Urteil des VG Stuttgart vom 24.09.2014

VG Stuttgart: altersrente, bemessung der beiträge, übergangsregelung, satzung, anwartschaft, juristische person, versorgung, steuerberater, abschaffung, gerichtsakte

VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 24.9.2014, 9 S 2333/12
Leitsätze
Die Abschaffung des sogenannten "Ledigenzuschlags" auf die Altersrente in der Satzung eines
berufsständischen Versorgungswerks begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
1 Der Antragsteller wendet sich gegen den Wegfall des sog. Ledigenzuschlags auf die
Altersrente für nach dem 31.12.1956 geborene Mitglieder des Antragsgegners.
2 Der Antragsgegner ist eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts und die
berufsständische Versorgungseinrichtung der Steuerberater. Im Zusammenhang mit der
von ihm gewährten Altersrente sah die Satzung des Antragsgegners (im Folgenden: VwS)
in § 20 Abs. 4 Satz 1 bislang die antragsabhängige Gewährung eines Zuschlags in Höhe
von 20 vom Hundert der Altersrente vor, wenn bei Beginn der Altersrente keine sonstige
Person vorhanden war, die Leistungen des Versorgungswerks beanspruchen könnte. In
diesem Fall entfielen Ansprüche auf Hinterbliebenenrente und Kapitalabfindung (§ 20
Abs. 4 Satz 2 VwS).
3 Mit Beschluss der 31. Vertreterversammlung vom 29.11.2011 wurde die Satzung des
Antragsgegners in mehreren Punkten geändert. Dabei erhielt § 20 Abs. 4 folgende
Fassung:
4
Ist bei Beginn der Altersrente keine sonstige Person vorhanden, die Leistungen des
Versorgungswerkes - einschließlich Leistungen aus dem Versorgungsausgleich nach
dem Versorgungsausgleichsgesetz - beanspruchen könnte, so erhält das Mitglied auf
Antrag einen Zuschlag in Höhe von 20 vom Hundert der Altersrente, sofern das Mitglied
bis zum Beginn der Altersrente keine Berufsunfähigkeitsrente bezieht oder bezogen hat.
Mit Bezug des Zuschlages entfallen Ansprüche auf Hinterbliebenenrente und
Kapitalabfindung. Anspruch auf den in Satz 1 genannten Zuschlag besteht nicht für das
Mitglied, das nach dem 31. Dezember 1956 geboren ist.
5 Die Satzungsänderung wurde durch Erlasse des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft
Baden-Württemberg vom 28.02.2012 und 15.03.2013 genehmigt. Eine Bekanntmachung
der geänderten Satzung erfolgte im Gemeinsamen Amtsblatt in der Ausgabe Nr. 5 vom
25.04.2012, S. 366. Die Änderung trat am 01.07.2012 in Kraft (§ 45 Satz 6 VwS in der
Fassung vom 29.11.2011).
6 Der am ... 1967 geborene Antragsteller ist seit seiner Zulassung am 15.03.2011
Steuerberater und Mitglied des Antragsgegners. Er hat am 29.11.2012 gegen den in der
Satzungsänderung angeordneten Wegfall des Ledigenzuschlags einen Antrag auf
Normenkontrolle gestellt. Zur Begründung führt er aus: Er sei ledig und kinderlos und hätte
nach der alten Rechtslage den Ledigenzuschlag beanspruchen können. § 20 Abs. 4 VwS
in der geänderten Fassung verstoße gegen den Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG,
gegen § 9 des Gesetzes über das Versorgungswerk der Steuerberater in Baden-
Württemberg (StBVG) und gegen § 19 VwS. Nach § 9 StBVG und § 19 VwS bestehe auf
die nach Maßgabe der Satzung zu gewährende Altersrente ein ausdrücklicher
Rechtsanspruch. Entsprechend dem der Tätigkeit des Antragsgegners zugrunde
liegenden Solidarprinzip stelle der Ledigenzuschlag einen richtigen und wichtigen
Ausgleich dafür dar, dass den Mitgliedern mit potenziell Berechtigten auf
Hinterbliebenenbezügen eine Hinterbliebenenabsicherung gewährt werde, während
ledige Mitglieder bei grundsätzlich gleicher Beitragszahlung eine solche Leistung nicht
erhielten. Bereits aus diesem Grunde sei der Ledigenzuschlag schon in die
Gründungssatzung des Antragsgegners aufgenommen und als ausdrücklicher
Rechtsanspruch geregelt worden. Für eine vergleichbare Hinterbliebenenabsicherung
müsste ein Mitglied am freien Versicherungsmarkt hohe Versicherungsbeiträge
aufwenden. Andererseits müsste ein lediges Mitglied erhebliche Versicherungsbeiträge
aufwenden, um den Verlust des Ledigenzuschlags auszugleichen. Im Hinblick auf seine
Person hätte dies zur Folge, dass für eine Rürup-Versicherung Aufwendungen in Höhe
von ca. EUR 7.000,00 p.a. und mithin rund 55 % des Höchstbeitrages zum
Versorgungswerk erforderlich wären, um eine Rentenlücke in Höhe von rund EUR
8.400,00 p.a. zu schließen. Der Beitrag zum Versorgungswerk bei Mitgliedern mit
potenziell Berechtigten auf Hinterbliebenenbezüge entfalle zumindest bei wirtschaftlicher
Betrachtung zum Teil auf die Hinterbliebenenabsicherung, während bei einem Ledigen
der gesamte Beitrag zum Versorgungswerk für dessen Altersabsicherung geleistet werde.
Zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht erbringe ein lediges Mitglied daher erheblich höhere
Eigenleistungen zur Altersabsicherung. Bei der Anwartschaft auf den Ledigenzuschlag
handele es sich daher um ein vermögenswertes Recht, das dem Inhaber von der
Rechtsordnung dergestalt zugeordnet sei, dass dieser die damit verbundenen Befugnisse
nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben dürfe. Vor
dem Hintergrund der wirtschaftlichen Merkmale und der wirtschaftlichen Bedeutung des
Ledigenzuschlages werde deutlich, dass der Antragsgegner bei seiner Gründung die
Anwartschaft auf den Ledigenzuschlag gerade als nicht entziehbaren Rechtsanspruch
ausdrücklich habe regeln wollen und auch geregelt habe, um auf diesem Wege dem
Grundsatz der solidarischen Gegenseitigkeit entsprechend die wirtschaftliche
Gleichstellung von Mitgliedern mit Personen mit Hinterbliebenenansprüchen einerseits
und Ledigen andererseits zu sichern. Zur Rechtfertigung der Neuregelung könne im
Übrigen nicht angeführt werden, der Ledigenzuschlag in der bisherigen Form sei
unzeitgemäß. Vielmehr mache der Anteil der Einpersonenhaushalte in Baden-
Württemberg rund 38 % aller Haushalte aus. Wenn hier aber über ein Drittel aller
Haushalte Einpersonenhaushalte seien, müsse gerade dies bei der Bemessung der
Renten berücksichtigt werden. Entsprechendes gelte für das Argument, die Ertragslage
der Versorgungswerke, möglicherweise auch des Antragsgegners, sei aufgrund niedriger
Zinsen am Kapitalmarkt in den vergangenen Jahren schwierig geworden. Um einem
solchen Umstand Rechnung zu tragen, hätten andere Möglichkeiten als die hier im
Rahmen der relevanten Satzungsänderung beschlossene bestanden. Im Übrigen zeige
die Höhe der zum Ausgleich der Rentenlücke erforderlichen Versicherungsbeiträge, dass
die im Rahmen der Satzungsänderung eingeführte Altersgrenze willkürlich sei. Diese
stelle sich gerade nicht als eine Übergangsregelung dar, die es den Mitgliedern
ermögliche, sich auf den Wegfall des Ledigenzuschlages einzustellen.
7 Der Antragsteller beantragt sachdienlich,
8
§ 20 Abs. 4 Satz 3 VwS in der Fassung des Beschlusses der Vertreterversammlung des
Antragsgegners vom 29.11.2011 für unwirksam zu erklären.
9 Der Antragsgegner beantragt,
10 den Antrag abzuweisen.
11 Bei der Errichtung des Versorgungswerks in den Jahren 1998 und 1999 habe er die
Regelung des „Ledigenzuschlags“ übernommen. Hinter dieser Regelung habe die
Vorstellung gestanden, dass derjenige, welcher keine im Versorgungswerk
versorgungsberechtigten Angehörigen habe, eine geringere Rentenlast dadurch
verursache, dass ihm eine Altersrente nur allein zustehe und diese mit seinem Tode ende
und sich nicht in der Person von anspruchsberechtigten Hinterbliebenen fortsetze. Diese
Vorschrift sei allerdings schon damals in ihrem Wortlaut unvollkommen gewesen, weil sie
nicht die Lasten berücksichtigt habe, welche dadurch entstanden seien, dass der
alleinstehende Altersrentner einmal habe verheiratet gewesen und geschieden sein
können oder Kinder gehabt habe, welche das waisenrentenberechtigende Alter schon
überschritten gehabt hätten. In beiden Fällen habe das Versorgungswerk bereits die nicht
geringen versicherungsmathematischen Lasten durch die potentiellen Anwartschaften des
insoweit später ausgeschiedenen Personenkreises getragen. Schließlich sei auch zu
bedenken gewesen, dass der Zuschlag nicht einem Mitglied hätte zustehen können,
welches bereits Berufsunfähigkeitsrente erhalten habe. Diese Lasten hätten naturgemäß
nicht auf die Versichertengemeinschaft abgewälzt werden können, sodass die Vorschrift
mit Fortschreiten der vom Antragsteller selbst betonten "Single"-Kultur mit der Zeit ohnehin
einer Revision hätte unterzogen werden müssen. Darüber hinaus sei es aufgrund der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs
notwendig gewesen, die Berechtigung des Personenkreises für Hinterbliebenenrenten
einer Überprüfung zu unterziehen, da die Gleichstellung der nichtehelichen
Lebenspartnerschaft mit der traditionellen Ehe vorangeschritten gewesen sei. Dieses -
naturgemäß wesentlich umfangreichere - Projekt habe selbstverständlich auch
Auswirkungen auf den hier diskutierten Zuschlag gehabt, da auch seine Berücksichtigung
eine Gleichbehandlung von Ehe und nichtehelicher Lebensgemeinschaft erfordert habe.
Deswegen habe die Vertreterversammlung die Revision der Vorschrift in Angriff
genommen und in Versammlungen vom 23.11.2010, 05.07.2011 und 29.11.2011
verschiedene Modelle ausführlich beraten und schließlich die Abschaffung der Regelung
in der bekannten Weise beschlossen.
12 Dem Antragsteller fehle bereits die Antragsbefugnis. Es gehe um die Frage, ob er im Jahre
2034 bei Vollendung des 67. Lebensjahres einen Rentenzuschlag erhalten werde oder
nicht. Der Antragsteller könne indes nicht mit der erforderlichen Sicherheit darlegen, dass
er bei Einweisung in die Altersrente ohne versorgungsberechtigte Angehörige dastehen
werde oder z.B. nicht berufsunfähig geworden sein könnte. Fest stehe aber, dass dem
Antragsteller der Zuschlag dann nicht zustehe, wenn eines der genannten Ereignisse
eintreffen sollte. Deshalb könne der Antragsteller nicht behaupten, gegenwärtig in einem
ihm zustehenden Recht beeinträchtigt zu sein. Eine Normenkontrolle „auf Vorrat" sehe §
47 VwGO aber nicht vor. Der Antragsteller könne sich im Rentenalter gegen den
entsprechenden Altersrentenbescheid wenden mit einem Angriff gegen die dann geltende
Rechtsgrundlage.
13 Der Normenkontrollantrag sei jedenfalls unbegründet. Die Rentenanwartschaft eines
Mitglieds des Antragsgegners errechne sich nach der Bestimmung des § 22 VwS. Sowohl
der persönliche durchschnittliche Beitragsquotient als auch die Zahl der Beitragsmonate
seien individuell berechnet: Beitragshöhe und Beitragszeit ergäben die Leistungshöhe.
