Urteil des VG Stuttgart vom 17.02.2014

VG Stuttgart: gemeinde, klagebefugnis, bebauungsplan, befreiung, verwaltungsakt, erlass, beiladung, bindungswirkung, rechtsverletzung, überprüfung

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 17.2.2014, 5 S 1667/12
Leitsätze
1. Die Klagebefugnis ist nur gegeben, wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung gerade
durch die mit dem Verwaltungsakt getroffene Regelung möglich erscheint. Allein in der
Begründung enthaltene Feststellungen können für sich genommen ebenso wenig die
Klagebefugnis begründen wie lediglich tatsächliche oder mittelbare Wirkungen.
2. In Fällen, in denen eine Gemeinde nicht selbst Adressat des Verwaltungsaktes ist, kann sich
aus ihrer kommunalen Planungs- oder Finanzhoheit eine Klagebefugnis nur ergeben, wenn von
diesem ihr gegenüber unmittelbare Rechtswirkungen ausgehen können (im Anschluss an
BVerwG, Beschl. v. 30.07.2004 - 5 B 68.04 -, juris). Dies ist bei einer gegenüber einem ihrer
Bürger erlassenen Abbruchsanordnung grundsätzlich nicht der Fall.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 23. Juli 2012
- 6 K 41/11 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Die Klägerin - eine Gemeinde ohne eigene Baurechtszuständigkeit - wendet sich gegen
eine gegenüber einem ihrer Bürger erlassene Abbruchsanordnung für ein Gartenhaus.
2 Ende 2003 hatte die Beklagte festgestellt, dass auf dem Grundstück Flst. Nr. 2580
außerhalb des im maßgeblichen Bebauungsplan „Löchle II“ der Klägerin festgesetzten
Baufensters ohne Genehmigung ein Gartenhaus errichtet worden war.
3 Mit baurechtlicher Entscheidung vom 28.07.2004 hatte die Beklagte die nachträgliche
Erteilung einer Baugenehmigung abgelehnt, da nach dem Bebauungsplan (vgl. § 5 Nr. 2)
auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen nicht zulässig seien und
insoweit keine Befreiung in Betracht komme. Widerspruch und nachfolgende
Anfechtungsklage blieben erfolglos.
4 Nachdem das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20.10.2005 - 6 K
1024/05 - Rechtskraft erlangt hatte, gab die Beklagte dem Eigentümer des Grundstücks mit
baurechtlicher Entscheidung vom 24.04.2007 auf, das Gartenhaus abzubrechen oder es in
seiner Lage so zu verändern, dass es den Festsetzungen des Bebauungsplans
entspreche.
5 Hiergegen erhoben sowohl der Eigentümer des Grundstücks als auch die Klägerin
Widerspruch. Zur Begründung ihres am 24.05.2007 erhobenen Widerspruchs verwies die
Klägerin auf den Widerspruch des Grundstückseigentümers. Dieser hatte ausgeführt, dass
die Abbruchsanordnung ermessensfehlerhaft, insbesondere unverhältnismäßig sei.
Insbesondere sei unberücksichtigt geblieben, dass die Klägerin seinem Bauvorhaben
zugestimmt habe. Ob öffentliche Interessen entgegenstünden, habe allein die Gemeinde
zu beurteilen, die freilich im vorausgegangenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht
beigeladen worden sei.
6 Mit getrennten Widerspruchsbescheiden vom 16.01.2008 wies das Regierungspräsidium
Freiburg den Widerspruch des Grundstückseigentümers als unbegründet und den der
Klägerin als unzulässig zurück.
