Standorte für
Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige
Handelsbetriebe (Einzelhandelsgroßprojekte)" des Regionalplans vom 22.07.2009
beschränkten Normenkontrollantrag besteht auch ein Rechtsschutzinteresse. Ob die
angegriffenen Plansätze mit anderen Plansätzen dieses Unterkapitels in einem
untrennbaren Zusammenhang stehen und ihre Unwirksamkeit deshalb die Unwirksamkeit
weiterer Plansätze zur Folge hätte, ist für das Rechtsschutzinteresse grundsätzlich
unerheblich. Denn der Senat könnte den Regionalplan nach § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO
auch über den gestellten Antrag hinaus in weiteren Plansätzen für unwirksam erklären,
weil die Reichweite der objektiven Rechtskontrolle im Normenkontrollverfahren nicht zur
Disposition des Antragstellers steht (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 20.08.1991 - 4
NB 3.91 - NVwZ 1992, 567 und Urteil vom 16.12.1999 - 4 CN 7.98 - BVerwGE 110, 193,
juris Rn. 15). Auch im Übrigen bestehen am Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin
keine Zweifel (vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 20.11.2003, a.a.O, juris Rn. 40).
II.
26 Der Normenkontrollantrag ist begründet, soweit er Plansatz 2.4.3.2.2 (Z) Abs. 1 des
Regionalplans vom 22.07.2009 betrifft (1.), im Übrigen jedoch unbegründet (2.). Für die
gerichtliche Kontrolle ist insoweit die bei Erlass des Regionalplans geltende Rechtslage
maßgebend, also insbesondere das Raumordnungsgesetz vom 22.12.2008 (BGBl. I 2008,
2986) - ROG -, zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 31.07.2009 (BGBl. I S.
2585), und ergänzend (§ 28 Abs. 3 ROG) das Landesplanungsgesetz in der Fassung vom
10.07.2003 (GBl. S. 385) - LplG -, zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom
04.05.2009 (GBl. S. 185, 193).
27 1. Plansatz 2.4.3.2.2 (Z) Abs. 1 ist unwirksam, weil er gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG
und damit zugleich gegen § 11 Abs. 2 Satz 2 LplG verstößt. (a)). Das hat zwar die
Unwirksamkeit dieses Plansatzes, nicht aber weiterer Plansätze des Unterkapitels 2.4.3.2
des Regionalplans zur Folge (b)).
28 a) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG sind Ziele der Raumordnung u.a. bei
raumbedeutsamen Planungen öffentlicher Stellen (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 ROG) zu beachten;
eine gleichlautende Pflicht regelt § 4 Abs. 1 Satz 1 LplG. Ausgehend davon hat ein
Regionalplan die im Landesentwicklungsplan festgelegten Ziele der Raumordnung
auszuformen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 LplG).
29 aa) Ziele der Raumordnung sind verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und
sachlich abgestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Raumordnung abschließend
abgewogenen (§ 7 Abs. 2 ROG) textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in
Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums (§ 3 Abs. 1
Nr. 2 ROG). Die Rechtsbindungen, die Ziele der Raumordnung erzeugen, sind in dem
Sinne strikt, dass die Adressaten sie zwar je nach Aussageschärfe konkretisieren und
ausgestalten, sie sich über diese aber nicht im Wege der Abwägung hinwegsetzen dürfen
(BVerwG, Beschluss vom 20.08.1992 - 4 NB 20.91 - BVerwGE 90, 329; Urteil vom
20.11.2003, a.a.O; Beschluss vom 15.06.2009 - 4 BN 10.09 - NVwZ 2009, 1226).
Insbesondere sind sie keiner weiteren Abwägung auf einer nachgeordneten
Planungsstufe zugänglich (BVerwG, Urteil vom 16.12.2010 - 4 C 8.10 – BVerwGE 138,
301, juris Rn. 7). Um als Ziel i. S. des § 4 Abs.1 Satz 1 ROG eine Beachtungspflicht
auszulösen, muss auf der Ebene der Raumordnung oder der Landesplanung allerdings zu
einem Problemkreis eine verbindliche Letztentscheidung i. S. des § 7 Abs. 2 Satz 1
Halbsatz 2 ROG getroffen worden sein. Dafür bedarf es einer Festlegung, die hinreichend
konkret und bestimmt ist. Bereits aus der Formulierung muss sich ergeben, dass es sich
um eine verbindliche Handlungsanweisung mit Letztentscheidungscharakter und nicht um
eine bloße Anregung oder eine Abwägungsdirektive handelt, die einer weiteren
abwägenden Konkretisierung und Ausformung durch einen anderen Planungsträger
zugänglich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.06.1993 - 4 B 45.93 - juris Rn. 14).
Verbindliche Handlungsanweisungen mit Letztentscheidungscharakter sind dabei nicht
ausschließlich nach ihrem Wortlaut strikte landesplanerische Vorgaben, die als Muss-
Vorschriften zwingend formuliert sind. Auch Plansätze, die eine Regel-Ausnahme-Struktur
aufweisen, können die Merkmale einer "verbindlichen Vorgabe" oder einer
"landesplanerischen Letztentscheidung" bzw. einer "abschließenden landesplanerischen
Abwägung" erfüllen, wenn der Plangeber neben der Regel auch die Voraussetzungen der
Ausnahme mit hinreichender tatbestandlicher Bestimmtheit oder doch wenigstens
Bestimmbarkeit selbst festlegt (§ 6 Abs. 1 ROG), so dass es kein förmliches
Zielabweichungsverfahren (§ 6 Abs. 2 ROG; § 24 LplG) erforderlich ist. Macht der
Plangeber von der Möglichkeit Gebrauch, den Verbindlichkeitsanspruch seiner
Planungsaussage dadurch zu relativieren, dass er selbst Ausnahmen formuliert, wird
damit nicht ohne weiteres die abschließende Abwägung auf eine andere Stelle verlagert.
Es ist ihm grundsätzlich unbenommen, selbst zu bestimmen, wie weit die
Steuerungswirkung reichen soll, mit der von ihm geschaffene Ziele Beachtung
beanspruchen (BVerwG, Urteil vom 22.06.2011 - 4 CN 4.10 – BVerwGE 140, 54, juris Rn.
26 m.w.N.). Das Erfordernis abschließender Abwägung verlangt allerdings nicht, dass
dem nachgeordneten Planungsträger keinerlei Raum für eine Planung mehr überlassen
bleibt. Denn der Plangeber kann es, je nach den planerischen Bedürfnissen, damit
bewenden lassen, bei der Formulierung des Planungsziels gerade im Rahmen seiner
planerischen abschließenden Abwägung Zurückhaltung zu üben, und damit den
planerischen Spielraum der nachfolgenden Planungsebene zu erweitern (VGH Baden-
Württemberg, Urteil vom 17.12.2009 - 3 S 2110/08 - VBlBW 2010, 357 m.w.N.).