Der Zuschlag habe keinerlei Bezug zu diesen individuellen Daten. Es spiele keine Rolle,
wie hoch die Beitragsleistung des Mitglieds sei und wie lange das Mitglied in das
Versorgungswerk eingezahlt habe. Das bedeute, der Zuschlag werde nicht vom Mitglied,
sondern in vollem Umfang von sämtlichen Mitgliedern des Versorgungswerks bezahlt.
Also würden die Mittel für diesen Anspruch nicht aus den eigenen Anstrengungen des
Mitglieds, sondern allein aus einer solidarischen Gesamtleistung der
Versichertengemeinschaft finanziert. Wie der Antragsteller aus dieser solidarischen
Leistung Eigentumsrechte herleiten wolle, sei nicht ersichtlich. Deswegen berufe er sich
letztlich gar nicht auf eine Eigentumsverletzung, sondern auf eine Verletzung des
Vertrauensgrundsatzes. Woraus allerdings das Vertrauen fließen solle, dass das, was ihm
bei Eintritt in das Versorgungswerk in Aussicht gestellt worden sei, auch bis zum Ende
seiner versicherten Zeit Bestand haben solle, habe der Antragsteller nicht dargelegt. Er
könne deswegen auch nicht etwa geltend machen, er habe sich von der gesetzlichen
Rentenversicherung im Vertrauen auf den erhofften Zuschlag befreien lassen, was er nicht
getan hätte, wenn er die jetzige Rechtsentwicklung gekannt hätte. Unabhängig davon,
dass es den entsprechenden Zuschlag bei der Deutschen Rentenversicherung gar nicht
gebe, habe sich das Bewusstsein gegenüber den Familien in den letzten Jahrzehnten
geändert. Habe in den achtziger Jahren noch im Vordergrund gestanden, welche Last
versorgungsberechtigte Angehörige dem Versorgungssystem sein können, sei heute das
Bewusstsein präsent, dass letztlich für den Fortbestand aller Systeme die Sicherung des
Nachwuchses an erster Stelle stehe. Im Übrigen sei ein Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG
grundsätzlich zulässig, wenn er einem Zweck des Gemeinwohls diene und dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche, wobei sich der Gestaltungsspielraum des
Satzungsgebers in dem Maße verenge, in dem die Rentenanwartschaften durch den
personalen Anteil eigener Leistungen geprägt seien. Eingriffe seien zudem am
rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes zu messen. Diese Grundsätze habe
die Vertreterversammlung sehr sorgfältig im Auge behalten. Dass es dem Gemeinwohl
diene, wenn die vom Antragsteller reklamierte Solidarität zu einer anderen Verteilung
führte, als diese Mitte der achtziger Jahre für richtig gehalten worden sei, könne nicht
ernsthaft bestritten werden. Dass dabei der Bestandteil einer Rentenanwartschaft ins
Blickfeld genommen worden sei, welcher nicht aus eigenen Beiträgen resultiere, stelle
den geringstmöglichen Eingriff dar. Er, der Antragsgegner, hätte den Zuschlag ersatzlos
streichen können. Er habe indes vorsorglich eine Eintrittsgrenze normiert, um rentennahe
Jahrgänge im Rahmen des Möglichen zu schützen, insbesondere diejenigen, die noch im
Wege der Antragspflichtmitgliedschaft bei Gründung des Versorgungswerks ihre
Entscheidung zu Gunsten des Versorgungswerks getroffen hätten. Angesichts seines im
Vergleich zu anderen Versicherten jungen Lebensalters habe der Antragsteller noch
genügend Gelegenheit, den Wegfall des Zuschlags durch entsprechende Eigenleistung
auszugleichen.
14 Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Akte des Antragsgegners Bezug genommen.
B.
15 Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. Da sich die Sach- und Rechtslage anhand der
Akten und der gewechselten Schriftsätze abschließend beurteilen lässt, hält der Senat
eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich (§ 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die
Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung über den Normenkontrollantrag ohne
mündliche Verhandlung ausdrücklich einverstanden erklärt (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO). Bei
dieser Sachlage stehen die Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 EMRK einer Entscheidung ohne
mündliche Verhandlung nicht entgegen.
16 Der Normenkontrollantrag ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
17 § 20 Abs. 4 Satz 3 VwS in der Fassung der Änderungssatzung vom 29.11.2011 (GABl. Nr.
5 vom 25.04.2012, S. 366) verstößt weder in formeller noch in materieller Hinsicht gegen
höherrangiges Recht.
I.
18 Der Antrag ist zulässig.
19 1. Bei der angefochtenen Satzungsbestimmung handelt es sich um eine im Rang unter
dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift des Antragsgegners (§ 47 Abs. 1 Nr. 2
VwGO), gegen die nach § 4 AGVwGO in Baden-Württemberg die Normenkontrolle
statthaft ist. Die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gewahrt, weil der
Normenkontrollantrag am 29.11.2012 und damit innerhalb eines Jahres nach
Bekanntmachung der Änderungssatzung eingelegt wurde.
20 2. Der Antragsteller ist antragsbefugt.
21 a) Die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO hat jede natürliche oder juristische
Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren
Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Es genügt dabei,
wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung möglich erscheint (Eyermann/Schmidt,
VwGO, 14. Aufl. 2014, § 47 Rn. 40 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 47 Rn. 43
ff.).
22 b) Der Antragsteller wendet sich als Steuerberater und Pflichtmitglied des Antragsgegners
gegen den mit der angefochtenen Satzungsänderung verbundenen Wegfall des
Ledigenzuschlags auf die Altersrente. Bei der Anwartschaft auf Altersrente handelt es sich
um eine Rechtsposition, die in ihrem normierten, konkret vorhandenen Bestand geschützt
ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20.10.1981 - 2 BvR 201/80 -, BVerfGE 58, 300, 336, und
vom 31.10.1984 - 1 BvR 35/82, 1 BvR 356/82, 1 BvR 794/82 -, BVerfGE 68, 193, 222 f.).
