Urteil des VG Stuttgart vom 11.09.2013

VG Stuttgart: persönlichkeitsrecht, ausschluss der öffentlichkeit, grundsatz der öffentlichkeit, privates interesse, berufliche tätigkeit, emrk, daten, pflichtverteidiger, name

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 11.9.2013, 1 S 509/13
Leitsätze
1. Die Verweigerung einer Presseauskunft nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG setzt voraus, dass die
Verletzung schutzwürdiger privater Interessen zu befürchten ist. Ob die betroffenen privaten
Interessen schutzwürdig sind, ist im Wege einer umfassenden Abwägung zwischen dem
Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den entgegenstehenden privaten Interessen zu
ermitteln. Entscheidend ist dabei, wie hoch das öffentliche Informationsinteresse an der
begehrten Auskunft zu bewerten und wie stark der Eingriff in private Rechte durch die
Offenlegung der begehrten Informationen im Einzelfall zu gewichten ist (Fortführung der
Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsbeschlüsse vom 23.07.2010 - 1 S 501/10 - VBlBW 2011, 64,
und vom 10.05.2011 - 1 S 570/11 - NVwZ 2011, 958).
2. Diese umfassende Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den
entgegenstehenden privaten Interessen nach § 4 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 LPresseG ist gerichtlich
voll nachprüfbar.
3. Die Durchsetzung des Informationsinteresses der Presse darf nicht von einer staatlichen
Bewertung des Informationsanliegens abhängig gemacht werden. Die Presse muss deshalb
nach publizistischen Kriterien selbst entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für
wert hält und was nicht. Der beabsichtigte Verwendungszweck der Daten ist aber im Rahmen
der Angemessenheitsprüfung dem privaten Persönlichkeitsrecht gegenüberzustellen.
4. Die an einem Gerichtsverfahren beruflich oder ehrenamtlich Beteiligten (Berufsrichter,
Schöffen, Urkundsbeamten, Staatsanwälte, Rechtsanwälte) müssen mit einer Wahrnehmung
von und einer Berichterstattung über Gerichtsverhandlungen, an denen sie teilnehmen, stets
rechnen. Dadurch ist in der Abwägung mit dem Informationsinteresse der Presse, die Namen
dieser Verfahrensbeteiligten zu erfahren, ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht von vornherein in
seiner Schutzintensität herabgesetzt.
5. Der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, dafür zu sorgen, dass seine Bediensteten durch
Veröffentlichungen der Presse nicht unter Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte bloßgestellt
werden, kommt in der Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Presse, die Namen
der Verfahrensbeteiligten eines Gerichtsverfahrens zu erfahren, und deren allgemeinem
Persönlichkeitsrecht keine eigenständige Bedeutung zu.
6. Dem Informationsinteresse der Presse, die Namen der Verfahrensbeteiligten eines
Gerichtsverfahrens zu erfahren, kommt in der Abwägung aller Umstände geringe Bedeutung zu,
wenn die Veröffentlichung des Namens eines Verfahrensbeteiligten eines Gerichtsverfahrens
keinen eigenen Informationswert hat und für das Verständnis der Besonderheiten des Falls nicht
wesentlich ist.
7. Das Interesse der Presse zu erfahren, welche Berufsrichter und Schöffen für eine
strafgerichtliche Verurteilung die Verantwortung tragen, und eine bestimmte
Strafzumessungspraxis eines Spruchkörpers in der Öffentlichkeit zu erörtern, wird ohne
Hinzutreten besonderer Umstände regelmäßig zu einem Überwiegen des auf Namensnennung
gerichteten Informationsinteresses der Presse gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht
der Berufsrichter und Schöffen führen.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18.04.2012 -
1 K 57/12 - teilweise geändert. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für
erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt und ist das Urteil des Verwaltungsgerichts
Stuttgart vom 18.04.2012 - 1 K 57/12 - unwirksam. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger
Auskunft über die Namen der an dem beim Amtsgericht ... durchgeführten Strafverfahren - ... -
beteiligten Schöffen zu erteilen. Insoweit wird die Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts
... vom 25.05.2010 aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen der Kläger zu 2/3 und der Beklagte zu
1/3.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1 Der Kläger begehrt die Übersendung eines - mit Ausnahme der persönlichen Angaben
des Verurteilten - nicht anonymisierten Abdrucks einer strafgerichtlichen Entscheidung des
Amtsgerichts ... Er ist Rechtsanwalt und Redakteur der jährlich fünfmal erscheinenden und
von der Arbeitsgemeinschaft Ausländer- und Asylrecht des Deutschen Anwaltsvereins
herausgegebenen juristischen Fachzeitschrift „Anwaltsnachrichten Ausländer- und
Asylrecht" (ANA-ZAR). Diese enthält regelmäßig die Rubrik „Die Entgleisung“, die in der
Zeitschrift wie folgt allgemein beschrieben wird: „Wir stellen zur Mahnung und
Abschreckung Maßnahmen und Äußerungen vor, die von Xenophobie gekennzeichnet,
diskriminierend, empörend oder schlicht völlig unverständlich sind.“ In den Beiträgen unter
dieser Rubrik wird unter anderem das Verhalten von namentlich genannten Mitarbeitern
von Behörden und Gerichten in Einzelfällen dargestellt und kritisiert.
2 Mit Urteil vom 02.07.2009 verurteilte das Amtsgericht ... einen afghanischen
Staatsangehörigen, der als Asylbewerber mit gefälschten Papieren eingereist war, zu
einer sechsmonatigen Jugendstrafe ohne Bewährung. Aufgrund der kritischen Erörterung
dieser Entscheidung in einem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart, das sich mit der
ausländerrechtlichen Ausweisung des Ausländers zu befassen hatte (VG Stuttgart, Urt. v.
16.03.2010 - 11 K 4295/09 - juris), wurde der Kläger auf die Entscheidung des
Amtsgerichts ... aufmerksam. Er wandte sich unter dem 06.05.2010 an den Direktor des
Amtsgerichts ... und bat um Übersendung einer Abschrift der strafgerichtlichen
Entscheidung zwecks möglicher Veröffentlichung in den ANA-ZAR. Die Namen der
Richter/innen und, soweit möglich, auch die Namen der Verfahrensbevollmächtigten
sollten dabei nicht geschwärzt werden.
3 Der Kläger erhielt daraufhin eine anonymisierte Urteilskopie. Im folgenden E-Mail- und
Schriftverkehr führte der Direktor des Amtsgerichts hierzu unter anderem erläuternd aus,
dass für die fachliche Bewertung der Rechtsfragen eines „(abgekürzten!)" Urteils die
Namen der beteiligten Schöffen und Urkundsbeamten ohne Belang seien, so dass er von
deren Bekanntgabe - auch im Hinblick auf deren Belange unter Berücksichtigung des
Zeitablaufs zwischen mündlicher Verhandlung und der Anfrage - absehe. Mitgeteilt wurde
lediglich der Name der Vorsitzenden Richterin. Mit Schreiben vom 25.05.2010 lehnte der
Direktor des Amtsgerichts das Ersuchen des Klägers, eine zumindest hinsichtlich der
berufsmäßigen Verfahrensbeteiligten nichtanonymisierte Fassung des strafgerichtlichen
Urteils zuzusenden, förmlich ab. Bei der Frage, ob die Namen der Schöffen, des
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, des Verteidigers und des Sitzungsvertreters der
Staatsanwaltschaft zu offenbaren seien, seien einerseits die Belange der Fachpresse im
Lichte des Art. 5 GG, andererseits die Belange der Verfahrensbeteiligten, insbesondere im
Lichte ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, abzuwägen. Dabei spiele auch
der Zeitablauf zwischen einer Entscheidung und dem Zeitpunkt der Berichterstattung eine
Rolle. Je mehr Zeit zwischen dem Vorfall - hier der Verkündung des Urteils - und dem
Zeitpunkt der Presseberichterstattung verstrichen sei, desto mehr trete das Recht der
Verfahrensbeteiligten, nicht namentlich genannt zu werden, in den Vordergrund. Gegen
dieses ohne Rechtsbehelfsbelehrung versandte Schreiben erhob der Kläger unter dem
29.06.2010 Widerspruch. Der Präsident des Landgerichts ..., an den der Vorgang
weitergeleitet wurde, wertete den Widerspruch als Dienstaufsichtsbeschwerde. Mit
Schreiben vom 20.10.2010 teilte er dem Kläger mit, er sehe keine Veranlassung für
Maßnahmen der Dienstaufsicht.
4 Am 09.11.2010 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und die
Verpflichtung des beklagten Landes begehrt, Auskunft über die Namen der an dem beim
Amtsgericht ... durchgeführten Strafverfahren - ... ... - beteiligten Personen zu erteilen durch
Übersendung einer - mit Ausnahme der persönlichen Angaben des Verurteilten - nicht
anonymisierten Abschrift des Urteils vom 02.07.2009. Der Anspruch auf Übersendung des
Urteils in der erbetenen Form gründe sich auf § 4 Abs. 1 LPresseG und unmittelbar auf
Verfassungsrecht. Ausschlussgründe nach § 4 Abs. 2 LPresseG seien nicht gegeben. Ein
überwiegendes schutzwürdiges privates Interesse stünde der Bekanntgabe der Namen
der Beteiligten, insbesondere auch des Verteidigers, nicht entgegen. Dieser stehe als
Organ der Rechtspflege ebenso im öffentlichen Leben wie ein Richter, insbesondere wenn
er vom Gericht ausgewählt werde, um eine notwendige Verteidigung zu übernehmen. In
diesem Rahmen handele er nicht als Privatperson, so dass auch kein privates Interesse
verletzt sein könne. Ein öffentliches Interesse an der Geheimhaltung seiner Person
bestehe ersichtlich ebenfalls nicht. Umgekehrt bestehe ein erhebliches öffentliches
Interesse daran, den Namen eines Anwalts bekanntzumachen, der es angemessen finde,
dass ein jugendlicher Ersttäter wegen Delikten, die, würde sie ein Erwachsener begehen,
im Höchstfalle mit fünf beziehungsweise zwei beziehungsweise einem Jahr Freiheitsstrafe
zu ahnden wären, zu einer sechsmonatigen Jugendstrafe verurteilt werde. Das gleiche
gelte für die Nennung beziehungsweise Bekanntmachung der Namen der anderen am
Urteil Mitwirkenden.
5 Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Der Verwaltungsrechtsweg sei nicht
gegeben, da nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens für eine Entscheidung
über die Übersendung des Strafurteils gemäß § 478 Abs. 1 Satz 1 StPO die
Staatsanwaltschaft ... sachlich zuständig sei. Im Übrigen bestehe der geltend gemachte
Anspruch auch sachlich nicht.
6 Mit Beschluss vom 21.03.2011 erklärte das Verwaltungsgericht den
Verwaltungsrechtsweg für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das
Oberlandesgericht ... Auf die Beschwerde des Klägers hat der Senat den Beschluss des
Verwaltungsgerichts aufgehoben und den Verwaltungsrechtsweg für zulässig erklärt
(Senatsbeschluss vom 16.06.2011 - 1 S 1137/11 -).
7 Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 18.04.2012 die Klage als unbegründet
abgewiesen. Die Klage sei als Verpflichtungsklage statthaft und ohne Durchführung eines
Vorverfahrens nach § 75 Satz 1 VwGO zulässig. Das Begehren des Klägers sei an § 4
LPresseG zu messen. Dem stehe nicht entgegen, dass Auskünfte der gewünschten Art
auch nach § 475 Abs. 1 StPO erteilt werden könnten. Der Kläger stütze sein Begehren
ausdrücklich auf den presserechtlichen Auskunftsanspruch. Es gebe kein
Vorrangverhältnis zwischen beiden Vorschriften. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die
von ihm begehrte Auskunft, da durch diese ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt
würde (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG). Die Abwägung zwischen dem Interesse des
Klägers als einem Repräsentanten der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich
hervorgehobenen Presse und dem ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgten
Persönlichkeitsschutz der Verfahrensbeteiligten des strafgerichtlichen Verfahrens habe in
rechtlich nicht zu beanstandender Weise zur Ablehnung der erbetenen Auskünfte führen
können. Zwar sei nicht zu verkennen, dass dem Persönlichkeitsschutz der betroffenen
Personen - Schöffen, Pflichtverteidiger, Vertreter der Staatsanwaltschaft, Urkundsbeamter
- im vorliegenden Zusammenhang kein gravierendes Gewicht zukomme, da es sich - mit
Ausnahme der Schöffen - durchweg um Personen handele, die in Ausübung beruflicher
Funktionen in der Öffentlichkeit tätig gewesen seien. Jedoch sei auch öffentliches
Verhalten von Personen schutzwürdig. Dem Kläger gehe es ersichtlich um die
Veröffentlichung der Namen der Schöffen und des Verteidigers, um deren Verantwortung
für das in seinen Augen ungerechtfertigte Strafurteil herauszustellen. In der mündlichen
Verhandlung ausdrücklich zu seinen diesbezüglichen Absichten befragt, habe er zwar
keine Angaben machen wollen, weil er die Frage im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG
für unzulässig halte. Dieser Standpunkt sei zwar insoweit berechtigt, als die
auskunftspflichtige Behörde ihre Entscheidung grundsätzlich nicht davon abhängig
machen dürfe, welche presserelevante Verwendung der Berechtigte beabsichtige,
insbesondere dürfe nicht nach dem wissenschaftlichen Niveau des Auskunft begehrenden
Presseorgans unterschieden werden. Jedoch übersehe der Kläger dabei, dass die
Verwendungsabsicht eine Rolle bei der Abwägung zwischen den der Öffentlichkeit
dienenden Interessen der Presse und dem Persönlichkeitsschutz der Betroffenen zu
spielen vermöge, insbesondere könne sich daraus ein Argument für das Gewicht der
Interessen der einen oder der anderen Seite ergeben. Da der Kläger bereits im Besitz
einer anonymisierten Fassung des strafgerichtlichen Urteils sei, dürfte es ihm nicht
lediglich um die fachliche Auseinandersetzung mit den dem Urteil zugrundeliegenden
Rechtsansichten gehen. Da er - wie aus seinem Vortrag geschlossen werden könne -
jedoch der Meinung sei, es handele sich um ein Fehlurteil, dürfte es ihm viel eher darum
gehen, die Entscheidung in Verbindung mit den Namen der in seinen Augen dafür
Verantwortlichen zu veröffentlichen. Im Vordergrund seines Interesses dürfte daher die
namensbezogene Zuweisung von Verantwortung stehen (möglicherweise in der Rubrik
„Entgleisung" der vom Kläger als verantwortlichem Redakteur vertretenen Zeitschrift). Die
Veröffentlichung würde daher nicht der wissenschaftlichen Diskussion dienen und auch
nicht wegen ihres gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Gehalts erfolgen, sondern
würde eher der Darstellung einer - in seinen Augen - persönlichen Fehlleistung der
maßgeblichen Verfahrensbeteiligten, insbesondere wohl des Pflichtverteidigers dienen.