30 Festlegungen in Regionalplänen unterliegen ebenfalls der Bindungswirkung nach § 4
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG. Denn ein Regionalplan ist als Raumordnungsplan (§ 3 Abs. 1 Nr.
6 und 7 ROG) eine raumbedeutsame Planung einer öffentlichen Stelle i. S. dieser
Vorschrift. Eine regionalplanerische Festlegung, die ein in einem landesweiten
Raumordnungsplan (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 1 ROG) - in Baden-Württemberg etwa im
Landesentwicklungsplan (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, § 7 LplG) - rechtswirksam festgelegtes Ziel der
Raumordnung nicht beachtet, verstößt daher gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG und kann
selbst kein gültiges Ziel der Raumordnung sein (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 25.09.2006 - 9
N 844/06 - ESVGH 57, 72; Halama in Planung und Plankontrolle, Festschrift für Otto
Schlichter, 1995, S. 201 <217>; Nonnenmacher, VBlBW 2008, 161 <165 f.>). In Betracht
kommt dies etwa, wenn ein Träger der Regionalplanung seinen Spielraum zur
Entwicklung des Regionalplans aus dem landesweiten Raumordnungsplan (§ 8 Abs. 2
Satz 1 ROG) bzw. zur Ausformung eines Zieles der Raumordnung des
Landesentwicklungsplans (§ 11 Abs. 2 Satz 2 LplG) überschreitet (Runkel in
Bielenberg/Runkel/Spannowsky, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des Bundes
und der Länder, Band 2, L § 3 Rn. 149; Nonnenmacher, a.a.O.). Denn der
Regionalplan darf bei der Entwicklung bzw. Ausformung eines Zieles der Raumordnung
im Landesentwicklungsplan, das er als verbindliche Vorgabe (§ 3 Nr. 2 ROG) zu
"beachten" hat, nur den durch dieses Ziel für das ganze Land vorgegebenen Rahmen
regionalmaßstäblich verfeinern. Das gilt auch für den mit einer Regel-Ausnahme(n)-
Zielfestlegung abgesteckten Differenzierungsrahmen. Der Regionalplan darf diesen auf
einer höheren Raumordnungsstufe der Landesplanung unter Berücksichtigung der dort
erkennbaren und bedeutsamen öffentlichen und privaten Belange abschließend
abgewogenen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 ROG) Differenzierungsrahmen nicht verändern, also
etwa einen im Landesentwicklungsplan verbindlich als Ausnahme von der Regel
festgelegten Tatbestand ausschließen (vgl. Hess.VGH, Urteil vom 25.09.2006, a.a.O. juris
Rn. 73; Uechtritz, NVwZ 2007, 1337 <1338>). Anderes gilt allerdings, wenn und soweit
eine im Landesentwicklungsplan als Ziel der Raumordnung festgelegte Regel-Ausnahme-
Struktur - im Sinne planerischer Zurückhaltung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom
17.12.2009, a.a.O.) - selbst Abweichungsspielraum eröffnet, etwa wenn sie nur ein
Grundmodell bezweckt, das als Angebot an die nachgeordnete Ebene der
Regionalplanung abweichende Ausformungen in der Bandbreite zwischen Regel und
Ausnahme(n) zulässt, was auch die Möglichkeit einer strikteren Festlegung einschließt
(Spannowsky in Bielenberg/Runkel/Spannowsky, Raumordnungs- und
Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, Band 2, K § 9 Rn. 24). Ob
und in welchem Umfang eine Zielfestlegung Ausgestaltungsspielraum eröffnet, kann nur
durch ihre Auslegung festgestellt werden, wobei vor allem Wortlaut, planerischer Kontext
und Begründung der Zielfestlegung heranzuziehen sind (Runkel, a.a.O., L § 4
Rn. 154).
31 Aus § 11 Abs. 2 Satz 2 LplG folgt entgegen der Ansicht des Antragsgegners nichts
Anderes. Die Vorschrift verpflichtet die Träger der Regionalplanung in Baden-Württemberg
als nachgeordnete Ebene (ohne wehrfähige eigene Planungshoheit, vgl. Senatsbeschluss
vom 08.05.2012 - 8 S 217/11 - NVwZ-RR 2012, 632; vgl. zur Klagebefugnis bei
Einzelhandelsgroßbetrieben aber § 22 Abs. 1 Halbsatz 2 LplG) der ausschließlich
staatlichen Landesplanung, Grundsätze und Ziele der Raumordnung des
Landesentwicklungsplans und der fachlichen Entwicklungspläne räumlich und sachlich
auszuformen. Das stimmt mit dem Entwicklungsgebot (§ 8 Abs. 2 ROG) sowie der
Planungshierarchie des Raumordnungsgesetzes und des Landesplanungsgesetzes
überein. Die Ausformung setzt zwar einen planerischen Spielraum des Trägers der
Regionalplanung voraus (vgl. auch § 7 Abs. 2 ROG und § 3 LplG sowie VGH Baden-
Württemberg, Urteil vom 17.12.2009, a.a.O. juris Rn. 42). Dieser Spielraum ist aber
unterschiedlich weit, je nachdem, welche raumordnerische Vorgabe auszuformen ist. Geht
es um Grundsätze der Raumordnung nach § 2 ROG sowie des Landesentwicklungsplans
und der fachlichen Entwicklungspläne, ist der regionalplanerische Gestaltungsspielraum
prinzipiell weiter als bei einem Ziel der Raumordnung des Landesentwicklungsplans.
Denn während Grundsätze der Raumordnung als Vorgaben für die
Abwägungsentscheidung (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 ROG; § 3 Abs. 2 LplG) vom Träger der
Regionalplanung nur zu "berücksichtigen" (§ 4 Abs. 1 Satz 1 ROG) sind, hat er die Ziele
der Raumordnung des Landesentwicklungsplans nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG (bzw.