7 Hiergegen hat allein noch die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg erhoben,
mit der sie ihr Aufhebungsbegehren weiterverfolgt. Sie sei ausnahmsweise klagebefugt,
weil sie in dem vorausgegangenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beigeladen
worden sei, obwohl sie ihr gemeindliches Einvernehmen zu dem Bauvorhaben erteilt
habe. Insofern sei sie an das gleichwohl ergangene Urteil nicht gebunden. Es gehe um
ihre Planungshoheit unmittelbar betreffende Fragen der Anwendung des neu gefassten §
31 Abs. 2 BauGB, insbesondere darum, inwieweit ihr ungeachtet ihres Einvernehmens
noch eine mit finanziellen Aufwendungen verbundene Bebauungsplanänderung
abverlangt werden könne. Die Abbruchsanordnung sei bereits deshalb rechtswidrig, weil
eine Befreiung von den bauplanerischen Festsetzungen hätte erteilt werden können. Die
Grundzüge der Planung seien tatsächlich nicht berührt. Festsetzungen eines
Bebauungsplans könnten nicht ohne Verstoß gegen Art. 28 Abs. 2 GG gegen den Willen
der Gemeinde ausgelegt werden. Es entspreche zudem der Planungshoheit und dem
Selbstverständnis der Gemeinden, die Gleichbehandlung gleicher Fälle durch die
Baurechtsbehörden zu gewährleisten. Gemeinden müssten die Entscheidungen
übergeordneter staatlicher Stellen jedenfalls dann überprüfen lassen können, wenn sie
durch die Erteilung ihres Einvernehmens mitgewirkt hätten. § 42 Abs. 2 VwGO sei auf
diese Fallkonstellation nicht zugeschnitten. Schließlich wäre sie auch in ihrer
Finanzhoheit betroffen, müsste sie aufgrund der unrichtigen Rechtsanwendung der
Baurechtsbehörden ihren Bebauungsplan ändern. All dies gelte in besonderem Maße,
wenn die untere Baurechtszuständigkeit - wie hier - bei einer Verwaltungsgemeinschaft
liege.
8 Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie verweist darauf, dass es letztlich der
Baurechtsbehörde obliege, die Einhaltung der bauplanungsrechtlichen Vorschriften zu
prüfen. Eine Baugenehmigung sei daher trotz gemeindlichen Einvernehmens zu
versagen, wenn die Voraussetzungen für eine Befreiung nicht vorlägen.
9 Mit Urteil vom 23.07.2012 - 6 K 41/11 - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
Sie sei mangels Klagebefugnis unzulässig, jedenfalls aber schon deshalb unbegründet,
weil die Abbruchsanordnung die Klägerin nicht in ihren Rechten verletze. Dass ihr
Selbstverwaltungsrecht verletzt sein könnte, sei offensichtlich und eindeutig nach jeder
denkbaren Betrachtungsweise ausgeschlossen. So seien die Baurechtsbehörden nach
ganz einhelliger Meinung nur an die Versagung, nicht jedoch an die Erteilung des
gemeindlichen Einvernehmens gebunden. Eine auf die Planungshoheit gestützte
Klagebefugnis bestehe nur, wenn sich die Baurechtsbehörden über die Festsetzungen
des Bebauungsplans durch Erteilung einer Baugenehmigung hinwegsetzten und dadurch
Zustände schafften, die der gemeindlichen Planung widersprächen. Vor diesem
Hintergrund sei auch die Beiladung einer Gemeinde nur auszusprechen, wenn diese ihr
Einvernehmen versagt, nicht jedoch auch dann, wenn sie ihr Einvernehmen erteilt habe.
Die Planungshoheit solle nur insoweit gesichert werden, als die Gemeinde ein ihrem
Bebauungsplan zuwiderlaufendes Vorhaben verhindern können solle. Wolle eine
Gemeinde demgegenüber die Zulässigkeit eines Bauvorhabens positiv begründen, müsse
sie ggf. ihren Bebauungsplan ändern bzw. ergänzen. Der Klägerin fehle aber auch
insoweit die Klagebefugnis, als sie ihre Bürger vor willkürlichen Entscheidungen der
Baurechtsbehörden schützen wolle.
