Urteil des VG Stuttgart vom 30.07.2014

VG Stuttgart: regierung, erfüllung, datensicherung, postfach, sicherstellung, anschlussberufung, wiederherstellung, freies ermessen, zweckänderung, juristische person

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 30.7.2014, 1 S 1352/13
Leitsätze
1. Die Kenntnis personenbezogener Daten ist im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG für die
Erfüllung der Aufgaben der speichernden Stelle noch erforderlich, wenn entweder die Kenntnis
notwendig ist zur Erfüllung des Zwecks, zu dem die Daten im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 2 LDSG
oder § 15 Abs. 4 LDSG gespeichert wurden, oder die Kenntnis erforderlich ist für die Erfüllung
eines anderen Zwecks als desjenigen, der der Datenspeicherung zugrunde lag, und dies gemäß
§ 15 Abs. 3 LDSG keine Zweckänderung im Rechtssinne ist oder diese Zweckänderung nach §
15 Abs. 2 LDSG zulässig ist. Liegt keine dieser Voraussetzungen vor, hat der Betroffene einen
Löschungsanspruch nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG.
2. Eine Wiederherstellung der Originaldateien aus der Sicherungskopie heraus ist von den
Zwecken der Datensicherung und des ordnungsgemäßen Betriebs einer
Datenverarbeitungsanlage i.S.d. § 15 Abs. 4 LDSG nicht mehr gedeckt und daher unzulässig,
wenn der Zweck, zu dem die Originaldateien nach § 15 Abs. 1 LDSG gespeichert wurden,
inzwischen weggefallen ist und daher nicht mehr erfüllt werden kann (Zweckerreichung).
3. Dem datenschutzrechtlichen Löschungsanspruch des Betroffenen nach § 23 Abs. 1 Nr. 2
LDSG kann im Einzelfall der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen,
wenn der Betroffene seinerseits offenkundig und schwerwiegend gegen eine gegenüber der die
Daten speichernden Stelle bestehende Pflicht oder Obliegenheit verstoßen hat, die im
sachlichen Zusammenhang mit der Speicherung der zu löschenden Daten steht.
4. Der Grundsatz der Organtreue zwischen Verfassungsorganen begründet keine
nachwirkenden Pflichten ehemaliger Verfassungsorgane.
5. Auch nach § 23 Abs. 1 LDSG zu löschende Daten sind vor der Löschung dem zuständigen
Archiv nach Maßgabe der §§ 3, 7, 8 LArchG zur Übernahme anzubieten.
Tenor
Die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27.05.2013 - 2 K 3249/12 -werden zurückgewiesen.
Die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu ¼ und der Beklagte zu ¾.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Der Kläger, der bis Mai 2011 Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg war,
begehrt die Löschung von kopierten Daten aus seinem ihm vom Staatsministerium zur
Verfügung gestellten E-Mail-Postfach.
2 Bei den vom Staatsministerium für seinen E-Mail-Verkehr genutzten Produkten (beim
Server „Microsoft Exchange“ und im Clientbereich „Microsoft Outlook“) ist systembedingt
jede E-Mail-Adresse Bestandteil einer Datenbank. Dort werden die eingehenden E-Mails
in dem Postfach der E-Mail-Adresse gespeichert. Startet der Anwender auf seinem (Client-
) PC das Programm Outlook, findet eine Synchronisation zwischen dem Exchange-Server
und dem Outlook-Client-PC statt. Die Daten des Postfaches werden dabei in eine OST-
Datei kopiert. Diese OST-Datei liegt üblicherweise auf dem PC des Anwenders. Durch
das Verschieben einer E-Mail in den Ordner „gelöschte Objekte“ auf dem Client-PC und
dessen Leerung können die E-Mails im Postfach durch den Anwender gelöscht werden.
Auf dem Server werden diese E-Mails dadurch zunächst nicht direkt physikalisch gelöscht,
aber als gelöscht gekennzeichnet. Der Server ist so eingestellt, dass die als gelöscht
gekennzeichneten E-Mails innerhalb von sieben Tagen nach dem Löschen durch den
Anwender wiederhergestellt werden können. Danach werden sie automatisch auf den
Servern des Staatsministeriums gelöscht. Daneben bleiben die auf einem Server im
Staatsministerium gelöschten Daten noch 30 Tage in einem Ausfallrechenzentrum in
Oberreichenbach gespeichert. Die Löschung der Daten im Ausfallrechenzentrum erfolgt
automatisch mit Ablauf der 30-Tage-Frist. Anschließend ist eine im Postfach gelöschte E-
Mail nur noch verfügbar, wenn sie zuvor durch den Anwender in einer sogenannten PST-
Datei archiviert wurde. Eine elektronische Langzeit-Speicherung gelöschter Mails ist nicht
vorgesehen.
3 Für den Kläger wurde mit einem von seinem Büroleiter „i. A.“ am 11.02.2010
unterschriebenen Antragsformular beantragt, den Internetzugang auf seinem Arbeitsplatz-
PC freizuschalten. Das Formular enthält unter anderen den Text: "Ich benötige den
Zugang ausschließlich für dienstliche Zwecke. Mir ist bekannt, dass die Verbindung zum
Internet aus Sicherheitsgründen protokolliert wird und bei Bedarf ausgewertet werden
kann. Die Sicherheitshinweise auf der Rückseite dieses Antrags habe ich zur Kenntnis
genommen." In diesen Sicherheitshinweisen ist unter anderem angeführt: „Der
Internetzugang auf den Arbeitsplatz-PCs des Staatsministeriums wurde ausschließlich zu
dienstlichen Zwecken eingerichtet. Die private Nutzung ist untersagt…Der gesamte
Datenverkehr auf der Firewall des Staatsministeriums muss zur Sicherheit protokolliert
werden. Nur auf diese Weise können unerlaubte Zugriffe oder Angriffe auf das Netz des
Staatsministeriums identifiziert werden.“ Eine gesonderte Regelung zum Umgang mit den
E-Mail-Accounts im Staatsministerium gab es nicht. Eine Kontrolle der Privatnutzung fand
nicht statt. Die private IT-Nutzung durch die Mitarbeiter wurde stillschweigend geduldet.
4 Die E-Mail-Accounts der Bediensteten des Staatsministeriums ordnet das IT-Referat des
Staatsministeriums dem "Persönlichkeitsbereich" zu. Daraus folge, dass allein der Nutzer
des Postfachs entscheide, welche E-Mails er ausdrucke und den Akten beifüge. Auch die
Löschung von Postfachinhalten bleibe im Grundsatz allein dem Nutzer vorbehalten.
5 Für die Aktenführung im Staatsministerium wird grundsätzlich die „Gemeinsame
Anordnung der Ministerien über die Verwaltung des Schriftguts der Behörden,
Dienststellen und sonstigen Einrichtungen des Landes (AnO Schriftgut)“ vom 22.12.2005
angewandt. Danach umfasst das Schriftgut alle aus der Verwaltungstätigkeit anfallenden
Dokumente und ihre Anlagen. Schriftgut ist vor Verlust, Beschädigung und unbefugtem
Zugang sowie vor Änderung des Inhalts zu schützen. Dokumente werden mit einem
Aktenzeichen registriert.
6 Im Sommer/Herbst 2010 meldete das Büro des Klägers bei der IT-Abteilung des
Staatsministeriums technische Probleme mit dem elektronischen Terminkalender des
„Outlook“-Postfachs. Zur Klärung der Probleme beauftragte der IT-Bereich des
Staatsministeriums die Firma ... mit der Fehlersuche. Für die Koordinierung wurde zudem
das Informatikzentrum des Landes (IZLBW) eingeschaltet. Im Oktober/November 2010
erstellte ein mit Administratorrechten ausgestatteter Mitarbeiter des IT-Bereichs eine Kopie
des auf dem Server des Staatsministeriums liegenden und dem Kläger zugewiesenen
Original-Postfachs. Nachdem die Überprüfung durch die Firma ... im Dezember 2010
abgeschlossen war und der Fehler nicht hatte gefunden werden können, blieben die
kopierten Daten weiter gespeichert. Die kopierten Postfach-Daten sollten nach Angaben
des Beklagten vorgehalten werden, um sie bei einem erneuten Auftreten des Fehlers mit
den neueren Postfach-Daten des Klägers oder fehlerbehafteten Postfach-Daten anderer
Mitarbeiter vergleichen zu können.
7 Die beiden Original-E-Mail-Accounts des Klägers (......@stm.bwl.de und ...@stm.bwl.de)
wurden nach dem Regierungswechsel auf dem Server des Staatsministeriums gelöscht.
Die endgültige Löschung im Ausfallrechenzentrum erfolgte durch das Überschreiben der
Datenbank nach 30 Tagen. Die Festplatte aus dem PC des Klägers wurde diesem
ausgehändigt.
8 Die kopierten Dateien waren zunächst auf einem Server im Staatsministerium gespeichert.
Der Festplattenbereich war nur für den mit Administratorrechten ausgestatteten Mitarbeiter
... und für seinen Vertreter zugänglich und wurde seit Dezember 2010 mit einem
Zeitstempel versehen. Mit einem solchen Zeitstempel wird jeder Zugriff auf die Daten
dokumentiert. Bislang fand seitens des Staatsministeriums weder eine Sichtung noch eine
sonstige Nutzung der Dateien statt. Der Zeitstempel steht unverändert auf Dezember 2010.
9 Im Sommer 2012 wurde das Staatsministerium auf die kopierten Dateien wieder
aufmerksam. In einem Vermerk vom 23.08.2012 heißt es, man sei auf eine versehentlich
nicht gelöschte Arbeitskopie des Postfaches von MP a.D. ... gestoßen, die am 20.10.2010
aufgrund von technischen Störungen zur Überprüfung durch eine externe Firma angelegt
worden sei. In einem weiteren Vermerk vom 05.09.2012 ist ausgeführt, dieser Umstand sei
in Vergessenheit geraten.
10 Am 30.08.2012 durchsuchte die Staatsanwaltschaft Stuttgart auf der Grundlage eines
Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Stuttgart die Amtsräume des
Staatsministeriums. Dabei stellte sie die Kopien des E-Mail-Postfachs des Klägers mithilfe
einer forensischen Software vollständig sicher; sie befinden sich ausweislich eines
Schreibens der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 10.09.2012 auf einem Datenträger des
mit der weiteren Sichtung nach § 110 Abs. 1 StPO beauftragten Landeskriminalamts
Baden-Württemberg. Hierüber unterrichtete die Staatsanwaltschaft die Bevollmächtigten
des Klägers mit Schreiben vom 10.09.2012. Sie teilte weiter mit, die
„Outlookexportdateien“ seien vorläufig sichergestellt worden, da eine sorgfältige Sichtung
und Trennung der Daten am Durchsuchungsort nicht möglich gewesen sei. Die Dateien
befänden sich auf einem Datenträger des Landeskriminalamts. In der Folgezeit wertete die
Staatsanwaltschaft die Kopien des E-Mail-Postfachs für ihre Ermittlungen aus.
11 Mit Anwaltsschreiben vom 12.09.2012 begehrte der Kläger vom Staatsministerium
Auskunft, ob sich nach der Sicherstellung der Staatsanwaltschaft die Dateien
beziehungsweise Kopien dieser Dateien noch im Besitz des Staatsministeriums befänden.
Der Beklagte teilte mit Schreiben vom 17.09.2012 dem Rechtsanwalt des Klägers mit,
dass im Staatsministerium Dateien mit „Arbeitskopien“ des Outlook-Postfachs des Klägers
existierten, und bat um eine Einwilligung des Klägers in die Sichtung der Kopien, um
private von dienstlichen Dateien zu trennen. Mit Anwaltsschreiben vom 19.09.2012
verweigerte der Kläger seine Einwilligung und forderte das Staatsministerium auf, die
Dateien unverzüglich zu löschen. Dies lehnte das Staatsministerium mit Schreiben vom
27.09.2012 ab. Mit Anwaltsschreiben vom 18.10.2012 ließ es ergänzend mitteilen, die
Daten könnten mit großer Wahrscheinlichkeit auch dienstliche Unterlagen enthalten.
Daher werde vorgeschlagen, gemeinsam eine Trennung von privaten und dienstlichen
Daten vorzunehmen. Diesen Vorschlag ließ der Kläger mit Anwaltsschreiben vom
30.10.2012 mit der Begründung ablehnen, dass sämtliche vom Staatsministerium
gespeicherten Daten personenbezogen seien.
12 Am 03.12.2012 verlagerte die Firma ... ... im Auftrag des Staatsministeriums die auf dem
Server des Staatsministeriums liegenden Dateien in einen sogenannten „Datentresor“.
Dieser „Tresor“ ist mit einem Passwort vor Zugriffen geschützt. Um diesen „Datentresor“
vor Verlust zu schützen, wurde er noch auf einen dem Staatsministerium zugewiesenen
Serverbereich im Informatikzentrum des Landes Baden-Württemberg (IZLBW) kopiert.
Zusätzlich wurden die Daten von der Firma ... ... auf einen externen Datenträger überspielt.
Dieser Datenträger befindet sich in einem verschweißten Beutel in einem Tresor des
Staatsministeriums. Das Passwort befindet sich in einem verschlossenen Umschlag in
einem weiteren Tresor. Die auf dem Server im Staatsministerium befindlichen Kopien des
Postfaches wurden sodann gelöscht. Bei diesen Maßnahmen wurde keine Einsicht in die
Daten genommen.
13 Der Kläger erhob am 15.10.2012 beim Verwaltungsgericht Stuttgart, das den Rechtsstreit
nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 06.11.2012 an das Verwaltungsgericht
Karlsruhe verwies, Klage auf Löschung der Dateien, hilfsweise auf Löschung nach
Anbieten als Archivgut gegenüber dem Landesarchiv, weiter hilfsweise auf
Neubescheidung. Zur Begründung machte er geltend, er habe gegen den Beklagten einen
Anspruch auf Löschung der Daten nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG. In den E-Mails seien
personenbezogene Daten im Sinne des § 3 Abs. 1 LDSG enthalten. Das Nutzen der
Daten für andere Zwecke als den der Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebs der
Datenverarbeitungsanlage sei nach § 15 Abs. 4 LDSG unzulässig. Demgemäß könnten
die Daten auch nicht mehr erforderlich im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG sein. Die E-
Mail-Kommunikation unterliege zudem dem Fernmeldegeheimnis und damit § 88 TKG. §
23 Abs. 3 LDSG, wonach vor einer Löschung die Daten dem Archiv zur Übernahme
anzubieten seien, stehe seinem Begehren nicht entgegen. Die Daten seien seinem
Persönlichkeitsbereich zuzuordnen und vollständig privat. Archivgut Privater könne das
Landesarchiv nur mit deren Einvernehmen erfassen, und seine Zustimmung gebe er nicht.
Jedenfalls sei die Archivierung nur unter der Prämisse einer Abschottung der Daten nach
§ 4 LArchG unter Wahrung der Sperrfristen gemäß § 6 Abs. 2 LArchG zulässig. Spätestens
nach dem Anbieten gegenüber dem Landesarchiv habe der Beklagte die Daten zu
löschen.
