Urteil des VG Stuttgart vom 09.07.2014

VG Stuttgart: treu und glauben, grundstück, aufschiebende wirkung, gemeinde, nachbar, kreis, wohnhaus, duldungspflicht, bad, wehr

VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 9.7.2014, 3 S 899/14
Leitsätze
1. Ist der Eigentümer eines Grundstücks auf Grund einer von seinem Rechtsvorgänger
übernommenen Baulast verpflichtet, eine Bebauung des Nachbargrundstücks zu dulden, bei der
sich die erforderlichen Abstandsflächen teilweise auf sein eigenes Grundstück erstrecken, kann
er trotz des Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 7 Satz 1 LBO nicht die Aufhebung der
für ein mit der Duldungspflicht konformes Bauvorhaben erteilten Baugenehmigung verlangen.
2. Das öffentliche Interesse im Sinne des § 71 Abs. 3 Satz 2 LBO bezieht sich nicht auf ein in
Aussicht genommenes Vorhaben auf dem durch die Baulast begünstigten Grundstück, sondern
auf den Fortbestand der Baulast für den Fall der Ausführung dieses Vorhabens.
Tenor
Auf die Beschwerde des Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe
vom 31. März 2014 - 5 K 3862/13 - mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert. Die
Anträge der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen gegen die
Baugenehmigung des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 30.4.2013 werden abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen als Gesamtschuldner
einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen im Beschwerdeverfahren.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1 Die Antragsteller sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks
Flst.Nr. ... (...). Das Grundstück grenzt nach Süden an das ursprünglich der Gemeinde
Dossenheim gehörende und später an den Beigeladenen verkaufte Grundstück Flst.Nr. ...
2 Anlässlich der Errichtung des Wohnhauses auf dem Grundstück der Antragsteller wurde
im Jahr 1973 für beide Grundstücke je eine Baulast bestellt, die 1975 in das
Baulastenverzeichnis der Gemeinde eingetragen wurden.
3 Die Baulast zu Lasten des Grundstücks Flst.Nr. ... lautet: „Die Gemeinde Dossenheim
übernimmt als Eigentümerin des Grundstücks FIst.Nr. ... für sich und ihre Rechtsnachfolger
die baurechtliche Verpflichtung, a) ihr Grundstück Flst.Nr. ... bis zu einem Abstand von
3,00 m, gemessen von der südlichen Giebelwand des geplanten Wohngebäudes auf dem
Nachbargrundstück FIst.Nr. ..., nicht zu überbauen und b) bei einer künftigen Bebauung
ihres Grundstücks die gesetzlichen Abstände, gemessen von der unter a) festgelegten
Abstandsfläche, einzuhalten.“
4 Die Baulast zu Lasten des Flst.Nr. ... lautet: „Herr Peter G. hat als Eigentümer des
Flurstücks Nr. ... … die baurechtliche Verpflichtung übernommen: a) dieses Grundstück
nach Durchführung des Bauvorhabens gemäß Plänen vom Juni 1973 zwischen der
südlichen Außenwand des Wohnhauses und der Grundstücksgrenzen gegen FIst.Nr. ...
nicht weiter zu überbauen und b) eine Bebauung des Grundstücks FIst.Nr. ... zu dulden,
wobei die erforderlichen gesetzlichen Abstände nicht von der Grundstücksgrenze, sondern
von der Linie einzuhalten sind, die in einem Abstand von 3,00 m parallel zur südlichen
Außenwand auf dem Grundstück Flst.Nr. ... verläuft.“
5 Im Jahr 2004 schlossen die Gemeinde Dossenheim als Eigentümerin des FIst.Nr. ... und
der Antragsteller 1 als damaliger Alleineigentümer des Flst.Nr. ... einen
Grundstückstauschvertrag, der zu einer Grenzveränderung zwischen den beiden
Grundstücken führte. Die Grenze wurde dabei in ihrem westlichen Teil auf einer Länge
von ca. 26 m um 3,0 m nach Süden verschoben. In ihrem weiteren Verlauf knickt die neue
Grenze auf der Höhe des Wohnhauses der Antragsteller nach Norden ab und schneidet
die geradlinig verlaufende alte Grundstücksgrenze.