Das Gericht verkenne nicht, dass auch an einer solchen Darstellung unter Umständen ein
erhebliches Interesse bestehen könne und dass an die Zulässigkeit öffentlicher Kritik als
Beitrag zur Meinungsbildung in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage
keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürften. Das Gericht vermöge solche
Umstände aber im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, insbesondere dürfte es sich um
kein die Öffentlichkeit wesentlich berührendes Thema handeln. Das strafgerichtliche
Verfahren habe für sich genommen keine besondere Bedeutung gehabt, die es über ein
örtliches Interesse hinaus für die Öffentlichkeit interessant gemacht hätte; jedenfalls sei es
in keiner der einschlägigen Fachmedien veröffentlicht worden. Die Verurteilung habe
bereits zum Zeitpunkt des Ersuchens zehn Monate zurück gelegen und sei nunmehr
schon bald drei Jahre her. Auch sei nicht bekannt, dass die Beteiligten oder einer von
ihnen bereits in früheren Verfahren durch vergleichbares „Fehlverhalten" aufgefallen wäre,
ungeachtet der Frage, ob sich die Umstände der Verurteilung aus den abgekürzten
Gründen des Urteils überhaupt hinreichend sicher erschließen ließen, um ein solches
Verdikt zu rechtfertigen. Der Kläger könne auch nicht mit dem Einwand gehört werden,
dass die Namen der Betroffenen auch für jeden, der an der Hauptverhandlung
teilgenommen habe, bekannt geworden seien, da diese grundsätzlich öffentlich sei.
Ungeachtet der Tatsache, dass Letzteres gerade vorliegend möglicherweise nicht der Fall
gewesen sei (vgl. §§ 48 Abs. 1, 109 Abs. 1 S. 4 JGG), verkenne er dabei auch die
grundsätzlichen Unterschiede zwischen der Verwendung von personenbezogenen Daten
durch Vertreter der Presse - und damit durch Private - und durch Behörden, die insoweit
den besonderen Bindungen des Datenschutzes unterlägen. Die somit im Ermessen der
Behörde liegende Verweigerung der begehrten Auskunft sei auch insoweit nicht zu
beanstanden; Ermessensfehler seien nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht
ersichtlich. Eines Rückgriffs auf Verfassungsrecht bedürfe es angesichts der positiv-
rechtlichen Regelung in § 4 LPresseG, gegen dessen Vereinbarkeit mit Art. 5 Abs. 1 Satz
2 GG auch der Kläger keine Bedenken erhoben habe, nicht.
8 Mit der vom Senat durch Beschluss vom 06.03.2013 zugelassenen Berufung verfolgt der
Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung bringt er vor, das Auskunftsbegehren eines
Presseorgans bedürfe keiner gesonderten Begründung, um zu einem Überwiegen des
Auskunftsinteresses der Presse gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der
betroffenen Verfahrensbeteiligten zu kommen. Der Kläger habe das aus Art. 5 Abs. 1 Satz
2 GG abgeleitete und nur gemäß Art. 5 Abs. 2 GG einschränkbare Recht, die für die
Wahrnehmung seiner Grundrechte erforderlichen Informationen ohne Mitteilung darüber
zu erhalten, wofür er diese Informationen im Einzelnen benötige. Würde ein Anspruch auf
Zugang zu Informationen davon abhängig gemacht, dass das Presseorgan zunächst
darlege, für welchen Zweck es die angeforderte Information benötige, würde zumindest
mittelbar Zensur ausgeübt. Indem das erstinstanzliche Gericht unter Hinweis auf das
Verfassungsrecht der Beteiligten auf Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte dem allgemeinen
Informationsrecht der Presse nur dann gegenüber dem Persönlichkeitsrecht der
Betroffenen ein Übergewicht einräume, wenn dargelegt werde, weshalb die Auskunft
benötigt werde, schmälere es nicht nur das Verfassungsrecht der Presse, sondern
verkehre auch die grundsätzliche Gewichtung der divergierenden Verfassungsgüter. Denn
wie in § 4 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 LPresseG zutreffend normiert werde, bestehe das
Informationsrecht der Presse grundsätzlich ohne Weiteres. Dass die Persönlichkeitsrechte
der Verfahrensbeteiligten verletzt würden, genüge zur Auskunftsverweigerung nur dann,
wenn diese überhaupt schutzwürdig seien. Dies setze eine Beurteilung des Gewichts der
jeweils betroffenen Rechtsgüter voraus. Diese Beurteilung sei nicht davon abhängig, dass
die Presse ihren Informationsanspruch im Einzelnen näher konkretisiere. Vielmehr könne
die Beurteilung auch allein anhand der jeweils betroffenen Verfassungsgüter erfolgen.
Jedenfalls sei die nach § 4 Abs. 2 LPresseG gebotene Ermessensausübung unabhängig
von der näheren Begründung zu Anlass und Zweck des Informationsersuchens. Denn
abzuwägen sei das verfassungsrechtlich geschützte Informationsrecht der Presse
gegenüber einem durch die Herausgabe der gewünschten Information eventuell
beeinträchtigten Persönlichkeitsrecht. Wenn kein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht
vorliege oder ein solcher nur geringes Gewicht hätte, überwiege das verfassungsrechtlich
geschützte Presserecht stets, zumindest wenn, wie im vorliegenden Fall, die Beteiligten in
einer quasi staatlichen Funktion tätig geworden seien. Vorliegend hätten die an der
Findung des Strafurteils Beteiligten sämtlich nicht nur in ihrer beruflichen bzw. hinsichtlich
der Schöffen in ihrer ehrenamtlichen Eigenschaft gehandelt, sondern - einschließlich des
Pflichtverteidigers - unmittelbar im staatlichen Auftrag. Der Vorsitzende urteile im Namen
des Volkes und sei schon deshalb eine Person der Öffentlichkeit, die ihr dieses Amt
anvertraut habe. Geheimgerichte seien in der Bundesrepublik Deutschland nicht statthaft.
Die Schöffen würden in einem gesonderten Verfahren als Vertreter der Öffentlichkeit
gewählt und fungierten als deren Wächter. Wenn Richter und Schöffen nach dem
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.07.2000 - 1 BvQ 17/00 - die
Beeinträchtigung durch Filmaufnahmen des öffentlich-rechtlichen Deutschen Fernsehens
hinzunehmen hätten, dann erst recht diejenige, die durch eine nur namentliche
Benennung in einer Fachzeitschrift eintreten könne. Die Protokollbeamtin habe keinen
Grund, ihren Namen zu verheimlichen, da sie für die Entscheidung in keiner Weise
verantwortlich sei. Ein Anwalt habe kein schützenswertes Interesse daran, dass ein
etwaiges Fehlverhalten geheim bleibe. Diesem eher geringen privaten Interesse stehe auf
Seiten des Klägers mit dem Auskunftsrecht der Presse ein gewichtiges Verfassungsrecht
gegenüber, das keiner besonderen Rechtfertigung bedürfe. Eine genaue und gründliche
Berichterstattung setze voraus, dass der Presse keine ihr für ihre Zwecke als bedeutsam
erscheinenden und ausdrücklich nachgefragten Informationen vorenthalten würden oder
ihr die Möglichkeit verwehrt werde, zielgerichtet zu recherchieren. Daher stehe der Pflicht
der Presse zur genauen Berichterstattung das Recht gegenüber, die für ihre Recherche
erforderlichen Informationen zu erhalten. Denn anderenfalls könne die Presse nicht durch
direkt an die Beteiligten gerichtete Nachfragen diesen Gelegenheit zu einer
Stellungnahme geben und wäre hierdurch möglicherweise gehindert, objektiv berichten zu
können. Aus dem Urteil lasse sich beispielsweise nicht entnehmen, welchen Antrag der
Pflichtverteidiger gestellt hatte. Auch zu allen weiteren Fragen, die der Fall aufgeworfen
habe, könnte der Kläger nicht mit dem Verteidiger Rücksprache nehmen oder diesen
wenigstens zur Stellungnahme auffordern. Die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dem
Kläger gehe es um eine Veröffentlichung der Namen der Beteiligten, um diese
bloßzustellen, nicht aber, um durch eine Veröffentlichung der Entscheidung die
wissenschaftliche Diskussion zu befruchten oder um ihres gesellschaftlichen oder
wirtschaftlichen Gehalts wegen, verkenne die Notwendigkeit, die Namen der Beteiligten
zur Möglichkeit einer Stellungnahme zu erhalten. Zudem gehe es auch um grundsätzliche
berufspolitische Fragen. Immerhin sei dem Pflichtverteidiger vom Verwaltungsgericht
Stuttgart ein „nicht nachvollziehbares Verhalten" zugeschrieben worden, das gemäß § 113
BRAO zu einer anwaltsgerichtlichen Maßnahme führen könne. Es liege weder im
allgemeinen noch im besonderen Interesse der Rechtspflege, nicht gebührend auf
Anwälte einwirken zu können, die ihre allein gegenüber dem Mandanten bestehenden
Pflichten nicht sorgfältig wahrnähmen. Das Wächteramt der Presse erstrecke sich auch auf
solche Belange. Im Übrigen verbiete sich die Annahme des erstinstanzlichen Gerichts, es
sei auch kein öffentliches Interesse an der Bekanntgabe der Namen der Beteiligten
erkennbar, weil das Strafurteil des Amtsgerichts ... in keinem der einschlägigen
Fachmedien veröffentlich worden und auch nicht bekannt sei, dass die Beteiligten bereits
in früheren Verfahren durch ein vergleichbares Verhalten aufgefallen wären, schon
denklogisch. Denn wenn die Namen nicht bekannt seien, fehle jede Möglichkeit, anhand
der Feststellung des Namens der Beteiligten vergleichbare Fälle überhaupt nur zu
erkennen. Der Anspruch des Klägers folge auch aus Art. 10 EMRK. Nach der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sei es nicht Sache
der nationalen Instanzen, über die Form der Informationsweitergabe an die Presse zu
entscheiden. Art. 8 EMRK stehe dem nicht entgegen, da in Deutschland kein Gesetz
existiere, gegen das die Übersendung des Urteils in der begehrten Form verstoßen könne.
9 In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger mitgeteilt, dass das streitige
Urteil des Amtsgerichts ... in den ANA-ZAR 2010, S. 32 unter Nennung der Namen der
Berufsrichterin und des Pflichtverteidigers besprochen worden ist. Den im Beitrag
genannten Namen des Pflichtverteidigers habe er von dem Rechtsanwalt erfahren, der im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren den verurteilten Afghanen vertreten habe. Die
Beteiligten erklärten den Auskunftsanspruch bezüglich des Namens der Berufsrichterin
übereinstimmend für erledigt.
10 Der Kläger beantragt,
11 das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18.04.2012 - 1 K 57/12 - zu ändern,
festzustellen, dass die Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts ... vom 25.05.2010
rechtswidrig war, soweit keine Auskunft über den Namen des Pflichtverteidigers erteilt
worden ist, und den Beklagten unter Aufhebung der Entscheidung des Direktors des
Amtsgerichts ... vom 25.05.2010 zu verpflichten, dem Kläger Auskunft über die Namen
der an dem beim Amtsgericht ... durchgeführten Strafverfahren - ... - beteiligten Personen
zu erteilen durch Übersendung einer - mit Ausnahme der persönlichen Angaben des
Verurteilten, der Berufsrichterin und des Pflichtverteidigers - nicht anonymisierten
Abschrift des Urteils vom 02.07.2009.
12 Der Beklagte beantragt,
13 die Berufung zurückzuweisen.