nach § 4 Abs. 1 Satz 1 LplG) strikt zu "beachten". Die Bindungswirkung nach § 4 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 ROG begrenzt den regionalplanerischen Spielraum zur Ausformung eines
Zieles der Raumordnung des Landesentwicklungsplanes i. S. des § 11 Abs. 2 Satz 2 LplG
damit auf Festlegungen, die den durch das Ziel festgelegten Rahmen nachvollziehend
räumlich und sachlich verfeinern, soweit dieser Rahmen nicht selbst Spielraum für
abweichende Ausgestaltungen im Regionalplan eröffnet (s.o.). Insoweit relativiert § 11
Abs. 2 Satz 2 LplG ebenso wenig wie das Entwicklungsgebot nach § 8 Abs. 2 ROG die
Bindungswirkung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG. Die unterschiedliche Reichweite des
regionalplanerischen Spielraums kommt im Übrigen nicht zuletzt in der sprachlichen
Differenzierung zwischen gestaltender "Konkretisierung" von Grundsätzen der
Raumordnung einerseits (§ 11 Abs. 2 Satz 1 LplG; vgl. auch § 2 Abs. 1 ROG) und lediglich
nachvollziehend-präzisierender "Ausformung" von Zielen der Raumordnung andererseits
(§ 11 Abs. 2 Satz 1 LplG) zum Ausdruck. Der Verweis des Antragsgegners auf die
Funktion der Träger der Regionalplanung als "primärer Regelungsadressat" eines
landesweiten Raumordnungsplans (§ 8 Abs. 2 Satz 1 ROG) bzw. des
Landesentwicklungsplans (§ 11 Abs. 2 LplG) führt insoweit jedenfalls bei einem im
Landesentwicklungsplan festgelegten Ziel der Raumordnung nicht weiter. Denn
Adressaten eines in einem Raumordnungsplan für ein Land festgelegten Zieles der
Raumordnung sind bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen a l l e öffentlichen
Stellen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG), also etwa auch die Gemeinden als kommunale
Gebietskörperschaften (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 ROG), die ihre Bauleitpläne ungeachtet der
Festlegungen im Regionalplan schon an die rechtswirksam festgelegten Ziele der
Raumordnung des Landesentwicklungsplans anzupassen haben (§ 1 Abs. 4 BauGB).
32 bb) Gemessen daran verstößt die Festlegung des Plansatzes 2.4.3.2.2 (Z) Abs. 1 gegen §
4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG. Denn sie beachtet nicht das im Plansatz 3.3.7 Z Abs. 1 Satz 1
Halbsatz 2 und Satz 2 LEP 2002 in einer Regel-Ausnahme-Struktur festgelegte Ziel der
Raumordnung. Das verstößt zugleich gegen das Ausformungsgebot nach § 11 Abs. 2 Satz
2 LplG. Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob Plansatz 2.4.3.2.2 (Z) Abs. 1 des
Regionalplans auch bezüglich der von ihm erfassten "Einzelhandelsgroßprojekte"
zwingende Vorgaben des Plansatzes 3.3.7 Z Abs. 1 LEP 2002 nicht beachtet oder ob er
insoweit gegen § 11 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 5 LplG verstößt, wie die Antragstellerin
meint.
33 aaa) Nach Plansatz 3.3.7 Z Abs. 1 Satz 1 LEP 2002 "sollen" sich Einkaufszentren,
großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe für
Endverbraucher in das zentralörtliche Versorgungssystem "einfügen"; sie "dürfen in der
Regel nur" in Ober-, Mittel- und Unterzentren ausgewiesen, errichtet oder erweitert
werden. Plansatz 3.3.7 Z Abs. 1 Satz 2 LEP 2002 bestimmt, dass "hiervon abweichend"
auch Standorte in Kleinzentren und Gemeinden ohne zentralörtliche Funktion "in Betracht
kommen", wenn eine der beiden dort näher bezeichneten Ausnahmen vorliegt. Diese
formell ausdrücklich durch das Kennzeichen "Z“ als Ziel der Raumordnung
gekennzeichneten (§ 7 Abs. 4 ROG; § 7 Abs. 1 Satz 5 LplG) sowie als Einheit zu
verstehenden Festlegungen sind auch materiell abschließend abgewogene Ziele der
Raumordnung i. S. des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG (vgl. ebenso VGH Baden-Württemberg, Urteil
vom 02.08.2012 - 5 S 1444/10 - juris Rn. 89; so wohl auch VGH Baden-Württemberg,
Urteile vom 17.12.2009, a.a.O. juris Rn. 38 ff. und vom 04.07.2012 - 3 S 351/11 - juris Rn.
43). Sie sind in allen ihren Aussagen hinreichend konkret und bestimmt oder jedenfalls
bestimmbar und geben zur Konzentration der Standorte von Einzelhandelsgroßprojekten
im Zentrale-Orte-System landesweit einen verbindlichen Differenzierungsrahmen in
Gestalt einer Soll-/Regel-Ausnahme-Struktur ohne regionalplanerischen
Abweichungsspielraum vor. Soweit der Senat in seinem Beschluss vom 09.12.2005 - 8 S
1754/05 - (ZfBR 2006, 483) anlässlich der Überprüfung des Plansatzes 2.7.2 (Z) der
Teiländerung des Regionalplans des Antragsgegners vom 13.03.2002 angenommen hat,
bezüglich der nach Plansatz 3.3.7 Z Abs. 1 Satz 2 LEP 2002 "in Betracht" kommenden
Ausnahmen deute alles auf einen Spielraum der Regionalplanung hin, hält er daran nicht
fest.
34 (1) Das im Plansatz 3.3.7 Z Abs. 1 LEP 2002 als Soll-/Regelvorschrift mit zwei
ausdrücklich benannten Ausnahmen festgelegte Konzentrationsgebot bildet zusammen
mit den ebenfalls als Ziele der Raumordnung festgelegten Kongruenz- und
Integrationsgeboten sowie den Beeinträchtigungsverboten nach den Plansätzen 3.3.7.1 Z
und 3.3.7.2 Z LEP 2002 einen landesplanerischen Rahmen zu dem Zweck, im Zentrale-
Orte-System (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3, § 8 Abs. 5 Nr. 1 b ROG, § 7 Abs. 2 Nr. 2 LplG;
Unterkapitel 2.5 LEP 2002) auf die Raumverträglichkeit von Einkaufszentren,
großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben
(Einzelhandelsgroßprojekte) hinzuwirken (Begründung zum Plansatz 3.3.7 Z, S. B36).
Dieser durch Ziele der Raumordnung vorgegebene Rahmen ist Ergebnis einer
abschließenden (§ 7 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ROG) landesplanerischen Abwägung und
als solcher von der Regionalplanung als Teil der staatlichen Landesplanung auszuformen
(§ 11 Abs. 2 Satz 2 LplG). Die zentralörtliche Gliederung in Oberzentren, Mittelzentren,
Unterzentren und Kleinzentren und die Zuordnung von jeweiligen Verflechtungsbereichen,
wie sie den Plansätzen im Unterkapitel 2.5 LEP 2002 zugrunde liegen, und die Bindung
von Einzelhandelsgroßprojekten an die zentralörtliche Versorgungsfunktion bilden das
Grundgerüst einer Landesplanung, das auf die Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung
und Verwirklichung ausgeglichener Siedlungs- und Versorgungsstrukturen im Sinne einer
gemeinwohlorientierten Raumordnung, d. h. der Verwirklichung gleichwertiger
Lebensbedingungen ausgerichtet ist. Das durch dieses Ziel in Bezug auf die Steuerung
der Standorte von Einzelhandelsgroßprojekten verbindlich gemachte Prinzip der
zentralörtlichen Gliederung bezweckt die wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung, eine
effektive Nutzung und Bündelung der Infrastruktur sowie die Vermeidung eines unnötigen
Flächen- und Ressourcenverbrauchs durch Zersiedelung und den damit einhergehenden
Verkehr (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.07.2012, a.a.O. juris Rn. 51 m.w.N.).