14 Der Beklagte trat der Klage entgegen. Der Kläger habe keinen Löschungsanspruch. Die
Speicherung der streitgegenständlichen Dateien sei zulässig. Sowohl die Speicherung
der Dateien als auch deren Nutzung seien zur Erfüllung der dem Staatsministerium
obliegenden Aufgaben erforderlich. Da der Kläger seine dienstliche E-Mail-
Korrespondenz nicht vollständig zu den Sachakten genommen habe und der Verlauf der
Vertragsverhandlungen im Zusammenhang mit dem Ankauf der Anteile der EnBW von der
EdF nach wie vor in weiten Teilen nicht geklärt sei, bedürfe es einer Auswertung des E-
Mail-Postfachs im Hinblick auf das vor der Internationalen Handelskammer in Paris
anhängige Schiedsverfahren des Landes gegen die EdF, etwaige
Schadensersatzansprüche des Landes nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und ein
Akteneinsichtsgesuch zweier Privatpersonen nach dem Landesumweltinformationsgesetz,
das sich unter anderem auch auf die Sicherungskopien beziehe. Weiter seien die
Sicherungskopien Gegenstand einer Landtagsanfrage (LT-Drucks. 15/2640) gegenüber
dem Staatsministerium gewesen. Die Staatsanwaltschaft lehne eine Akteneinsicht des
Landes bislang unter Hinweis auf § 406e Abs. 2 StPO ab. Auf § 88 TKG könne sich der
Kläger nicht berufen, ebensowenig auf § 15 Abs. 4 LDSG. Der Zweck der Datensicherung
umfasse auch die Wiederherstellung verloren gegangener Datenbestände. Sowohl die
jetzige Speicherung als auch eine spätere Durchsicht und Entnahme einzelner E-Mail-
Nachrichten zur Vervollständigung der Sachakten halte sich damit im Rahmen der
ursprünglich verfolgten Zwecksetzung. § 15 Abs. 4 LDSG wolle nur zweckändernde
Maßnahmen und eine nachfolgende Datennutzung gegenüber Bediensteten
ausschließen. Der Kläger sei aber gerade kein Bediensteter im datenschutzrechtlichen
Sinne gewesen. Die beabsichtigte Datenverwendung sei gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 4 LDSG
gerechtfertigt. Es bestünden tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger entgegen
seinen Angaben seinen Dokumentationspflichten nicht nachgekommen sei. Zudem sei §
23 Abs. 3 LDSG zu beachten. Archivwürdige Daten unterlägen nicht der Löschungspflicht
des § 23 LDSG.
15 Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 27.05.2013 den Beklagten verpflichtet, die
Dateien mit „Arbeitskopien“ des Outlook-Postfachs des Klägers ...PST_20101116,
...PST_20101117 und ... ...PST_20101117_DUMPSTER sowie sämtliche Kopien dieser
Dateien zu löschen, nachdem diese nach Maßgabe des § 3 LArchG dem Landesarchiv zur
Übernahme als Archivgut angeboten worden sind, und im Übrigen die Klage abgewiesen
(vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 27.05.2013 - 2 K 3249/12 - NVwZ-RR 2013, 428). Der Kläger
habe nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG einen Anspruch auf Löschung dieser Dateien,
nachdem die Daten nach Maßgabe des § 3 LArchG dem Landesarchiv zur Übernahme als
Archivgut angeboten worden seien. Es handele sich um personenbezogene Daten i.S.v. §
3 Abs. 1 LDSG. Denn die E-Mail-Postfach-Daten des Klägers beträfen Einzelangaben
über dessen sachliche Verhältnisse, nämlich seine Kommunikation mit Dritten. Für das
Staatsministerium als speichernde Stelle sei die Kenntnis der Daten zur Erfüllung ihrer
Aufgaben nicht mehr erforderlich, da die Daten ausschließlich zum Zweck der
Datensicherung beziehungsweise zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs
einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert worden seien und der konkrete
Sicherungszweck mittlerweile entfallen sei (§ 15 Abs. 4 LDSG). Es könne offen bleiben, ob
der Tatbestand des § 15 Abs. 2 Nr. 4 LDSG im Hinblick auf die Dokumentationspflichten
des Klägers, einer anderen Variante des § 15 Abs. 2 LDSG oder gar des § 15 Abs. 1
LDSG erfüllt sei, denn diese Bestimmungen würden von der Spezialvorschrift des § 15
Abs. 4 LDSG verdrängt. Diese Norm sei anwendbar. Der Satzteil „gegenüber
Bediensteten“, aus dem der Beklagte die Unanwendbarkeit der Norm herleite, beziehe
sich lediglich auf den voranstehenden, die strikte Zweckbindung relativierenden Inhalt
„und hiermit in Zusammenhang stehende(n) Maßnahmen“. Die in § 15 Abs. 4 LDSG
angelegte strikte Zweckbindung im Übrigen bleibe von dem Zusatz „gegenüber
Bediensteten“ unberührt. Die E-Mail-Postfach-Daten seien zu dem Zweck kopiert worden,
die Kopie vorzuhalten, um einen möglichen Datenverlust im Rahmen der Arbeiten zur
Behebung der vom Büro des Klägers gemeldeten Probleme zu vermeiden und außerdem
um technischen Problemen der vom Büro des Klägers gemeldeten Art mit dem Outlook-
Kalendersystem wirksam entgegentreten zu können. Die E-Mail-Postfach-Daten des
Klägers stellten - in der im Herbst 2010 kopierten Form - daher personenbezogene Daten
dar, die ausschließlich zum Zweck der Datensicherung beziehungsweise zur
Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage
gespeichert worden seien. Folglich scheide eine weitere Speicherung für den von dem
Beklagten nunmehr genannten Zweck aus. Zwar solle bei einer dem Tatbestand des § 15
Abs. 4 LDSG unterfallenden Sicherungskopie die Wiedergewinnung eines gesicherten
Datenbestandes zu den nach § 15 Abs. 4 LDSG erlaubten Zwecken gehören. Dies könne
aber nur insoweit gelten, als es gerade zu dem konkreten Datenverlustereignis gekommen
sei, für dessen Eintritt die Sicherungskopie erstellt worden sei. Darum gehe es bei der
„Wiedergewinnung“ der in der Kopie enthaltenen Daten nun nicht mehr, da es weder bei
den Arbeiten zur Behebung der vom Büro des Klägers gemeldeten Probleme zu
Datenverlusten gekommen sei noch der Beklagte die Daten weiter benötige, um
technischen Problemen der vom Büro des Klägers gemeldeten Art mit dem Outlook-
Kalendersystem wirksam entgegentreten zu können. Es sei auch ausgeschlossen, die
Daten im Hinblick auf die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße des Klägers
auszuwerten, denn eine Verwendung sei insoweit nur für datenschutzspezifische Zwecke,
also etwa zur Aufdeckung der Verletzung von Datenschutzbestimmungen bei den
Maßnahmen zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs der
Datenverarbeitungsanlage, zulässig. Zu einer Nichtanwendung der strikten Zweckbindung
des § 15 Abs. 4 LDSG könnte man nur dann kommen, wenn man annähme, § 15 Abs. 4
LDSG setze voraus, dass zu den in der Bestimmung genannten Zwecken neue Daten
generiert würden, die inhaltlich, das heißt nach ihrem geistigen Gehalt, über den schon
zuvor vorhandenen Datenbestand hinausgingen. Daran fehle es hier. Mit der Kopie seien
keine neuen inhaltlichen Informationen erzeugt worden; vielmehr habe sich der Vorgang in
der reinen Vervielfältigung vorhandener Daten erschöpft.
16 Auf § 88 TKG könne sich der Kläger allerdings nicht berufen. Die Norm wolle allein das
Fernmeldegeheimnis des Art. 10 Abs. 1 GG schützen, dessen Schutzbereich nicht
betroffen sei. Es handele sich bei den E-Mails nicht um Kommunikationsinhalte, die der
Beklagte während des Kommunikations- oder Übertragungsvorgangs ohne Wissen und
Wollen der Kommunikationsteilnehmer datenmäßig erfasst und gespeichert
beziehungsweise in anderer Weise verarbeitet habe. Zudem sei der Beklagte gegenüber
dem Kläger kein Diensteanbieter im Sinne des § 88 TKG.
17 § 36 Abs. 1 LDSG sei auf den Kläger bereits nicht anwendbar, weil er zu keiner Zeit in ein
„Dienst- oder Arbeitsverhältnis“ bei dem Beklagten eingetreten gewesen sei. Kein
Hindernis für das Löschungsbegehren des Klägers bilde die Tatsache, dass zwei
Personen beim Staatsministerium einen Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen
gestellt hätten, der sich auch auf die im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen E-
Mail-Daten beziehe. Der in § 15 Abs. 4 LDSG verankerten strikten Zweckbindung gebühre
der Vorrang vor dem im Landesumweltinformationsgesetz geschützten
Erhaltungsinteresse an den Daten. Dies gelte jedenfalls deshalb, weil noch nicht einmal
feststehe oder konkrete Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die E-Mail-Postfachdaten
überhaupt Umweltinformationen im Sinne von § 3 Abs. 1, 2 i.V.m. § 2 Abs. 3 UIG
enthielten.
18 Dem Löschungsanspruch stehe dem Grunde nach auch nicht § 23 Abs. 3 LDSG entgegen,
wonach vor einer Löschung die Daten dem zuständigen Archiv nach Maßgabe der §§ 3, 7
und 8 LArchG zur Übernahme anzubieten seien. Die Absicht zum Anbieten der Daten
gegenüber dem Landesarchiv sei keine Zwecksetzung, die die Kenntnis der Daten für die
speichernde Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG
„erforderlich“ machen könne. § 23 Abs. 3 LDSG befasse sich gerade mit nicht mehr
benötigten, an sich löschungsreifen Daten und hindere weder behördliche
Löschungsvorhaben noch Löschungsansprüche von Betroffenen.
19 Das Archivrecht modifiziere allerdings den Umfang des klägerischen Anspruchs dahin,
dass die streitgegenständlichen Dateien erst zu löschen seien, nachdem sie nach
Maßgabe des § 3 LArchG dem Landesarchiv zur Übernahme als Archivgut angeboten
worden seien. Es handele sich bei den Daten nicht um „Archivgut eines Privaten“, das
gemäß § 2 Abs. 3 LArchG nur mit Einvernehmen des Klägers dem Landesarchiv
überantwortet werden könne. Die Vorschrift erfasse nur Daten „aus privater Hand“, nicht
hingegen Daten wie die streitgegenständlichen, die vom Staatsministerium und damit von
einer Behörde übernommen werden könnten. Vor einer Löschung seien die
streitgegenständlichen E-Mail-Postfachdaten dem zuständigen Archiv nach Maßgabe der
§§ 3, 7, 8 LArchG zur Übernahme anzubieten und somit nach Maßgabe des Archivrechts
auch zu archivieren. Weder § 15 Abs. 4 LDSG noch sonstige Bestimmungen des
einfachen wie auch des Verfassungsrechts bewirkten, dass der dem Grunde nach
gegebene Löschungsanspruch des Klägers auch eine Archivierung der Daten hindere. Im
Verhältnis zwischen Archivrecht und allgemeinem Datenschutzrecht sei in Baden-
Württemberg von einem „Vorrang des Archivrechts“ - den auch das Bundesrecht kenne -
auszugehen. Das Archivrecht enthalte eigene, ausreichende Vorkehrungen zum
Datenschutz. Das genannte Vorrangverhältnis ergebe sich aus Wortlaut und Systematik
von § 23 LDSG. Denn vor einer Löschung seien Daten nach § 23 Abs. 3 LDSG - ohne
dass das Landesdatenschutzgesetz irgendeine Einschränkung dieser Verpflichtung
vorsehe - dem zuständigen Archiv nach Maßgabe der §§ 3, 7, 8 LArchG zur Übernahme
anzubieten. Grenzen für den archivrechtlichen Umgang mit Unterlagen, die
datenschutzrechtlich „an sich“ zu löschen wären, ergäben sich somit ausschließlich aus
dem Landesarchivgesetz, das allerdings in einer verfassungskonformen, insbesondere
dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Betroffener Rechnung tragenden Weise
auszulegen und anzuwenden sei. Es scheide aus, dass es von vornherein im Sinne von §
3 Abs. 1 Satz 3 LArchG schutzwürdige Belange des Klägers „nicht angemessen
berücksichtigen würde“, wenn der Beklagte dem Landesarchiv Daten aus dem kopierten
E-Mail-Postfach des Klägers auch nur anbieten würde. Vor der Übernahme in das Archiv
könnten Maßnahmen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte durchgeführt
beziehungsweise festgelegt werden, wie etwa eine (Teil-)Anonymisierung.
Schutzvorkehrungen für das Persönlichkeitsrecht seien in § 4 und § 6 LArchG und in der
Landesarchivbenutzungsordnung vorgesehen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen
dieses Ergebnis bestünden nicht. Das Landesarchiv Baden-Württemberg habe bei der
Heranziehung des Landesarchivgesetzes dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des
Klägers insbesondere in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle
Selbstbestimmung Rechnung zu tragen. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG schütze
insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und
innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart würden. Träger des
Grundrechts seien auch Amtsträger, und zwar nicht nur für Informationen mit privatem,
sondern auch für solche mit amtsbezogenem Inhalt. Der Kläger sei insbesondere nicht
rechtsschutzlos, was den Umgang des Landesarchivs mit übergebenen Unterlagen
angehe. Etwaige Verstöße gegen Bestimmungen, die das Landesarchivgesetz zu seinem
Schutz vorsehe, könne er im Verwaltungsrechtsweg abwehren. Weiter komme dem Kläger
der Schutz des § 3 Abs. 2 Satz 3 LArchG zugute.
20 Gegen das ihm am 31.05.2013 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Beklagte
am 28.06.2013 (Posteingang) die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung
eingelegt, mit der er die vollumfängliche Klageabweisung erstrebt, und am 29.07.2013 die
Berufungsbegründung eingereicht. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Löschung der
streitgegenständlichen Dateien nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 LDSG. Die Speicherung der
Daten sei zulässig. Die Speicherung der Daten und deren Nutzung seien zur Erfüllung der
dem Staatsministerium obliegenden Aufgaben erforderlich. Für den Begriff "Aufgaben der
verantwortlichen Stelle" im Sinne des § 15 LDSG sei nicht auf diejenige
Organisationseinheit einer Behörde abzustellen, die die Daten tatsächlich speichere, wie
z.B. die IT-Abteilung oder das Rechenzentrum, sondern auf die Behörde oder juristische
Person, der diese Abteilung angehöre. Für die Frage, ob die streitgegenständlichen
Dateien für die Aufgabenerfüllung der verantwortlichen Stelle noch erforderlich seien,
komme es mithin auf den Aufgabenbereich des Staatsministeriums insgesamt an. Davon
zu unterscheiden sei der Begriff des Zwecks der Speicherung im Sinne des § 15 LDSG.
Der Zweck könne enger sein als die Aufgabe, aber niemals über diese hinausgehen. Der
Zweck sei regelmäßig weiter als der konkrete Anlass der Erhebung. Er erschöpfe sich
nicht in der Erledigung des einzelnen Verwaltungsverfahrens. Sowohl die jetzige
Speicherung als auch eine spätere Durchsicht und Entnahme einzelner Dokumente zur
Vervollständigung der Sachakten erfüllten die Voraussetzungen der ursprünglich
verfolgten Zwecksetzung.