6 Der Beigeladene möchte auf dem von ihm erworbenen Grundstück Flst.Nr. ... ein
Zweifamilienhaus errichten, dessen nördliche Außenwand an einem Punkt direkt an die
Grenze zu dem Grundstück der Antragsteller heranreicht. Ein Teil der
bauordnungsrechtlich erforderlichen Abstandsflächen erstreckt sich dementsprechend auf
das Grundstück der Antragsteller.
7 Mit Bescheid vom 30.4.2013 erteilte das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis dem
Beigeladenen auf dessen Antrag eine Baugenehmigung für dieses Vorhaben. Das
Landratsamt ging dabei davon aus, dass wegen der übernommenen Baulasten bei der
Bestimmung der erforderlichen Abstandsflächen nicht die gegenwärtige Grenze zwischen
den Grundstücken FIst.Nr. ... und ... maßgeblich ist, sondern die Linie, die in einem
Abstand von 3,00 m parallel zur südlichen Außenwand auf dem Grundstück FIst.Nr. ...
verläuft. Die gegen die Baugenehmigung eingelegten Widersprüche der Antragsteller
wurden vom Regierungspräsidium Karlsruhe mit Bescheid vom 30.9.2013
zurückgewiesen. Die Antragsteller erhoben daraufhin am 4.11.2013 beim
Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage, über die bisher nicht entschieden wurde.
8 Die Antragsteller haben am 19.12.2013 beim Verwaltungsgericht beantragt, die
aufschiebende Wirkung ihrer Klagen anzuordnen. Das Verwaltungsgericht hat den
Anträgen mit Beschluss vom 31.3.2014 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt,
das Vorhaben des Beigeladenen verstoße gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO, da die
erforderlichen Abstandsflächen zu einem erheblichen Teil auf dem Grundstück der
Antragsteller lägen. Nach § 7 LBO dürften sich zwar die Abstandsflächen ganz oder
teilweise auf andere Grundstücke erstrecken, wenn durch Baulast gesichert sei, dass sie
nicht überbaut würden und auf die auf diesen Grundstücken erforderlichen
Abstandsflächen nicht angerechnet würden. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lägen
jedoch nicht vor.
9 Gegen den ihm am 16.4.2014 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts hat der
Beigeladene am 29.4.2014 Beschwerde eingelegt, mit dem Antrag, den Beschluss zu
ändern und die Anträge der Antragsteller abzulehnen.
II.
10 Die Beschwerde ist begründet. Unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren
innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, auf die sich
die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, hat das
Verwaltungsgericht zu Unrecht die aufschiebende Wirkung der Klagen der Antragsteller
angeordnet. Zwar verstößt die angefochtene Baugenehmigung auch nach Ansicht des
Senats gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 LBO, da sich die
erforderlichen Abstandsflächen vor der nordwestlichen Außenwand des geplanten
Wohnhauses nur teilweise auf dem Baugrundstück selbst befinden. Die Voraussetzungen,
unter denen die Landesbauordnung eine solche Inanspruchnahme des benachbarten
Grundstücks gestattet, liegen nicht vor (1.). Die Antragsteller sind jedoch wegen der von
ihrem Rechtsvorgänger 1975 übernommenen Baulast daran gehindert, sich auf diesen
Rechtsverstoß zu berufen (2.).
11 1. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO müssen vor den Außenwänden von baulichen Anlagen
Abstandsflächen liegen, die von oberirdischen baulichen Anlagen freizuhalten sind. Die
Abstandsflächen müssen gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 LBO auf dem Grundstück selbst liegen.
Etwas anderes gilt nur in den Fällen des § 7 Satz 1 LBO. Wie das Verwaltungsgericht zu
Recht angenommen hat, ist die angefochtene Baugenehmigung danach objektiv
rechtswidrig, da die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO vor der nordwestlichen Außenwand des
geplanten Wohnhauses erforderliche Abstandsfläche nicht auf dem Baugrundstück selbst
liegt, sondern zu einem erheblichen Teil das Grundstück der Antragsteller in Anspruch
nimmt, und die Voraussetzungen, unter denen § 7 Satz 1 LBO eine solche
Inanspruchnahme des an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücks gestattet, nicht
vorliegen.
12 Nach § 7 Satz 1 LBO dürfen sich die nach § 5 Abs. 1 LBO erforderlichen Abstandsflächen
ganz oder teilweise auf andere Grundstücke erstrecken, wenn durch Baulast gesichert ist,
dass sie nicht überbaut werden und auf die auf diesen Grundstücken erforderlichen
Abstandsflächen nicht angerechnet werden. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts sind
die Voraussetzungen dieser Vorschrift trotz der von dem Rechtsvorgänger der
Antragsteller zu Lasten des Grundstücks Flst.Nr. 6330 übernommenen Baulast nicht erfüllt.