35 Ob der im Plansatz 3.3.7 Z Abs. 1 Satz 1 LEP 2002 definierte Begriff
"Einzelhandelsgroßprojekte" nach Sinn und Zweck des Plansatzes anknüpfend an § 11
Abs. 3 BauNVO (siehe Begründung zu Nr. 3.3.7 Z LEP 2002, S. B36, und den dort zitierten
Einzelhandelserlass vom 21.02.2001 - Az.: 6-2500.4/7 - GABl. 2001, 290) nicht alle
großflächigen (über 800 m
2
Verkaufsfläche, vgl. BVerwG, Urteile vom 24.11.2005 - 4 C
10.04 - BVerwGE 124, 364> und - 4 C 8.04 - BauR 2006, 648) Einzelhandelsbetriebe,
sondern nur solche erfasst, die sich nach Art, Lage oder Umfang - regelmäßig oder im
Einzelfall (§ 11 Abs. 3 Satz 3 und 4 BauNVO) - auf die Verwirklichung der Ziele der
Raumordnung und Landesplanung nicht nur unwesentlich auswirken können, also
überörtliche Wirkungen entfalten (dahin tendierend VGH Bad.-Württ., Urteile vom
21.09.2010 - 3 S 324/08 - NuR 2011, 149 und vom 02.08.2012, jeweils a.a.O.), bedarf im
vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung (s.o.).
36 (2) Die Formulierung in Gestalt von Soll- und Regel-Vorschriften (Satz 1) schließt die
materielle Zielqualität nicht aus. Denn die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen diese
Vorschriften auch ohne förmliches Zielabweichungsverfahren eine Ausnahme von der
Zielbindung zulassen, sind mit den in Satz 2 ausdrücklich benannten beiden Ausnahmen
bestimmt. Darüber hinaus lassen die Soll- und Regel-Vorschriften Raum für weitere
Ausnahmen in atypischen, vom Normgeber nicht vorhersehbaren Einzelfällen, weil die im
Plansatz 3.3.7 Z Abs. 1 Satz 2 LEP 2002 ausdrücklich benannten beiden Ausnahmen,
ergänzt durch Kongruenz- und Integrationsgebote sowie Beeinträchtigungsverbote
(Plansätze 3.3.7.1 Z und 3.3.7.2 Z LEP 2002), selbst hinreichend konkrete Anhaltspunkte
für die Reichweite atypischer Fälle liefern (vgl. BVerwG, Urteile vom 18.09.2003 - 4 CN
20.02 - BVerwGE 119, 54 <58>, vom 20.11.2003, a.a.O. 222 f., und vom 16.12.2010,
a.a.O.).
37 (3) Das in einer Regel-Ausnahme-Struktur festgelegte Konzentrationsgebot (Plansatz
3.3.7 Z Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 und Satz 2 LEP 2002) gibt einen abschließend
abgewogenen Differenzierungsrahmen vor: Einzelhandelsgroßprojekte sind im Regelfall
nur in Ober-, Mittel- und Unterzentren zulässig, davon kann in atypischen Fällen und in
den zwei ausdrücklich benannten Fällen abgewichen werden. Wortlaut, Kontext und
Begründung dieses Zieles der Raumordnungenthalten keinen hinreichenden
Anhaltspunkt für einen Spielraum der Regionalplanung zu einer abweichenden - strikteren
- Ausgestaltung des Konzentrationsgebots. Sinn und Zweck des Plansatzes stehen einer
solchen Auslegung ebenfalls entgegen. Spielraum der Regionalplanung besteht damit nur
zur räumlichen und sachlichen Ausformung der Regel-Ausnahme-Struktur (§ 11 Abs. 2
Satz 2 LplG).
38 Die Wortlaute der Regel (Satz 1 Halbsatz 2) und der Voraussetzungen der ausdrücklich
benannten zwei Abweichungsmöglichkeiten (Satz 2 Halbsatz 2) sind hinreichend
bestimmt und abschließend formuliert. Sie enthalten keinerlei Anhaltspunkt für ein
regionalplanerischer Ausgestaltung bedürftiges oder jedenfalls zugängliches bloßes
Grundmodell. Die Wendung "kommen ... in Betracht" ist zwar relativ offen und könnte den
Schluss nahelegen, das Vorliegen der Abweichungsvoraussetzungen eröffne überhaupt
erst einen planerischen Spielraum der Regionalplanung, die Abweichung "in Betracht" zu
ziehen (vgl. Senatsbeschluss vom 09.12.2005, a.a.O.). Dagegen spricht jedoch, dass nicht
allein die Träger der Regionalplanung Adressaten eines im landesweiten
Raumordnungsplan festgelegten Zieles der Raumordnung sind (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1
ROG; § 4 Abs. 1 Satz 1 LplG; Uechtritz, a.a.O.) und es im Wortlaut des Plansatzes keinen
Anhaltspunkt für eine - nur - ihnen eingeräumte Befugnis zu einer abweichenden –
milderen oder strikteren - Ausgestaltung des Konzentrationsgebots gibt. Vor diesem
Hintergrund spricht die - zumal im Indikativ gehaltene - Wendung vielmehr für eine
zwingende landesplanerische Handlungsanweisung des Inhalts, dass die ausdrücklich
benannten Abweichungen, sofern ihre Voraussetzungen erfüllt sind, für alle
Zieladressaten stets in Betracht kommen.
39 Der Kontext des Plansatzes 3.3.7 Z Abs. 1 LEP 2002 enthält ebenfalls keine
Anhaltspunkte für einen Spielraum der Regionalplanung zur abweichenden regionalen
Ausgestaltung der Konzentration von Einzelhandelsgroßprojekten im Zentrale-Orte-
System. Die im Satz 2 ausdrücklich benannten Abweichungen sind Teil eines
einheitlichen Konzepts und dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Der Sache nach
fixieren sie lediglich ausdrücklich zwei von der Regel abweichende atypische Fälle. Sie
teilen damit die Rechtsnatur der Konzentrationsregel im Plansatz 3.3.7 Z Abs. 1 Satz 1
LEP 2002 und sind ebenso Ergebnis einer landesplanerischen Letztentscheidung. Der
Umstand, dass die Entscheidung über die Abweichungen im Einzelfall in einem
Raumordnungsverfahren (§ 15 ROG, § 18 LplG) oder in einem anderen bestimmten
raumordnerischen Verfahren zu treffen ist, stellt die materielle Zielqualität nicht in Frage
(vgl. BVerwG, Urteil vom 22.06.2011, a.a.O., juris Rn. 27). Soweit im Übrigen Plansatz
3.3.7.4 G LEP 2002 als Grundsatz der Raumordnung Aussagen über ein regionales
Entwicklungskonzept und regionale Einzelhandelskonzepte enthält, betrifft dies lediglich
"regionalbedeutsame", nicht aber alle Einzelhandelsgroßprojekte.