21 Das Verwaltungsgericht habe den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 4 LDSG in einer
vom Gesetz nicht beabsichtigten Weise überdehnt. Die im Herbst 2010 durchgeführte
Maßnahme stelle eine Datensicherung im Sinne des § 15 Abs. 4 LDSG dar. Mit dem
Begriff Datenschutzkontrolle/Datensicherung/Sicherstellung eines ordnungsgemäßen
Betriebes sei aber keine subjektive Konkretisierung verbunden, die den Zweck auf den
konkreten Anlass beschränke. Der Zweck der Maßnahme gehe in aller Regel über den
konkreten Anlass hinaus. Ansatzpunkt seien stets die so genannten "Primärzwecke" in
allgemeiner Form, z.B. Zwecke der Datensicherung und/oder der Sicherstellung eines
ordnungsgemäßen Betriebs der Datenverarbeitungsanlage. Diese Primärzwecke sollten
von der verantwortlichen Stelle vor der jeweils beabsichtigten Verarbeitung oder Nutzung
festgelegt werden. Bei unterlassener ausdrücklicher Festlegung im Zeitpunkt der
Maßnahme sei der objektive Zweck maßgeblich. Dieser sei dem erkennbar verfolgten Ziel
zu entnehmen. Eine weitere Detaillierung in Richtung eines konkreten Anlasses, der den
in § 15 Abs. 4 LDSG genannten Zwecken zuzuordnen wäre, habe der Gesetzgeber
bewusst unterlassen. Finde eine Datensicherung aus Anlass vermuteter Gerätestörungen
statt, so sei die Verwendung dieser Sicherung für die Wiederherstellung anderweitig
verlorengegangener Daten nach § 15 Abs. 4 LDSG nicht ausgeschlossen.
22 Die Wiedergewinnung verloren gegangener Originaldaten gehöre selbstverständlich zu
den nach § 15 Abs. 4 LDSG erlaubten Verwendungszwecken. Diene die Maßnahme der
Sicherung bestimmter Datenbestände, so dürften diese bei Verlust über die angefertigten
Sicherungskopien wiederhergestellt und zur Aufgabenerfüllung verwendet werden. Liege
der Erhebung oder Speicherung keine (aufgabenspezifische) Rechtsvorschrift zu Grunde
oder biete diese keinen geeigneten Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des
Verarbeitungszwecks und habe auch der Betroffene keine ausdrückliche Verfügung
getroffen, so seien die verfolgten Zwecke auf der Grundlage eines pragmatischen
Verständnisses des Handelns der öffentlichen Stelle zu bestimmen. Es sei von einer
typischen und sachgerechten Organisation der verantwortlichen Stelle auszugehen.
Aufgabe des IT-Bereichs sei es, die für die Aufgabenerfüllung des Staatsministeriums
erforderlichen Daten zu sichern und die ordnungsgemäße Funktion der
Datenverarbeitungsanlage des Staatsministeriums sicherzustellen. Genau dieser Aufgabe
hätten die im Herbst 2010 bezüglich des klägerischen Accounts durchgeführten
Maßnahmen gedient. Zum Zeitpunkt der Maßnahme habe noch keinerlei Kenntnis der
Ursachen der aufgetretenen Datenverluste existiert. Ein rechtswidriger Zugriff von außen
oder unbefugtes Handeln Dritter hätten im Zeitpunkt der Maßnahme von niemandem
ausgeschlossen werden können. Auch deswegen greife die vom Verwaltungsgericht im
angefochtenen Urteil vertretene enge Festlegung auf bestimmte Verlustszenarien zu kurz.
Durch das Ausscheiden des Klägers aus dem Amt des Ministerpräsidenten sei keine
"Zweckerfüllung" eingetreten. Durch § 15 Abs. 4 LDSG werde nicht ausgeschlossen, dass
die streitgegenständlichen Daten im Sinne ihrer engen Zweckbindung (Sicherungskopie)
zur Herstellung der Originaldateien benutzt würden. Die wiederhergestellten
Originaldateien dürften jedenfalls für diejenigen Zwecke verwendet werden, zu denen sie
der Kläger ursprünglich angelegt habe. Daher halte sich die Aufnahme der Postfachdaten
in bereits vorhandene Sachakten im Rahmen der ursprünglich verfolgten Zwecke und der
wahrgenommenen Aufgaben. Die Befugnis zur Wiedergewinnung der Originaldaten gelte
unabhängig davon, auf welche Weise die Daten verloren gegangen seien. Der Zweck der
Datensicherung umfasse alle Maßnahmen zum Schutz vor Datenverlusten. Hier seien die
Sicherungskopien zum Schutz der Originaldateien angelegt worden. Dass die
Originaldateien hier nicht versehentlich, sondern bewusst und entgegen der dem Kläger
obliegenden Aktenführungspflichten nicht gesichert, sondern gelöscht worden seien, führe
zu der objektiven Feststellung des Verlusts von Daten, die nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 LDSG
zulässigerweise gespeichert werden dürften und aus der Sicht ordnungsgemäßen
nachweisbaren staatlichen Handelns hätten gespeichert werden müssen. Lösche ein
Mitarbeiter einer Behörde ganz bewusst auch solche dienstlichen Daten, die noch zu der
konkreten Aufgabenwahrnehmung benötigt würden, so müsse die betroffene Behörde
befugt sein, auf alle vorhandenen Sicherungskopien zurückzugreifen. Auch die
Datensabotage oder missbräuchliche Nutzung durch eigene Mitarbeiter stelle einen
Datenverlust dar, vor dem Maßnahmen zur Datensicherung schützen sollten.
23 Speziell solche Daten, die im Zusammenhang mit den von dem Beklagten bereits
erstinstanzlich genannten Verfahren stünden, seien für die Aufgabenerfüllung des
Staatsministeriums nach wie vor erforderlich. Das Staatsministerium sei im Hinblick auf
die bereits anhängigen Verfahren verpflichtet zu prüfen, inwieweit die Postfach-Kopien
Dokumente enthielten, die in den entsprechenden Sachakten fehlten. Weder die
Mitarbeiter noch die von den Mitarbeitern selbst zu dienstlichen Zwecken angelegten
dienstlichen Inhalts-Dateien bedürften des vom Verwaltungsgericht angenommenen
weiten Schutzes. Nach dem Sinn und Zweck der Sonderregelung in § 15 Abs. 4 LDSG
solle durch die strikte Zweckbindung lediglich ausgeschlossen werden, dass die aus
Bedürfnissen des Datenschutzes und der Datensicherheit zusätzlich erhobenen
Datenbestände als Informationsgrundlage für andere Zwecke zur Verfügung stünden, weil
dadurch der Einsatz wirksamer Datenschutz- und Sicherungsmethoden indirekt behindert
würde. Mit der Wiederherstellung und dienstlichen Verwendung der zu dienstlichen
Zwecken selbst angelegten oder zu diesem Zweck empfangenen Daten könne und müsse
ein Mitarbeiter aber jederzeit rechnen. Durch die vom Verwaltungsgericht angenommene
Reichweite des § 15 Abs. 4 LDSG werde zugleich das spezielle Regel-Ausnahmeprinzip
des § 15 LDSG in einer vom Gesetz nicht beabsichtigten Weise verengt. Behörden und
Unternehmen wären in einer Vielzahl von Fällen zur Aufgabe ihrer an sich höherrangigen
und berechtigten Interessen gezwungen und letztlich dem Belieben ihrer unbefugt
handelnden Mitarbeiter ausgesetzt, wenn und soweit diese (bewusst) dienstliche
Dokumente vernichteten.
24 Völlig unberücksichtigt habe das Verwaltungsgericht gelassen, dass Sinn und Zweck des
§ 15 Abs. 4 LDSG nicht sei, denjenigen zu schützen, der selbst in rechtswidriger Weise
den Zwecken der Datensicherung zuwidergehandelt habe. Dem Kläger habe während
seiner Amtszeit als Ministerpräsident auch im Hinblick auf die in § 15 Abs. 2 Nr. 5 LDSG
genannten Belange die Pflicht oblegen, solche Daten zu sichern, die in die Sachakten des
Staatsministeriums gehörten. Diese Sicherung sei unterblieben. Aufgrund der von dem
Beklagten vorgelegten E-Mail-Schreiben des Klägers stehe fest, dass dieser z.B. im
Zusammenhang mit dem Erwerb der EnBW-Anteile E-Mail-Schreiben erhalten und
versandt habe, die er nicht zu den Sachakten genommen habe. Die gesamte Anbahnung
des Erwerbs der EnBW-Anteile sei unter Ausschluss der zuständigen Ministerien und ihrer
Ministerialebenen allein über das damalige Ministerpräsidentenbüro des Klägers
vorbereitet und abgeschlossen worden. Die dem Erwerb zu Grunde liegenden
Überlegungen und Informationen seien zwischen den beteiligten Parteien ganz
überwiegend in digitaler Form ausgetauscht worden. Akten im klassischen Sinn seien zu
diesem Vorgang nicht vorhanden. Auch die Akten zum Polizeieinsatz vom 30.09.2009
enthielten keine E-Mail-Nachrichten des Klägers, obwohl die Bevollmächtigten des
Klägers gegenüber dem Verwaltungsgericht im Erörterungstermin vom 29.04.2013 erklärt
hätten, dass die Staatsanwaltschaft den streitgegenständlichen Sicherungskopien zu
diesem Thema insgesamt zwei bis drei Leitzordner E-Mails entnommen und
beschlagnahmt habe.
25 Aufgrund der wenigen im Staatsministerium noch vorhandenen Schriftstücke aus der
Amtszeit des Klägers bestünden zudem konkrete Anhaltspunkte dafür, dass auch sonstige
das Verwaltungs- und Regierungshandeln allgemein und in anderen Fällen betreffende
Schriftstücke nicht zu den Akten genommen worden seien. Der Kläger behaupte gerade
nicht, dass es sich bei den gespeicherten Postfach-Daten ausschließlich um den rein
privaten Bereich betreffende E-Mails handele. Vielmehr habe er erstinstanzlich geltend
gemacht, er habe während seiner Amtszeit als Ministerpräsident keinerlei
Dokumentations- und Aktenführungspflicht unterlegen, und bringe nun vor, er habe alle
maßgeblichen Unterlagen zu den Sachakten genommen. Der Kläger habe
Dokumentations- und Aktenführungspflichten unterlegen. Die Vollständigkeit staatlicher
Akten bilde die Grundlage rechtmäßigen staatlichen Handelns und sei Voraussetzung für
jede Rechtskontrolle im Sinne von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Das Parlament habe Anteil an
der Staatsleitung durch die ihm zustehenden Mitentscheidungskompetenzen und der ihm
zugewiesenen parlamentarischen Kontrolle, deren Ziel es sei, das Handeln der Regierung
transparent und verantwortlich zu machen. Die dem Staatsministerium durch Übersenden
seitens des Untersuchungsausschusses bekannte, dem Gericht vorgelegte E-Mail-
Korrespondenz des Klägers betreffe keinen der Kontrolle des Parlaments entzogenen
Vorbehaltsbereich der Regierung. Es handle sich um den Gedankenaustausch eines
Ministerpräsidenten mit einem außerhalb des Kabinetts stehenden Dritten im
Zusammenhang mit einer beabsichtigten wirtschaftlichen Betätigung des Landes. Dem
parlamentarischen Informationsrecht entspreche eine grundsätzliche Informationspflicht
der Landesregierung. Die Informations- und Akteneinsichtsrechte - in Form von
Rechtsansprüchen nach § 29 Abs. 1 LVwVfG, Art. 35 LV i.V.m. § 14 UAG, § 61 LTGO und
im Ermessenswege nach allgemeinen Grundsätzen - setzten eine Pflicht zur Führung
vollständiger und wahrheitsgetreuer Akten voraus. Die Aktenführungspflicht ergebe sich
auch ohne ausdrücklichen Ausspruch in einem Gesetz oder einem Organisationsstatut
aus der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Pflicht der Behörden und
Verfassungsorgane zur objektiven Dokumentation des bisherigen wesentlichen
sachbezogenen Geschehensablaufs und der möglichen Erkenntnisquellen für das
zukünftige Handeln. Selbstverständlich sei das Staatsministerium verpflichtet, Daten, die
den rein familiären Bereich beträfen, zu löschen. Eine diesbezügliche Trennung der
Postfachdaten sei über die Absender- bzw. Empfängerdaten technisch möglich. Die
Einsichtnahme in die Absender- bzw. Empfängerdaten sei dem Kläger auch zumutbar und
keine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Durch das
Löschen der allein elektronisch gespeicherten dienstlichen Daten habe der Kläger die
Aufgabenwahrnehmung des Beklagten in einigen Bereichen nahezu unmöglich gemacht.
Dies lasse seine Schutzbedürftigkeit insgesamt entfallen.
26 Der Beklagte beantragt,
27 das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27.05.2013 - 2 K 3249/12 - zu ändern
und die Klage abzuweisen.
28 Der Kläger beantragt,
29 die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
30 Die Behauptung des Beklagten, der Kläger habe Originaldateien entgegen der ihm
obliegenden Aktenführungspflichten gelöscht, sei haltlos. Der Vortrag des Beklagten
erfolge ohne ansatzweise substantiierte Darlegung. Auf der grundlosen Unterstellung, der
Kläger habe gegen seine Aktenführungspflicht verstoßen, beruhe die Argumentation des
Beklagten, dass es sich bei den streitgegenständlichen Daten um solche handele, die
nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 LDSG zur Erfüllung der Aufgaben des Beklagten erforderlich seien,
und dass der Beklagte befugt sein müsse, auf noch vorhandene Sicherungskopien
zurückzugreifen. Es sei eine falsche Behauptung, dass im Staatsministerium wenige
Schriftstücke aus der Amtszeit des Klägers vorhanden seien. Regierungshandeln
unterliege nicht der Anordnung Schriftgut und nach dieser Verwaltungsvorschrift seien nur
solche E-Mails zu den Akten zu nehmen, die "Entscheidungen" enthielten, es sei denn der
Bearbeiter ordne ihre Aufbewahrung an. Eine elektronische Archivierung von E-Mails sei
im Staatsministerium nicht erfolgt. Die Löschung von E-Mails sei Aufgabe des jeweiligen
Adressaten gewesen. Zudem gebe es einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung,
der einen nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließe,
zu dem auch die Willensbildung der Regierung selbst zähle. Danach seien ausgetauschte
Meinungen und Werturteile auch in öffentlichen Angelegenheiten nicht in Akten zu
dokumentieren.
31 Ob Daten zur Aufgabenerfüllung der speichernden Stelle im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 2
LDSG noch erforderlich seien, richte sich ausschließlich nach der Zweckbestimmung, die
der Speicherung der Daten zu Grunde gelegen habe. Nicht mehr erforderlich seien die
Daten, wenn die Aufgabe, zu deren Erfüllung sie gespeichert worden seien, endgültig
entfallen sei. Dies werde aus der Systematik des § 15 Abs. 1 LDSG deutlich, indem dort
zum Erforderlichkeitsgrundsatz (Nr. 1) kumulativ der Grundsatz der Zweckbindung (Nr. 2)
hinzutrete. Daten seien daher zur Aufgabenerfüllung nur solange erforderlich, wie die
konkrete Aufgabe aktuell sei. Es gehe vorliegend daher nicht darum, ob der Zweck, zu
dem die streitgegenständlichen Daten gespeichert worden seien, über den konkreten
Anlass - hier eine technische Störung des E-Mail-Accounts des Klägers im Oktober 2010 -
hinausgehe. Bei der Frage, ob die Aufgabe entfallen sei, sei die mit dem Ausscheiden des
Klägers aus dem Amt des Ministerpräsidenten verbundene Zeitkomponente maßgeblich,
die vom Beklagten außer Acht gelassen werde. Mit diesem Ausscheiden seien die die
weitere Speicherung rechtfertigenden Aufgaben entfallen. Die streitgegenständlichen
Daten seien nicht zum Zweck der Datensicherung im Sinne der Sicherung ihrer
fortwährenden Verfügbarkeit im EDV-System des Beklagten gespeichert worden. Eine
Wiedergewinnung von Daten, die in Sicherungskopien gespeichert seien, nach § 15 Abs.