10 Unabhängig davon, sei die Klage auch mangels Verletzung eigener Rechte unbegründet.
Die Planungshoheit der Klägerin werde nicht dadurch verletzt, dass die
Baurechtsbehörden die bauplanerischen Festsetzungen über einen Ausschluss von
Nebenanlagen entgegen ihrem Willen zu den „Grundzügen der Planung" rechneten. Eine
Gemeinde habe im Rahmen der Erteilung ihres Einvernehmens nicht eine neue
verbindliche planerische Abwägungs- und Ermessensentscheidung zu treffen. Vielmehr
könne sie die „Grundzüge ihrer Planung“ nur bei Erlass eines Bebauungsplans
hinreichend zum Ausdruck bringen. Hiervon könne sie nicht im Wege der Erteilung ihres
Einvernehmens abweichen und so das erforderliche Planänderungsverfahren umgehen.
11 Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am 13.08.2012 die bereits vom Verwaltungsgericht
wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt. Zu deren
Begründung macht die Klägerin innerhalb der mehrfach verlängerten Begründungsfrist im
Wesentlichen geltend: Das Verwaltungsgericht hätte die bisherige Rechtsprechung zur
fehlenden Klagebefugnis im Hinblick auf die Rechtspositionen der Gemeinden
überdenken müssen, zumal eine Befreiung keine Atypik mehr voraussetze. Zumindest
dann könne ihr eine Klagebefugnis nicht abgesprochen werden, wenn die
Baurechtsbehörde entgegen ihrer Auffassung eine Baugenehmigung aus
planungsrechtlichen Gründen versage und in der Folge eine Abbruchsanordnung erlasse.
Auch die Zielrichtung des § 42 Abs. 2 VwGO stehe dem nicht entgegen, wenn es um
substanzielle Interessenlagen einer Gemeinde im Bauplanungsrecht gehe. Ihr gehe es
keineswegs darum, die Interessen eines Bürgers wahrzunehmen, sondern um die Klärung
der Frage, inwieweit ein erteiltes Einvernehmen von der Baurechtsbehörde übergangen
werden dürfe, mit der eine Bebauungsplanänderung vermieden werden solle. Auch gehe
es um eine Auslegung des § 31 Abs. 2 BauGB. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG bestehe
auch kein Grund, die Baurechtsbehörden durch entsprechend hohe Anforderungen an die
Klagebefugnis vor einer Überprüfung ihrer - etwa auch im Hinblick auf den Gleichheitssatz
rechtswidrigen - Entscheidungen zu schützen. Auch habe das Verwaltungsgericht die
veränderte und gesellschaftspolitisch fortentwickelte Situation der Gemeinden verkannt.
Von ihnen werde erwartet, dass sie sich für eine Gleichbehandlung ihrer Bürger und deren
Baugesuche einsetzten. Bereits dies impliziere, dass sie entsprechende staatliche
Entscheidungen überprüfen lassen können müssten. Nicht zuletzt lasse sich eine
Klagebefugnis auch aus ihrer Finanzhoheit ableiten. So gehe es um die Frage, inwieweit
der ohnehin enge Handlungsspielraum einer Gemeinde in finanzwirtschaftlicher Hinsicht
weiter eingeschränkt werden dürfe.
12 Die Klägerin hat beantragt,
13 das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 23.07.2012 - 6 K 41/11 - zu ändern
sowie die baurechtliche Entscheidung der Beklagten vom 24.04.2007 und den
Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 16.01.2008 aufzuheben.
14 Die Beklagte hat beantragt,
15 die Klage abzuweisen.
16 Hierzu hat sie im Wesentlichen noch wie folgt vortragen lassen: Es sei ausgeschlossen,
dass die Klägerin in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt sei. Denn die
Baurechtsbehörden seien grundsätzlich nicht an die Erteilung des gemeindlichen
Einvernehmens gebunden. Über die materielle Genehmigungsfähigkeit eines
Bauvorhabens habe allein die Baurechtsbehörde und nicht die Gemeinde zu entscheiden.
Auf die von der Klägerin angeführten gesellschaftspolitischen Veränderungen zu
reagieren, sei Sache des Gesetzgebers. Im Übrigen gebe es keine Bestrebungen, die
Rolle der Gemeinden durch eine Ausweitung ihrer Klagebefugnisse zu stärken. § 42 Abs.