Die Anwartschaft umfasst daher - unabhängig davon, ob sich der verfassungsrechtliche
Schutz aus Art. 14 Abs. 1 GG oder Art. 2 Abs. 1 GG ergibt - (dazu unten) - auch das
Element des in § 20 Abs. 4 VwS a.F. vorgesehenen Ledigenzuschlags. Die zur Prüfung
gestellte Vorschrift belastet den Antragsteller, weil sie der Sache nach eine Minderung
seiner Altersrente um den Ledigenzuschlag vorsieht. Sie wirkt sich auch bereits jetzt aus,
weil sie bereits vor dem Versicherungsfall Anlass zu vorsorgenden Dispositionen gibt (vgl.
nur BVerfG, Beschluss vom 18.02.1998 - 1 BvR 1318/86 u.a. -, BVerfGE 97, 271 = Juris
Rn. 54).
II.
23 Der Normenkontrollantrag ist aber nicht begründet. Die angefochtene Vorschrift ist weder
in formell-rechtlicher (1.) noch in materiell-rechtlicher (2.) Hinsicht zu beanstanden.
24 1. Die Vertreterversammlung des Antragsgegners war gemäß § 3 Abs. 5 Nr. 1 des
Gesetzes über das Versorgungswerk der Steuerberater in Baden-Württemberg
(Steuerberaterversorgungsgesetz - StBVG) vom 16.11.1998 in der Fassung des Gesetzes
vom 16.10.2006 (GBl. S. 293) und § 3 Abs. 6 Nr. 1 VwS das zum Erlass der
Änderungssatzung zuständige Organ. Mängel des Verfahrens der Normsetzung sind
weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Dem in § 17 Abs. 2 StBVG normierten
Genehmigungserfordernis wurde durch Erlasse des Ministeriums für Finanzen und
Wirtschaft Baden-Württemberg vom 28.02.2012 und 15.03.2013 genügt. Die
Satzungsänderung ist, den Vorgaben aus § 17 Abs. 3 StBVG entsprechend, im
Gemeinsamen Amtsblatt bekannt gemacht worden.
25 2. Die angegriffene Satzungsbestimmung begegnet auch in materieller Hinsicht keinen
Bedenken. Sie ist von einer ordnungsgemäßen Ermächtigungsgrundlage gedeckt (a) und
mit höherrangigem Recht vereinbar (b).
26 a) Ermächtigungsgrundlage für die in § 20 Abs. 4 VwS enthaltene Regelung ist § 17 i.V.m.
§ 9 Abs. 1 StBVG. Danach werden die Verhältnisse der Antragsgegnerin, soweit sie nicht
gesetzlich geregelt sind, durch die Satzung geregelt (§ 17 Abs. 1 Satz 1 StBVG). Die
Satzung muss Bestimmungen über Höhe und Art der Versorgungsleistungen enthalten (17
Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StBVG). Hinsichtlich künftiger Versorgungsleistungen gibt § 9 StBVG
vor, dass der Antragsgegner seinen Mitgliedern nach Maßgaben dieses Gesetzes und der
Satzung u.a. Altersrente gewährt und dass auf diese Leistung ein Rechtsanspruch besteht
(§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 StBVG). Demnach ist die Regelung von Inhalt und Höhe der
Altersrente möglicher Inhalt dieser Satzung. Soweit der Antragsteller meint, der bislang
gewährte Ledigenzuschlag sei als „unentziehbare Rechtsposition“ ausgestaltet, lässt sich
dies weder dem Gesetz noch der Satzung entnehmen. Die Möglichkeit von
Satzungsänderungen, die auch die Höhe der Leistungen betreffen können, wird dort
vielmehr gerade vorausgesetzt (vgl. § 3 Abs. 5 Nr. 1 StBVG, § 9 Abs. 3 StBVG, § 17 Abs. 2
und 3 StBVG).
27 b) § 20 Abs. 4 Satz 3 VwS in der Fassung der Änderungssatzung vom 29.11.2011 steht
mit den Grundrechten des Antragstellers aus Art. 14 Abs. 1 GG (aa), Art. 2 Abs. 1 (bb) und
Art. 3 Abs. 1 GG (cc) in Einklang.
28 aa) Eine Verletzung des Antragstellers in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG lässt
sich nicht feststellen. Die angegriffene Regelung berührt die Eigentumsgarantie nicht.
Soweit das bisherige Satzungsrecht den „Ledigenzuschlag“ vorsah, begründete es keine
Rechtsposition, die dem verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz unterliegt.
29 (1) Allerdings unterfallen die in berufsständischen Versorgungswerken erworbenen
Anwartschaften auf Leistungen der Altersversorgung grundsätzlich dem Schutz des Art. 14
Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31.08.2004 - 1 BvR 1776/97 -, BVerfGK 4, 46 =
Juris Rn. 9; BVerwG, Beschlüsse vom 13.04.2012 - BVerwG 8 B 86.11 -, Buchholz 430.4
Versorgungsrecht Nr. 54 = Juris Rn. 6, und vom 16.4.2010 - BVerwG 8 B 118.09 -, Juris
Rn. 6). Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet das Eigentum. Für den
eigentumsrechtlichen Schutz von Ansprüchen und Anwartschaften aus dem
berufsständischen Versorgungsrecht ist wie bei derartigen Rechtspositionen des
Sozialversicherungsrechts Voraussetzung, dass es sich um vermögenswerte
Rechtspositionen handelt, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger
als privatnützig zugeordnet sind, auf nicht unerheblichen Eigenleistungen beruhen und
seiner Existenzsicherung dienen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. 05.2005 - 1 BvR 368/97
- NJW 2005, 2213 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 21.09.2005 - 6 C 3/05 -, NJW 2006, 711).
Unter diesen Voraussetzungen ist der Grundrechtsschutz bei einem Versorgungswerk,
dessen Finanzierungssystem etwa auf einem offenen Deckungsplanverfahren beruht,
grundsätzlich nicht geringer als im umlagefinanzierten gesetzlichen Rentensystem (vgl.