40 Die Begründung zum Plansatz 3.3.7 Z (S. B36/37), die sich eingehend auch zu den
Motiven für die zwei ausdrücklich benannten Abweichungsmöglichkeiten verhält, bestätigt
ferner, dass die festgelegte Regel-Ausnahme-Struktur das Ergebnis abschließender
landesplanerischer Abwägung der durch das Konzentrationsgebot berührten Belange ist.
Der Einwand des Antragsgegners, die Aussage in der Begründung "Deshalb ist es
notwendig, durch landesplanerische Festlegungen auf die Raumverträglichkeit derartiger
Vorhaben hinzuwirken" (S. B36) belege einen Handlungsauftrag und einen
Abweichungsspielraum für die Regionalplanung, überzeugt nicht. Die zitierte Begründung
meint offenkundig allein die im Landesentwicklungsplan selbst getroffenen Festlegungen,
nicht aber solche auf der nachgeordneten Ebene der Regionalplanung. Sie soll die im
Plansatz 3.3.7 Z LEP 2002 nebst Unter-Plansätzen festgelegten Ziele und Grundsätze der
Raumordnung rechtfertigen, mehr nicht. Ob dem Land außer dem
Landesentwicklungsplan kein Instrument zur Einwirkung auf die Raumverträglichkeit von
Einzelhandelsgroßprojekten zur Verfügung steht, wie der Antragsgegner meint, kann
dahinstehen. Diese Überlegung zwingt schon deshalb nicht zu einer anderen Deutung,
weil das in einer Regel-Ausnahme-Struktur hinreichend bestimmt verfasste
Konzentrationsgebot als Ziel der Raumordnung unmittelbar Beachtung verlangt (§ 4 Abs.
1 ROG; § 4 Abs. 1 LplG; § 1 Abs. 4 BauGB) und demzufolge selbst auf die
Raumverträglichkeit der erfassten Einzelhandelsgroßprojekte einwirkt. Nachfolgende
Festlegungen der Regionalplanung sind in der Begründung zum Plansatz 3.3.7.4 G LEP
2002 lediglich angesprochen, soweit es um die gebietsscharfe Ausweisung von
Standorten für regionalbedeutsame Einzelhandelsgroßprojekte geht (S. B37). Auch im
Übrigen enthält die Begründung zum Plansatz 3.3.7 Z LEP 2002 nebst Unter-Plansätzen
keine Ansätze für einen regionalplanerischen Freiraum zur abweichenden Ausgestaltung
des Konzentrationsgebots. Die Aussagen zur unmittelbaren Bindung der Gemeinden an
die Vorgaben des Landesentwicklungsplans ("Dazu dienen die Vorgaben für
Standortgemeinden..."; "Die Kommunen sind gesetzlich verpflichtet, ihre Bauleitpläne an
diese Ziel der Raumordnung anzupassen", vgl. S. B36 drittletzter Absatz) belegen
vielmehr das Gegenteil. Auch der Hinweis auf die Anpassungspflicht der Gemeinden (§ 1
Abs. 4 BauGB) und der nachfolgende Satz in der Begründung "Von dieser Regelung kann
über die beiden ausdrücklich geregelten Ausnahmefälle hinaus nur in atypischen Fällen
abgewichen werden" bestätigt, dass der Verordnungsgeber von einer strikten
Rahmenvorgabe ausgeht. Er belegt zugleich, dass die Wendung “kommen …in Betracht“
im Plansatz 3.3.7 Z Abs. 1 Satz 2 LEP 2002 als verbindliche Festlegung zu verstehen ist
(“ausdrücklich geregelten Ausnahmefälle“).
41 Sinn und Zweck des Plansatzes stehen der Annahme eines Abweichungsspielraums der
Regionalplanung ebenfalls entgegen. Als Ziel der Raumordnung soll die Regel-
Ausnahme-Struktur des Konzentrationsgebots eine verbindliche und abschließende
Vorgabe sein. Wäre sie lediglich als allgemeine Aussage zur Entwicklung, Ordnung und
Sicherung des Raumes für die Abwägungsentscheidung der Träger der Regionalplanung
gedacht, hätte die Festlegung eines Grundsatzes der Raumordnung als Vorgabe für diese
Abwägungsentscheidung genügt. Die mit der Zielfestlegung einhergehende
Verbindlichkeit beschränkt sich danach nicht lediglich auf die Festlegung des
Konzentrationsgebots als bloßes Prinzip, sondern erstreckt sich gerade auch auf den
spezifischen Differenzierungsrahmen der Regel-Ausnahme-Struktur. Dieser Vorgabe
muss die Ausformung im Regionalplan nach § 11 Abs. 2 Satz 2 LplG gemäß § 4 Abs. 1
ROG, § 4 Abs. 1 Satz 1 LplG Rechnung tragen. Das schließt nicht nur eine mildere,
sondern auch eine striktere Ausgestaltung aus. Ob der mit dem Konzentrationsgebot
verfolgte raumordnerische Zweck mit einer gegenüber der Regel-Ausnahme-Struktur
strikteren Ausgestaltung "erst recht" erreicht würde, ist insoweit unerheblich. Will ein
Träger der Regionalplanung den mit dem Konzentrationsgebot verbindlich vorgegebenen
Differenzierungsrahmen - etwa wegen regionaler raumstruktureller Besonderheiten -
weiter oder enger ausgestalten, kann er dies nur Im Wege einer Zielabweichung (§ 6 Abs.
2 ROG; § 24 LplG) erreichen. Spielraum hat er im Übrigen nur bei der räumlichen und
sachlichen Verfeinerung der Konzentrationsregel - etwa durch Festlegungen über
zulässige Standorte anhand der Zentrenrelevanz von Sortimenten, Vorrang- und
Ausschlussgebiete für zentrenrelevante Einzelhandelsgroßprojekte oder Agglomerationen
von Einzelhandelsbetrieben (siehe nachfolgend 2.) - sowie zur Ausformung der zwei
ausdrücklich benannten Abweichungen und gegebenenfalls weiterer atypischer Fälle.