4 LDSG sei nur in den Grenzen der konkreten Aufgabe, zu deren Erfüllung die
Speicherung erfolgt sei, zulässig. Vorliegend gehe es nicht um einen Datenverlust durch
einen Systemfehler, dessen nachteiligen Folgen auf den ordnungsgemäßen Betrieb der
Datenverarbeitungsanlage durch die streitgegenständlichen Sicherungskopien habe
entgegengesteuert werden sollen, sondern der Kläger habe als Betroffener bewusst
entschieden, diese Daten zu löschen. Die Daten sollten nach dem Anliegen des
Beklagten nicht für den intendierten Sicherungszweck (Verlust durch Systemfehler),
sondern zu anderen Zwecken, insbesondere der vermeintlich angezeigten Überprüfung
der Vollständigkeit von Akten (§ 15 Abs. 2 Nr. 4 LDSG), angeblicher erheblicher Nachteile
für das Gemeinwohl (§ 15 Abs. 2 Nr. 5 LDSG) oder gar der Aufdeckung vermuteter
Rechtsverstöße (§ 15 Abs. 2 Nr. 8 LDSG) herangezogen werden. Dies sei jedoch
datenschutzrechtlich unzulässig. Die Annahme des Beklagten, die strikte Zweckbindung
des § 15 Abs. 4 LDSG erfasse ausschließlich "zusätzlich" erhobene Datenbestände,
verkenne, dass die strikte Zweckbindung ungeachtet des Inhalts der Sicherungskopie hier
die streitgegenständlichen Daten erfasse. Der „unclean hands“-Einwand des Beklagten
sei für den datenschutzrechtlichen Löschungsanspruch aus § 23 Abs. 1 LDSG irrelevant.
Andernfalls würde die durch § 15 Abs. 4 LDSG bewirkte strikte Zweckbindung ausgehöhlt.
Eine Reduzierung des datenschutzrechtlichen Schutzniveaus ergebe sich hier weder
daraus, dass die private IT-Nutzung nicht ausdrücklich gestattet worden sei, noch aus dem
Umstand, dass der Kläger die Funktion des Ministerpräsidenten innegehabt habe. Die von
dem Beklagten angeführten parlamentarischen Kontrollbefugnisse seien nicht dazu
geeignet, den datenschutzrechtlichen Löschungsanspruch nach § 23 Abs. 1 LDSG und
die strikte Zweckbindung nach § 15 Abs. 4 LDSG einzuschränken.
32 Auf die ihm am 01.08.2013 zugestellte Berufungsbegründung hin hat der Kläger mit
Schriftsatz vom 30.08.2013, der am selben Tag beim Verwaltungsgerichtshof einging,
Anschlussberufung eingelegt, mit der er seinen erstinstanzlichen Hauptantrag auf
uneingeschränkte Löschung der streitgegenständlichen Dateien weiterverfolgt. Zur
Begründung führt er aus, die streitgegenständlichen Daten seien als privat einzustufen
und allenfalls nach § 2 Abs. 3 LArchG mit dem Einvernehmen des Klägers dem
Landesarchiv anzubieten. Mit § 2 Abs. 3 LArchG seien keine Eingriffsbefugnisse
verbunden. Auch unter der Annahme, dass kein Fall des § 2 Abs. 3 LArchG vorliege,
komme man nicht zu einem Anbieten. Der Kläger in seiner Funktion als Ministerpräsident
sei als Verfassungsorgan mit eigenen Organrechten zu betrachten gewesen. Der Kläger
selbst sei also Stelle im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 LArchG. Die Übergabe durch die
Stelle beziehe sich gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 LArchG ausschließlich auf Unterlagen, die
sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr benötige. Potentielles Archivgut könnten also
nur solche Unterlagen sein, die bei der Stelle im Vorfeld der Anbietung der Erfüllung der
öffentlich-rechtlichen Aufgaben dieser Stelle gedient hätten. Dies sei jedoch hier nicht der
Fall. Die Daten hätten nicht der Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben des
Ministerpräsidenten gedient, denn sie seien ausschließlich aus
datenverarbeitungstechnischen Gründen zur Sicherstellung des Betriebs der
Datenverarbeitungsanlage im Staatsministerium gespeichert worden. Es bestehe also
eine Konkordanz zwischen den datenschutzrechtlichen Prinzipien des Erforderlichkeits-
und des Zweckbindungsgrundsatzes und der Frage, welche Unterlagen als potentielles
Archivgut dem Landesarchiv anzubieten seien. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts
führe dazu, dass auch Daten, von denen bereits im Vorfeld der Anbietung an das
Landesarchiv bekannt sei, dass sie wegen eines Fortfalls des Zwecks im Sinne des § 15
Abs. 4 LDSG nach § 23 Abs. 1 LDSG zu löschen seien, dem Landesarchiv zum Zwecke
der Archivierung anzubieten seien. Aus § 5 Abs. 3 Satz 2 LArchG sei jedoch ersichtlich,
dass der Landesgesetzgeber danach differenziere, ob ein Löschungsanspruch vor oder
nach der Übergabe von Unterlagen an das Landesarchiv erhoben werde. Zwar seien von
den Stellen personenbezogene Daten infolge des § 23 Abs. 3 LDSG selbst dann vor der
Löschung dem Landesarchiv anzubieten, wenn diese unzulässig gespeichert worden
seien. Der die öffentlich-rechtliche Löschungspflicht der öffentlichen Hand
widerspiegelnde subjektive Löschungsanspruch des Betroffenen gehe jedoch weiter und
sei erst dann ausgeschlossen, wenn sich erst im Nachhinein, also nach der Übergabe der
Daten zur Archivierung herausstelle, dass die (weitere) Speicherung datenschutzrechtlich
unzulässig sei. Zudem folge aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung
aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, dass unzulässig gespeicherte Daten nicht der
archivrechtlichen Anbietungspflicht des § 3 Abs. 1 Satz 1 LArchG unterlägen. Aus § 23
Abs. 3 LDSG im Zusammenspiel mit § 5 Abs. 3 Satz 2 LArchG lasse sich kein gesetzlicher
Rahmen entnehmen, der dem an einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle
Selbstbestimmung anzulegenden Bestimmtheitsgrad genüge. Zudem müssten nach der
Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts alle in der Landesverwaltung eingehenden
und versandten E-Mails vor ihrer Löschung dem Archiv angeboten werden; diese
Kontrollüberlegung zeige, dass die Argumentation des Verwaltungsgerichts unzutreffend
sei.
33 Mit der Anschlussberufung beantragt der Kläger,
34 das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27.05.2013 - 2 K 3249/12 - teilweise
zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, die Dateien mit „Arbeitskopien“ des
Outlook-Postfachs des Klägers ... ...PST_20101116, ...PST_20101117 und ...
...PST_20101117_DUMPSTER sowie sämtliche Kopien dieser Dateien zu löschen.
35 Der Beklagte beantragt,
36 die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
37 Das Archivrecht gewährleiste mit den Anbietungs- und Übergabepflichten einerseits und
den Sperrfristen andererseits einen angemessenen Ausgleich zwischen den
divergierenden Geheimhaltungs- und Publizitätsinteressen der Beteiligten. Die
streitgegenständlichen Dateien seien nicht als privat einzustufen. Jedenfalls in den Fällen,
in denen der Kläger - wie hier - über seinen Dienstrechner und das ihm als
Ministerpräsidenten zugewiesene dienstliche Mailkonto kommuniziert habe, seien die
entstandenen Postfachdaten als amtlich einzuordnen. Alle Korrespondenz eines
Regierungschefs mit Ausnahme familiärer Schreiben sei von der öffentlichen Amtsfunktion
überlagert. Die streitgegenständlichen Sicherungskopien hätten der Aufgabenerfüllung
des Staatsministeriums insgesamt und der Aufgabenerfüllung des Klägers als damaligem
Ministerpräsidenten gedient. Gemäß §§ 2, 3 LArchG sei es Aufgabe des Landesarchivs,
die ihm angebotenen Unterlagen zu bewerten und die jeweils archivwürdigen Unterlagen
auszuwählen. Ob diese in digitaler oder Papierform vorlägen, sei unerheblich. Nach der
gesetzgeberischen Intention zu § 5 Abs. 3 Satz 2 LArchG seien Löschungsansprüche
nach Landesdatenschutzrecht bei Archivgut ausgeschlossen. Dem eindeutigen Wortlaut
nach seien gemäß § 23 Abs. 3 LDSG auch unzulässig gespeicherte Unterlagen
anzubieten.
38 Dem Senat liegen die Akten des Beklagten (2 Heftungen) vor.
Entscheidungsgründe
39 Sowohl die Berufung des Beklagten als auch die Anschlussberufung des Klägers sind
zulässig, aber unbegründet.
40
I. Berufung des Beklagten
41 1. Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch
sonst zulässig. Die Berufung wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof
eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 2 VwGO). Die Begründung entspricht inhaltlich den
gesetzlichen Anforderungen (Begründungsfrist, Einreichung beim VGH, bestimmter
Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 3 Sätze 1, 2, 4 und 5 VwGO).
42 2. Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Denn der Kläger hat einen - durch die
Anbietungspflicht gegenüber dem Landesarchiv modifizierten (s. dazu unter II.) -
Anspruch auf Löschung der streitgegenständlichen Dateien gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2
LDSG (a). Einem solchen Löschungsanspruch stehen weder der Einwand des
Rechtsmissbrauchs noch nachwirkende Pflichten des Klägers aus der Organtreue als
ehemaliger Ministerpräsident des Landes (b) entgegen.
43 a) Nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre
Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr erforderlich
ist.
44 aa) Bei den streitgegenständlichen Dateien handelt es sich um personenbezogene
Daten. Solche sind nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 LDSG Einzelangaben über
persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren
natürlichen Person (Betroffener). Die E-Mail-Postfach-Daten des Klägers betreffen
Einzelangaben über dessen sachliche Verhältnisse, nämlich dessen Kommunikation mit
Dritten, und sind daher - wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat und die
Beteiligten auch nicht in Frage stellen - personenbezogene Daten.
45 bb) Speichernde Stelle ist das Staatsministerium. Es ist die Stelle, die die E-Mail-
Postfach-Daten für sich selbst verarbeitet beziehungsweise durch andere im Auftrag
verarbeiten lässt (vgl. § 3 Abs. 3 LDSG).
46 cc) Die streitgegenständlichen Dateien sind für das Staatsministerium nicht mehr i.S.d. §
23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG zur Aufgabenerfüllung erforderlich.
47 (1) Die Kenntnis der Daten ist im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG für die Erfüllung der
Aufgaben der speichernden Stelle noch erforderlich, wenn entweder die Kenntnis
notwendig ist zur Erfüllung des Zwecks, zu dem die Daten im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 2
LDSG oder § 15 Abs. 4 LDSG gespeichert wurden, oder die Kenntnis erforderlich ist für
die Erfüllung eines anderen Zwecks als desjenigen, der der Datenspeicherung zugrunde
lag, und dies gemäß § 15 Abs. 3 LDSG keine Zweckänderung im Rechtssinne ist oder
diese Zweckänderung nach § 15 Abs. 2 LDSG zulässig ist. Diese Auslegung des Begriffs
der Erforderlichkeit zur Aufgabenerfüllung folgt aus Wortlaut, Willen des Gesetzgebers,
Sinn und Zweck der Vorschrift sowie den verfassungsrechtlichen Anforderungen des
Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Danach besteht zwischen dem
Löschungsanspruch des Betroffenen nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG und der Regelung
über Speicherung, Veränderung und Nutzung von Daten nach § 15 LDSG ein
unmittelbarer Zusammenhang.
48 Der Wortlaut von § 15 LDSG und § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG spricht zunächst nicht für
diesen unmittelbaren Zusammenhang. Denn § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG macht den
Löschungsanspruch davon abhängig, dass die Kenntnis der Daten für die Erfüllung der
Aufgaben der speichernden Stelle nicht mehr erforderlich ist, während nach 15 Abs. 1
LDSG die Zulässigkeit der Speicherung nicht nur die Erforderlichkeit zur Erfüllung der
Aufgaben der öffentlichen Stelle voraussetzt, sondern auch dass die Speicherung für die
Zwecke, für die die Daten erhoben worden sind, erfolgt. Den Gesichtspunkt der
Zweckbindung spricht der Wortlaut des § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG hingegen gar nicht an.
49 Dem entspricht es, wenn in der rechtswissenschaftlichen Literatur zu den insoweit gleich
lautenden Normen der § 20 Abs. 2 Nr. 2 BDSG, § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BDSG, § 84 Abs.
2 Satz 2 SGB X die Erforderlichkeit verneint wird, wenn die Daten keine praktische
Bedeutung mehr haben und deshalb ausgeschlossen werden könne, dass sie die Arbeit
der zuständigen Behörde noch fördern könnten (vgl. Mallmann, in: Simitis, BDSG, 8.
Aufl., § 20 Rn. 42; Mester, in: Taeger/Gabel, BDSG, 2. Aufl., § 20 Rn. 18;
Gola/Schomerus, BDSG, 11. Aufl., § 20 Rn. 11; Brink, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht in
Bund und Ländern, 2013, § 35 Rn. 39; Bieresborn, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8.
Aufl., § 84 Rn. 7; ähnlich Wedde, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, 2003, Kap.
4.4. Rn. 64, und ders., in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl., § 20 Rn. 12,
auf die „Aufgabe“ abstellend, zu deren Erfüllung die Daten gespeichert wurden; unklar
Worms, in: Wolff/Brink, a.a.O., § 20 BDSG Rn. 39; ähnlich auch BVerwG, Beschl. v.
12.11.1992 - 1 B 164.92 - juris Rn. 3 m.w.N., zur Speicherung von Daten aus
strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nach dem bad.-württ. Polizeigesetz; Beschl. v.
18.03.1994 - 11 B 76.93 - NJW 1994, 2499, zum Eintrag in der Führerscheinkartei). Nach
dieser Auffassung dürfte die Erforderlichkeit noch gegeben sein - und bestünde folglich
kein Löschungsanspruch des Betroffenen -, wenn der Zweck, zu dem die Daten
gespeichert worden sind, inzwischen zwar erfüllt ist, die Daten jedoch allgemein für die
Aufgaben der Behörde, mithin für andere Zwecke, als sie der Speicherung zugrunde
lagen, noch von Bedeutung sein könnten.
50 Gegen eine solche Auslegung der Norm spricht jedoch die Entstehungsgeschichte von §
14 Abs. 1 und § 20 Abs. 2 BDSG, denen auch im Wortlaut § 23 Abs. 1 Nr. 2 und § 15
Abs. 1 LDSG nachgebildet sind. Das Bundesdatenschutzgesetz 1977 (Gesetz zum
Schutz vor Missbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung
(Bundesdatenschutzgesetz - BDSG) vom 27.01.1977, BGBl. I, 201) bestimmte in § 9 Abs.