14 Er verteidigt das angefochtene Urteil. Zutreffend habe das Verwaltungsgericht im
Einzelnen begründet, dass die Abwägung zwischen dem Interesse des Klägers als einem
Repräsentanten der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich geschützten
Presse und dem ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgten Persönlichkeitsschutz der
Verfahrensbeteiligten des strafgerichtlichen Verfahrens dazu führe, dass die begehrten
Auskünfte nicht zu erteilen seien. Soweit der Kläger darauf abstelle, mit dem
Pflichtverteidiger des in dem streitgegenständlichen Strafverfahren Verurteilten nicht in
einen Diskurs treten und mit dessen Hilfe den Sachverhalt nicht weiter aufklären zu
können, weil ihm dessen Name nicht mitgeteilt worden sei, erscheine diese Begründung
vorgeschoben, zumal dem auch die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht
entgegenstünde. Naheliegender erscheine die aus der weiteren Begründung ersichtliche
Motivation des Klägers, den Pflichtverteidiger bei der Rechtsanwaltskammer anzeigen zu
wollen, weil er sich während seiner Verteidigung pflichtwidrig verhalten habe. Auch
insoweit vermöge die Argumentation des Klägers nicht zu überzeugen. Es wäre ihm ohne
weiteres möglich, etwaiges Fehlverhalten eines Rechtsanwalts auch ohne Kenntnis des
Namens zur Anzeige zu bringen, zumal die zuständige Rechtsanwaltskammer bei der
Schilderung des Sachverhalts die Identität des Anwalts unschwer ermitteln könnte.
15 Dem Senat liegen der Verwaltungsvorgang des Beklagten und die Akte des
Verwaltungsgerichts vor. Im Berufungsverfahren hat der Beklagte auf die Aufforderung des
Senats, die vollständige Verwaltungsakte vorzulegen, die insbesondere das dem Kläger
übersandte, anonymisierte Urteil des Amtsgerichts ... vom 02.07.2009 - ... - enthält, unter
anderem eine Kopie dieses Urteils in nicht anonymisierter Form vorgelegt. Der Senat hat
diese Kopie unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom
11.03.2004 - 6 B 71.03 - juris als nicht angeforderte Akte an den Beklagten zurückgesandt.
Entscheidungsgründe
16 Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.
I.
17 Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die
Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof
eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den
gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a
Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).
II.
18 Das Verfahren ist einzustellen, soweit die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor
dem Senat dieses hinsichtlich des auf den Namen der Berufsrichterin gerichteten
Auskunftsanspruchs übereinstimmend für erledigt erklärt haben (§ 92 Abs. 3 VwGO in
entsprechender Anwendung). Insoweit ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im
ersten Rechtszug für unwirksam zu erklären.
III.
19 Die Klage festzustellen, dass die Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts ... vom
25.05.2010 rechtswidrig war, soweit keine Auskunft über den Namen des
Pflichtverteidigers erteilt worden ist, ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).
20 1. Die teilweise Umstellung von der Verpflichtungsklage auf die
Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist zulässig, auch wenn
man - was angesichts der Besprechung des streitigen Urteils in der Ausgabe 4/2010 der
ANA-ZAR naheliegt - zugrundelegt, dass dem Kläger der Name des Pflichtverteidigers
bereits vor Klageerhebung am 09.11.2010 bekannt war, und daher insoweit Zweifel am
ursprünglichen Rechtsschutzinteresse bestehen. Denn der Beklagte hat in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat in die Klageänderung durch rügeloses Einlassen eingewilligt
(§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 91 Abs. 1 Var. 1, Abs. 2 Var. 2 VwGO). Sollte dem Kläger der
Name des Pflichtverteidigers vor Klageerhebung am 09.11.2010 noch nicht bekannt
gewesen sein, wäre die Klageänderung kraft Gesetzes nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. §
264 Nr. 2 ZPO zulässig (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 113 Rn. 121, m.w.N.).
21 Wegen Wiederholungsgefahr besteht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers.
Ein Feststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr ist gegeben, wenn der Kläger mit
einer Wiederholung der erledigten Maßnahme rechnen muss. Es müssen konkrete
Anhaltspunkte für den Eintritt einer vergleichbaren Belastung oder einer erneuten
Ablehnung des Begehrens bei einem vergleichbaren und abzusehenden Sachverhalt
vorgetragen werden. Nicht ausreichend ist die vage oder abstrakte Möglichkeit einer
Wiederholung (vgl. Senatsurteil vom 24.11.1994 - 1 S 2909/93 - DVBl. 1995, 367; VGH
Bad.-Württ., Beschl. v. 15.07.2010 - 10 S 2400/09 - ESVGH 61, 51). Diese
Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Kläger hat nachvollziehbar unter Benennung
weiterer Beispielsfälle dargelegt, dass er die Praxis des Amtsgericht ... in ähnlichen
Strafverfahren wie dem hier streitigen nach wie vor verfolgt. Vergleichbare
presserechtliche Auskunftsbegehren gegenüber dem Direktor des Amtsgerichts ... und
deren Ablehnung erscheinen daher möglich.
22 2. Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet. Die Entscheidung des Direktors des
Amtsgerichts ... vom 25.05.2010, dem Kläger keine Auskunft über den Namen des im
Strafverfahren ... vor dem Amtsgericht ... tätigen Pflichtverteidigers zu erteilen, war
rechtmäßig. Der Kläger hatte keinen hierauf gerichteten Auskunftsanspruch. Ein solcher
Anspruch ergab sich weder aus § 4 LPresseG (a) noch aus § 475 StPO (b), der
Informationspflicht der Gerichte über die Öffentlichkeit interessierende Entscheidungen (c)
oder Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG oder Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (d).
23 a) Behörden sind nach § 4 Abs. 1 LPresseG verpflichtet, den Vertretern der Presse die der
Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. Aus dieser
Verpflichtung folgt ein entsprechender Auskunftsanspruch der Vertreter der Presse. Nach
§ 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG können Auskünfte verweigert werden, soweit ein
überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde.
24 aa) Vertreter der Presse im Sinne von § 4 Abs. 1 LPresseG ist jedenfalls derjenige, der
eine schriftliche Abhandlung erstellt, die als Druckwerk (vgl. § 7 LPresseG) in der
periodischen Presse oder einmalig, etwa als Buch, veröffentlicht wird, in seiner Funktion
als Autor an der öffentlichen Meinungsbildung mitwirkt und einem Presseunternehmen
zugeordnet werden kann, das die Gewähr für die publizistische Verbreitung der
Abhandlung zur Kenntniserlangung einer breiten Öffentlichkeit bietet (vgl. VGH Bad.-
Württ., Beschl. v. 06.10.1995 - 10 S 1821/95 - ESVGH 46, 53 = NJW 1996, 538 <538 f.>;
Groß, Presserecht, 3. Aufl., Rn. 435). Diese Voraussetzungen waren und sind beim Kläger
erfüllt.
25 bb) Einem Auskunftsanspruch des Klägers über den Namen des Pflichtverteidigers stand
jedoch § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG entgegen, da die begehrte Auskunft schutzwürdige
private Interessen des Pflichtverteidigers verletzen würde, die hier das
Informationsinteresse des Klägers überwiegen. In die gerichtlich vollständig nachprüfbare
Abwägung der betroffenen Belange (1) sind das Informationsinteresse des Klägers (2) und
das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung der Betroffenen (3) einzustellen, deren Bedeutung auch durch den
Grundsatz der Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung bestimmt wird (4). Der
Fürsorgepflicht des Dienstherrn kommt hingegen in der Abwägung keine eigenständige
Bedeutung zu (5). In der Abwägung ist nach den in der Rechtsprechung entwickelten
Grundsätzen vor allem zu berücksichtigen, zu welchem Zweck die mit der Auskunft
begehrten Daten verwendet werden sollen, ob eine Berichterstattung die Betroffenen nur
in ihrer Sozialsphäre berühren würde, ob mit der Berichterstattung eine Prangerwirkung
verbunden wäre und ob die Na-mensnennung einen eigenen Informationswert hat (6).
Nach diesen Maßstäben überwog im vorliegenden Fall das allgemeine
Persönlichkeitsrecht des Pflichtverteidigers das Informationsinteresse des Klägers (7). Die
begehrte Auskunft hat der Beklagte ermessensfehlerfrei verweigert (8).
26 (1) Nicht jede Verletzung privater Interessen löst bereits die Sperrwirkung des § 4 Abs. 2
Nr. 3 LPresseG aus. Es muss vielmehr die Verletzung schutzwürdiger privater Interessen
zu befürchten sein. Ob die betroffenen privaten Interessen schutzwürdig sind, ist im Wege
einer umfassenden Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und
den entgegenstehenden privaten Interessen zu ermitteln (vgl. Senatsbeschluss vom
10.05.2011 - 1 S 570/11 - NVwZ 2011, 958 <959>, m.w.N.; HessVGH, Urt. v. 23.02.2012 -
8 A 1303/11 - ESVGH 62, 182 = juris Rn. 37, m.w.N; OVG NRW, Beschl. v. 27.06.2012 - 5
B 1463/11 - DVBl. 2012, 1137 = juris Rn. 40 f., m.w.N.). Insbesondere bedarf es der
Abwägung zwischen dem Informationsrecht der Presse und dem nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m.
Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Geheimhaltungsinteresse)
des jeweils Betroffenen (vgl. BGH, Urt. v. 15.04.1980 - VI ZR 76/79 - NJW 1980, 1790
<1791>; Urt. v. 17.03.1994 - III ZR 15/93 - NJW 1994, 1950 <1951>) sowie - als
Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts - dessen Recht auf informationelle
Selbstbestimmung (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 27.06.2012, a.a.O., Rn. 42; BGH, Urt. v.
23.06.2009 - VI ZR 196/08 - BGHZ 181, 328 = juris Rn. 27 f.). Diese umfassende
Abwägung ist gerichtlich voll nachprüfbar (vgl. HessVGH, Urt. v. 23.02.2012, a.a.O.;
ebenso BVerwG, Urt. v. 23.06.2004 - 3 C 41.03 - BVerwGE 121, 115 <137>, zu § 32 StUG;
ebenso BGH, Urt. v. 17.03.1994, a.a.O., für den Amtshaftungsprozess wegen
Persönlichkeitsrechtsverletzung durch eine Presseinformation der Staatsanwaltschaft; a.A.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.06.2001 - 4 VAs 3/01 - NJW 2001, 3797 <3798>, und OLG
Karlsruhe, Beschl. v. 18.08.1980 - 3 VAs 9/80 - Justiz 1980, 451, jeweils für die
Überprüfung einer Presseauskunft über ein Ermittlungsverfahren nach §§ 23 ff. EGGVG).
27 Bei der Bestimmung von Inhalt und Reichweite dieser Grundrechte sind sowohl die
Europäische Menschenrechtskonvention als auch Entscheidungen des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte Auslegungshilfen (vgl. ausdrücklich für die Abwägung
zwischen Presseberichterstattung über Strafverfahren und Persönlichkeitsrecht des
Angeklagten: BGH, Urt. v. 19.03.2013 - VI ZR 93/12 - NJW 2013, 1681). Die Grundrechte
sind auch als Ausprägung der Menschenrechte zu verstehen und haben diese als
Mindeststandard in sich aufgenommen.Die Heranziehung der EMRK als Auslegungshilfe
zielt nicht auf eine schematische Parallelisierung einzelner verfassungsrechtlicher
Begriffe, sondern dient der Vermeidung von Völkerrechtsverletzungen. Eine
Harmonisierung des innerstaatlichen Rechts mit der Konvention ist nicht zwingend. Die
völkerrechtsfreundliche Auslegung des Grundgesetzes darf nicht dazu führen, dass der
Grundrechtsschutz nach dem Grundgesetz eingeschränkt wird. Dieses
Rezeptionshemmnis kann vor allem in mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen relevant
werden, in denen das "Mehr" an Freiheit für den einen Grundrechtsträger zugleich ein
"Weniger" für einen anderen bedeutet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04
- BVerfGE 111, 307 <317 ff.>; Beschl. v. 26.02.2008 - 1 BvR 1602/07 u.a. - BVerfGE 120,
180 <200 f.>; Urt. v. 04.05.2011 - 2 BvR 2333/08 u.a. - BVerfGE 128, 326 <371>).
28 (2) Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene
Presse ist nach dem Grundgesetz ein Wesenselement des freiheitlichen Staates. Sie ist -
neben Hörfunk und Fernsehen - ein wichtiger Faktor für die Bildung der öffentlichen
Meinung, die ihrerseits als das Ergebnis einer in freier geistiger Auseinandersetzung
geführten öffentlichen Diskussion über Gegenstände von allgemeinem Interesse und
staatspolitischer Bedeutung in der modernen Demokratie eine entscheidende Rolle spielt.
Durch ihre Teilnahme an diesem Prozess vermittelt die Presse dem Bürger Informationen,
die es ihm ermöglichen, die Meinungen anderer kennenzulernen und zu überprüfen,
seinen eigenen Standpunkt zu finden, sich an der öffentlichen Diskussion zu beteiligen
und politische Entscheidungen zu treffen. Die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte
Freiheit der Presse stellt damit im heutigen demokratischen Staat letztlich eine
wesentliche Voraussetzung für eine freie politische Willensbildung des Volkes dar (st.
Rspr., vgl. nur BVerfG, Urt. v. 05.08.1966 - 1 BvR 586/62 u.a. - BVerfGE 20, 162 <174 f.>;
Beschl. v. 06.02.1979 - 2 BvR 154/78 - BVerfGE 50, 234 <240>, m.w.N.).