42 bbb) Plansatz 2.4.3.2.2 (Z) Abs. 1 des Regionalplans des Antragsgegners vom 22.07.2009
beachtet die verbindlichen Vorgaben des Plansatzes 3.3.7 Z Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 und
Satz 2 LEP 2002 in zweifacher Hinsicht nicht. Zum einen verengt er die Regelvorschrift
des Plansatzes 3.3.7 Z Satz 1 Halbsatz 2 LEP 2002 ("dürfen in der Regel nur") in eine
Muss-Vorschrift ("sind nur"). Zum anderen schließt er eine der nach Plansatz 3.3.7 Z Abs.
1 Satz 2 LEP 2002 ausdrücklich in Betracht kommenden zwei Abweichungen -
stillschweigend - aus. Während der Landesentwicklungsplan 2002 die zwei ausdrücklich
benannten Abweichungen und andere atypische Fälle ohne Zielabweichungsverfahren (§
6 Abs. 2 ROG; § 24 LplG) ermöglicht, lässt der Regionalplan dies bis auf die im Plansatz
2.4.3.2.2 (Z) Abs. 4 ausgeformte Abweichung (Grundversorgung) nicht zu Die zweite im
Landesentwicklungsplan 2002 ausdrücklich benannte Abweichung für Kleinzentren und
nicht zentralörtliche Gemeinden (Zusammenwachsen mit Siedlungsbereichen
benachbarter Ober-, Mittel- oder Unterzentren in Verdichtungsräumen) oder andere
atypische Fälle sind danach nur im Wege einer förmlichen, im Ermessen der höheren
Raumordnungsbehörde stehenden Zielabweichung (§ 24 LPlG) möglich. Der
Antragsgegner mag zwar für eine striktere Ausgestaltung des Konzentrationsgebots gute
Gründe anführen können, wie seine Vertreter in der mündlichen Verhandlung dargelegt
haben (Vermeidung von “Windhund-Rennen“ um zulässige Standorte). Das entbindet ihn
aber nicht von der Bindungswirkung des Plansatzes 3.3.7 Abs. 1 Z LEP 2002. Was den
Ausschluss der zweiten nach Plansatz 3.3.7 Abs. 1 Z Satz 2 LEP 2002 in Betracht
kommenden Ausnahme angeht, fehlt es im Übrigen auch an jeglichem Anhaltspunkt, dass
deren Voraussetzungen etwa wegen regionaler raumstruktureller Besonderheiten im
Planungsraum des Antragsgegners in keinem Kleinzentrum und keiner nicht-
zentralörtlichen Gemeinde erfüllt sein könnten. Das erscheint im dicht besiedelten
Verdichtungsraum Stuttgart ohnehin nicht naheliegend.
43 b) Die Verstöße gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG und § 11 Abs. 2 Satz 2 LplG führen zur
Unwirksamkeit des gesamten Plansatzes 2.4.3.2.2 (Z) Abs. 1 einschließlich der in seinem
Tatbestand nach der Verkaufsflächengröße bestimmten Definition von
"Einzelhandelsgroßprojekten". Denn eine nur auf die Rechtsfolgenseite ("sind nur im
Oberzentrum bzw. den Mittel- und Unterzentren zulässig") beschränkte Unwirksamkeit
scheidet mangels objektiver Teilbarkeit - schon des Wortlauts der Norm - aus. Ein Fall der
Planerhaltung (§ 12 ROG; § 5 LplG) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Auch eine
Auslegung unter Berücksichtigung der vorrangigen landesplanerischen Aussagen im
Landesentwicklungsplans 2002 (vgl. HessVGH, Urteil vom 25.09.2006, a.a.O.; Uechtritz,
a.a.O.), ist aufgrund des klar und eindeutig abweichenden Wortlautes des Regionalplans
nicht möglich. Zudem besteht für eine geltungserhaltende weitere Auslegung seines
Plansatzes im Sinne der Regel-Ausnahme-Struktur des Plansatzes 3.3.7 Z Abs. 1 Satz 1
Halbsatz 2 und Satz 2 LEP 2002 kein Bedarf. Denn der den gleichen Gegenstand
regelnde Plansatz 3.3.7 Z Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 und Satz 2 LEP 2002 ist als Ziel der
Raumordnung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ROG ebenso zu beachten.
44 Die Unwirksamkeit des Plansatzes 2.4.3.2.2 (Z) Abs. 1 hat aber nicht auch die
Unwirksamkeit anderer Plansätze im Unterkapitel 2.4.3.2 des Regionalplans zur Folge.
Der Senat geht insoweit von einer Teilbarkeit entsprechend § 139 BGB aus. Die sonstigen
Festlegungen im Unterkapitel 2.4.3.2 bauen zwar zu einem wesentlichen Teil auf dem
Plansatz 2.4.3.2.2 (Z) Abs. 1 auf. Dessen Wegfall wird jedoch durch die Definition der
Einzelhandelsgroßprojekte und das Konzentrationsgebot im Plansatz 3.3.7 Z Abs. 1 LEP
2002 vollständig aufgefangen. Auch soweit Plansatz 3.3.7 Z Abs. 1 LEP 2002 mit seiner
Regel-Ausnahme-Struktur - und möglicherweise mit der Definition der
Einzelhandelsgroßprojekte - weniger strikt ist, behalten alle weiteren Festlegungen im
Unterkapitel 2.4.3.2 zur Steuerung der Standorte von Einzelhandelsgroßprojekten ihren
raumordnerischen Sinn. Da Landesentwicklungsplan und Regionalplan in Baden-
Württemberg als Mittel der Raumordnung und ausschließlich staatlicher Landesplanung
zusammenwirken, ist schließlich davon auszugehen, dass die Fortgeltung der übrigen
Festlegungen auch dem mutmaßlichen Willen des Trägers der Regionalplanung
entspricht.
45 2. Plansatz 2.4.3.2.8 (Z) des Regionalplans über die räumliche Konzentration von
Einzelhandelsbetrieben (Agglomeration) ist - nunmehr im Zusammenwirken mit Plansatz
3.3.7 Z Abs. 1 LEP 2002 (s.o. 1.b)) - entgegen der Ansicht der Antragstellerin wirksam. Er
findet seine Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 5 LplG.