BVerwG, Beschlüsse vom 13.04.2012, a.a.O., Rn. 6, und vom 16.04.2010, a.a.O., Rn. 8,
Urteil vom 21.09.2005, a.a.O., Juris Rn. 33).
30 Die aufgezeigten Voraussetzungen für den eigentumsrechtlichen Schutz liegen
hinsichtlich der Anwartschaft auf Altersrente an sich (vgl. § 20 VwS) vor. Insbesondere
beruht sie im Wesentlichen auf Eigenleistungen und dient der Sicherung einer von der
Höhe der Beiträge abhängigen angemessenen Versorgung im Altersfall. Gemäß § 22 Abs.
1 Satz 1 VwS bestimmt sich die Höhe des Monatsbetrags der Altersrente grundsätzlich
aus dem Produkt des Rentensteigerungsbetrags, der Anzahl der anzurechnenden
Versicherungsjahre, des vom Eintrittsalter abhängigen Faktors und des persönlichen
durchschnittlichen Beitragsquotienten. Vor allem der Faktor des persönlichen
durchschnittlichen Beitragsquotienten (zur Ermittlung vgl. § 22 Abs. 4 VwS) zeigt, dass die
Höhe der Altersrente maßgeblich bestimmt wird durch die Zahl der Beitragsmonate und
die Höhe des jeweiligen Beitrags. Beides beruht auf der individuellen Leistung des
jeweiligen Mitglieds.
31 (2) Anders stellt sich die Rechtslage jedoch für den „Ledigenzuschlag“ nach § 20 Abs. 4
VwS dar. Es handelt sich um ein zusätzliches Element der Altersrente, das nicht auf einer
dem einzelnen Mitglied individuell zurechenbaren Leistung beruht, die eine Zuordnung
der diesbezüglichen Anwartschaft zur verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie
rechtfertigen könnte. Es fehlt der hinreichende personale Bezug zwischen der
Beitragsleistung des Mitglieds und dem später geleisteten Zuschlag auf die Altersrente.
Hintergrund der Regelung ist die unterschiedliche Berücksichtigung von
Versicherungsrisiken durch den Antragsgegner. Mit der pauschalen Gewährung des
Ledigenzuschlags in Höhe von 20 % der Altersrente wird „honoriert“, dass der Bezieher
von Altersrente ohne versorgungsberechtigte Angehörige versicherungsmathematisch
geringere Versicherungsrisiken verursacht als der Altersrentner mit
versorgungsberechtigten Angehörigen. Während der Altersrente selbst Beiträge zugrunde
liegen, wird der „Ledigenzuschlag“ ohne eine erhöhte Beitragsleistung des versicherten
Mitglieds und späteren Rentenempfängers gewährt. Dass die Höhe des Zuschlags wegen
des normierten Größenverhältnisses (20 %) von der Höhe der für das jeweilige Mitglied
individuell berechneten Altersrente abhängig ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die
Finanzierung erfolgt - wie bei der Hinterbliebenenversorgung - durch die Gemeinschaft
aller Versicherten. Insgesamt handelt es sich deshalb beim Ledigenzuschlag nicht um
eine Rechtsposition, die den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießt (so auch OVG
Lüneburg, Beschluss vom 13.01.2011 - 8 PA 241/10 -, Juris; VG Hamburg, Urteil vom
05.12.2006 - 10 K 2075/05 -, Juris; zur Parallelproblematik der Ansprüche auf
Hinterbliebenenrente, die ebenfalls nicht dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterfallen,
BVerfG, Beschluss vom 18.02.1998 - 1 BvR 1318/86 u.a. -, BVerfGE 97, 271 = Juris Rn. 59
ff.; OVG Saarland, Urteil vom 19.01.2011 - 3 A 418/09 -, Juris Rn. 74 ff.).
32 bb) Art. 2 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt.
33 (1) Die Kürzung der Altersrente bzw. der entsprechenden Anwartschaft um den
„Ledigenzuschlag“ unterfällt dem Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG. Dessen Schutzbereich ist
berührt, wenn der Normgeber einerseits durch die Anordnung von Zwangsmitgliedschaft
und Beitragspflichten in einem öffentlich-rechtlichen Verband der Sozialversicherung, sei
es der gesetzlichen Rentenversicherung, sei es der berufsständischen Versorgung, die
allgemeine Betätigungsfreiheit des Einzelnen durch Einschränkung seiner wirtschaftlichen
Voraussetzungen nicht unerheblich einengt, andererseits aber - wie hier - dem Mitglied
satzungsmäßig zugesagte und beitragsfinanzierte Leistungen wesentlich vermindert (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 18.02.1998, a.a.O., Juris Rn. 66, zur Hinterbliebenenrente der
gesetzlichen Rentenversicherung).
34 (2) Allerdings ist das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG nur in den Schranken des Art. 2 Abs.
1 Halbsatz 2 GG gewährleistet. Die angefochtene Regelung steht jedoch im Einklang mit
der verfassungsmäßigen Ordnung.
35 Der Antragsgegner als Satzungsgeber ist grundsätzlich befugt, in das Leistungsgefüge der
von ihm zugesagten Versorgungsleistungen ordnend einzugreifen. Im Rahmen seiner
Gestaltungsfreiheit kann er Rentenansprüche und -anwartschaften beschränken. Wenn in
bestehende Anwartschaften eingegriffen wird, ist zu berücksichtigen, dass in ihnen von
vornherein die Möglichkeit von Änderungen angelegt ist. Eine Unabänderlichkeit der bei
ihrer Begründung bestehenden Bedingungen widerspräche dem
Rentenversicherungsverhältnis, das im Unterschied zu einem privaten
Versicherungsverhältnis von Anfang an nicht allein auf dem Versicherungsprinzip,
sondern auch auf dem Gedanken der Verantwortung und des sozialen Ausgleichs beruht
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.11.2008 - 1 BvL 3/05 u.a. -, BVerfGE 122, 151 = Juris Rn.