29 Die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgte Pressefreiheit gewährleistet nicht nur die Freiheit
der Verbreitung von Nachrichten und Meinungen; sie schützt vielmehr auch den gesamten
Bereich publizistischer Vorbereitungstätigkeit, zu der insbesondere die Beschaffung von
Informationen gehört. Die verfassungsrechtlich verbürgte Pressefreiheit umschließt
insbesondere das Recht der im Pressewesen tätigen Personen, sich über Vorgänge in
einer öffentlichen Gerichtsverhandlung zu informieren und hierüber zu berichten (st. Rspr.,
vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 06.02.1979, a.a.O., m.w.N.). Der Schutz der Pressefreiheit kann
nicht von einer - an welchen Maßstäben auch immer ausgerichteten - Bewertung des
einzelnen Druckerzeugnisses abhängig gemacht werden. Die Pressefreiheit ist nicht auf
die "seriöse" Presse beschränkt (st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.02.1973 - 1 BvR
112/65 - BVerfGE 34, 269 <283 f.>, m.w.N.). Auch Form sowie Art und Weise der
Presseveröffentlichung unterfallen grundsätzlich dem Selbstbestimmungsrecht der Presse,
so dass im Einzelfall Schärfen und Überspitzungen des öffentlichen Meinungskampfs
hinzunehmen sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.04.1982 - 1 BvR 426/80 - NJW 1982, 2655
<2656>).
30 Die Presse wird durch die in Art. 10 EMRK gewährleistete Freiheit der Meinungsäußerung
in vergleichbarer Weise geschützt. Sie hat nach der Europäischen
Menschenrechtskonvention und den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte eine wesentliche Aufgabe in einer demokratischen Gesellschaft, sie
nimmt die Rolle eines „öffentlichen Wachhundes“ ein. Wenn die Presse auch gewisse
Grenzen nicht überschreiten darf, insbesondere hinsichtlich des guten Rufs und der
Rechte anderer sowie einer geordneten Rechtspflege, ist es doch ihre Aufgabe,
Informationen und Ideen über alle Fragen öffentlichen Interesses mitzuteilen (vgl. EGMR,
Urt. v. 24.06.2004 - 59320/00 [Caroline von Hannover/Deutschland] - NJW 2004, 2647, Nr.
58; Urt. v. 10.01.2012 - 34702/07 [Standard Verlags GmbH/Öster-reich Nr. 3] - NJW 2013,
768, Nr. 31; Heer-Reißmann/Dörr/Schüller-Keber, in: Dörr/Kreile/Cole, Handbuch
Medienrecht, 2008, S. 26 f., m.w.N.). Die Freiheit der Meinungsäußerung gilt auch für
Meinungsäußerungen, die verletzen, schockieren oder beunruhigen; sie schützt auch die
Art und Weise der Äußerungen (vgl. EGMR, Urt. v. 24.06.2004, a.a.O., Nr. 58; Urt. v.
21.06.2012 - 34124/06 [Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft SRG/Schweiz] -
NJW 2013, 765, Nr. 51, 64).
31 (3) Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG und die
Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG sichern jedem Einzelnen einen autonomen
Bereich privater Lebensgestaltung. Diesem allgemeinen Persönlichkeitsrecht kommt nach
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein besonders hoher Rang zu. Das
gilt insbesondere für seinen Menschenwürdekern. Der Inhalt dieses Rechts ist nicht
allgemein und abschließend umschrieben. Zu den anerkannten Inhalten gehören das
Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person, die soziale Anerkennung sowie
die persönliche Ehre. Eine wesentliche Gewährleistung ist der Schutz vor Äußerungen,
die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen der Person, insbesondere ihr Bild in
der Öffentlichkeit, auszuwirken. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die Person
insbesondere vor verfälschenden oder entstellenden Darstellungen, die von nicht ganz
unerheblicher Bedeutung für die Persönlichkeitsentfaltung sind (st. Rspr., vgl. BVerfG,
Beschl. v. 13.06.2007 - 1 BvR 1783/05 - BVerfGE 119, 1 <24>, m.w.N.). Das allgemeine
Persönlichkeitsrecht gewährleistet auch das Recht, in gewählter Anonymität zu bleiben
und die eigene Person nicht in der Öffentlichkeit dargestellt zu sehen (vgl. BVerfG, Urt. v.
05.06.1973 - 1 BvR 536/72 - BVerfGE 35, 202 <220>).
32 Es steht jedoch nicht der gesamte Bereich des privaten Lebens unter dem ab-soluten
Schutz der genannten Grundrechte. Wenn der Einzelne als ein in der Gemeinschaft
lebender Bürger in Kommunikation mit anderen tritt, durch sein Sein oder Verhalten auf
andere einwirkt und dadurch die persönliche Sphäre von Mitmenschen oder Belange des
Gemeinschaftslebens berührt, können sich Einschränkungen seines ausschließlichen
Bestimmungsrechts über seinen Privatbereich ergeben, soweit dieser nicht zum
unantastbaren innersten Lebensbereich gehört. Dem als absolut unantastbar geschützten
Kernbereich privater Lebensgestaltung der Intim- und Geheimsphäre ist die Privat- und
Sozialsphäre in der Schutzintensität nachgelagert. In dieser hat der Einzelne die
Einschränkungen hinzunehmen, die im überwiegenden Allgemeininteresse oder im
Hinblick auf grundrechtlich geschützte Interessen Dritter unter strikter Wahrung der
Verhältnismäßigkeit vorgenommen werden (st. Rspr., vgl. BVerfG, Urt. v. 05.06.1973,
a.a.O., S. 220; Beschl. v. 14.09.1989 - 2 BvR 1062/87 - BVerfGE 80, 367 <373 f.>; Beschl.
v. 06.05.1997 - 1 BvR 409/90 - BVerfGE 96, 56 <61>; Beschl. v. 13.06.2007, a.a.O., S. 29
f.; BGH, Urt. v. 13.11.1990 - VI ZR 104/90 - NJW 1991, 1532 <1533>; Urt. v. 23.06.2009,
a.a.O., Rn. 29 f.; Urt. v. 19.03.2013, a.a.O., S. 1681 f.; je m.w.N.; kritisch Fechner,
Medienrecht, 8. Aufl., Rn. 212).
33 Das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine
Persönlichkeitsrecht umfasst als Recht auf informationelle Selbstbestimmung die Befugnis
jedes Einzelnen, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst
zu bestimmen (vgl. nur BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <41
ff.>; Beschl. v. 09.03.1988 - 1 BvL 49/86 - BVerfGE 78, 77 <84>). Das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung ist die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst
darüber zu entscheiden, ob und wann sowie innerhalb welcher Grenzen seine
persönlichen Daten in die Öffentlichkeit gebracht werden. Es schützt generell vor
staatlicher Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten einschließlich
staatlicher Datenübermittlung. Dabei sind unter personenbezogenen Daten
Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder
bestimmbaren Person zu verstehen, also alle Informationen über eine natürliche Person,
unabhängig davon, welcher Aspekt der Person angesprochen wird (vgl. BVerfG, Urt. v.
15.12.1983, a.a.O.; Urt. v. 27.06.1991 - 2 BvR 1493/89 - BVerfGE 84, 239 <279 f.>:
Kammerbeschl. v. 14.12.2000 - 2 BvR 1741/99 u.a. - BVerfGE 103, 21 <33>; BVerwG, Urt.
v. 09.03.2005 - 6 C 3.04 - NJW 2005, 2330, m.w.N.; Senatsbeschluss vom 23.07.2010 - 1
S 501/10 - VBlBW 2011, 64 <65>).
34 Träger des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sind auch Amtsträger, und
zwar nicht nur für Informationen mit privatem, sondern auch für solche mit amtsbezogenem
Inhalt. Ein Amtsträger genießt in amtlicher Eigenschaft wie auch als Privatperson das
allgemeine Persönlichkeitsrecht. Denn auch amts- und funktionsbezogene Informationen
können erhebliche Auswirkungen auf die Privatsphäre haben (vgl. BVerwG, Urt. v.
23.06.2004, a.a.O., S. 125 f.; HessVGH, Urt. v. 23.02.2012, a.a.O., Rn. 31 ff.; OVG NRW,
Beschl. v. 27.06.2012, a.a.O.; Rn. 42; a.A. VG Wiesbaden, Urt. v. 09.05.2011 - 5 K
700.09.WI - juris Rn. 21 ff.).
35 Ein weitergehender Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ergibt sich aus
der Europäischen Menschenrechtskonvention und den Entscheidungen des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte nicht. Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person das
Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens. Der Begriff des Privatlebens umfasst
Elemente der Identität einer Person wie ihren Namen oder das Recht am eigenen Bild. Zur
Privatsphäre gehört auch die körperliche und geistige Integrität einer Person. Art. 8 EMRK
will vorrangig das Recht des Einzelnen schützen, seine Persönlichkeit in seinen
Beziehungen zu seinen Mitmenschen ohne Einmischung von außen zu entwickeln. Der
Schutz des Privatlebens ist von grundlegender Bedeutung für die Entfaltung der
Persönlichkeit eines jeden. Er geht über den intimen Kreis der Familie hinaus und hat
auch eine soziale Dimension. Jede Person, selbst wenn sie in der Öffentlichkeit bekannt
ist, muss „eine berechtigte Erwartung” auf Schutz und Achtung ihres Privatlebens haben
können (vgl. EGMR, Urt. v. 24.06.2004, a.a.O., Nr. 50, 69; Urt. v. 16.04. 2009 - 34438/04
[Egeland u. Hanseid/Norwegen] - NJW-RR 2010, 1487, Nr. 59; Urt. v. 10.01.2012, a.a.O.,
Nr. 36).
36 (4) Die Auskunft über die Namen der an dem streitigen Strafverfahren Beteiligten - mit
Ausnahme des Namens des Verurteilten - berührt diese in ihrer Sozialsphäre. Das
Gewicht ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der vorzunehmenden Abwägung wird
von vornherein dadurch gemindert, dass nach § 169 GVG Gerichtsverhandlungen, soweit
keine Ausnahmen vorgesehen sind, für jedermann zugänglich sind.
37 Der Grundsatz der Öffentlichkeit mündlicher Verhandlungen ist ein Bestandteil des
Rechtsstaatsprinzips, er entspricht dem allgemeinen Öffentlichkeitsprinzip der Demokratie.
Die rechtsstaatliche Komponente der Gerichtsöffentlichkeit zielt darauf, die Einhaltung des
formellen und materiellen Rechts zu gewährleisten und zu diesem Zweck Einblick in die
Funktionsweise der Rechtsordnung zu ermöglichen (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.01.2001 - 1
BvR 2623/95 u.a. - BVerfGE 103, 44 <61 ff.>; Kammerbeschl. v. 14.03.2012 - 2 BvR
2405/12 - NJW 2012, 1863 <1864>; je m.w.N.). Begünstigt sind auch Vertreter der Medien.
Sie dürfen zusehen und zuhören und sind berechtigt, die aufgenommenen Informationen
mit Hilfe der Presse, des Rundfunks oder anderer elektronischer Medien zu verbreiten (vgl.
BVerfG, Urt. v. 24.01.2001, a.a.O., S. 61). Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts müssen Richter und Schöffen die Beeinträchtigung ihres
allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Filmaufnahmen im Gerichtssaal hinnehmen,
wenn nicht besondere Umstände Anlass zu der Befürchtung geben, eine Übertragung der
Abbildung der Mitglieder des Spruchkörpers über das Fernsehen werde dazu führen, dass
sie künftig erheblichen Beeinträchtigungen ausgesetzt sein werden. Denn die Richter und
Schöffen stehen kraft des ihnen übertragenen Amts anlässlich ihrer Teilnahme an
öffentlichen Sitzungen des Gerichts im Blickfeld der Öffentlichkeit unter Einschluss der
Medienöffentlichkeit. Ein Interesse der Richter und Schöffen, in ihrer Person nur durch die
in der Sitzung Anwesenden wahrgenommen und nicht gefilmt zu werden, ist im Hinblick
auf Filmaufnahmen im Gerichtssaal angesichts der Bedeutung des Grundsatzes der
Öffentlichkeit für ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren daher regelmäßig nicht
anzunehmen (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 21.07.2000 - 1 BvQ 17/00 - NJW 2000, 2890
<2891>; Kammerbeschl. v. 15.03.2007 - 1 BvR 620/07 - NJW-RR 2007, 986 <987>;
Kammerbeschl. v. 07.06.2007 - 1 BvR 1438/07 - NJW-RR 2007, 1416 <1417>;
Kammerbeschl. v. 11.12.2007 - 1 BvR 3129/07 - juris Rn. 15).
38 Von der Frage, inwiefern Ton- und Bildaufnahmen im Sitzungssaal zulässig sind, ist die
nach der Berichterstattung über die Gerichtsverhandlung zu unterscheiden (vgl. Zorn, in:
Dörr/Kreile/Cole, a.a.O., S. 375). Die Gerichtsöffentlichkeit ist gesetzlich nur als
Saalöffentlichkeit vorgesehen. Der Bundesgesetzgeber hat von seinem Regelungsrecht in
der Weise Gebrauch gemacht, dass der allgemeine Zugang nur für diejenigen eröffnet ist,
die der Gerichtsverhandlung in dem dafür vorgesehenen Raum folgen wollen. § 169 GVG
sieht von vornherein nur eine eingeschränkte Öffnung dieser Informationsquelle vor (vgl.