1:
51
"Das Speichern oder Verändern personenbezogener Daten ist zulässig, wenn es zur
rechtmäßigen Erfüllung der in der Zuständigkeit der speichernden Stelle liegenden
Aufgaben erforderlich ist.“
52 Zur Sperrung und Löschung von Daten bestimmte § 14 BDSG 1977 unter anderem:
53
„(2) Personenbezogene Daten sind zu sperren, wenn ihre Richtigkeit vom Betroffenen
bestritten wird und sich weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit feststellen läßt. Sie
sind ferner zu sperren, wenn ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur rechtmäßigen
Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich ist…
54
(3) Personenbezogene Daten können gelöscht werden, wenn ihre Kenntnis für die
speichernde Stelle zur rechtmäßigen Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden
Aufgaben nicht mehr erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, daß durch
die Löschung schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt werden. Sie sind
zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder wenn es in den Fällen des
Absatzes 2 Satz 2 der Betroffene verlangt.“
55 Nach dem Bundesdatenschutzgesetz 1977 war mithin sowohl für die Zulässigkeit von
Datenspeicherung und -veränderung nach § 9 Abs. 1 als auch für den
Löschungsanspruch nach § 14 Abs. 3 Satz 2 maßgebliches Kriterium die Erforderlichkeit
zur Aufgabenerfüllung der speichernden Stelle. Das Tatbestandsmerkmal der
Zweckbindung bestand nicht.
56 Der heutige Wortlaut von § 20 Abs. 2 und § 14 Abs. 1 BDSG geht zurück auf die Novelle
von 1990 (Gesetz zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes
vom 20.12.1990, BGBl. I, 2954). Mit diesem Gesetz reagierte der Gesetzgeber auf das
Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts. Es sei nötig geworden, aufgrund
des Volkszählungsurteils dem Grundsatz der Zweckbindung durchgehend Geltung zu
verschaffen (vgl. BT-Drucks. 11/4306, S. 36). Wesentlicher Inhalt der Neufassung sei:
57
„a) Verstärkung der Zweckbindung bei der Verarbeitung oder Nutzung
personenbezogener Daten sowohl im öffentlichen als auch im nicht-öffentlichen
Bereich, enumerative Aufzählung der Ausnahmen,
58
b) Verstärkung der Rechte des Betroffenen sowohl im öffentlichen als auch im nicht-
öffentlichen Bereich, insbesondere durch
- Löschungsrechte
…“
59
(vgl. BT-Drucks. 11/4306, S. 37)
60 Die Entstehungsgeschichte spricht mithin gerade nicht dafür, den Umfang der
Zweckbindung bei der Datenspeicherung, -veränderung und -nutzung einerseits und den
Löschungsanspruch andererseits unterschiedlich zu bestimmen. Die
Gesetzgebungsgeschichte belegt nicht, dass ein Löschungsanspruch erst bestehen soll,
wenn unabhängig von der Zweckbindung die Nutzung der gespeicherten Daten ganz
allgemein für die Aufgabenerfüllung der Behörde nicht mehr erforderlich ist. Vielmehr
wollte der Gesetzgeber im Gegenteil die Zweckbindung bei der Verarbeitung oder
Nutzung personenbezogener Daten verstärken, ebenso die subjektiven Rechte des
Betroffenen. Die Entstehungsgeschichte spricht mithin dafür, einen Zusammenhang
zwischen Löschungsanspruch und Zweckbindungsgrundsatz zu bejahen.
61 Zweck des Löschungsanspruchs nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG ist, die aus dem Recht auf
informationelle Selbstbestimmung folgende Zweckbindung der erhobenen Daten
durchzusetzen. Dies folgt nicht zuletzt aus verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die
Verarbeitung personenbezogener Daten ist - wenn nicht der Betroffene eingewilligt hat
(vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 2 LDSG) - nur zulässig, wenn das Landesdatenschutzgesetz oder
eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 LDSG). Dies folgt notwendig
daraus, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten ein Eingriff in das Grundrecht
auf informationelle Selbstbestimmung ist und ein solcher Eingriff einer
bereichsspezifischen gesetzlichen Grundlage bedarf. Die Verwendung der Daten ist auf
den gesetzlich bestimmten Zweck begrenzt (vgl. nur BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 - 1 BvR
209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <43 ff.>). Für den Bereich der Speicherung, Veränderung und
Nutzung personenbezogener Daten ist § 15 LDSG die gesetzliche Grundlage, die den
Umfang der Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne des § 4
Abs. 1 LDSG regelt. Ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nach § 15 LDSG
nicht mehr zulässig, liegt ein nicht gerechtfertigter Eingriff in das Grundrecht auf
informationelle Selbstbestimmung vor, so dass - da das Grundrecht ein subjektiv-
öffentliches Abwehrrecht gibt - ein Löschungsanspruch nach § 23 Abs. 1 LDSG gegeben
sein muss. Wenn jedoch die Verarbeitung personenbezogener Daten weiterhin auf § 15
LDSG gestützt werden kann, ist eine ausreichende gesetzliche Grundlage für den
Grundrechtseingriff vorhanden; ein Löschungsanspruch besteht dann nicht.
Löschungsanspruch nach § 23 Abs. 1 LDSG und Zulässigkeit der Datenverarbeitung
nach § 15 LDSG korrespondieren mithin.
62 (2) Nach diesem Maßstab ist die Kenntnis der streitgegenständlichen Daten im Sinne
des § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG für die Erfüllung der Aufgaben der speichernden Stelle nicht
mehr erforderlich. Denn die Kenntnis ist nicht notwendig zur Erfüllung des Zwecks, zu
dem die Daten im Sinne von § 15 Abs. 4 LDSG gespeichert wurden. Eine
Zweckänderung nach § 15 Abs. 2 LDSG ist ausgeschlossen, denn § 15 Abs. 4 LDSG
geht als Spezialregelung § 15 Abs. 2, 3 LDSG vor; diese sind nicht anwendbar (vgl.
Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 106, 115; Albers, in: Wolff/Brink, a.a.O., § 14 BDSG Rn. 56;
Dehoust, in: Giesen/Bannasch/Naumann/Mauersberger/Dehoust, SächsDSG, 2011, § 13
Rn. 37).
63 (a) Nach § 15 Abs. 4 LDSG dürfen personenbezogene Daten, die ausschließlich zum
Zweck der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines
ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert wurden, nur für
diesen Zweck und hiermit in Zusammenhang stehende Maßnahmen gegenüber
Bediensteten genutzt werden. § 15 Abs. 4 LDSG enthält, wie bereits der Wortlaut zeigt,
ein absolutes Zweckentfremdungsverbot. Es besteht eine strenge Zweckbindung der für
Zwecke der Datenschutzkontrolle und/oder Datensicherung gespeicherten Daten (vgl.
Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 106; Weichert, in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, a.a.O., 31
Rn. 1; Gola/Schomerus, a.a.O., § 14 Rn. 27; Dehoust, a.a.O., § 13 Rn. 22; Bieresborn,
a.a.O., § 67c Rn. 13; Jung, in: Eichenhofer/Wenner, SGB I, V, X, 2012, § 67c SGB X Rn.
13; Steinmeyer, in: Wannagat/Eichenhofer, SGB, § 67c SGB X Rn. 14 <83. Lfg.>). Durch
den strikten Zweckbindungsgrundsatz soll verhindert werden, dass Datenbestände, die
zu Zwecken des Datenschutzes und der Datensicherheit angelegt wurden, als
allgemeine Informationsgrundlage verwendet werden (vgl. Heckmann, in: Taeger/Gabel,
a.a.O., § 14 Rn. 108; Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 106; Albers, in: Wolff/Brink, a.a.O., § 14
BDSG Rn. 56). Der Gesetzgeber wollte sicherstellen, „…dass Daten, die nur den
genannten Zwecken dienen, keiner anderen Verwendung zugeführt werden“ (so zur
Parallelnorm des § 14 Abs. 4 die Beschlussempfehlung des BT-Innenausschusses zur
Datenschutznovelle 1990, vgl. BT-Drucks. 11/7235, S. 88).
64 Das strikte Zweckbindungsgebot des § 15 Abs. 4 LDSG gilt nur dann, wenn
personenbezogene Daten ausschließlich zu den im Gesetz genannten Zwecken
gespeichert werden (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 108, 111; Buchner, in:
Taeger/Gabel, a.a.O., § 31 Rn. 3; Gola/Schomerus, a.a.O., § 14 Rn. 27, § 31 Rn. 5). Ob
eine solche ausschließliche Zwecksetzung verfolgt wird, bestimmt die Daten
verarbeitende Stelle im Rahmen der Festlegung des Zweckes (vgl. Buchner, a.a.O., § 31
Rn. 3; Gola/Schomerus, a.a.O., § 31 Rn. 5). Ausschlaggebend ist mithin der von der
verantwortlichen Stelle festgelegte Zweck (vgl. OVG Bln.-Bbg., Beschl. v. 02.03.2011 -
OVG 60 PV 10.10 - juris Rn. 30, zu § 2 Abs. 2 Satz 1 BlnDSG i.V.m. § 31 BDSG; Beschl.
v. 14.03.2013 - OVG 62 PV 13.12 - juris Rn. 45 zu § 31 BDSG; Dammann, a.a.O., § 14
Rn. 113; Heckmann, a.a.O., § 14 Rn. 110; Dehoust, a.a.O., § 13 Rn. 37). Die Festlegung
des Verwendungszwecks durch die verantwortliche Stelle führt zu deren Selbstbindung
(vgl. Heckmann, a.a.O., § 14 Rn. 24; Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 39; je zu § 14 Abs. 1
BDSG). Die Zweckbindung haftet der Datenverarbeitung bis zur Zweckerfüllung an (vgl.
Gola/Schomerus, a.a.O., § 14 Rn. 10, zu § 14 Abs. 1 BDSG).
65 Diese Festlegung der Zweckbindung muss im Voraus erfolgen. Wurde sie unterlassen,
so ist der objektive Verwendungszweck maßgeblich, der sich nach dem erkennbar
verfolgten Ziel bestimmt (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 113; Heckmann, a.a.O., § 14
Rn. 110). Die öffentliche Stelle ist jedoch nicht frei in ihrer Festlegung des Zwecks. Sie
hat es nicht in der Hand, durch eine allzu weite und unverbindliche Definition die
Zweckbindung leerlaufen zu lassen; die Festlegung des Zwecks muss
datenschutzrechtlich zulässig sein (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 113, zu § 14 Abs. 4
BDSG; Dehoust, a.a.O., § 13 Rn. 37, 22, zu § 13 Abs. 4 SächsDSG).
66 Sollen diese Daten für einen weiteren Zweck genutzt werden, bedarf es hierfür einer
eigenständigen Legitimation durch eine Rechtsvorschrift (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn.
115; Weichert, a.a.O., § 31 Rn. 4; Gola/Schomerus, a.a.O., § 14 Rn. 30) Eine
nachträgliche Änderung der Zweckbindung ohne spezielle gesetzliche Grundlage hierfür
ist ausgeschlossen (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 113; Gola/Schomerus, a.a.O., § 31
Rn. 5; von Lewinsky, in: Wolff/Brink, a.a.O., § 31 BDSG Rn. 31 ff.).
67 Die Vermeidung von Datenverlusten, Datenmanipulationen und unbefugtem
Datenzugang sowie die Korrektur von Fehlern und die Wiederherstellung von
Datenbeständen gehören zum Zweck der Datensicherung sowie zum Zweck der
Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage (vgl.
Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 109, zur Datensicherung; Albers, a.a.O., § 14 BDSG Rn. 59,
zum ordnungsgemäßen Betrieb einer Datenverarbeitungsanlage; Weichert, a.a.O., § 31
Rn. 1a: klare Trennung dieser Zwecke nicht möglich). Die Wiedergewinnung des
gesicherten und verloren gegangenen Datenbestsands gehört daher grundsätzlich zu
den nach § 15 Abs. 4 LDSG erlaubten Zwecken (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 112,
114; Weichert, a.a.O., § 31 Rn. 5; von Lewinsky, a.a.O., § 31 BDSG Rn. 24).
68 Zu Unrecht bringt der Beklagte vor, mit einem solchen Verständnis des § 15 Abs. 4 LDSG
sei eine zu enge Zweckbindung verbunden, die unabweisbare Bedürfnisse der
Allgemeinheit, insbesondere im Hinblick auf Belange der Strafrechtspflege bei der
Verfolgung von Straftaten unzulässig hintanstelle. Zwar wird in der
rechtwissenschaftlichen Literatur vertreten, dass strafrechtliche Zugriffsnormen, auch
über § 1 Abs. 3 BDSG bzw. § 2 Abs. 5 LDSG die strikte Zweckbindung des § 14 Abs. 4
BDSG bzw. § 15 Abs. 4 LDSG nicht überwinden könnten (so Albers, a.a.O., § 14 BDSG
Rn. 62; Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 115 ; a.A. wohl Weichert, a.a.O., § 31 Rn. 5; von
Lewinsky, a.a.O., § 31 Rn. 29). Anderes gelte nur für die Verfolgung von
Datenschutzdelikten; sie bewege sich im Rahmen des § 14 Abs. 4 BDSG (vgl.
Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 115; Gola/Schomerus, a.a.O., § 14 Rn. 30; Weichert, a.a.O., §
31 Rn. 4). Dies trifft jedoch nach Auffassung des Senats - ohne dass dies hier
entscheidungserheblich wäre - nicht zu. Soweit besondere Rechtsvorschriften des
Bundes oder des Landes auf personenbezogene Daten anzuwenden sind, gehen sie
gemäß § 2 Abs. 5 LDSG den Vorschriften dieses Gesetzes vor. Mit dem Erfordernis
besonderer Rechtsvorschriften soll gewährleistet sein, dass nicht jede Rechtsnorm
außerhalb des Datenschutzrechts einen Zugriff auf personenbezogene Daten
ermöglichen soll. Einen solchen Zugriff soll nur eine spezielle Datenschutzvorschrift
gestatten können; Normen, die Datenverarbeitungsvorgänge lediglich voraussetzen,
reichen nicht aus (vgl. zu § 1 Abs. 3 BDSG: Dix, in: Simitis, a.a.O., § 1 Rn. 110; BT-
Drucks. 7/1027, S. 16). Diesen Anforderungen des § 2 Abs. 5 LDSG an besondere
Rechtsvorschriften entsprechen die Normen der §§ 160, 161, 163 StPO über die
Beweiserhebung in Ermittlungsverfahren; diese sind die allgemeinen Rechtsgrundlagen
für Datenerhebungen durch Strafverfolgungsbehörden (vgl. Dembowski, in: Roßnagel,
a.a.O., Kap. 8.1 Rn. 17 ff.). Insbesondere ist § 161 Abs. 1 StPO eine ausreichende
Ermächtigungsgrundlage für die allgemeine Erhebung personenbezogener Daten im
Ermittlungsverfahren (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 17.02.2009 - 2 BvR 1732, 1745/07 -
NJW 2009, 1405 <1407>; Meyer-Goßner, stopp, 56. Aufl., § 161 Rn. 2). Die
strafprozessualen Beweiserhebungsnormen sind daher besondere Vorschriften i.S.d. § 2
Abs. 5 LDSG, die sich über die Zwecksetzung des § 15 Abs. 4 LDSG hinwegsetzen
können. Die Zulässigkeit der Erhebung und Beschlagnahme personenbezogener Daten
im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren trotz einer bestehenden Zweckbindung nach §
15 Abs. 4 LDSG legt schließlich die Vorschrift des § 15 Abs. 2 Nr. 8 LDSG, dass eine
datenschutzrechtliche Zweckänderung für Zwecke der Strafverfolgung zulässig ist, nahe.