Denn zum einen fehle es an der Sicherung, dass der Teil der mit dem Vorhaben des
Beigeladenen einzuhaltenden Abstandsfläche, der sich auf das Grundstück der
Antragsteller erstrecke, nicht überbaut werden dürfe. Zum anderen liege auch die nach § 7
LBO erforderliche Sicherung, dass auf die sich auf das Grundstück der Antragsteller
erstreckende Abstandsfläche solche Abstandsflächen, die auf diesem Grundstück
erforderlich seien, nicht angerechnet werden, nicht vor. Dagegen bestehen trotz der
Einwände des Beigeladenen keine Bedenken.
13 a) Der Rechtsvorgänger der Antragsteller hat mit der 1975 eingetragenen Baulast unter
Buchstabe a) die Verpflichtung übernommen, sein Grundstück (FIst.Nr. ...) nach
Durchführung des auf diesem Grundstück seinerzeit geplanten Bauvorhabens “zwischen
der südlichen Außenwand des Wohnhauses und der Grundstücksgrenzen gegen (das
Grundstück) FIst.Nr. ... nicht weiter zu überbauen“. Das Verwaltungsgericht meint, dass
diese Erklärung sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach ihrem Sinn und Zweck nur so
verstanden werden könne, dass mit Grundstücksgrenze die im Jahr 1973 bestehende
Grenze gemeint gewesen sei und nicht eine zu dieser Zeit nicht näher absehbare künftige
Grenze. Die Verpflichtung, eine Bebauung des Grundstücks bis zur Grundstücksgrenze
zum Grundstück FIst.Nr. ... zu unterlassen, gelte somit nur bis zu der alten Grenze, die bis
zum Jahr 2004 bestanden habe, und nicht für den südlichen Bereich zwischen alter und
neuer Grenze. Das leuchtet unmittelbar ein.
14 Betrachtet man danach als „Grundstücksgrenze“ im Sinne der von dem Rechtsvorgänger
der Antragsteller übernommenen Verpflichtung die seinerzeit bestehende Grenze
zwischen den beiden Grundstücken, so bezieht sich die Verpflichtung nicht auf die
gesamte von dem Beigeladenen für sein Vorhaben (als Abstandsfläche) beanspruchte
Fläche des Grundstücks der Antragsteller, sondern nur auf einen kleinen (dreieckigen) Teil
dieser Fläche.
15 Der Umstand, dass der Rechtsvorgänger der Antragsteller mit der 1975 eingetragenen
Baulast unter Buchstabe b) die weitere Verpflichtung übernommen, „eine Bebauung des
Grundstücks FIst.Nr. ... zu dulden, wobei die erforderlichen gesetzlichen Abstände nicht
von der Grundstücksgrenze, sondern von der Linie einzuhalten sind, die in einem Abstand
von 3,00 m parallel zur südlichen Außenwand auf dem Grundstück Flst.Nr. ... verläuft“,
ändert daran nichts, da diese Verpflichtung nicht die Verpflichtung beinhaltet, weitere, von
der Verpflichtung unter Buchstabe a) nicht erfasste Flächen ebenfalls unüberbaut zu
lassen.
16 b) Das Verwaltungsgericht dürfte ferner zu Recht der Ansicht sein, es fehle darüber hinaus
auch an der nach § 7 Satz 1 LBO erforderlichen Sicherung, dass auf die sich auf das
Grundstück der Antragsteller erstreckende Abstandsfläche solche Abstandsflächen, die
auf dem Grundstück Flst.Nr. ... erforderlich seien, nicht angerechnet würden.
17 Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Formulierung in der
Duldungsverpflichtung unter Buchstabe b) der Erklärung vom 10.7.1973 könne zwar im
Grundsatz als eine derartige Sicherung der Nichtanrechnung verstanden werden. Jedoch
müsse auch diese Duldungsverpflichtung so ausgelegt werden, dass die Duldung sich nur
auf eine Bebauung beziehe, die zu einer Inanspruchnahme des Grundstücks der
Antragsteller durch von einer Bebauung auf dem Grundstück Flst.Nr. ... herrührende
Abstandsflächen in dem Umfang führe, wie er zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung
aufgrund der Diskrepanz zwischen tatsächlicher Grundstücksgrenze und der mit der
Baulasterklärungen gebildeten „Abstandsflächengrenze“ absehbar gewesen sei. Auch das
dürfte zutreffen.