BVerfG, Urt. v. 24.01.2001, a.a.O., S. 62; Beschl. v. 19.12.2007 - 1 BvR 620/07 - BVerfGE
119, 309 <320>; Zorn, a.a.O.). Daher dürfen Gerichte und Staatsanwaltschaften
Tatsachen, die Gegenstand einer Gerichtsverhandlung waren, nicht allein aufgrund dieses
Umstands nach dem Ende der Gerichtsverhandlung zum Inhalt von Mitteilungen
gegenüber der Presse und dem Rundfunk machen. Sie sind vielmehr auch bezüglich
solcher Tatsachen stets verpflichtet zu prüfen, ob ihrer Veröffentlichung überwiegende
Rechte, z.B. das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen oder das
Steuergeheimnis, entgegenstehen.
39 Aus dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen folgt daher kein
unbegrenztes, das Persönlichkeitsrecht der Verfahrensbeteiligten stets überwiegendes
Auskunftsrecht der Presse über die Umstände aus öffentlichen Gerichtsverhandlungen,
denen außer den Verfahrensbeteiligten keiner beigewohnt hat. Jedoch müssen die
Verfahrensbeteiligten - hier Richter, Schöffen, Urkundsbeamten, Staatsanwälte und
Rechtsanwälte - mit einer Wahrnehmung von und einer Berichterstattung über
Gerichtsverhandlungen, an denen sie teilnehmen, stets rechnen. Dadurch ist ihr
allgemeines Persönlichkeitsrecht von vornherein in seiner Schutzintensität herabgesetzt.
40 Nicht von entscheidendem Gewicht ist dabei, ob im Einzelfall die Öffentlichkeit
ausgeschlossen ist. Die Vorschriften über den Ausschluss der Öffentlichkeit in §§ 170 ff.
GVG und - hier einschlägig - § 48 JGG sollen vor allem Angeklagte, Zeugen, durch eine
rechtswidrige Tat Verletzte und Parteien schützen (vgl. zum Schutz des jugendlichen
Angeklagten nach § 48 JGG: Eisenberg, JGG, 16. Aufl., § 48 Rn. 8; BGH, Urt. v.
21.11.1969 - 3 StR 249/68 - BGHSt 23, 176 <179>). Die Vorschriften über den Ausschluss
der Öffentlichkeit dienen jedoch nicht dem Schutz der Verfahrensbeteiligten, um die es
hier geht (Berufsrichter, Schöffen, Urkundsbeamten, Staatsanwälte, Rechtsanwälte). Sie
können sich daher in der Regel nicht darauf berufen, dass im Einzelfall die Öffentlichkeit
ausgeschlossen war.
41 (5) Der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, dafür zu sorgen, dass seine Bediensteten durch
Veröffentlichungen der Presse nicht unter Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte
bloßgestellt werden (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 27.06.2012, a.a.O., Rn. 58), kommt in der
Abwägung keine eigenständige Bedeutung zu. Führt die Abwägung zu dem Ergebnis,
dass das Informationsinteresse des Vertreters der Presse gegenüber den
Persönlichkeitsrechten der Betroffenen überwiegt, kann allein die Fürsorgepflicht des
Dienstherrn kein anderes Abwägungsergebnis begründen. Denn hauptsächlicher
Anknüpfungspunkt der Fürsorgepflicht ist der Schutz der Persönlichkeitsrechte der
Bediensteten. Im umgekehrten Fall - die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen überwiegen
das Informationsinteresse - ist die Fürsorgepflicht des Dienstherrn erst Recht nicht
geeignet, das Gewicht des Informationsinteresses in der Abwägung zu verstärken und so
zu einem anderen Abwägungsergebnis zu führen.
42 (6) (a) Weder die Rechte der Presse noch die Persönlichkeitsrechte der von einer
Berichterstattung Betroffenen sind schrankenlos gewährleistet (vgl. nur BVerfG,
Kammerbeschl. v. 28.08.2000 - 1 BvR 1307/91 - NJW 2001, 503 <505>, und BVerwG, Urt.
v. 23.06.2004, a.a.O., S. 128, zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht, sowie BVerfG,
Beschl. v. 14.02.1973, a.a.O., S. 282, zur Pressefreiheit; EGMR, Urt. v. 10.01.2012, a.a.O.,
Nr. 24 f., zu Art. 10 EMRK, sowie Urt. v. 24.06. 2004, a.a.O., Nr. 57 f., zu Art. 8 EMRK). Ob
die betroffenen privaten Interessen i.S.v. § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG schutzwürdig sind, ist
im Wege einer umfassenden Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der
Öffentlichkeit und den entgegenstehenden privaten Interessen zu ermitteln. Die
widerstreitenden Rechtspositionen sind nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz
in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Entscheidend ist dabei, wie hoch das
öffentliche Informationsinteresse an der begehrten Auskunft zu bewerten und wie stark der
Eingriff in private Rechte durch die Offenlegung der begehrten Informationen im Einzelfall
zu gewichten ist. Je geringer der Eingriff in das Recht des Privaten, desto geringere
Anforderungen sind an das Informationsinteresse der Allgemeinheit zu stellen; je
intensiver und weitergehend die begehrte Auskunft reicht, desto gewichtiger muss das
öffentliche Informationsinteresse sein (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23.07.2010, a.a.O., S.
66, und vom 10.05.2011, a.a.O., m.w.N.; OVG Bln.-Bbg., Beschl. v. 28.10.2011 - 10 S
33.11 - NVwZ-RR 2012, 107; HessVGH, Urt. v. 23.02.2012, a.a.O., Rn. 37, m.w.N; OVG
NRW, Beschl. v. 27.06.2012, a.a.O., Rn. 40 f., m.w.N.; Weberling, in: Ricker/Weberling,
Handbuch des Presserechts, 6. Aufl., 20. Kap. Rn. 10). Ob eine Verletzung schutzwürdiger
privater Interessen vorliegt, ist daher jeweils anhand des zu beurteilenden Einzelfalls
festzustellen, zumal wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines
Rahmenrechts dessen Reichweite nicht absolut festliegt, sondern erst durch eine
Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden
kann (vgl. BGH, Urt. v. 13.11.1990, a.a.O.; Urt. v. 19.03.2013, a.a.O., S. 1681; je m.w.N.).
43 (b) Aus dem grundrechtlichen Schutz der Pressefreiheit folgt nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Fachgerichte nicht, dass der
Schutz des Grundrechts jedem Presseorgan in jedem rechtlichen Zusammenhang und für
jeden Inhalt seiner Äußerungen in gleicher Weise zuteil werden müsste. Zwar darf die
Durchsetzung des Informationsinteresses nicht von einer staatlichen Bewertung des
Informationsanliegens abhängig gemacht werden. Die Presse muss deshalb nach
publizistischen Kriterien selbst entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für
wert hält und was nicht. Der beabsichtigte Verwendungszweck der Daten ist aber im
Rahmen der Angemessenheitsprüfung dem privaten Persönlichkeitsrecht
gegenüberzustellen. Es kann deshalb darauf ankommen, ob Fragen, die die Öffentlichkeit
wesentlich angehen, ernsthaft und sachbezogen erörtert werden. Bei der Abwägung
zwischen der Pressefreiheit und anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern
kann entgegen der Auffassung des Klägers berücksichtigt werden, ob die Presse im
konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen
erörtert und damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllt. Der beabsichtigte
Verwertungszweck von Daten, über die Auskunft begehrt wird, kann daher im Rahmen der
Abwägung mit kollidierenden Persönlichkeitsrechten bedeutsam werden (st. Rspr., vgl.
BVerfG, Beschl. v. 14.02.1973, a.a.O., S. 283 f.; Urt. v. 15.12.1999 - 1 BvR 653/96 -
BVerfGE 101, 361 <391>; Kammerbeschl. v. 28.08.2000, a.a.O., S. 506). Ebenso können,
wenn die Veröffentlichung in Konflikt mit anderen Rechtsgütern gerät, das mit ihr verfolgte
Interesse, die Art und Weise der Darstellung und die erzielte oder voraussehbare Wirkung
in der Abwägung Bedeutung erlangen (vgl. BVerfG, Urt. v. 05.06.1973, a.a.O., S. 223, für
die Rundfunkfreiheit). Dabei dürfen die Gerichte die Gesamtumstände des Falles wertend
berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.12.2012 - 6 B 15.12 - juris Rn. 7; HessVGH,
Urt. v. 23.02.2012, a.a.O., Rn. 39).
44 (c) Beschränkungen des Rechts aus Art. 10 EMRK sind nach dessen Absatz 2 zulässig,
wenn der Eingriff gesetzlich vorgesehen ist, ein dort genanntes berechtigtes Ziel verfolgt
und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist (vgl. EGMR, Urt. v. 10.01.2012,
a.a.O., Nr. 24 f.). Auch nach Art. 10 EMRK darf die beabsichtigte Verwendung der
fraglichen Daten durch den Veröffentlichenden in der Abwägung berücksichtigt werden.
Bei der Prüfung, ob der umstrittene Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft
notwendig ist, ist festzustellen, ob er einem dringenden sozialen Bedürfnis entsprach, ob
er verhältnismäßig war zu dem verfolgten berechtigten Ziel und ob die von den staatlichen
Behörden und Gerichten zu seiner Rechtfertigung vorgebrachten Gründe stichhaltig und
ausreichend sind (vgl. EGMR, Urt. v. 16.04.2009, a.a.O., Nr. 48; Urt. v. 10.01.2012, a.a.O.,
Nr. 30; Urt. v. 17.01.2012 - 3401/07 [Kurier Zeitungsverlag und Druckerei
GmbH/Österreich] - NJW 2013, 771, Nr. 42 f.; Urt. v. 21.06.2012, a.a.O., Nr. 51).
45 Dies macht bei einer Berichterstattung unter Namensnennung des Betroffenen eine
Abwägung des Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung der Presse nach Art. 10 EMRK
gegen das Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Identität nach Art. 8 EMRK, zu der
auch der Name gehört, erforderlich. Dabei sind - als einige von mehreren Gesichtspunkten
- zu berücksichtigen die Stellung der von der Veröffentlichung betroffenen Person, ob sie
insbesondere eine „Person des öffentlichen Lebens“ war oder sonst „die öffentliche Szene
betreten“ hatte, sowie ob die Veröffentlichung zu einer Diskussion allgemeinen Interesses
beiträgt (vgl. EGMR, Urt. v. 24.06.2004, a.a.O., Nr. 60; Urt. v. 16.04.2009, a.a.O., Nr. 59; Urt.
v. 10.01.2012, a.a.O., Nr. 36 ff.; Urt. v. 17.01.2012, a.a.O., Nr. 44, 50). Über
Gerichtsverfahren zu berichten und sie zu kommentieren, trägt zu deren Öffentlichkeit bei
und stimmt, wenn die Berichterstattung nicht die zulässigen Grenzen überschreitet, voll
und ganz mit Art. 6 EMRK überein, wonach Verfahren öffentlich sind. Das gibt den Medien
aber keine freie Hand und befreit sie nicht von der Pflicht, bei der Weitergabe von
Informationen aus solchen Verhandlungen angemessene Sorgfalt walten zu lassen (vgl.
EGMR, Urt. v. 16.04.2009, a.a.O., Nr. 49; Urt. v. 17.01.2012, a.a.O., Nr. 44).
46 Bei Abwägung aller Umstände ist die Namensnennung zulässig, wenn eine fundierte
Berichterstattung durch die Presse kaum möglich ist, ohne die Namen aller Beteiligten zu
nennen oder wenn die Offenlegung der Identität einen direkten Bezug zu der öffentlichen
Angelegenheit hat, die Gegenstand der Berichterstattung ist; sie ist jedoch unzulässig,
wenn die Veröffentlichung des Namens des Betroffenen den Informationen in der
Veröffentlichung nichts hinzufügt und für das Verständnis der Besonderheiten des Falls
nicht wesentlich ist (vgl. EGMR, Entsch. v. 14.11.2002 - 62746/00 [„Wirtschafts-Trend“
Zeitschriften-Verlagsgesellschaft mbH/Österreich Nr. 2] - Slg. 2002-X, 281 ff.,
http://echr.coe.int/Documents/Reports_Recueil_2002-X.pdf; Urt. v. 06.04.2010 - 25576/04
(Flinkkilä/Finnland) - Nr. 85, http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/
pages/search.aspx#{"dmdocnumber":["865969"],"itemid":["001-98064"]}; Urt. v.
10.01.2012, a.a.O., Nr. 44; Urt. v. 17.01.2012, a.a.O., Nr. 52).
47 (d) Verlangt die Presse von einer Behörde Auskunft über bestimmte Daten, die das
allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter betreffen, ist die Auskunft jedenfalls dann
rechtswidrig und würde gegen § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG verstoßen, wenn nach den von
den ordentlichen Gerichten und dem Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben
über die zwischen Personen des Privatrechts vorzunehmende Abwägung des
Informationsinteresses und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine Veröffentlichung
rechtswidrig wäre. Denn zu einer solchen rechtswidrigen Veröffentlichung darf die
Behörde aufgrund ihrer Bindung an Recht und Gesetz nicht beitragen, zumal die mit dem
Auskunftsverlangen begehrte Datenübermittlung auch in das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung der Betroffenen eingreifen würde, das somit in der Abwägung
ergänzend zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Betroffenen einzustellen ist.