69 (b) Nach diesem Maßstab wäre mit einer Wiederherstellung der Originaldateien aus den
streitgegenständlichen Sicherungskopien eine mit § 15 Abs. 4 LDSG unvereinbare
Zweckänderung verbunden. Der ursprünglich mit der Erstellung der Sicherungskopien
verbundene konkrete Zweck kann jetzt nicht mehr erreicht werden (aa). Der Schutzzweck
des § 15 Abs. 4 LDSG erfasst auch die streitgegenständlichen Dateien (bb). Ein
allgemeiner, vom ursprünglich verfolgten Zweck unabhängiger Zweck der
Datensicherung könnte zudem mit einer Wiederherstellung der Originaldateien aus den
streitgegenständlichen Sicherungskopien nicht zulässig verfolgt werden; denn der
Zweck, zu dem die Originaldateien gespeichert wurden, ist weggefallen (cc).
70 (aa) Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, war maßgeblicher
Zweck der Datensicherungen, eine Kopie vorzuhalten, um einen möglichen Datenverlust
im Rahmen der Arbeiten zur Behebung der vom Büro des Klägers gemeldeten Probleme
zu vermeiden und um technischen Problemen der vom Büro des Klägers gemeldeten Art
mit dem Outlookkalender wirksam entgegentreten zu können. Damit hat der Beklagte
Zwecke der Datensicherung und der Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebs
einer Datenverarbeitungsanlage i.S.d. § 15 Abs. 4 LDSG verfolgt.
71 Diese Zwecke - eine Kopie vorzuhalten, um einen möglichen Datenverlust im Rahmen
der Arbeiten zur Behebung der vom Büro des Klägers gemeldeten Art zu vermeiden und
um technischen Problemen der vom Büro des Klägers gemeldeten Probleme mit dem
Outlookkalender wirksam entgegentreten zu können - hat der Beklagte selbst im
erstinstanzlichen Schriftsatz vom 31.01.2013 an das Verwaltungsgericht als diejenigen
angegeben, zu denen die streitgegenständlichen Dateien erstellt wurden. An diese
ursprünglich verfolgten Zwecke ist der Beklagte aufgrund des Grundsatzes der
Selbstbindung gebunden. Diese Zwecke können bei Wiedergewinnung der in der
Sicherungskopie enthaltenen Daten nun nicht mehr erreicht werden. Die Verfolgung
anderer Zwecke schließt § 15 Abs. 4 LDSG aus.
72 Auf einen allgemeinen, über den konkreten Anlass der Herstellung der
streitgegenständlichen Sicherungskopien hinausgehenden allgemeinen
Sicherungszweck kann sich der Beklagte hier nicht berufen. Zwar kann der
datenschutzrechtlich relevante Zweck des § 15 Abs. 4 LDSG über den konkreten Anlass
der Speicherung hinausgehen. Einen solchen allgemeinen Sicherungszweck verfolgte
der Beklagte bei der Herstellung der streitgegenständlichen Sicherungskopien jedoch
nicht:
73 Die Bestimmung des maßgeblichen Zwecks einer Maßnahme nach § 15 Abs. 4 LDSG
folgt im Kern denselben Grundsätzen wie die Bestimmung des Zwecks einer
Datenspeicherung und -erhebung nach § 15 Abs. 1 LDSG. Maßgeblich ist dabei - wie
Dammann zutreffend ausführt - der materielle Gehalt des Zweckbindungsgrundsatzes. Er
resultiert daraus, dass jede Ermächtigung einer öffentlichen Stelle, personenbezogene
Daten zu erheben und zu speichern, nur im Hinblick auf bestimmte Zwecke ergeht und
daher auch eine Verwendung der Daten grundsätzlich nur im Rahmen dieser Zwecke
legitimiert. Daher ist bei der Frage, wie der jeweilige Zweck zu fassen ist, bei der
jeweiligen rechtlichen Legitimationsgrundlage für das Erheben bzw. Speichern
anzuknüpfen. Maßgeblich ist entweder die gesetzliche Grundlage oder die vom
Betroffenen im Sinne einer informationellen Selbstbestimmung getroffene Verfügung.
Dies entspricht dem Inhalt der Aufklärungspflicht nach § 4 Abs. 3 BGSG. Liegt der
Erhebung und Speicherung keine aufgabenspezifische Rechtsvorschrift zu Grunde oder
bietet diese keine geeigneten Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des
Verarbeitungszwecks und hat auch der Betroffene keine einschränkende Verfügung
getroffen, so kommt es auf den tatsächlich verfolgten Handlungszweck an. Dieser kann
und wird häufig weiter sein als der konkrete Anlass der Speicherung (vgl. Dammann,
a.a.O., § 14 Rn. 39 ff., zu § 14 Abs. 1 BDSG).
74 An einer Festlegung eines konkreten Zwecks hinsichtlich der streitgegenständlichen
Dateien durch eine Rechtsvorschrift oder eine Verfügung des Betroffenen - hier des
Klägers - fehlt es. Daher kommt es auf den tatsächlich verfolgten Zweck an. Dieser
bestand nicht in der Herstellung von Sicherungskopien der Outlookdateien des Klägers
für jeglichen Fall des Datenverlusts. Denn längerfristige allgemeine
Sicherungsspeicherungen von Outlook-Postfachinhalten wurden - abgesehen von der
begrenzten Speicherung gelöschter Mails für sieben Tage auf dem Server des
Staatsministeriums und für 30 Tage im Ausfallrechenzentrum in Oberreichenbach - im
Staatsministerium nicht vorgenommen. Nach der geübten Praxis im Staatsministerium
entschied allein der Nutzer des Outlook-Postfachs, welche E-Mails er ausdruckte und
den Akten beifügte und welche er löschte. Eine Speicherung von Postfachinhalten für
allgemeine Zwecke war auch hier nicht beabsichtigt. Die streitgegenständlichen Dateien
wurden vielmehr für den beschriebenen begrenzten Zweck - Behebung von Problemen
im Outlook-Kalender des Klägers - hergestellt, zu dem sie nun nicht mehr verwendet
werden können.
75 (bb) Der Schutzzweck des § 15 Abs. 4 LDSG erfasst auch die streitgegenständlichen
Dateien. Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, die Zweckbindung des § 15 Abs. 4
LDSG gelte nur für zusätzliche, bei der Datenschutzkontrolle etc., aus technischen
Gründen anfallende Dateien wie Protokolle von Datenabrufen oder personenbezogene
Daten der Mitarbeiter in der IT-Abteilung. Für die Zwecke der Datenschutzkontrolle und
der Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebs der Anlage wird dies in der Literatur
in der Tat angenommen (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 108, 110). Für im Rahmen der
Datensicherung hergestellte Kopien kann dies jedenfalls nicht gelten (so wohl auch
Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 109). Eine Einschränkung des Schutzzwecks des § 15 Abs. 4
LDSG lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Für Datenkopien ist der Schutzzweck
auch einschlägig. Denn es entspricht gerade dem Zweck des § 15 Abs. 4 LDSG, dass
zusätzlich angelegte Datenbestände nicht als allgemeine Informationsgrundlage dienen
sollen. Hierunter fallen gerade nach Jahren immer noch vorhandene, vom ursprünglichen
Speicherzweck losgelöste Kopien von Dateien
76 (cc) Selbst wenn man mit dem Beklagten davon ausginge, dass aus nach § 15 Abs. 4
LDSG hergestellten Sicherungskopien bei jeglichem Datenverlust die Originaldateien
wiederhergestellt werden dürften, wäre eine solche Wiederherstellung hier unzulässig.
Denn eine Wiederherstellung der Originaldateien aus der Sicherungskopie ist vom
Zweck des § 15 Abs. 4 LDSG nicht mehr gedeckt und daher unzulässig, wenn der
Zweck, zu dem die Originaldateien nach § 15 Abs. 1 LDSG gespeichert wurden,
inzwischen weggefallen ist und daher nicht mehr erfüllt werden kann (Zweckerreichung).
Das folgt aus dem strengen Zweckbindungsgrundsatz des § 15 Abs. 4 LDSG. Dieser soll
verhindern, dass Datenbestände, die zu Zwecken des Datenschutzes und der
Datensicherheit angelegt wurden, als allgemeine Informationsgrundlage verwendet
werden. Damit wäre es unvereinbar, wenn gemäß § 15 Abs. 4 LDSG erstellte
Sicherungskopien von der speichernden Stelle noch genutzt werden dürften, obwohl der
Speicherungszweck der Originaldateien bereits entfallen ist. So liegt der Fall hier:
77 Bei der Bestimmung des Zwecks der ursprünglichen Datenspeicherung nach § 15 Abs. 1
LDSG ist, wie dargelegt, auf die rechtliche Legitimationsgrundlage für die
Datenspeicherung abzustellen. Eine Rechtsvorschrift, die die Speicherung von E-Mails
von Landesbediensteten datenschutzrechtlich gestattet, existiert nicht. Eine gesonderte
Regelung des E-Mail-Verkehrs im Staatsministerium erfolgte nicht, eine
datenschutzrechtlich relevante Selbstverpflichtung des Klägers zum E-Mail-Verkehr fehlt
daher. Da die E-Mail-Accounts der Bediensteten des Staatsministeriums dem
"Persönlichkeitsbereich" zugeordnet waren und der Nutzer des Postfachs selbst über die
Verwendung der Postfachinhalte entscheiden durfte, diente die Speicherung von
Postfachinhalten den persönlichen Belangen des Postfachinhabers. Dieser Zweck
besteht, nachdem der Kläger seinen E-Mail-Account im Staatsministerium nicht mehr
nutzt, nicht mehr. Andere datenschutzrechtlich i.S.v. § 15 Abs. 1 LDSG relevante Zwecke
bestanden nicht. Selbst die Anlegung von Protokolldateien über die Internetnutzung
diente nach den Sicherheitshinweisen im Antragsformular des Klägers auf
Internetzugang vom 11.02.2010 Zwecken der Sicherheit der Datenverarbeitungsanlage
des Staatsministeriums vor unerlaubten Zugriffen oder Angriffen von außen, nicht
Datensicherungszwecken im allgemeinen. Der ursprünglich verfolgte Zweck der
Speicherung der Originaldateien kann nicht mehr erreicht werden, diese dürfen daher
nicht aus der Sicherungskopie wiederhergestellt werden.
78 Unerheblich ist in diesem Zusammenhang das Vorbringen des Beklagten, nach der AnO
Schriftgut und allgemeinen, aus dem Rechtsstaatsprinzip und der Rechtsschutzgarantie
folgenden Grundsätzen seien E-Mails aufgrund des Grundsatzes der
Aktenvollständigkeit zu den Akten zu nehmen. Dass aus diesen Gründen E-Mails
gespeichert werden, ergibt sich weder aus einer gesetzlichen Grundlage noch aus einer
datenschutzrechtlichen Einwilligung des Klägers. Ein datenschutzrechtlich relevanter
Speicherzweck im Sinne des § 15 Abs. 1 LDSG liegt insoweit nicht vor.
79 dd) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht zum Löschungsanspruch des Klägers
dargelegt, dass dieser sich nicht zusätzlich auf § 88 TKG berufen kann, dass § 36 LDSG
keine Anwendung findet und dass § 23 Abs. 3 LDSG dem Grunde nach dem
Löschungsanspruch nicht entgegensteht. Auf diese Ausführungen des
Verwaltungsgerichts, die die Beteiligten im Berufungsverfahren nicht angreifen, nimmt
der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen vollständig Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3
VwGO).
80 b) Dem Löschungsanspruch des Klägers nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG stehen weder der
Einwand des Rechtsmissbrauchs (aa) noch nachwirkende Pflichten des Klägers aus der
Organtreue als ehemaliger Ministerpräsident des Landes (bb) entgegen.
81 aa)Dem datenschutzrechtlichen Löschungsanspruch des Betroffenen nach § 23 Abs. 1
Nr. 2 LDSG kann im Einzelfall der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung
entgegenstehen, wenn der Betroffene seinerseits offenkundig und schwerwiegend gegen
eine gegenüber der die Daten speichernden Stelle bestehenden Pflicht oder
Obliegenheit verstoßen hat, die im sachlichen Zusammenhang mit den zu löschenden
Daten steht (1). Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht erfüllt (2).
82 (1) Beim Rechtsmissbrauch handelt es sich um einen besonderen Fall des Verstoßes
gegen Treu und Glauben. Das Gebot, sich so zu verhalten, wie Treu und Glauben es
verlangen, gehört im Verwaltungsrecht zu den allgemeinen ungeschriebenen
Grundsätzen, die sowohl im Verwaltungsrecht des Bundes als auch im Verwaltungsrecht
der Länder existieren und Bürger und Verwaltung binden (vgl. BVerwG, Urt. v.
18.04.1996 - 4 C 22.94 - BVerwGE 101, 58, juris Rn. 17; Urt. v. 18.04.1996 - 4 C 6.95 -
BVerwGE 101, 64 <71>; Urt. v. 25.10.1996 - 8 C 24.96 - BVerwGE 102, 194 <199>; Urt. v.
26.03.2003 - 6 C 24.02 - BVerwGE 118, 84 <89>; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG,
7. Aufl., § 62 Rn. 29; Pitschas, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voß-kuhle,
Grundlagen des Verwaltungsrechts, 2. Aufl., Bd. II., § 42 Rn. 94). Der Einwand des
Rechtsmissbrauchs kann daher auch subjektiv-öffentlichen Ansprüchen des Bürgers
gegen die öffentliche Hand entgegenstehen (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urt. v.
14.04.1978 - IV C 6.76 - BVerwGE 55, 337, juris Rn. 10, m.w.N.; Urt. v. 18.04.1996 - 4 C
22.94 - a.a.O.; Urt. v. 16.05.2000 - 4 C 4.99 - BVerwGE 111, 162, juris Rn. 31, m.w.N.).
Auch verfassungsrechtlich sind missbräuchlich erworbene Rechtspositionen des Bürgers
nicht notwendig geschützt (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.05.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116,
24, juris Rn. 51, zur Rücknahme der erschlichenen Einbürgerung nach § 48 VwVfG;
ebenso BVerwG, Urt. v. 03.06.2003 - 1 C 19.02 - BVerwGE 118, 216 <220>; ähnlich zur
missbräuchlichen Berufung auf Grundfreiheiten: EuGH, Urt. v. 09.03.1999 - C-212/97
[Centros] - juris Rn. 24 m.w.N.). Entgegen der Auffassung des Klägers schließen
Grundrechte des Betroffenen daher nicht von vornherein aus, dass sich die öffentliche
Hand ihm gegenüber auf die Grundsätze von Treu und Glauben berufen kann.