46 a) Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 LplG enthält der Regionalplan Festlegungen zur
anzustrebenden Siedlungsstruktur, zur anzustrebenden Freiraumstruktur und zu den zu
sichernden Standorten und Trassen für die Infrastruktur der Region, soweit es nach § 11
Abs. 3 Satz 1 LplG für die Entwicklung und Steuerung der räumlichen Struktur der Region
erforderlich ist (Regionalbedeutsamkeit). Regionalbedeutsamkeit ist als
Raumbedeutsamkeit mit "regionaler“, das heißt auf die regionale Ebene herunter
gebrochener überörtlicher Bedeutung zu verstehen. Ob und wann dies der Fall ist, lässt
sich nicht abstrakt entscheiden, sondern kann immer nur im Einzelfall nach Maßgabe der
regionalen Siedlungs- und Verflechtungsstruktur mit ihrer jeweiligen räumlichen
Ausstrahlung beurteilt werden (VGH Bad.-Württemberg, Urteil vom 21.09.2010, a.a.O.
m.w.N.). § 11 Abs. 3 Satz 2 LplG führt insoweit beispielhaft ("insbesondere") bestimmte
Festlegungen auf, die etwa Schwerpunkte für Industrie, Gewerbe und
Dienstleistungseinrichtungen, insbesondere "Standorte für Einkaufszentren, großflächige
Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe" zum Gegenstand
haben können. Das ermöglicht auch eine ergänzende Festlegung, wonach mehrere nicht
großflächige Einzelhandelsbetriebe bei räumlicher Konzentration und raumordnerischen
Wirkungen wie bei einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb bzw. Einkaufszentrum als
Agglomeration anzusehen sind, mit der Folge, dass die für Einzelhandelsgroßprojekte
geltenden Ziele auch auf Agglomerationssachverhalte anzuwenden sind (VGH Bad.-
Württemberg, Urteil vom 21.09.2010, a.a.O.). Dass sich § 11 Abs. 3 BauNVO auf
großflächige Einzelhandelsbetriebe beschränkt, steht einer landesplanerischen Regelung
von Einzelhandelsagglomerationen nicht entgegen. Städtebauliche Vorgaben liegen auf
einer anderen Ebene; sie betreffen Grund und Boden. Die Raumordnung in Gestalt der
Landes- und Regionalplanung ist dieser Ebene vorgelagert. Die Standortplanung für
Einzelhandelsgroßbetriebe ist dabei nicht auf die Instrumente der gemeindlichen
Bauleitplanung beschränkt. Sie kann bereits auf der Ebene der Landesplanung einsetzen
und - in unterschiedlicher Gestalt - mit der zentralörtlichen Gliederung verbunden werden
(BVerwG, Urteil vom 17.09.2003 - 4 C 14.01 - BVerwGE 119, 25 <41>). Bundesrecht steht
einer raumordnerischen Agglomerationsregelung daher nicht entgegen, sofern sie die
nach Art. 28 Abs. 2 GG geschützte gemeindliche Planungshoheit nicht unverhältnismäßig
einschränkt (BVerwG, Urteil vom 10.11.2011 - 4 CN 9.10 - BVerwGE 141, 144).
47 b) Gemessen daran ist die Agglomerationsregelung im Plansatz 2.4.3.2.8 (Z) rechtlich
nicht zu beanstanden.
48 Der formell als Ziel der Raumordnung (§ 3 Abs.1 Nr. 2 ROG) gekennzeichnete Plansatz ist
hinreichend bestimmt und hat materiell Zielqualität. Er enthält in seinem Absatz 1 drei
verbindliche Vorgaben: Agglomerationen von Einzelhandelsbetrieben sind in den
Ortskernen aller Gemeinden zulässig (Absatz 1 Satz 1); die nach Aufstellung/Änderung
eines den Ortskern ganz oder teilweise erfassenden Bauleitplans zulässige
Agglomeration von Einzelhandelsbetrieben darf keine schädlichen, überörtlichen
Wirkungen entfalten (Absatz 1 Satz 2); für Agglomerationen von Einzelhandelsbetrieben
gelten die Plansätze 2.4.3.2.2 (Z) bis 2.4.3.2.6 (Z) entsprechend (Absatz 1 Satz 3). Absatz
2 des Plansatzes enthält keine darüber hinaus gehende selbständige Vorgabe, sondern
definiert nur den Begriff "Agglomerationen von Einzelhandelsbetrieben" im Sinne des
Absatzes 1. Einwände gegen eine solche Regelungstechnik bestehen nicht (vgl. BVerwG,
Urteil vom 10.11.2011, a.a.O.).
49 Diese Festlegungen sind für Entwicklung und Ordnung der räumlichen Struktur der Region
i. S. des § 11 Abs. 3 Satz 1 LplG erforderlich. Die Raumbedeutsamkeit einer räumlichen
Konzentration von Einzelhandelsbetrieben im Sinne einer "regionalen“, auf die regionale
Ebene des Antragsgegners herunter gebrochenen überörtlichen Bedeutung (vgl. VGH
Bad.-Württ., Urteil vom 21.09.2010, a.a.O.) wird in der Begründung zum Plansatz 2.4.3.2.8
(Z) (S. 131 f.) eingehend und überzeugend begründet (siehe dazu auch BVerwG, Urteil
vom 10.11.2011, a.a.O. sowie VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.09.2010, a.a.O.). Die
Antragstellerin stellt das auch nicht in Frage. Diese überörtliche Bedeutung begrenzt auch
den Anwendungsbereich des Plansatzes, wie sich aus dem Wortlaut von Plansatz
2.4.3.2.8 (Z) Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich ergibt. Der Einwand der Antragstellerin, Plansatz
2.4.3.2.8 (Z) Abs. 2 Satz 1 knüpfe ausschließlich an eine Verkaufsfläche von mehr als 800
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an und erfasse damit auch Agglomerationen kleinflächiger Einzelhandelsbetriebe ohne
überörtliche Auswirkungen auf die Verwirklichung von Zielen der Raumordnung und
Landesplanung, übersieht, dass diese Regelung nur den Begriff "Agglomerationen von
Einzelhandelsbetrieben" im Sinne des Plansatzes 2.4.3.2.8 Abs. 1 (Z) definiert. Das
Erfordernis des Plansatzes 2.4.3.2.8 Abs. 1 Satz 1 (Z), wonach die - so definierten -
Agglomerationen von Einzelhandelsbetrieben "keine schädlichen, überörtlichen
Wirkungen entfalten" dürfen, bleibt davon unberührt.
50 Entgegen der Ansicht der Antragstellerin war der Antragsgegner auch nicht durch
zwingende Vorgaben des Landesentwicklungsplans 2002 an einer
Agglomerationsregelung gehindert; insbesondere verstößt Plansatz 2.4.3.2.8 (Z) nicht
gegen § 11 Abs. 2 Satz 2 LplG. Der Landesentwicklungsplan 2002 regelt die
Agglomeration von Einzelhandelsbetrieben weder durch eigene Festlegungen selbst noch
schließt er solche Festlegungen durch die Regionalplanung aus. Davon ist -
stillschweigend - auch der 3. Senat des erkennenden Gerichtshofs in seinem Urteil vom
21.09.2010 (a.a.O.) ausgegangen. Der bloße Umstand, dass die Begründung zum
Plansatz 3.3.7 Z LEP 2002 auf den Einzelhandelserlass verweist und dieser sich auch
eingehend mit dem "Sonderfall Agglomeration" befasst (Nr. 2.3.3 und Nr. 3.5), ändert
daran nichts. Daraus kann nicht - wie die Antragstellerin wohl meint - geschlossen werden,
Plansatz 3.3.7 Z LEP 2002 verbiete "beredt schweigend" Festlegungen zur Agglomeration
von Einzelhandelsbetrieben in einem Regionalplan.