48 Wenn Veröffentlichungen die berufliche Tätigkeit einer Person zum Gegenstand haben,
handelt es sich um einen Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein
im Kontakt mit der Umwelt vollzieht. Solche Veröffentlichungen betreffen die Sozialsphäre.
Der Einzelne muss sich im Bereich der beruflichen Tätigkeit wegen der Wirkungen, die
seine Tätigkeit hier für andere hat, von vornherein auf die Beobachtung seines Verhaltens
durch eine breitere Öffentlichkeit und eine Kritik unter Namensnennung einstellen. Für die
zwischen Personen des Privatrechts vorzunehmende Abwägung der Meinungsfreiheit
oder der Pressefreiheit einerseits und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts andererseits
haben sich in der Rechtsprechung dabei folgende Maßstäbe entwickelt: Äußerungen oder
Veröffentlichungen im Rahmen der Sozialsphäre dürfen nur im Falle schwerwiegender
Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden,
so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu
besorgen sind (vgl. BGH, Urt. v. 21.11.2006 - VI ZR 259/05 - NJW-RR 2007, 619 <620 f.>.;
Urt. v. 23.06.2009, a.a.O., Rn. 31). Wahre Tatsachenbehauptungen, die lediglich Vorgänge
aus der Sozialsphäre benennen, müssen grundsätzlich hingenommen werden, denn das
Persönlichkeitsrecht verleiht seinem Träger keinen Anspruch darauf, nur so in der
Öffentlichkeit dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist. Eine
Persönlichkeitsrechtsverletzung kann jedoch auch durch die Mitteilung wahrer Tatsachen
über die Sozialsphäre des Betroffenen erfolgen. Das ist der Fall, wenn sie einen
Persönlichkeitsschaden befürchten lässt, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der
Verbreitung der Wahrheit steht, so bei einer unzulässigen Anprangerung und
Stigmatisierung durch die Verbreitung von Tatsachenbehauptungen (vgl. BVerfG, Beschl.
v. 24.03.1998 - 1 BvR 131/96 - BVerfGE 97, 391 <403 ff.>; Kammerbeschl. v. 17.12.2002 -
1 BvR 755/99 u.a. - NJW 2003, 1109 <1110>; Kammerbeschl. v. 08.06.2010 - 1 BvR
1745/06 - NJW 2011, 47 <48>; BGH, Urt. v. 19.03.2013, a.a.O., S. 1682 f.; je m.w.N.). Ist
der Presse der Name des Betroffenen bekannt, gebietet die Rücksicht auf die
Persönlichkeit der Betroffenen der Presse, hier mit besonderer Sorgfalt abzuwägen, ob
dem Informationsinteresse nicht auch ohne Namensnennung genügt werden kann (vgl.
BGH, Urt. v. 15.04.1980, a.a.O., S. 1791; Urt. v. 07.12.1999 - VI ZR 51/99 - BGHZ 143, 199
<206 f.>). Dies ist der Fall, wenn die Namensnennung keinen eigenen Informationswert
hat (vgl. BGH, Urt. v. 17.03.1994 - III ZR 15/93 - NJW 1994, 1950 <1952>).
49 Wenn nach den von den ordentlichen Gerichten und dem Bundesverfassungsgericht
entwickelten Maßstäben über die zwischen Personen des Privatrechts vorzunehmende
Abwägung des Informationsinteresses und des im Aspekt der Sozialsphäre betroffenen
allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine Veröffentlichung nicht bereits aufgrund einer zu
erwartenden Stigmatisierung oder Prangerwirkung rechtswidrig wäre, folgt daraus noch
nicht, dass das Informationsinteresse stets oder in der Regel überwiegt. Die dargestellte
Rechtsprechung betrifft die zwischen Personen des Privatrechts vorzunehmende
Abwägung des Informationsinteresses und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Wird
ein presserechtlicher Auskunftsanspruch gegen eine Behörde geltend gemacht, ist mit
einer Auskunft über Daten von Personen in der Regel auch ein Eingriff in das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung verbunden, der zu seiner Rechtmäßigkeit der
verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung ist in dieser Konstellation daher mit eigenem Gewicht in die
umfassende Abwägung aller zu berücksichtigenden Belange einzustellen (vgl. zum
Einfluss des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auf die Werteordnung des
Privatrechts: BGH, Urt. v. 23.06.2009, a.a.O. Rn. 28). Eine bei einem Betroffensein des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Sozialsphäre allein auf den Umstand
abstellende Abwägung, dass eine Stigmatisierung oder Prangerwirkung nicht zu besorgen
ist, würde daher den gesetzlichen Anforderungen nicht genügen.
50 (7) (a) Nach diesen Maßstäben gebührt im vorliegenden Fall in der Abwägung dem
allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Pflichtverteidigers der Vorrang vor dem
Informationsinteresse des Klägers. Der Eingriff in das Recht der Presse nach Art. 10
EMRK ist entgegen der Auffassung des Klägers gesetzlich vorgesehen; denn § 4 Abs. 2
Nr. 3 LPresseG gestattet nach Ermessen die Verweigerung der Auskunft, wenn die
Verletzung schutzwürdiger privater Interessen zu befürchten ist. In der danach
vorzunehmenden Abwägung kommt dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des
Pflichtverteidigers, da eine Veröffentlichung seine Sozialsphäre und seine grundsätzlich in
der Öffentlichkeit stattfindende Tätigkeit betrifft, kein überragendes, jedoch auch kein
unerhebliches Gewicht zu. Es ist voraussichtlich nicht zu befürchten, dass er bei einer
Veröffentlichung unter Namensnennung gleichsam "an den Pranger gestellt" würde. Das
Informationsinteresse des Klägers, das Urteil des Amtsgerichts ... übersandt zu
bekommen, hat im Ausgangspunkt ein erhebliches Gewicht, es betrifft eine Frage, die die
Öffentlichkeit wesentlich angeht. Diesem Informationsinteresse ist der Beklagte jedoch mit
der Übersendung des anonymisierten Urteils und der Nennung des Namens der
Berufsrichterin bereits ganz überwiegend nachgekommen. Der Pflichtverteidiger trägt
unmittelbar keine Verantwortung für das ergangene Urteil. Die Nennung des Namens des
Pflichtverteidigers ist für das Verständnis des Falls bei einer Veröffentlichung nicht
wesentlich. Unter Abwägung aller Gesichtspunkte kommt daher dem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht des Pflichtverteidigers hier Vorrang zu. Im Einzelnen:
51 (b) Der von dem Auskunftsverlangen Betroffene - hier der Pflichtverteidiger - muss mit
einer Wahrnehmung von und einer Berichterstattung über Gerichtsverhandlungen, an
denen er teilnimmt, stets rechnen. Dadurch ist sein allgemeines Persönlichkeitsrecht, das
hier in seiner Sozialsphäre betroffen ist, von vornherein in seiner Schutzintensität
herabgesetzt. Das in die Abwägung einzustellende Gewicht des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts wird hier desweiteren dadurch geprägt, dass eine Veröffentlichung
über das streitige Strafverfahren die berufliche Tätigkeit des Pflichtverteidigers betrifft, die
er für seinen Mandanten, aber auch im öffentlichen Interesse ausübt. Er muss sich von
vornherein auf die Beobachtung seines beruflichen Verhaltens und eine Kritik unter
Namensnennung einstellen und mit Äußerungen und Veröffentlichungen zu seinem
beruflichen Verhalten rechnen. Seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht kommt in der
Abwägung daher kein überragendes, jedoch auch kein unerhebliches Gewicht bei.
52 Das Gewicht des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Pflichtverteidigers wird hier
verstärkt durch sein durch Art. 2 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf informationelle
Selbstbestimmung. Durch die Mitteilung des Namens des Pflichtverteidigers an den
Kläger würden dessen Daten, die der Beklagte für einen bestimmten Zweck (Beiordnung
als Pflichtverteidiger) erhoben hat, ohne dessen Einwilligung zu einem anderen Zweck
(Auskunfterteilung an einen Dritten) weitergegeben.
53 (c) Im vorliegenden Fall hat das Informationsinteresse des Klägers im Ausgangspunkt ein
erhebliches Gewicht. Dabei geht der Senat wie das Verwaltungsgericht davon aus, dass
der Kläger stets beabsichtigte, die Verurteilung des Angeklagten im Verfahren ... des
Amtsgerichts ... in den ANA-ZAR zu thematisieren und dabei namentlich benannten
Personen, insbesondere dem Pflichtverteidiger des Angeklagten Verantwortung für das
Verfahren und sein Ergebnis, das der Kläger als unverhältnismäßig ansieht, zuzuweisen.
54 Zu dieser Feststellung gelangt der Senat aufgrund der eigenen Angaben des Klägers. Der
Kläger hat im Schreiben vom 06.05.2010 an den Direktor des Amtsgerichts ... um
Übersendung einer Abschrift der streitigen Entscheidung, in der die Namen der
Richter/innen und, soweit möglich, der Verfahrensbeteiligten nicht geschwärzt sind,
„zwecks möglicher Veröffentlichung der Entscheidung“ in den ANA-ZAR gebeten. Auch in
der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts im Schriftsatz vom 21.06.2012 thematisierte der Kläger die
namentliche Benennung der Beteiligten in einer Fachzeitschrift. Dabei hatte der Kläger ein
besonderes Interesse an der Veröffentlichung des Namens des Pflichtverteidigers des
Angeklagten, wie sich aus seinen Ausführungen in der Klageschrift zum
Verwaltungsgericht Stuttgart vom 09.11.2010, seinem erstinstanzlichen Schriftsatz an das
Verwaltungsgericht vom 28.07.2011 und seinem zweitinstanzlichen Schriftsatz vom
21.06.2012 ergibt. Bestätigt wird dies durch den Beitrag über das streitige Urteil in den
ANA-ZAR 2010, S. 32, in dem die Namen der Berufsrichterin und des Pflichtverteidigers
genannt sind.
55 An dieser auf den dargestellten Umständen fußenden Feststellung des vom Kläger
beabsichtigten Verwendungszwecks ist der Senat, wie unter (6) ausgeführt (vgl. BVerfG,
Beschl. v. 14.02.1973, Urt. v. 05.06.1973, Urt. v. 15.12.1999, Kammerbeschl. v.
28.08.2000, je a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 18.12.2012, a.a.O.; HessVGH, Urt. v.
23.02.2012, a.a.O.; EGMR, Urt. v. 24.06.2004, Urt. v. 10.01.2012, Urt. v. 17.01.2012, je
a.a.O.), durch die Gewährleistung der Pressefreiheit in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 10
EMRK nicht gehindert.
56 Die Absicht des Klägers zugrundezulegen, das streitige Urteil unter Nennung der Namen
der Verfahrensbeteiligten zu veröffentlichen, ist der Senat auch nicht im Hinblick darauf
gehindert, dass die Presse eigene Prüfungspflichten im Hinblick auf
Persönlichkeitsrechtsverletzungen hat. Zwar würde die Erteilung der begehrten Auskunft
den Kläger als Vertreter der Presse nicht ohne Weiteres zur Veröffentlichung unter
konkreter Namensnennung berechtigen. Denn die Presse ist selbst verpflichtet sorgfältig
abzuwägen, ob dem Informationsinteresse nicht auch ohne Namensnennung genügt
werden kann. Allerdings ist die Abwägung zwischen den widerstreitenden
Grundrechtspositionen im Rahmen von § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG vom Gericht
vorzunehmen und darf nicht allein der Veröffentlichungsentscheidung des jeweiligen
Presseorgans überlassen werden (vgl. HessVGH, Urt. v. 23.02.2012, a.a.O., Rn. 37; OVG
NRW, Beschl. v. 27.06.2012, a.a.O., Rn. 45 f.; a.A. wohl VG Oldenburg, Urt. v. 26.06.2012 -
7 A 1405/11 - juris Rn. 38 f.). Eine Auskunft unter Na-mensnennung, die die Rechte i.S.v. §
4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG verletzt, wird folglich nicht im Hinblick darauf rechtmäßig, dass
die Presse in Wahrnehmung ihrer eigenen Prüfungspflicht die erhaltenen Namen
(möglicherweise) nicht veröffentlicht; eine solche Auskunft darf daher von vornherein nicht
erfolgen.