83 Ein Fall der nach dem Grundsatz von Treu und Glauben unzulässigen Rechtsausübung
ist die Verletzung eigener Pflichten (vgl. nur Grüneberg, in: Palandt, BGB, 72. Aufl., § 242
Rn. 46, m.w.N.). Dabei bedarf es eines Zusammenhangs zwischen dem beanspruchten
und dem selbst geübten Verhalten, damit der geltend gemachte Rechtsanspruch
angesichts des eigenen Verhaltens rechtsmissbräuchlich erscheint (vgl. Roth/Schubert,
in: MK-BGB, 6. Aufl., § 242 Rn. 389).
84 Der Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben steht hier, anders als der Kläger
meint, nicht entgegen, dass der Gesetzgeber in § 15 Abs. 2 LDSG Fälle der zulässigen
Zweckänderung geregelt und insbesondere in § 15 Abs. 2 Nr. 5 LDSG Belange des
Allgemeinwohls bereits berücksichtigt hat. Eine abschließende Regelung in dem Sinne,
dass im Einzelfall ein Rückgriff auf die Grundsätze von Treu und Glauben
ausgeschlossen ist, ist damit nicht verbunden (für eine Ausnahme von der strikten
Zweckbindung des § 15 Abs. 4 LDSG oder vergleichbarer Normen in Sonderfällen auch:
Weichert, a.a.O., § 31 Rn. 5; von Lewinsky, a.a.O., § 31 Rn. 29, 35: Dammann, a.a.O., §
14 Rn. 115). Der Einwand, das Verfolgen eines Anspruchs verstoße gegen Treu und
Glauben, kann als allgemeines, in der Rechtsordnung anerkanntes Prinzip Geltung im
Verhältnis auch zu Verfassungsrechtsätzen wie der Bindung an Recht und Gesetz und
dem Gesetzesvorbehalt beanspruchen. Das Verbot des Rechtsmissbrauchs hat nämlich
selbst eine Grundlage in der materialen Rechtsstaatlichkeit (vgl. Pitschas, a.a.O.,
m.w.N.). Die Bindung an Recht und Gesetz nach Art. 20 Abs. 3 GG wird folglich nicht
dadurch infrage gestellt, dass der Bürger öffentlich-rechtliche Ansprüche mit Rücksicht
auf Treu und Glauben nicht geltend machen kann (vgl. bereits BVerwG, Urt. v.
14.04.1978, a.a.O.).
85 Die Grundsätze von Treu und Glauben können in der vorliegenden Konstellation jedoch
nicht dazu führen, dass jeder Verstoß eines Betroffenen, der dem Grunde nach einen
Löschungsanspruch nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG hat, gegen eigene Pflichten oder
Obliegenheiten dem Löschungsanspruch hindernd entgegengehalten werden kann.
Voraussetzung ist vielmehr ein offenkundiger und schwerwiegender Verstoß gegen
eigene Pflichten oder Obliegenheiten (ähnlich in anderen Zusammenhängen: BVerwG,
Urt. v. 08.02.1974 - VII C 35.73 - DÖV 1975, 137, juris Rn. 16 m.w.N.; Urt. v. 29.01.2009 -
4 C 15.07 - BVerwGE133, 85, juris Rn. 17; BSG, Urt. v. 18.07.2013 - B 3 KR 21/12 R -
juris Rn. 37; BayVGH, Urt. v. 25.02.1977 - 6 X 77 - juris Rn. 26). Andernfalls könnte die
Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben dazu führen, dass eine vom
Gesetzgeber nicht vorgesehene Nutzung personenbezogener Daten zulässig würde.
Dies wäre mit der Bedeutung des Gesetzesvorbehalts, der im Rechtsstaatsprinzip und
den Grundrechten wurzelt, unvereinbar. Der Gesetzesvorbehalt hat eine elementare
freiheitssichernde Funktion. Indem er für jeden staatlichen Eingriff in eine grundrechtlich
geschützte Freiheit eine gesetzliche Grundlage fordert, gewährleistet er, dass die
Freiheitseinschränkung auf den Willen des Souveräns zurückzuführen ist und der
betroffene Bürger vorab erkennen kann, welche Freiheitseinschränkungen er zu erwarten
hat. Im Datenschutzrecht kommt ihm eine besondere Bedeutung zu. Der Ausgleich
zwischen den Grundsätzen von Treu und Glauben und dem Gesetzesvorbehalt, die im
Ansatz gleichrangig nebeneinander stehen, ist daher in dem Sinne vorzunehmen, dass
nur schwerwiegende und offensichtliche Verstöße gegen eigene Pflichten oder
Obliegenheiten des Betroffenen dem Löschungsanspruch nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG
mit Erfolg entgegengehalten werden können.
86 (2) Die Voraussetzungen eines offenkundigen und schwerwiegenden Verstoßes gegen
eigene Pflichten oder Obliegenheiten liegen hier nicht vor. Zwar hat der Kläger
möglicherweise gegen seine Pflicht zur Führung vollständiger Akten verstoßen (a). Ein
solcher Verstoß des Klägers gegen den Grundsatz der Aktenvollständigkeit stünde in
dem für den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung notwendigen Zusammenhang
zum Löschungsanspruch. Denn beide Aspekte betreffen denselben Gegenstand
(dieselben Dateien) und stehen auch inhaltlich in einem Zusammenhang, da es jeweils
auch um die Frage geht, welche Dateien für die Aufgaben der Beklagten erforderlich
sind. Ein solcher Verstoß wäre jedoch nicht offensichtlich und schwerwiegend (b).
87 (a) Auch für Regierungshandeln besteht im Grundsatz eine Pflicht zur Führung
vollständiger Akten, die jedoch durch den Schutz des Kernbereichs exekutiver
Eigenverantwortung begrenzt ist:
88 (aa) Eine ausdrückliche landesrechtliche Regelung zur Führung vollständiger Akten in
Behörden einschließlich Ministerien fehlt. Die im Staatsministerium geltende AnO
Schriftgut vom 22.12.2005 ist lediglich ein Erlass. Aus ihr lässt sich eine Pflicht,
Dokumente zur Akte zu nehmen und eine vollständige Akte zu führen, nur mittelbar
entnehmen: Danach umfasst das Schriftgut alle aus der Verwaltungstätigkeit anfallenden
Dokumente und ihre Anlagen (Nr. 1.2). Schriftgut ist vor Verlust, Beschädigung und
unbefugtem Zugang sowie vor Änderung des Inhalts zu schützen (Nr. 2). Dokumente
werden mit einem Aktenzeichen registriert (Nr. 3.1). Eine klare Bestimmung zur Führung
vollständiger Akten fehlt jedoch in der AnO Schriftgut.
89 Für E-Mails enthält die AnO Schriftgut keine ausdrückliche Regelung. Nach der Praxis im
Staatsministerium entschied jeder Nutzer des Postfachs selbst, welche E-Mails er
ausdruckt und den Akten beigefügt oder löscht. Unerheblich ist in diesem
Zusammenhang der in der von dem Beklagten vorgelegten Akte vorhandene Leitfaden
für die Schriftgutverwaltung im Innenministerium vom März 2010. Er enthält u.a. die
Regelung - auf die sich der Kläger zu Unrecht beruft -, dass E-Mails, die keine
Entscheidungen enthalten, vernichtet werden, es sei denn, der Bearbeiter ordnet die
Aufbewahrung an. Dieser Leitfaden des Innenministeriums galt im Staatsministerium
nicht.
90 Eine Pflicht, die erforderlichen Unterlagen zur Akte zu nehmen und die Akte vollständig
zu führen, folgt bereits aus allgemeinen Grundsätzen, wie sie die Rechtsprechung seit
langem anerkennt: Der Grundsatz der Aktenvollständigkeit ist für die vollziehende Gewalt
nicht ausdrücklich geregelt. Eine solche ausdrückliche Regelung ist jedoch auch nicht
erforderlich. Die den Behörden nach dem Grundgesetz obliegende Vollziehung der
Gesetze ist nicht ohne eine Dokumentation der einzelnen Verwaltungsvorgänge denkbar,
die das bisherige sachbezogene Geschehen sowie mögliche Erkenntnisquellen für das
künftig in Frage kommende behördliche Handeln enthält. Dies macht die Führung von
Akten erforderlich, ohne dass dies eines ausdrücklichen Ausspruchs im Gesetz bedürfte.
Das Prinzip der Aktenvollständigkeit folgt aus der Bindung der Verwaltung an Gesetz und
Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) und der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Pflicht zur
Objektivität (vgl. BVerfG, Beschl. v. 06.06.1983 - 2 BVR 244, 310/83 - NJW 1983, 2135;
BVerwG, Beschl. v. 16.03.1988 - 1 B 153.87 - NJW 1988, 621 <622>; OVG Meckl.-Vorp.,
Beschl. v. 22.12.2000 - 2 L 38/99 - juris Rn. 55 f., m.w.N.; ebenso Bonk/Kallerhoff, in:
Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 29 Rn. 16).
91 (bb) Für Handeln von Regierungen gelten diese für Verwaltungshandeln von Behörden
entwickelten Grundsätze im Ansatz ebenso. Dies folgt zum einen daraus, dass auch ein
Handeln der Regierung, vor allem außerhalb von Gesetzgebungsverfahren
Verwaltungstätigkeit sein kann (vgl. BerlVerfGH, Urt. v. 20.12.2011 - 159/10 - juris Rn.
28). Im Hinblick auf eigentliches Regierungshandeln ergibt sich das zum anderen aus
dem Gewaltenteilungsgrundsatz. Zwar besteht ein nicht ausforschbarer Kernbereich
exekutiver Eigenverantwortung, der auch der Pflicht, Unterlagen zur Akte zu nehmen,
Grenzen setzt. Jedoch gebietet der Gewaltenteilungsgrundsatz - nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die auf das Land Baden-Württemberg
übertragbar ist - eine Auslegung der Verfassung dahin, dass parlamentarische Kontrolle
wirksam ausgeübt werden kann. Dies wäre nicht der Fall, wenn die dazu nötigen
Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen dem
Parlament auch nach Abschluss der jeweiligen Vorgänge grundsätzlich verschlossen
blieben. Die Entscheidungen der Regierung unterlägen dem parlamentarischen
Kontrollrecht dann nur hinsichtlich des verlautbarten Entscheidungsinhalts und solcher
Entscheidungsgrundlagen, die keine Rückschlüsse auf die Willensbildung innerhalb der
Regierung zulassen. Eine solche grundsätzliche Begrenzung der parlamentarischen
Kontrolle wäre mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz unvereinbar (vgl. BVerfG, Beschl. v.
30.03.2004 - 2 BvK 1/01 - BVerfGE 100, 199, juris Rn. 44 f., 51; Beschl. v. 17.06.2009 - 2
BvE 3/07 - BVerfGE 124, 78, juris Rn. 123 ff., 141, m.w.N.). Folglich müssen insoweit
auch Pflichten zur vollständigen Aktenführung bestehen, da andernfalls die
parlamentarische Kontrolle leerliefe.
92 Dies gilt jedoch nicht für den geschützten Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.
Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt
notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen
auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht
ausforschbaren Initiativbereich, Beratungsbereich und Handlungsbereich
einschließt.Dazu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der
Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und
Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen
Abstimmungsprozessen vollzieht.Die Kontrollkompetenz des Parlaments erstreckt sich
demnach grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. Sie enthält nicht die
Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen.
Aber auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, in denen die Regierung
aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung geheimzuhaltende Tatsachen
mitzuteilen nicht verpflichtet ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 17.07.1984 - 2 BvE 11/83 u.a. -
BVerfGE 67, 100, juris Rn. 127 f.; Beschl. v. 01.10.1987 - 2 BvR 1178/86 - BVerfGE 77, 1,
juris Rn. 140; Beschl. v. 30.03.2004, a.a.O., Rn. 43; StGH, Urt. v. 26.07.2007 - GR 2/07 -
juris Rn. 94 ff.).
93 In Bezug auf abgeschlossene Vorgänge scheiden parlamentarische Informationsrechte
nicht grundsätzlich immer schon dann aus, wenn es sich um Informationen aus dem
Bereich der Willensbildung der Regierung, einschließlich der vorbereitenden
Willensbildung innerhalb der Ressorts und der Abstimmung zwischen ihnen, handelt.
Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen,
besteht in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei
Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung
liegen.Auch dem nachträglichen parlamentarischen Zugriff auf Informationen aus der
Phase der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen setzt der
Gewaltenteilungsgrundsatz Grenzen. Bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle
möglich, in denen die Regierung geheimzuhaltende Tatsachen aus dem Kernbereich
exekutiver Eigenverantwortung mitzuteilen nicht verpflichtet ist. Ein - sei es auch erst
nach Abschluss des jeweiligen Entscheidungsprozesses einsetzender - schrankenloser
parlamentarischer Informationsanspruch würde vor allem durch seine einengenden
Vorwirkungen die Regierung in der selbständigen Funktion beeinträchtigen, die das
Gewaltenteilungsprinzip ihr zuweist.
94 Der Gewaltenteilungsgrundsatz gebietet allerdings gerade im Hinblick auf die starke
Stellung der Regierung eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass - wie bereits
dargelegt - parlamentarische Kontrolle wirksam sein kann. Die Entscheidungen der
Regierung unterliegen daher dem parlamentarischen Kontrollrecht nicht nur hinsichtlich
des verlautbarten Entscheidungsinhalts und solcher Entscheidungsgrundlagen, die keine
Rückschlüsse auf die Willensbildung innerhalb der Regierung zulassen. Weitere
Hintergründe könnten sonst nach Belieben unzugänglich gehalten werden, auch solche,
ohne deren Kenntnis die getroffene Entscheidung politisch nicht beurteilt und die
politische Verantwortung für Fehler, die gerade das Zustandekommen dieser
Entscheidungen betreffen, nicht aufgeklärt werden kann.Parlamentarische
Informationsrechte in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge scheiden danach nicht
grundsätzlich immer dann aus, wenn es sich um Akten aus dem Bereich der
Willensbildung der Regierung, einschließlich der vorbereitenden Willensbildung
innerhalb der Ressorts und der Abstimmung zwischen ihnen, handelt. Ob zu erwarten ist,
dass die Herausgabe solcher Informationen die Funktionsfähigkeit und
Eigenverantwortung der Regierung beeinträchtigen würde, lässt sich nur unter
Berücksichtigung der jeweiligen Umstände feststellen. Informationen aus dem Bereich
der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, die Aufschluss über den Prozess der
Willensbildung geben, sind umso schutzwürdiger, je näher sie der gouvernamentalen
Entscheidung stehen. So kommt den Erörterungen im Kabinett besonders hohe
Schutzwürdigkeit zu. Je weiter ein parlamentarisches Informationsbegehren in den
innersten Bereich der Willensbildung der Regierung eindringt, desto gewichtiger muss
das parlamentarische Informationsbegehren sein, um sich gegen ein von der Regierung
geltend gemachtes Interesse an Vertraulichkeit durchsetzen zu können. Die
vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind demgegenüber einer
parlamentarischen Kontrolle in einem geringeren Maße entzogen. Besonders hohes
Gewicht kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse zu, soweit es um die
Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb der
Regierung geht. Die Frage, ob die Vorlage von Akten aus dem Bereich der Vorbereitung
abgeschlossener Regierungsentscheidungen, aus denen Aufschluss über die
Willensbildung der Regierung und ihrer Mitglieder gewonnen werden kann, die
Eigenverantwortung der Regierung beeinträchtigen würde, kann demnach nicht pauschal
verneint werden. Ebensowenig ist sie aber pauschal zu bejahen (vgl. zum Ganzen:
BVerfG, Beschl. v. 30.03.2004, a.a.O., Rn. 44 f., 51; Beschl. v. 17.06.2009, a.a.O., Rn. 123
ff., 141, m.w.N.)