79 - im Zusammenhang mit dem Eigentumsgrundrecht). Für die berufsständischen
Versorgungswerke gilt dies entsprechend (Senatsurteil vom 28.10.2010 - 9 S 1199/09 -;
Groepper, NJW 1999, 3008, 3013). Der hier als Prüfungsmaßstab heranzuziehende Art. 2
Abs. 1 GG ist dabei nicht verletzt, wenn die Eingriffsnormen formell und materiell
verfassungsgemäß sind, insbesondere einem wichtigen öffentlichen Interesse dienen und
dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie den rechtsstaatlichen Anforderungen des
Vertrauensschutzprinzips genügen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.02.1998, a.a.O., Juris
Rn. 67; OVG Saarland, Urteil vom 19.01.2011, a.a.O., Juris Rn. 82). Das ist hier der Fall.
36 (a) Bei der Bemessung der Beiträge wie der Leistungen kann der Antragsgegner die
Gedanken der Solidarität und des sozialen Ausgleichs innerhalb der
Versorgungsgemeinschaft berücksichtigen (vgl. Groepper, NJW 1999, 3008, 3013). Dem
entspricht es, zum Zwecke des Aufbaus einer leistungsfähigen Versorgung und der
Verteilung des Risikos eine möglichst vollständige Erfassung aller Mitglieder anzustreben
und dabei die Zahl der beitragsfreien oder zu verminderten Beiträgen veranlagten
Mitglieder klein zu halten. So steht es mit dem Solidaritätsgedanken in Einklang, möglichst
viele Mitglieder ohne Rücksicht auf ihre familiären Verhältnisse zur
Hinterbliebenenversorgung heranzuziehen, auch wenn für einen Teil davon
voraussichtlich keine (abgeleiteten) Ansprüche entstehen werden (vgl. BVerwG,
Beschluss vom 29.02.2000 - 1 B 82/99 -, Juris Rn. 10; OVG Lüneburg, Urteil vom
12.06.2014 - 8 LC 130/12 -, Juris Rn. 44; Groepper, NJW 1999, 3008, 3014). Bei der
Hinterbliebenenversorgung selbst handelt es sich um eine vorwiegend fürsorgerisch
motivierte Leistung, die der Sicherung der Familienangehörigen im Rahmen des
Gedankens des sozialen Ausgleichs dient (vgl. BVerfG, Urteil vom 06.06.1978 - 1 BvR
102/76 -, BVerfGE 48, 346 = Juris Rn. 46).
37 Danach dient die Abschaffung des Ledigenzuschlags einem wichtigen öffentlichen
Interesse. Der Antragsgegner hat darauf verwiesen, dass sich vor dem Hintergrund der
fortschreitenden „Single-Kultur“ das (gesellschaftliche) Bewusstsein im Hinblick auf
Familien geändert habe. Es sei das Bewusstsein präsent, dass der Fortbestand aller
Versorgungssysteme letztlich von der Sicherung des Nachwuchses abhängig sei. Ferner
hat der Antragsgegner den Umstand, dass sowohl das Recht der gesetzlichen
Rentenversicherung wie auch die Satzungen zahlreicher anderer berufsständischer
Versorgungswerke den Ledigenzuschlag nicht kennen, in seine Überlegungen
einbezogen (vgl. das Protokoll der 31. Vertreterversammlung vom 29.11.2011,
Gerichtsakte S. 183, 183, 187). Vor diesem Hintergrund hat er es nunmehr für
gerechtfertigt gehalten, auch die künftigen Bezieher von Altersrente ohne
versorgungsberechtigte Angehörige ohne „Kompensation“ in gleicher Weise zur
Finanzierung der Hinterbliebenenversorgung heranzuziehen, obwohl bei ihnen
voraussichtlich kein Anspruch auf eine derartige Versorgung entstehen wird. Mit der
bewirkten Angleichung des Niveaus der Rentenanwartschaft lediger und verheirateter
Mitglieder hat er eine verfassungsrechtlich legitime Neubewertung des
Solidaritätsgedankens vorgenommen.
38 Darüber hinaus hat der Antragsgegner die Abschaffung des Ledigenzuschlags mit seinem
gewachsenen Finanzierungsbedarf begründet, der u.a. auch durch die gleichzeitige
Einführung einer Rente für hinterbliebene Lebenspartner einer eingetragenen
Lebenspartnerschaft (vgl. § 26 Abs. 1 VwS n.F.) ausgelöst wird (Protokolle der 28.
Vertreterversammlung vom 28.09.2010, Gerichtsakte S. 135 ff., 143, der 29.
Vertreterversammlung vom 23.11.2010, Gerichtsakte S. 181 ff., und der 30.
Vertreterversammlung vom 05.07.2011, Gerichtsakte S. 173 ff., 175). Auch die Deckung
dieses Finanzierungsbedarfs trägt einem wichtigen öffentlichen Interesse Rechnung,
indem zur Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit der berufsständischen
Versorgung beigetragen wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.02.1998, a.a.O., Juris Rn.
68; Senatsurteil vom 28.10.2010, a.a.O.).
39 Ob weitere Gründe die Satzungsänderung zu tragen vermögen, kann dahinstehen. Dies
gilt auch für die Frage, ob bzw. inwieweit die bisherige Regelung des Ledigenzuschlags
wegen des damit verbundenen unterschiedlichen Leistungsniveaus von ledigen und
verheirateten Mitglieder geeignet war, Mitglieder des Antragsgegners von der
Eheschließung abzuhalten, und als die Bereitschaft zur Eheschließung gefährdende und
deshalb im Hinblick auf die Gewährleistungen des Art. 6 Abs. 1 GG problematische
Regelung anzusehen wäre (vgl. hierzu VG Hannover, Urteil vom 16.05.2012 - 5 A 5322/11
-, Juris).
40 (b) Dass die angegriffene Regelung zur Realisierung der vom Normgeber angestrebten
Ziele nicht tauglich oder nicht erforderlich ist, lässt sich nicht feststellen. Der
Antragsgegner hat die Auswirkungen der Normänderung auf die individuellen Ansprüche
bzw. Anwartschaften der Mitglieder und auf das eigene Finanzaufkommen in den Blick
genommen und in nachvollziehbarer Weise dargelegt. Bei der Normänderung hat er - im
Sinne eines geringstmöglichen Eingriffs - bewusst auf ein Element der Altersrente Zugriff
genommen, dem der hinreichende personale Bezug zur Beitragsleistung des einzelnen
Mitglieds fehlt und bei dem es sich daher nicht um eine eigentumsrechtlich geschützte
Rechtsposition handelt.