57 (d) Es war voraussichtlich nicht zu erwarten, dass der Pflichtverteidiger bei einer
Veröffentlichung unter Namensnennung gleichsam an den Pranger gestellt oder
stigmatisiert würde oder sonst ein Persönlichkeitsschaden zu befürchten wäre, der außer
Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Nach den Erklärungen
des Klägers im Verfahren war für den Fall, dass er Auskunft über die Namen der
Verfahrensbeteiligten erhält, mit einer Veröffentlichung des Urteils und/oder des Falls
unter Namensnennung in den ANA-ZAR unter der Rubrik "Entgleisung" zu rechnen. Diese
Beiträge sind in nicht wenigen Fällen durch eine Kommentierung gekennzeichnet, die
behördliche und gerichtliche Entscheidungen und Maßnahmen nicht nur als sachlich
falsch darstellt, sondern gegen die in der Regel namentlich genannten entscheidenden
Amtsträger polemisiert und diese, über die sachliche Erörterung hinausgehend, auch als
Person angreift. In den letzten Jahren ab 2011 dürfte durch folgende Beiträge, in denen
Amtsträger namentlich genannt und kritisiert wurden, bei diesen ein im o.g. Sinne
unverhältnismäßiger Persönlichkeitsschaden entstanden sein:
58 So hieß es in einer Abhandlung zu einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung: "Dies ist
die Stunde des Richters am VG Saarbrücken Engel. Beim Lesen seines Judikats fragt
man sich allerdings, ob er diesen Namen zu Recht trägt." (ANA-ZAR 1/2012, S. 8) Die
Stellungnahmen einer Behördenmitarbeiterin namens Zogalla wurde wie folgt
besprochen: „Was sagt man dazu? Deutet der Name Zogalla nicht auch auf einen
'Migrationshintergrund' hin?“ (ANA-ZAR 1/2012, S. 8). In beiden Passagen werden die
Amtsträger nicht nur mit ihren Namen genannt, sondern ihr Name selbst wird zum
Gegenstand der Erörterung gemacht. Die Beiträge verlassen damit die Sachebene und
greifen in den persönlichen Bereich der Betroffenen über. Sie werden in ihrer engeren
persönlichen Lebenssphäre berührt, die durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht
besonders geschützt wird. Der Name eines Menschen ist Ausdruck seiner Identität und
Individualität und wird daher vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfasst (vgl. BVerfG,
Beschl. v. 08.03.1988 - 1 BvL 9/85, 1 BvL 43/86 - BVerfGE 78, 38 <49>; Beschl. v.
24.03.1998 - 1 BvR 131/96 - BVerfGE 97, 391 <399>; Kammerbeschl. v. 11.04.2001 - 1
BvR 1646/97 - juris, Rn. 8; Kammerbeschl. v. 05.12.2008 - 1 BvR 576/07 - NJW 2009, 663
<664>; Urt. v. 05.05.2009 - 1 BvR 1155/03 - BVerfGE 123, 90 <102>).
59 Die Abhandlung über eine Angelegenheit, in der ein Gerichtspräsident Strafanträge gegen
eine Rechtsanwältin gestellt hatte, wurde mit einem Zitat Kaiser Friedrich Wilhelms I. zum
Hängen von Advokaten eingeleitet und sodann wie folgt fortgesetzt: "Vielleicht ist das in
einer Demokratur ein wenig drastisch. Aber sein Mütchen kühlen, an der engagierten
Verteidigerin eines Ausländers, die einem Arbeit verursacht, muss drin sein." (ANA-ZAR
2/2012, S. 16) Die Herstellung eines Zusammenhangs der kritisierten Maßnahmen der
namentlich genannten Richter mit dem Hängen von Rechtsanwälten und Handlungen
eines diktatorischen Staates ist geeignet, die Betroffenen nachhaltig in ihrem Ansehen im
beruflichen und privaten Bereich zu schädigen, und enthält eine persönliche
Herabsetzung und Diffamierung.
60 Ein Beitrag unter dem Titel "Kumpanei zwischen AA und Al-Shabab-Miliz?" endete mit
dem Satz: „Kann es eine verkommenere Denkweise geben?" (ANA-ZAR 5/2011, S. 40).
Der Begriff der Kumpanei ist hier offenkundig bezogen auf die abwertende Bedeutung
„Mittäter, Helfershelfer bei einer strafbaren Handlung“ (vgl. Duden, Das große Wörterbuch
der deutschen Sprache in 6 Bänden, 1978, Bd. 4, S. 1601). Das Wort verkommen
bezeichnet: äußerlich und/oder moralisch verwahrlosen (vgl. Duden, a.a.O., Bd. 6, S.
2756). Der Beitrag insinuiert mithin, der genannte Mitarbeiter unterstütze die Al-Shabab-
Miliz bei strafbaren Handlungen und er tue dies aufgrund eines bestimmten
Charakterzugs, seiner verkommenen Denkweise.
61 Im Übrigen sind die Beiträge in der Rubrik „Entgleisung“ zwar regelmäßig durch
Äußerungen, die Zuspitzungen sowie verletzende und drastische Formulierungen
enthalten, gekennzeichnet, nicht jedoch durch solche, die zu einem im o.g. Sinne
unverhältnismäßigen Persönlichkeitsschaden führen. Daher kann in der Abwägung nicht
zugrundegelegt werden, dass voraussichtlich eine solche Wirkung zu erwarten ist. Mit dem
Beitrag in den ANA-ZAR 2010, S. 32 über das hier streitige Urteil war eine solche Wirkung
auch nicht verbunden.
62 (e) Die das Informationsinteresse des Klägers vor allem ausmachende Frage, ob der im
streitigen Strafverfahren Verurteilte eine unangemessen harte Bestrafung erfahren hat, ist
eine Frage, die die Öffentlichkeit wesentlich angeht. Diesem Informationsinteresse ist der
Beklagte jedoch bereits dadurch ganz überwiegend nachgekommen, dass der Kläger eine
anonymisierte Fassung des begehrten Urteils und den Namen der hierfür zuständigen
Berufsrichterin erfahren hat und der von ihm geltend gemachte Auskunftsanspruch damit
weitgehend erfüllt worden ist. Aufgrund des ihm vorliegenden anonymisierten Urteils ist es
dem Kläger möglich, den Kern der die Öffentlichkeit angehenden Frage, ob der
Angeklagte unangemessen hart bestraft worden ist, in der von ihm herausgegebenen
Zeitschrift zu thematisieren. Der Umstand, dass ihm die Namen der an der
Hauptverhandlung beteiligten weiteren Personen nicht vollständig bekannt sind, hindert
ihn in keiner Weise, die nach seiner Auffassung harte Verurteilung zum Gegenstand einer
Veröffentlichung zu machen; dies zeigt auch der veröffentlichte Beitrag. Es ist weder vom
Kläger dargelegt noch für den Senat zu erkennen, dass die Nennung des Namens des
Pflichtverteidigers einen eigenen Informationswert für die Erörterung der Angelegenheit in
der Öffentlichkeit hat. Die Namensnennung ist für das Verständnis des Falls nicht
wesentlich. Der Pflichtverteidiger trägt für den erfolgten Strafausspruch unmittelbar keine
Verantwortung. Das auf die Auskunft über dessen Namen gerichtete Informationsinteresse
des Klägers ist daher, wie unter (6) ausgeführt (vgl. BGH, Urt. v. 17.03.1994, a.a.O.;
EGMR, Entsch. v. 14.11.2002, Urt. v. 10.01.2012, Urt. v. 17.01.2012, je a.a.O.), als sehr
gering einzustufen.
63 Soweit der Kläger vorträgt, er benötige den Namen des Pflichtverteidigers, um diesem
Gelegenheit zu geben, zu dem Gesichtspunkt, welchen Antrag er gestellt habe, sowie zu
allen Fragen, die der Fall aufwerfe, Stellung nehmen zu können, verleiht dies dem
Informationsinteresse des Klägers keine über das bisher Festgestellte hinausgehende
besondere Bedeutung. Zwar fällt auch die mit einer solchen Tätigkeit verbundene
Recherche in den Schutzbereich der Pressefreiheit. Diesem Aspekt kommt jedoch hier in
der Abwägung kein ausschlaggebendes Gewicht zu. Der Direktor des Amtsgerichts ... hat,
wie er dem Kläger mit Schreiben vom 25.05.2010 mitgeteilt hat, dem Pflichtverteidiger des
Verurteilten den Wunsch des Klägers nach Kontaktaufnahme mitgeteilt. Da der
Pflichtverteidiger des Verurteilten hierauf offensichtlich nicht reagiert hat, ist mit einer
Stellungnahme seinerseits auch nicht auf Aufforderung des Klägers zu rechnen.
64 Auch das weitere Vorbringen, der Name des Pflichtverteidigers werde benötigt, da der Fall
berufspolitische Fragen, insbesondere nach anwaltsgerichtlichen Maßnahmen aufwerfe,
verstärkt die Bedeutung des Informationsinteresses des Klägers in der vorzunehmenden
Abwägung nicht in erheblicher Weise. Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass
sich das Wächteramt der Presse auch auf solche Fragen erstrecken kann. Dem Bedürfnis
nach Prüfung anwaltsrechtlicher Konsequenzen kann der Kläger jedoch mit einem
schlichten Hinweis auf den Fall an das zuständige Gremium nachkommen. Zwar muss
sich der Kläger als Vertreter der Presse nicht von vornherein auf einen solchen bloßen
Hinweis verweisen lassen. Angesichts der für die Abwägungsentscheidung maßgeblichen
Umstände, dass mit einer Veröffentlichung des Falls unter Nennung des Namens des
Pflichtverteidigers zu rechnen war und dessen Name in der öffentlichen Diskussion des
Falles keinen eigenständigen Informationsgehalt hat, hatte ein Interesse des Klägers,
berufspolitische Konsequenzen aus dem Fall selbst voranzutreiben, jedoch ein sehr
geringfügiges Gewicht.
65 (8) Die Entscheidung über die Auskunft steht nach § 4 Abs. 2 LPresseG im pflichtgemäßen
Ermessen der Behörde (vgl. Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 5. Aufl., § 4 Rn. 90, m.w.N.;
Held, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, 2008,
Abschn. 74 Rn. 11; Fechner, a.a.O., Rn. 780; Weberling, a.a.O., Kap. 20 Rn. 2). Die
Ablehnung der begehrten Auskunft hat der Beklagte ermessensfehlerfrei verweigert. Er hat
bei seiner Entscheidung im Schreiben vom 25.05.2010 die Belange der Presse nach Art. 5
GG und die Rechte der Verfahrensbeteiligten berücksichtigt. Ermessensfehler sind weder
vom Kläger geltend gemacht noch ersichtlich.
66 b) Der geltend gemachte Anspruch, den Namen des Pflichtverteidigers zu erfahren, folgte
auch nicht aus § 475 Abs. 1 StPO. Nach dieser Vorschrift kann für eine Privatperson und
für sonstige Stellen ein Rechtsanwalt Auskünfte aus Akten erhalten, die dem Gericht
vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären,
soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. Auskünfte sind zu versagen, wenn der
hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat.
67 Der Senat ist nicht gehindert, die Voraussetzungen nach § 475 Abs. 1 StPO zu prüfen,
obwohl für diese Auskunft nach § 478 Abs. 1 Satz 1 StPO nach rechtskräftigem Abschluss
des Verfahrens die Staatsanwaltschaft zuständig ist und gegen die Entscheidung der
Staatsanwaltschaft die gerichtliche Entscheidung des nach § 162 StPO zuständigen
Gerichts beantragt werden kann (§ 478 Abs. 3 Satz 1 StPO). Denn der Senat als Gericht
des zulässigen Rechtswegs entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht
kommenden rechtlichen Gesichtspunkten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 GVG). Der Erteilung einer
Auskunft nach § 475 Abs. 1 Satz 1 StPO an den Kläger stehen jedoch - aus den unter a)
aufgeführten Gründen - schutzwürdige Interessen des betroffenen Verfahrensbeteiligten
i.S.d. § 475 Abs. 1 Satz 2 StPO entgegen.
68 c) Der Anspruch ergab sich auch nicht aus der Informationspflicht der Gerichte über die
Öffentlichkeit interessierende Entscheidungen. Kraft Bundesverfassungsrechts - aufgrund
des Rechtsstaatsgebots einschließlich der Justizgewährungspflicht, des
Demokratiegebots und des Grundsatzes der Gewaltenteilung - obliegt den Gerichten die
öffentliche Aufgabe, die Entscheidungen ihrer Spruchkörper der Öffentlichkeit zugänglich
zu machen. Sie erfasst alle Entscheidungen, an deren Veröffentlichung die Öffentlichkeit
ein Interesse hat oder haben kann. Bei der Erfüllung dieses Verfassungsauftrages hat die
Gerichtsverwaltung - wie jede Verwaltung - die öffentlich-rechtlichen Bindungen zu
beachten, denen jegliches Verwaltungshandeln unterliegt. Dazu gehören u.a. die
Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten, des Datenschutzes und des
Steuergeheimnisses sowie die Gewährleistung der strikten Gleichbehandlung bei der
Herausgabe. Veröffentlichungswürdige Entscheidungen sind daher vor der
Veröffentlichung zu anonymisieren (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 26.02.1997 - 6 C 3.96 -
BVerwGE 104, 105 <108 ff.>; Burkhardt, a.a.O., § 4 Rn. 161, 166, m.w.N.). Eine
Berechtigung, das hier streitige Urteil mit den Namen der Verfahrensbeteiligten zu
erhalten, kann aus dieser verfassungsunmittelbaren Aufgabe der Gerichte bereits
deswegen nicht folgen, weil dabei grundsätzlich die Anonymisierung der in der
Entscheidung enthaltenen personenbezogenen Daten vorzunehmen ist (vgl.
Senatsbeschluss vom 23.07.2010, a.a.O.). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz - wie
etwa in den Fällen, dass eine den datenschutzrechtlichen Anforderungen genügende
Anonymisierung angesichts des Streitgegenstandes und der Umstände des Falles kaum
möglich erscheint (vgl. Senatsbeschluss vom 23.07.2010, a.a.O.; ähnlich OLG Celle,
Beschl. v. 12.06.1990 - 1 VAs 4/90 - NJW 1990, 2570, für den Fall, dass ein Angeklagter
auch nach Anonymisierung identifizierbar bleibt; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urt. v.
27.04.2005 - I-15 U 98/03 u.a. - NJW 2005, 1791 <1799>) - kommt hier nicht in Betracht.