18 2. Die angefochtene Baugenehmigung erweist sich danach zwar als objektiv rechtswidrig.
Die Antragsteller sind jedoch wegen der von ihrem Rechtsvorgänger 1975 übernommenen
Baulast daran gehindert, sich auf diesen Rechtsverstoß zu berufen.
19 a) Die von ihrem Rechtsvorgänger übernommene Baulast verpflichtet die Antragsteller,
eine Bebauung des nunmehr dem Beigeladenen gehörenden Grundstücks FIst.Nr. ... zu
dulden, „wobei die erforderlichen gesetzlichen Abstände nicht von der Grundstücksgrenze,
sondern von der Linie einzuhalten sind, die in einem Abstand von 3,00 m parallel zur
südlichen Außenwand auf dem Grundstück Flst.Nr. ... verläuft.“ Das Vorhaben des
Beigeladenen hält diesen Abstand ein. Die Antragsteller sind deshalb nach dem
Grundsatz von Treu und Glauben daran gehindert, sich auf den bestehenden Verstoß
gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 LBO zu berufen.
20 Die Forderung des § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO, wonach vor den Außenwänden von baulichen
Anlagen Abstandsflächen liegen müssen, die von oberirdischen baulichen Anlagen
freizuhalten sind, dient zur Gewährleistung einer ausreichenden Besonnung, Belichtung
und Belüftung des Nachbargrundstücks. Die Vorschrift ist daher nach allgemeiner Ansicht
nachbarschützend. Ein Nachbar kann sich dementsprechend grundsätzlich gegen jede
Unterschreitung der Mindestabstandsflächen zur Wehr setzen, ohne den Nachweis einer
gerade dadurch hervorgerufenen tatsächlichen Beeinträchtigung führen zu müssen. Das
nachbarliche Abwehrrecht unterliegt jedoch mit Rücksicht auf den das nachbarliche
Gemeinschaftsverhältnis beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben Grenzen. In
der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg ist
dementsprechend geklärt, dass der Nachbar durch diesen Grundsatz daran gehindert sein
kann, sich auf einen Verstoß gegen die Abstandsvorschriften zu berufen (vgl. u. a. Beschl.
v. 4.1.2007 - 8 S 1802/06 - VBlBW 2007, 224; Urt. v. 13.11.2002 - 3 S 882/02 - VBlBW
2003, 235).
21 So verhält es sich hier. Bezogen auf die Linie, die in einem Abstand von 3,00 m parallel
zur südlichen Außenwand des Wohnhauses der Antragsteller verläuft, hält das Vorhaben
des Beigeladenen die erforderlichen Abstandsfläche vor der nordwestlichen Außenwand
des geplanten Wohnhauses ein. Das Vorhaben des Beigeladenen entspricht somit
uneingeschränkt der Bebauung, zu deren Duldung die von dem Rechtsvorgänger der
Antragsteller übernommene Baulast verpflichtet. Mit ihrem Einwand, das Vorhaben
verstoße gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 LBO, setzen sich die
Antragsteller mit dieser Verpflichtung in einer Treu und Glauben widersprechenden Weise
in Widerspruch. Der Einwand ist ihnen somit abgeschnitten.
22 b) Aus dem Umstand, dass das öffentliche Interesse an der zu Lasten des Grundstücks
Flst.Nr. ... übernommenen Baulast inzwischen entfallen ist, folgt nichts anderes. Entgegen
der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann daraus nicht hergeleitet werden, dass der
Antragsgegner gegenüber den Antragstellern verpflichtet ist, auf die zu Lasten ihres
Grundstücks übernommenen Baulast zu verzichten.
23 Nach § 71 Abs. 3 LBO ist die Baurechtsbehörde verpflichtet, auf eine Baulast zu
verzichten, wenn ein öffentliches Interesse an ihr nicht mehr besteht. Bei einer aus Anlass
eines bestimmten Vorhabens übernommenen Baulast ist das der Fall, wenn das
begünstigte Bauvorhaben durch eine Änderung der Sachlage auch ohne die Baulast
rechtmäßig geworden ist (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 24.1.2011 - 8 S 545/10 - BRS 78 Nr.