51 Die Agglomerationsregelung entspricht auch - gerade angesichts der Bedeutung der
kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 71 LV) - dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit. Der mit ihr einhergehende Eingriff in die gemeindliche
Planungshoheit dient der Wahrung überörtlicher Interessen von höherem Gewicht. Die
räumliche Zuordnung nicht nur raumbedeutsamen großflächigen Einzelhandels, sondern
auch von raumbedeutsamen Einzelhandelsagglomerationen nach dem zentralörtlichen
Gliederungssystem soll eine raumverträgliche Entwicklung des Einzelhandels nicht nur für
die Bevölkerung, sondern auch für die Gemeinden insgesamt gewährleisten. Das ist ein
raumordnungsrechtlich legitimer Zweck. Insoweit gilt im vorliegenden Fall im Grundsatz
nichts Anderes als das, was der 3. Senat des erkennende Gerichtshofs in seinem Urteil
vom 21.09.2010 (a.a.O.) und nachfolgend das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil
vom 10.11.2011 (a.a.O.) zu einer Agglomerationsregelung im Regionalplan Heilbronn-
Franken 2020 ausgeführt haben. Dem schließt sich der Senat an. Das betrifft
insbesondere die Ausführungen zu dem auch von der Antragstellerin vorgetragenen
Einwand, die Agglomerationsregelung sei in der Bauleitplanung rechtlich nicht umsetzbar.
Denn mit den nach dem Baugesetzbuch und der Baunutzungsverordnung verfügbaren
städtebaulichen Planungsinstrumenten lassen sich Verstöße gegen Konzentrations-,
Kongruenz- und Integrationsgebote sowie Beeinträchtigungsverbote durch eine
Anhäufung mehrerer nicht großflächiger Einzelhandelsbetriebe wenn nicht ganz
verhindern, so doch in einem Maße minimieren, dass das Planungsergebnis noch im
Einklang mit den genannten Raumordnungszielen steht.
52 Für die in der vorliegenden Agglomerationsregelung bei der Definition des Begriffs
"Agglomerationen von Einzelhandelsbetrieben" aus Gründen der Bestimmtheit und
Rechtssicherheit zur Präzisierung des Tatbestandsmerkmals "räumlich nahe beieinander"
erfolgte Festlegung einer "Luftlinie zwischen den Gebäudezugängen" von "nicht länger als
150 m" gilt nichts Anderes. Wie sich aus der Begründung zu diesem Plansatz ergibt, sind
damit Gebäudezugänge für Kunden gemeint (vgl. S. 132: "Bis zu dieser Distanz ist davon
auszugehen, dass die Betriebe durch die Kunden fußläufig genutzt werden, gemeinsam
wahrgenommen werden und somit ein hohes Maß an Attraktivität und Bequemlichkeit
ausstrahlen"). Die damit hinreichend bestimmte Regelung schränkt die gemeindliche
Planungshoheit im Allgemeinen nicht unverhältnismäßig ein. Sie ist in der Bauleitplanung
durch den räumlichen Zuschnitt eines Baugebiets und Festsetzungen zur Gliederung der
baulichen Nutzung nach § 1 Abs. 5 bis 9 BauNVO sowie zur überbaubaren
Grundstücksfläche ebenfalls umsetzbar. Zu einer mit dem Festsetzungsinstrumentarium
des § 9 Abs. 2 BauGB und der Baunutzungsverordnung nicht umsetzbaren -
metergenauen - Festsetzung von (Kunden-)Gebäudezugängen (vgl. Uechtritz, VBlBW
2010, 185 <189>) zwingt der Plansatz die Gemeinden insoweit nicht. Zwar werden sich
Verstöße gegen Konzentrations-, Integrations- und Kongruenzgebote sowie
Beeinträchtigungsverbote auch durch diese Regelung nicht ganz verhindern lassen. Sie
lassen sich aber in einem Maße minimieren, dass das Planungsergebnis noch im
Einklang mit den genannten Raumordnungszielen steht (vgl. BVerwG, Urteil vom
10.11.2011, a.a.O.). In besonders gelagerten Einzelfällen, in denen diese Regelung zu
einer übermäßigen, durch die ihr zugrunde liegenden überörtlichen Interessen nicht mehr
zu rechtfertigenden Einschränkung der gemeindlichen Planungshoheit führt (vgl. dazu
Sparwasser, VBlBW 2008, 171 <178>), kann dieser Härte durch eine Zielabweichung (§ 6
Abs. 2 ROG, § 24 LplG) begegnet werden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt
nicht, dass für Vorhaben, die in atypischen Fällen raumverträglich sind, Ausnahmen im
Raumordnungsplan selbst festgelegt werden müssen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom
13.11.2012 - 4 B 21.12 -). Das gilt auch, soweit die Antragstellerin einwendet, die
Regelung könnte im Einzelfall zu einem mit ihrer Planungshoheit oder mit Art. 14 GG nicht
zu vereinbarendem vollständigen Ausschluss des Einzelhandels in einem Baugebiet
führen. Auch die von der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung in diesem
Zusammenhang ins Feld geführte Möglichkeit von Entschädigungsansprüchen eines
Dritten gegenüber der Gemeinde (§§ 39 bis 44 BauGB), führt nicht zu einem
unverhältnismäßigen Eingriff in die Planungshoheit. Denn sollten solche
Entschädigungsansprüche durch eine Anpassung der Bauleitplanung infolge der
Gebäudezugangsdefinition des Plansatzes 2.4.3.2.8 (Z) Abs. 2 Satz 2 ausgelöst werden,
kann die Gemeinde nach Maßgabe von § 23 LplG Erstattung vom Land verlangen. Damit
ist ihren finanziellen Belangen angemessen Rechnung getragen.
C.
53 Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Revision ist nicht
zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
54
Beschluss vom 6. November 2012
55 Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG endgültig auf 60.000,--EUR
festgesetzt (in Anlehnung an Nr. 9.8.2 des Streitwertkatalogs für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 07./ 08. Juli 2004 in Leipzig
beschlossenen Änderungen, NVwZ 1996, 562)
56 Der Beschluss ist unanfechtbar.