69 d) Der vom Kläger geltend gemachte Auskunftsanspruch hinsichtlich des Namens des
Pflichtverteidigers folgte schließlich nicht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Denn mit § 4
LPresseG steht eine verfassungsgemäße Anspruchsgrundlage für presserechtliche
Auskunftsrechte zur Verfügung. Die Pressefreiheit gewährleistet nicht nur ein Abwehrrecht
gegen staatliche Eingriffe, sondern garantiert darüber hinaus in seinem objektiv-
rechtlichen Gehalt die institutionelle Eigenständigkeit der Presse. Der Gesetzgeber ist
hieraus in der Pflicht, die Rechtsordnung in einer Weise zu gestalten, die der besonderen
verfassungsrechtlichen Bedeutung der Presse gerecht wird und ihr eine funktionsgemäße
Betätigung ermöglicht. Hierzu zählt auch die Schaffung von behördlichen
Auskunftspflichten, die es der Presse erleichtern oder in Einzelfällen sogar überhaupt erst
ermöglichen, ihre Kontroll- und Vermittlungsfunktionen zu erfüllen, die in der
repräsentativen Demokratie unerlässlich sind. Entscheidend ist, dass die
Auskunftsregelungen insgesamt hinreichend effektiv sind, d.h. der Presse im praktischen
Gesamtergebnis eine funktionsgemäße Betätigung sichern. Dies ist für den Bereich der
Länder mit den Landespressegesetzen gewährleistet. Nur wenn der zuständige
Gesetzgeber untätig bleibt, ergibt sich unmittelbar aus dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1
Satz 2 GG eine Rechtsgrundlage für pressespezifische Auskunftsrechte (vgl. BVerwG, Urt.
v. 13.12.1984 - 7 C 139.81 - BVerwGE 70, 310; Urt. v. 20.02.2013 - 6 A 1.12 - juris Rn. 27
ff.; auch: OVG NRW, Urt. v. 30.04.1996 - 5 A 1618/92 - NJW 1997, 144).
70 Auch aus der Informationsfreiheit folgte der geltend gemachte Anspruch nicht. Ein Recht
auf Eröffnung einer Informationsquelle eröffnet die Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1
Satz 1 GG nicht.Ein gegen den Staat gerichtetes Recht auf Zugang besteht aber in Fällen,
in denen eine im staatlichen Verantwortungsbereich liegende Informationsquelle aufgrund
rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt ist, der Staat den Zugang
aber in nicht hinreichender Weise eröffnet.Legt der Gesetzgeber die Art der Zugänglichkeit
von staatlichen Vorgängen und damit zugleich das Ausmaß der Öffnung dieser
Informationsquelle fest, so wird in diesem Umfang zwar der Schutzbereich der
Informationsfreiheit eröffnet. Hat die Presse Zugang zwecks Berichterstattung, aber wie
hier in § 4 LPresseG und § 169 GVG in rechtlich einwandfreier Weise unter sachgemäßen
Beschränkungen, liegt in dieser Begrenzung kein unzulässiger Grundrechtseingriff (vgl.
BVerfG, Urt. v. 24.01.2001, a.a.O., S. 59 f.; Beschl. v. 19.12.2007, a.a.O., S. 319).
IV.
71 Die Klage ist begründet, soweit der Kläger Auskunft über die Namen der an dem
Verfahren ... des Amtsgerichts ... beteiligten Schöffen begehrt. Der Kläger hat nach § 4
Abs. 1 LPressG einen Anspruch, dass der Beklagte Auskunft über diese Namen erteilt.
Hinderungsgründe nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPressG bestehen nicht. Die entgegenstehende
Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts ... vom 25.05.2010 ist insoweit rechtswidrig
und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO (1.). Im Übrigen,
hinsichtlich der Name des Staatsanwalts und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ist
die Klage hingegen unbegründet, weil ein Anspruch des Klägers auf Auskunft über diese
Namen nicht besteht. Die Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts ... vom 25.05.2010
ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz
1 VwGO (2.).
72 1. Nach den oben unter III. 2. a) bb) dargelegten Maßstäben überwiegt hinsichtlich der
Namen der Schöffen das Informationsinteresse des Klägers deren allgemeines
Persönlichkeitsrecht.
73 Schöffen müssen mit einer Wahrnehmung von und einer Berichterstattung über
Gerichtsverhandlungen, an denen sie teilnehmen, stets rechnen. Dadurch ist ihr
allgemeines Persönlichkeitsrecht, das hier in seiner Sozialsphäre betroffen ist, von
vornherein in seiner Schutzintensität herabgesetzt. Der Umstand, dass - wie im
vorliegenden Fall - Verhandlungen vor dem Jugendschöffengericht gegen Jugendliche
nach § 48 Abs. 1 JGG stets nichtöffentlich sind, kommt dabei keine maßgebliche
Bedeutung zu. Denn der Ausschluss der Öffentlichkeit dient nicht dem Schutz der
Persönlichkeitsrechte der Schöffen, sondern dem Schutz des Jugendlichen. Hinzu kommt
die Rechtsstellung der Schöffen im allgemeinen. Sie ist zum einen dadurch geprägt, dass
sie ein Ehrenamt ausüben (§ 31 Abs. 1 Satz 1 GVG) und eine Ablehnung des
Schöffenamts nur aufgrund bestimmter Gründe möglich ist (§ 35 GVG). Zum anderen ist für
das Schöffenamt kennzeichnend, dass die Schöffen ein öffentliches Amt ausüben. Dem
kommt hier Bedeutung zu. Schöffen werden aufgrund von von der Gemeinde aufgestellten
Vorschlagslisten gewählt, die nach § 36 Abs. 3 Satz 1 GVG in der Gemeinde eine Woche
lang zu jedermanns Einsicht aufzulegen sind. Die Tage der ordentlichen Sitzungen des
Schöffengerichts werden gemäß § 45 Abs. 1 GVG für das ganze Jahr im Voraus
festgelegt. Die Reihenfolge, in der die Hauptschöffen an den einzelnen ordentlichen
Sitzungen des Jahres teilnehmen, wird durch Auslosung in öffentlicher Sitzung des
Amtsgerichts bestimmt (§ 45 Abs. 2 Satz 1 GVG). Aufgrund dieser Auslosung in
öffentlicher Sitzung steht im Regelfall fest, an welchen ordentlichen Sitzungstagen welche
Schöffen an den Sitzungen teilnehmen. Ein Einsichtsrecht in die Schöffenliste besteht
jedenfalls für den Verteidiger zur Prüfung der Besetzung des Gerichts in einem konkreten
Verfahren (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 222a StPO, Rn. 23, § 44 GVG Rn. 3),
nach einer weitergehenden Ansicht sogar für jedermann (vgl. Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl.,
§ 45 Rn. 24; Hannich, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl., § 45 GVG Rn. 11). Aus
diesen Gründen wird auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Schöffen durch ihr
durch Art. 2 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht
entscheidend verstärkt.
74 Es ist aus den unter III. 2. a) bb) (7) genannten Gründen voraussichtlich nicht zu erwarten,
dass die Schöffen bei einer Veröffentlichung unter Namensnennung gleichsam an den
Pranger gestellt oder stigmatisiert würden oder sonst ein Persönlichkeitsschaden zu
befürchten wäre, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit
steht.
75 Die das Informationsinteresse des Klägers vor allem ausmachende Frage, ob der im
streitigen Strafverfahren Verurteilte eine unangemessen harte Bestrafung erfahren hat, ist,
wie bereits dargelegt, eine Frage, die die Öffentlichkeit wesentlich angeht. Diesem
Informationsinteresse ist der Beklagte zwar bereits dadurch ganz überwiegend
nachgekommen, dass der Kläger eine anonymisierte Fassung des begehrten Urteils und
den Namen der hierfür zuständigen Berufsrichterin erfahren hat. Die Namen der Schöffen
können jedoch zusätzlich einen eigenen Informationswert für die Erörterung der
Angelegenheit in der Öffentlichkeit haben. Die Namensnennung ist für das Verständnis
des Falls nicht unwesentlich. Die Schöffen haben bei der Entscheidung des Gerichts
dasselbe Stimmrecht wie der Berufsrichter. Sie verantworten die getroffene Entscheidung
in derselben Weise wie der Berufsrichter. Das Interesse zu erfahren, wer für die hier
streitige Entscheidung und insbesondere für die Strafzumessung im vorliegenden Fall die
Verantwortung trägt, und ggfs. eine bestimmte Strafzumessungspraxis eines
Spruchkörpers zu erörtern, ist daher notwendig auf die Kenntnis der Identität der
urteilenden Personen gerichtet. Dieses durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte
Informationsinteresse überwiegt daher ohne das Hinzutreten besonderer Umstände
regelmäßig das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Schöffen.
76 Die Sache ist insoweit spruchreif i.S.v. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Angesichts der
umfassenden Abwägung der maßgeblichen Belange und des Überwiegens des
Informationsinteresses des Klägers ist für Ermessenserwägungen, die zu einer
Verweigerung der Auskunft führen könnten, kein Raum mehr. Nur die Entscheidung, über
die Namen der Schöffen Auskunft zu erteilen, ist hier ermessensgerecht.
77 2. Nach den oben unter III. 2. a) bb) dargelegten Maßstäben überwiegt hinsichtlich der
Namen des Staatsanwalts und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle deren
allgemeines Persönlichkeitsrecht das Informationsinteresse des Klägers. Ein
Auskunftsanspruch nach § 4 Abs. 1 LPresseG besteht folglich nicht, da der
Hinderungsgrund des § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPressG entgegensteht und - wie oben unter III. 2.
a) bb) (8) ausgeführt - Ermessensfehler nicht ersichtlich sind. Ein Auskunftsanspruch ergibt
sich aus den unter II. 2. b) bis d) dargelegten Gründen auch nicht aus einer anderen
Rechtsgrundlage.
78 Staatsanwälte und Urkundsbeamte der Geschäftsstelle müssen mit einer Wahrnehmung
von und einer Berichterstattung über Gerichtsverhandlungen, an denen sie teilnehmen,
stets rechnen. Dadurch ist ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht, das hier in seiner
Sozialsphäre betroffen ist, von vornherein in seiner Schutzintensität herabgesetzt. Es ist
aus den o.g. Gründen voraussichtlich auch nicht zu erwarten, dass sie bei einer
Veröffentlichung unter Namensnennung gleichsam an den Pranger gestellt oder
stigmatisiert würden oder sonst ein Persönlichkeitsschaden zu befürchten wäre, der außer
Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht.
79 Die das Informationsinteresse des Klägers vor allem ausmachende Frage, ob der im
streitigen Strafverfahren Verurteilte eine unangemessen harte Bestrafung erfahren hat, ist,
wie bereits dargelegt, eine Frage, die die Öffentlichkeit wesentlich angeht. Diesem
Informationsinteresse ist der Beklagte jedoch bereits dadurch ganz überwiegend
nachgekommen, dass der Kläger eine anonymisierte Fassung des begehrten Urteils und
den Namen der hierfür zuständigen Berufsrichterin erfahren hat. Zudem hat der Kläger
Anspruch auf Auskunft über die Namen der Schöffen. Die Namen des Staatsanwalts und
des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle haben jedoch keinen eigenen Informationswert
für die Erörterung der Angelegenheit in der Öffentlichkeit. Die Na-mensnennung ist
insoweit für das Verständnis des Falls nicht wesentlich. Der Staatsanwalt trägt zum
Ausgang des Verfahrens allenfalls mittelbar bei. Die Tätigkeit des Urkundsbeamten der
Geschäftsstelle besteht allein darin, das Protokoll über die Hauptverhandlung
aufzunehmen. Beide Beteiligte tragen daher keine Verantwortung für das streitige Urteil.
Aus welchen Gründen hier ein ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht überwiegendes
Informationsinteresse des Klägers bestehen soll, ist weder dargelegt noch ersichtlich
V.
80 Die Kostenentscheidung folgt aus § 161 Abs. 2, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Es entspricht
billigem Ermessen, hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten
Auskunftsanspruchs die Kosten dem Kläger aufzuerlegen, da aufgrund der Auskunft über
den Namen der Berufsrichterin im Verwaltungsverfahren für eine Klageerhebung insoweit
kein Anlass bestand.
81 Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Die Frage, ob das Auskunftsbegehren eines Presseorgans einer gesonderten Begründung
bedarf, um zu einem Überwiegen des Auskunftsinteresses der Presse gegenüber dem
allgemeinen Persönlichkeitsrecht der betroffenen Verfahrensbeteiligten zu kommen, ist
entgegen der Auffassung des Klägers nicht von grundsätzlicher Bedeutung; sie ist, wie
ausgeführt, in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der
Verwaltungsgerichte bereits geklärt. Von fallübergreifender Bedeutung und noch nicht
geklärt ist jedoch die Frage, welches Gewicht dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht von
Verfahrensbeteiligten, die an einer Gerichtsverhandlung teilgenommen haben, zukommt
und ob dabei der Umstand maßgeblich zu berücksichtigen ist, inwieweit diese
Verantwortung für eine ergangene Gerichtsentscheidung haben.
82 Soweit das Verfahren eingestellt und hinsichtlich des eingestellten Teils über die Kosten
nach § 161 Abs. 2 VwGO entschieden wurde, ist das Urteil unanfechtbar. Im Übrigen gilt
folgende
83
Beschluss vom 11. September 2013
84 Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52
Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
85 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).