143; Sauter, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 3. Aufl., § 71 Rn. 48). Wie das
Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, ist danach das öffentliche Interesse an
der zu Lasten des Grundstücks Flst.Nr. ... übernommenen Baulast inzwischen entfallen, da
das Wohnhaus auf dem Grundstück der Antragsteller in Folge des
Grundstückstauschvertrags von 2004 auch ohne die Baulast rechtmäßig geworden ist.
24 Das Verwaltungsgericht schließt daraus weiter, dass auch ein öffentliches Interesse an der
zu Lasten des Grundstücks Flst.Nr. ... übernommenen Baulast nicht mehr bestehe, da mit
der fehlenden Erforderlichkeit, das Grundstück Flst.Nr. ... in Anspruch zu nehmen, auch
der „Grund für eine reziproke verbesserte bauliche Nutzung des Grundstücks Flst.Nr. ... zu
Lasten des Grundstücks Flst.Nr. ...“ entfallen sei. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
Die beiden zur gleichen Zeit und jeweils aus Anlass des damaligen Bauvorhabens auf
dem Grundstück der Antragsteller übernommenen Baulasten stehen zwar in einem Art
Gegenseitigkeitsverhältnis. Das bedeutet jedoch nicht, dass die beiden Baulasten auch in
ihrem Fortbestand in der vom Verwaltungsgericht angenommenen Weise miteinander
verknüpft sind. Dagegen spricht vielmehr entscheidend, dass sich die von dem
Rechtsvorgänger der Antragsteller übernommene Baulast - im Unterschied zu der von der
Gemeinde als Eigentümerin des Grundstücks Flst.Nr. ... übernommenen Baulast - nicht auf
ein konkretes Bauvorhaben bezieht, sondern allgemeiner Natur ist und sich damit als
sogenannte Vorratsbaulast darstellt. Das Interesse des Eigentümers des Grundstücks
Flst.Nr. ... am Fortbestand dieser Baulast wird von der 2004 getroffenen Vereinbarung
nicht berührt, da das Grundstück dadurch nicht breiter oder sonst größer, sondern (noch)
schmäler geworden ist. Wie auch das Verwaltungsgericht einräumt, ist deshalb nach
dieser Vereinbarung das Interesse des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks Flst.Nr. ...
an der Erstreckung von Abstandsflächen auf das benachbarte Grundstück der
Antragsteller nicht kleiner, sondern sogar noch dringender geworden.
25 Für einen Wegfall des öffentlichen Interesses am Fortbestand der zu Lasten des
Grundstücks der Antragsteller übernommenen Baulast ist danach nichts zu erkennen.
Dabei ist davon auszugehen, dass sich das öffentliche Interesse im Sinne des § 71 Abs. 3
Satz 2 LBO nicht auf ein in Aussicht genommenes Vorhaben auf dem durch die Baulast
begünstigten Grundstück bezieht, da in den meisten Fällen von vornherein kein
öffentliches Interesse daran besteht, dass ein Grundstück in Abweichung von den
öffentlich-rechtlichen Vorschriften bebaut wird, also z. B. ein Gebäude näher an der
Grundstücksgrenze errichtet wird, als es die gesetzlichen Vorschriften gestatten. Das
öffentliche Interesse bezieht sich vielmehr auf den Fortbestand der Baulast, also darauf,
dass sie noch erforderlich ist, wenn das in Aussicht genommene Vorhaben ausgeführt
wird. Bei einer Baulast, die Vorteile für die Bebauung des begünstigten Grundstücks
bietet, wird deshalb in aller Regel ein öffentliches Interesse an ihrem Fortbestand gegeben
sein (Sauter, a.a.O., § 71 Rn. 49). Ein gegen den Antragsgegner gerichteter Anspruch der
Antragsteller, dass dieser auf die an ihrem Grundstück bestehende Baulast verzichtet, ist
somit zu verneinen.
26 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 und 162 Abs. 3 VwGO.
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen im erstinstanzlichen Verfahren sind von
den Antragstellern nicht zu tragen, da der Beigeladene in diesem Verfahren keinen Antrag
gestellt und somit für den Fall seines Unterliegens im Rechtsstreit gemäß § 154 Abs. 3
VwGO auch kein Kostenrisiko auf sich genommen hat.
27 Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 63 Abs. 2,
47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG.
28 Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).