95 Dabei geht es - zumindest vor allem - um den Schutz der Willensbildung innerhalb der
Regierung als Verfassungsorgan. Das Bundesverfassungsgericht hat daher die
Ermittlung einer etwaigen Einflussnahme Dritter auf Mitglieder der Bundesregierung in
einem zurückliegenden Zeitraum als einen Vorgang angesehen, der den nicht
ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung nicht berührte
(vgl. BVerfG, Beschl. v. 01.10.1987, a.a.O., juris Rn. 140). Auch die Vorlage von Akten,
die nicht die Beratungen der Regierung als Kollegium, sondern deren Vorbereitung
innerhalb der Ressorts und zwischen den Ressorts betreffen, berührt die
Eigenverantwortung der Regierung nicht. Zu prüfen ist insoweit jedoch, ob die
schützenswerte Freiheit und Offenheit des der Regierungsentscheidung über den
Haushaltsentwurf vorgelagerten interministeriellen Abstimmungsprozesses durch die
Verpflichtung zur Vorlage von Unterlagen aus diesem Abstimmungsprozess
beeinträchtigt wird; dies könnte anzunehmen sein, wenn die dadurch ausgelöste
Befürchtung eventueller späterer Publizität geeignet wäre, eine sachlich förderliche
Kommunikation zwischen den Beteiligten zu hemmen (vgl. BVerfG, Beschl. v.
30.03.2004, a.a.O., juris Rn. 65 f.). Daher kann auch Kommunikation von
Regierungsmitgliedern mit externen Beratern, die der Vorbereitung von
Regierungshandeln dient, schützenswert sein. Solche Überlegungen mit externen
Beratern können insbesondere Fragen der politischen Opportunität betreffen.
Unbeeinträchtigte Kommunikation hierüber zu ermöglichen, kann wesentlich sein, um
eine Regierungsentscheidung möglichst sachgerecht und ohne die einengende
Befürchtung, dass Vorüberlegungen nachträglich einer Kontrolle unterliegen, vorbereiten
zu können (ebenso StGH, Urt. v. 26.07.2007, a.a.O., Rn. 114 ff. zu Verhandlungen der
Regierung mit einem privaten Dritten).
96 (cc) Der danach für die Regierung mit Ausnahme des Kernbereichs exekutiver
Eigenverantwortung bestehenden Pflicht, Unterlagen zur Akte zu nehmen, steht die nach
der Verwaltungspraxis des Staatsministeriums bestehende Befugnis, selbst zu
entscheiden, welche E-Mails zur Akte genommen oder gelöscht werden, nicht entgegen.
Eine solche Befugnis kann - gerade für einen Ministerpräsidenten, dem die Staatsleitung
obliegt (vgl. zum Amtseid Art. 48 LV) - kein freies, sondern allenfalls ein pflichtgemäßes
Ermessen begründen, das nur im Rahmen der dargestellten allgemeinen Grundsätze
ausgeübt werden kann.
97 (b) An einem offensichtlichen und schwerwiegenden Verstoß des Klägers gegen die
Pflicht, vollständige Akten zu führen, fehlt es jedoch.
98 Dies folgt bereits daraus, dass eine klare und eindeutige Regelung dieser Pflicht nicht
bestand. Die AnO Schriftgut normiert eine solche Pflicht nicht ausdrücklich. Vielmehr
bestand im Staatsministerium die Praxis, dass jeder Mitarbeiter selbst entscheiden durfte,
welche E-Mails er zur Akte nimmt. Zwar kann daraus nur - wie dargelegt - ein
pflichtgemäßes, kein freies Ermessen folgen, da sich eine Pflicht zur Führung
vollständiger Akten aus allgemeinen Grundsätzen ergibt. Jedoch sind diese Grundsätze,
auch wenn sie im Hinblick auf Verwaltungshandeln für die pflichtigen Mitarbeiter
allgemein bekannt sein sollten, nur ungeschriebene Prinzipien. Zudem sind sie, soweit
ersichtlich, in der Rechtsprechung bisher - wenngleich ihre grundsätzliche Geltung für
Regierungshandeln aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des
Staatsgerichtshofs zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung folgt - nur auf die
Verwaltungstätigkeit angewandt worden.
99 Zudem war es, ohne dass es einer Entscheidung bedarf, ob alle streitgegenständlichen
Daten dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung unterfallen, zum damaligen
Zeitpunkt nicht offensichtlich fehlsam, davon auszugehen, dass die Vorbereitung des
zwischen den Beteiligten streitigen Erwerbs von Anteilen an der EnBW AG durch das
Land Baden-Württemberg dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung unterfallen
kann. Die gespeicherten E-Mails stammen jedenfalls aus dem Zeitraum vor dem
18.11.2010 und betreffen daher den Zeitraum der Vorbereitung des Ankaufs, der
grundsätzlich geeignet ist, in diesen geschützten Bereich zu gehören. Für die von dem
Beklagten vorgelegten, nicht bei den Sachakten sich befindenden E-Mails war es damals
nicht unvertretbar anzunehmen, diese würden als Informationen über die Vorbereitung
und öffentlichkeitswirksame Darstellung des Anteilserwerbs dem Kernbereich exekutiver
Eigenverantwortung unterfallen.
100 bb) Dem Löschungsanspruch des Klägers aus § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG stehen Pflichten
aus Organtreue als ehemaliger Ministerpräsident des Landes nicht entgegen. Denn der
Grundsatz der Organtreue begründet keine nachwirkenden Pflichten.
101 Nach dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue haben oberste Staatsorgane bei der
Ausübung ihrer Kompetenzen von Verfassungs wegen aufeinander Rücksicht zu
nehmen (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.02.1961 - 2 BvG 1, 2/60 - BVerfGE 12, 205 <254>;
Beschl. v. 04.06.1973 - 2 BvG 1/73 - BVerfGE 35, 193 <199>; Urt. v. 25.05.1977 - 2 BvE
1/74 - BVerfGE 45, 1 <39>; Urt. v. 12.07.1994 - 2 BvE 3/92 u.a. - BVerfGE 90, 286, juris
Rn. 203; StGH, Urt. v. 21.10.2002 - 11/02 - ESVGH 53, 15, juris Rn. 84; Urt. v. 11.10.2007
- GR 1/07 - juris Rn. 58). Dieser Grundsatz vermag für sich genommen jedoch keine
Rechte zu begründen. Vielmehr bedarf er, um seine Wirkung entfalten zu können, eines
bereits bestehenden Verfassungsrechtsverhältnisses. Er ist insoweit akzessorischer
Natur und kann ein vorhandenes Verfassungsrechtsverhältnis ausgestalten, aber nicht
neu begründen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.09.2013 - 2 BvE 6/08 u.a. - NVwZ 2013, 1468,
juris Rn. 183, unter Bezugnahme auf die Grundsätze zum bundesfreundlichen Verhalten,
vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 05.02.2001 - 2 BvG 1/00 - BVerfGE 104, 238 <248>).
102 Voraussetzung für die Berufung auf den Grundsatz der Organtreue ist daher, dass dem
Verfassungsorgan aktuell verfassungsrechtliche Zuständigkeiten zustehen. Die
verfassungsrechtlich gebotene Organtreue kann nur solange eingefordert werden, wie
das Verfassungsorgan selbst durch die Verfassung mit eigenen Rechten ausgestattet sei
(vgl. HambVerfG, Urt. v. 27.04.2007 - 3/06 - juris Rn. 89). Nachwirkende Pflichten einer
Person, die - wie der Kläger - Verfassungsorgan war, aber nicht mehr ist, bestehen daher
nicht.
103
II. Anschlussberufung des Klägers
104 Die Anschlussberufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.
105 1. Die Anschlussberufung ist nach § 127 Abs. 1 Satz 1 VwGO statthaft und auch sonst
zulässig. Die Anschlussberufung wurde form- und fristgemäß beim
Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 127 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 VwGO). Die
Begründung entspricht inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (Begründungsfrist,
Begründung in Anschlussschrift, bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. §
127 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, Satz 2 i.V.m. 124 a Abs. 3 Sätze 2, 4 und 5 VwGO).
106 2. Die Anschlussberufung des Klägers ist nicht begründet. Er hat keinen unbedingten
Anspruch auf Löschung der streitgegenständlichen Dateien. Vielmehr ist sein
Löschungsanspruch durch die Anbietungspflicht gegenüber dem Landesarchiv
beschränkt. Auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts hierzu nimmt
der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen vollständig Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3
VwGO). Das Vorbringen der Anschlussberufung rechtfertigt keine andere Beurteilung:
107 Unzutreffend ist der Kläger der Auffassung, dass die streitgegenständlichen Daten als
privat einzustufen seien und daher nur mit seinem Einvernehmen nach § 2 Abs. 3
LArchG angeboten werden dürften. Unter Hinweis auf die Gesetzgebungsmaterialien hat
das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, dass § 2 Abs. 3 LArchG Daten aus privater
Hand meint. Darum handelt es sich hier gerade nicht.
108 Ohne Erfolg muss auch das Vorbringen bleiben, es handele sich bei den
streitgegenständlichen Sicherungskopien nicht um Daten, die i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1
LArchG der Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben des Ministerpräsidenten als
Stelle im Sinne von § 2 Abs. 1 LArchG gedient hätten, da sie lediglich aus
datenverarbeitungstechnischen Gründen zur Sicherstellung des Betriebs der
Datenverarbeitungsanlage im Staatsministerium gespeichert worden seien. Für die
behauptete Konkordanz zwischen den datenschutzrechtlichen Prinzipien des
Erforderlichkeits- und des Zweckbindungsgrundsatzes und der Frage, welche Unterlagen
als potentielles Archivgut überhaupt dem Landesarchiv anzubieten sind, ist nichts
ersichtlich. § 3 Abs. 1 Satz 1 LArchG knüpft lediglich daran an, dass Unterlagen bei
Behörden, Gerichten und sonstigen Stellen des Landes entstanden sind und dort
vorhanden sind und von diesen nicht mehr zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt werden.
Nach der eindeutigen Regelung des § 23 Abs. 3 LDSG sind auch Daten, deren
Speicherung unzulässig war - z.B. da von vornherein keine Erforderlichkeit für die
Speicherung gegeben war - dem Landesarchiv anzubieten. Der datenschutzrechtliche
Erforderlichkeitsgrundsatz ist für die Anbietungspflicht gegenüber dem Landesarchiv
unerheblich.
109 Unbegründet macht der Kläger geltend, aus § 5 Abs. 3 Satz 2 LArchG folge, dass der
Löschungsanspruch des Betroffenen erst dann ausgeschlossen sei, wenn sich erst im
Nachhinein, also nach der Übergabe der Daten zur Archivierung herausstelle, dass die
weitere Speicherung datenschutzrechtlich unzulässig sei. § 5 Abs. 3 Satz 2 LArchG
regelt, dass Löschungsansprüche bei Archivgut ausgeschlossen sind. Für einen
Umkehrschluss, dass vor Anbieten gegenüber dem Landesarchiv sich
Löschungsansprüche gegenüber dem Archivrecht durchsetzten, fehlen Gründe.
110 Schließlich ist auch keine Verletzung des Grundrechts auf informationelle
Selbstbestimmung des Klägers gegeben. Die schlichte Behauptung, § 23 Abs. 3 LDSG
in Verbindung mit § 5 Abs. 3 Satz 2 LArchG sei keine ausreichende gesetzliche
Grundlage für einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, ist
nicht nachzuvollziehen. Warum den vom Kläger angesprochenen
Bestimmtheitsanforderungen nicht genügt sein soll, erschließt sich nicht. Die sich aus der
gesetzlichen Regelung ergebenden Rechtsfolgen sind klar und eindeutig. Wie das
Verwaltungsgericht ausführlich dargelegt hat, bestehen zudem zahlreiche
Schutzvorkehrungen zugunsten der etwaig in ihren Grundrechten Betroffenen.
111 Erfolglos bleibt schließlich der Einwand des Klägers, nach der Auffassung des
Verwaltungsgerichts müssten alle bei der Landesverwaltung anfallenden E-Mails dem
Landesarchiv angeboten werden und dies könne nicht richtig sein. § 3 Abs. 1 Satz 1
LArchG sieht für die Behörden, Gerichte und sonstigen Stellen des Landes eine
unbeschränkte Anbietungspflicht für alle Unterlagen vor. Unterlagen in diesem Sinne
sind gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 LArchG insbesondere Schriftstücke, Karteien, Karten,
Pläne, Bild-, Film- und Tonmaterialien sowie sonstige Informationsträger und
maschinenlesbar auf diesen gespeicherte Informationen und Programme; dazu gehören
mithin auch E-Mails. Eine § 2 Abs. 6 BArchG vergleichbare Norm - nach der Unterlagen,
die nach Auffassung der anbietungspflichtigen Stellen und des zuständigen Archivs von
offensichtlich geringer Bedeutung sind, nicht angeboten werden müssen - gibt es in
Baden-Württemberg nicht. Einschränkungen können allerdings gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2
LArchG gerade im Hinblick auf maschinenlesbare Informationen zwischen dem
Landesarchiv und der anbietenden Stelle getroffen werden.
112
III. Nebenentscheidungen
113 Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Auch bei einem
Anschlussrechtsmittel ist nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der
Kostenentscheidung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.11.1980 - 1 B 802.90 - juris) diese
einheitlich zu treffen (vgl. BFH, Beschl. v. 17.12.2002 - I R 87/00 - juris; OVG Saarl.,
Beschl. v. 28.06.2010 - 2 B 36/10.NC u.a. - juris Rn. 158, m.w.N.).
114 Die Revision ist nicht zuzulassen. Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen
nicht vor. Insbesondere hat der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung. Das
Landesdatenschutzgesetz und das Landesarchivgesetz sind Landesrecht. Ebenso
haben der Einwand des Rechtsmissbrauchs (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.1978 - IV C 6.76
- BVerwGE 55, 337, juris Rn. 13, 14 und Urt. v. 14.08.1982 - 8 C 19.90 - BVerwGE 90,
310, juris Rn. 16) und die Grundsätze der Organtreue ihre Grundlage im Landesrecht.
115
Beschluss vom 30. Juli 2014
116 Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf
5.000.—EUR
festgesetzt. Wechselseitig eingelegte Rechtsmittel sind, soweit sie nicht in getrennten
Prozessen verhandelt werden, zusammenzurechnen (§ 45 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 GKG).
Das gilt auch für den Fall eines unselbständigen Anschlussrechtsmittels (vgl. BGH -GrS-,
Beschl. v. 05.10.1978 - GSZ 1/78 - BGHZ 72, 339; BayVGH, Urt. v. 22.07.2010 - 6 B
09.584 - juris Rn. 50). Da die Rechtsmittel denselben Gegenstand betreffen, ist der
Auffangwert von 5.000.-- EUR nur einmal festzusetzen (vgl. OVG Saarl., Beschl. v.
28.06.2010, a.a.O., Rn. 160; OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 07.09.2010 - 1 M 210/09 - juris
Rn. 57).
117 Der Beschluss ist unanfechtbar.