41 (c) Es ist auch nicht erkennbar, dass die Normadressaten mit der Regelung in
unzumutbarer Weise belastet werden. Dem gewichtigen öffentlichen Interesse an der
Angleichung des Niveaus der Rentenanwartschaften lediger und verheirateter Mitglieder
sowie an der Stabilisierung der Finanzsituation des Antragsgegners steht zwar eine nicht
unerhebliche Kürzung der Rentenanwartschaft für einen nicht unbedeutenden Teil der
Mitglieder gegenüber. Das Gewicht dieses Eingriffs ist indes begrenzt. Wie dargelegt,
betrifft die Kürzung keine eigentumskräftige Rechtsposition dieser Mitglieder. Außerdem
hat der Normgeber die Belastung auf die nach dem 31.12.1956 geborenen Mitglieder
beschränkt. Damit hat er vor allem berücksichtigt, dass die Mitglieder dieser Gruppe
aufgrund ihres jüngeren Lebensalters typischerweise in der Lage sind, die Kürzung der
Rentenanwartschaft durch entsprechende private finanzielle Vorsorgemaßnahmen zu
kompensieren (dazu noch unten). Insgesamt lässt das Gewicht der mit der Regelung
verfolgten öffentlichen Belange die mit ihr für die Normadressaten verbundene Belastung
nicht als unzumutbar erscheinen.
42 (d) Der Normgeber hat Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Gebot
des Vertrauensschutzes nicht dadurch verletzt, dass er den Ledigenzuschlag für solche
Personen wie den Antragsteller gestrichen hat, obwohl diese nach der bisherigen
Rechtslage grundsätzlich mit einer ungekürzten Altersrente rechnen konnten.
43 Die Satzungsänderung bewirkt, dass mit Wirkung zum 01.07.2012 die
Altersrentenanwartschaft der nach dem 31.12.1956 geborenen Mitglieder des
Antragsgegners um den nach der alten Rechtslage in § 20 Abs. 4 VwS a.F. noch
vorgesehenen Zuschlag von 20 % gekürzt wurde. Damit hat der Satzungsgeber an ein
bereits bestehendes und noch nicht abgeschlossenes Rechtsverhältnis angeknüpft und
hierauf zum Nachteil der Betroffenen für die Zukunft eingewirkt. Eine derartige „unechte
Rückwirkung“ unterliegt dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (zu
lediglich durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Positionen vgl. BVerfG, Beschluss vom
13.06.2006 - 1 BvL 9/00 u.a. -, BVerfGE 116, 96 = Juris Rn. 99; Beschluss vom
18.02.1998, a.a.O., Juris Rn. 76 ff.; zu durch Art. 14 GG geschützten Positionen BVerfG,
Beschlüsse vom 27.02.2007 - 1 BvL 10/00 -, Juris Rn. 55, und vom 11.11.2008 - 1 BvL
3/05 u.a. -, Juris Rn. 89; Senatsurteil vom 01.09.2009 - 9 S 576/08 -; vgl. auch Huster/Rux,
in: Epping/Hillgruber, GG, 2. Aufl. 2013, Art. 20 Rn. 187 m.w.N.).
44 Keine Grenzen aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ergeben sich, wenn das
Vertrauen des Einzelnen auf den Fortbestand der bisherigen gesetzlichen Regelung eine
Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber billigerweise nicht beanspruchen kann (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 22.01.1975 - 2 BvL 51/71 -, BVerfGE 39, 128, 146), wie
insbesondere dann, wenn der Begünstigte mit der Gesetzesänderung rechnen muss (vgl.
Beschluss vom 17.05.1983 - 2 BvL 8/82 -, BVerfGE 64, 158, 174). Regelmäßig aber ist
eine Abwägung zwischen dem Vertrauen des Einzelnen in den Fortbestand der für ihn
günstigen Rechtslage, der Bedeutung des normgeberischen Anliegens für das Wohl der
Allgemeinheit sowie der Schwere des Eingriffs erforderlich. Ergebnis dieser Abwägung
kann eine Verpflichtung des Normgebers zum Erlass einer Übergangsregelung sein (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 13.06.2006, a.a.O., Juris Rn. 105 ff.; Urteile vom 10.12.1985 - 2
BvL 1883 -, BVerfGE 71, 255, und vom 15.05.1985 - 2 BvL 24/82 -, BVerfGE 70, 69;
Maurer, Kontinuitätsgewähr und Vertrauensschutz, HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 79 Rn. 74).
Dabei beschränkt sich die (verfassungs-)gerichtliche Kontrolle darauf, ob eine
Übergangsregelung verfassungsrechtlich erforderlich bzw. eine vom Normgeber gewählte
Übergangsregelung ausreichend und angemessen ist (vgl. Maurer, a.a.O. m.w.N.).
45 Hiervon ausgehend kann dahinstehen, ob den Betroffenen hier überhaupt ein
schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand des - weder im Recht der gesetzlichen
Rentenversicherung noch in den Satzungen zahlreicher berufsständischer
Versorgungswerke normierten - „Ledigenzuschlags“ zugebilligt werden konnte. Denn
unabhängig davon überwiegen bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des
Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die
Veränderungsgründe des Antragsgegners die Bestandsinteressen der Betroffenen.
Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Umstand zu, dass der Antragsgegner dem
Vertrauensschutzinteresse der Betroffenen durch eine langfristig angelegte
Übergangsregelung Rechnung getragen hat. Die in der Übergangsregelung erfolgte
Anknüpfung an den Gesichtspunkt der Rentennähe kann weder im Grundsatz noch in der
konkreten Ausgestaltung verfassungsrechtlich beanstandet werden (zum Aspekt der
Rentennähe vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 13.06.2006, a.a.O., Juris Rn. 105 ff.; OVG
Lüneburg, Urteil vom 12.06.2014 - 8 LC 130/12 -, Juris Rn. 57). Die bis zum 31.12.1956
geborenen rentennahen Mitglieder werden von dem Eingriff verschont. Auch ist davon
auszugehen, dass der Gruppe der rentenfernen Mitglieder, der der am 01.11.1967
geborene Antragsteller zuzurechnen ist, ausreichend Zeit für die Umstellung auf die neue
Rechtslage zur Verfügung steht. So hätte ein im Jahr 1957 geborenes Mitglied zum
Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung am 01.07.2012 bis zum Erreichen des
regulären Renteneintrittsalters von 66 Jahren und 6 Monaten (§ 20 Abs. 1a VwS) noch
etwa 11 Beitragsjahre vor sich gehabt. Für dieses Mitglied bestand damit die Möglichkeit,
die durch die Normänderung bewirkte Kürzung seiner Rentenanwartschaft durch
Maßnahmen der zusätzlichen und insbesondere privaten Altersvorsorge voll oder
wenigstens teilweise auszugleichen. Jedenfalls hätte das Mitglied in diesem Zeitraum von
mittelfristig und langfristig wirkenden finanziellen Dispositionen absehen oder diese der
verringerten Anwartschaft anpassen können. Im Übrigen erscheint eine vollständige
Kompensation der durch den Wegfall des Ledigenzuschlags verursachten Einbußen auch
mit Blick darauf, dass der Ledigenzuschlag nicht den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG
genießt, verfassungsrechtlich nicht geboten. Vor diesem Hintergrund kann der
Antragsteller auch eine weitere Staffelung der Übergangsregelung nicht verlangen, zumal
dem Normgeber bei der Überleitung von Normen angesichts der Vielzahl denkbarer
Modelle und Lösungen ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt (vgl. Maurer, a.a.O., § 79
Rn. 74).
46 cc) Schließlich verstößt die angefochtene Regelung nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
47 (1) Soweit die Satzungen anderer berufsständischer Versorgungswerke den
Ledigenzuschlag weiterhin vorsehen, kann aus diesem Umstand keine Verletzung des
Gleichheitssatzes abgeleitet werden. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs.
1 GG steht dem Einzelnen nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung konkret
zuständigen Träger öffentlicher Gewalt zu (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.05.1987 - 2 BvR
1226/83 u.a. -, BVerfGE 76, 1, 73 = Juris Rn. 151; BVerwG, Beschl. v. 20.8.2008 - BVerwG
9 C 9.07 -, Buchholz 401.70 Kirchensteuer Nr. 29; Senatsurteil vom 23.01.2011 - 9 S
902/00 -; Senatsbeschluss vom 27.11.1996 - 9 S 1152/96 -).
48 (2) Auch die mit der Übergangsregelung verbundene Differenzierung nach einem Stichtag
kann nicht beanstandet werden.
49 Der Normgeber ist an den allgemeinen Gleichheitssatz in dem Sinne gebunden, dass er
weder wesentlich Gleiches willkürlich ungleich noch wesentlich Ungleiches willkürlich
gleich behandeln darf (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.03.1955 - 2 BvK 1/54 -, BVerfGE 4, 144,
155). Welche Sachverhaltselemente so wesentlich sind, dass eine Ungleichbehandlung
gerechtfertigt ist, hat zunächst der Normgeber zu entscheiden. Diesem ist nach ständiger
Rechtsprechung weitgehende Gestaltungsfreiheit zuzuerkennen (vgl. BVerfG, Beschluss
vom 26.04.1988 - 1 BvL 84/86 -, BVerfGE 78, 104, 121). Der Gleichheitssatz ist dann
verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu
einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine
Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die
unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom
21.06.2011 - 1 BvR 2035/07 -, BVerfGE 129, 49). Bei der Ordnung von
Massenerscheinungen ist der Normgeber berechtigt, generalisierende, typisierende und
pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen
Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfG, Beschluss vom
16.07.2012 - 1 BvR 2983/10 -, Juris Rn. 9 m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 28.03.1995 - 8
N 3/93 -, Juris Rn. 11). Demgemäß ist es dem Normgeber durch Art. 3 Abs. 1 GG
grundsätzlich auch nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte
Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich
bringt. Die Wahl des Zeitpunkts muss sich aber am gegebenen Sachverhalt orientieren
(vgl. BVerfG, Urteil vom 08.04.1986 - 1 BvR 1186/83 u.a. -, BVerfGE 71, 364-399 = Juris
Rn. 97).
50 An diesem Maßstab gemessen bestehen gegen die unterschiedliche Behandlung
rentenferner und rentennaher Mitglieder des Antragsgegners und den für die
Unterscheidung maßgeblichen Stichtag in der Übergangsregelung des § 20 Abs. 4 Satz 3
VwS keine rechtlichen Bedenken. Die Übergangsregelung beruht auf einer
generalisierenden und pauschalierenden Betrachtung, die das Ziel verfolgt, den
rentennahen Mitgliedern einen weitergehenden Schutz ihrer Anwartschaften zu
gewährleisten, während die rentenfernen Mitglieder grundsätzlich den Verlust des
Zuschlags hinnehmen müssen. Dies ist sachlich gerechtfertigt. Anders als rentenferne
Mitglieder können die rentennahen Mitglieder wegen des nahen Rentenbeginns ihre
Altersversorgung grundsätzlich nicht mehr umstellen oder haben jedenfalls nur
eingeschränkt die Möglichkeit, Kürzungen in der Zusatzversorgung durch eigene
Bemühungen auszugleichen. Auch die konkrete Bestimmung der „Rentennähe“ kann
verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden.
III.
51 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen,
weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.
52
Beschluss vom 24. September 2014
53 Der Streitwert für das Normenkontrollverfahren wird auf 19.587,96 EUR festgesetzt (§ 42
Abs. 1 GKG, Nr. II.14.3 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs 2013
Sonderbeilage zu Heft 1> = dreifacher Jahresbetrag des Ledigenzuschlags, vgl. die
Berechnung in der Antragserwiderung vom 04.01.2013, Seite 7).
54 Der Beschluss ist unanfechtbar.