2 VwGO diene keineswegs nur dem Schutz vor „Querulanten“, vielmehr seien Gemeinden
schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nur klagebefugt, soweit ihnen das
Grundgesetz wehrhafte Rechtspositionen einräume. Wehrfähig seien nur die aus ihrem
Selbstverwaltungsrecht resultierenden Rechte. Aufgrund der Vielzahl ihrer Aufgaben und
Handlungsmöglichkeiten seien sie zentrale Verwaltungsträger und stünden dem Staat
näher als der grundrechtlichen Individualsphäre. Insofern bestehe kein Anlass, den durch
die Rechtsschutzgarantie gewährleisteten Gerichtsschutz zu erweitern. Abgesehen davon
bestehe auch keine Notwendigkeit an einer gesonderten Überprüfungsmöglichkeit einer
Baurechtsentscheidung. Die Klägerin könne sich auch nicht auf ihre Finanzhoheit berufen;
diese schütze sie nicht vor jeglichen Folgekosten, die durch die Erfüllung gemeindlicher
Aufgaben entstünden. Dass eine Norm von den zuständigen Entscheidungsträgern nicht
in dem von ihm beabsichtigten Sinne ausgelegt und angewandt werde, sei das Risiko
jedes Normgebers.
17 Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der
Schriftsätze der Beteiligten und der zur Sache gehörenden Gerichts- und Behördenakten
verwiesen.
Entscheidungsgründe
18 Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten
sich hiermit einverstanden erklärt haben (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).
19 Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist
insbesondere innerhalb der - zuletzt bis zum 17.12.2012 verlängerten -
Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof
begründet worden (§ 124a Abs. 2 u. 3 VwGO).
20 Sie ist jedoch unbegründet.
21 1. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht bereits wegen fehlender
Klagebefugnis (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO) als unzulässig abgewiesen.
22 Die Klagebefugnis ist gegeben, wenn eine Verletzung der Rechte des Klägers durch den
angefochtenen Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung des
begehrten Verwaltungsakts jedenfalls nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder
Betrachtungsweise unmöglich erscheint (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.02.1994 - 1 C 24.92 -,
BVerwGE 95, 133). Die behauptete Rechtsverletzung muss dabei „durch den
Verwaltungsakt“, d. h. gerade durch die mit ihm getroffene Regelung möglich erscheinen.
Allein in der Begründung enthaltene Feststellungen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO 19. A.
2013, § 42 Rn. 70) können für sich genommen ebenso wenig die Klagebefugnis
begründen wie lediglich tatsächliche oder mittelbare Wirkungen (vgl. Eyermann/Happ,
VwGO 13. A. 2010, § 42 Rn. 101 f.). Dies gilt auch dann, wenn die Klagebefugnis einer
Gemeinde in Rede steht, die mit einer Beeinträchtigung der kommunalen Planungs- und
Finanzhoheit begründet wird. Eine Klagebefugnis kann sich aus der kommunalen
Planungs- oder Finanzhoheit zwar auch in Fällen ergeben, in denen die Gemeinde nicht
selbst Adressat des Verwaltungsaktes ist. Dies setzt jedoch voraus, dass von diesem
Verwaltungsakt gegenüber der Gemeinde unmittelbare Rechtswirkungen ausgehen
können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.07.2004 - 5 B 68.04 -; Beschl. v. 22.01.2001 - 8 B
258.00 -, Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 11; Urt. 06.03.1986 - 5 C 36.82 -, BVerwGE
74, 84). Solche unmittelbaren Rechtswirkungen gehen von der gegenüber dem
Eigentümer eines auf ihrer Gemarkung liegenden Grundstücks ergangenen
Abbruchsanordnung für ein Gartenhaus jedoch unter keinem denkbaren Gesichtspunkt
aus. Auch die Klägerin zeigt solche Wirkungen auf ihre Planungs- oder Finanzhoheit nicht
auf.
23 Ihre Betroffenheit leitet die Klägerin daraus her, dass die Abbruchsanordnung damit
begründet worden war, dass das unter Verstoß gegen den von ihr erlassenen
Bebauungsplan „Löchle II“ errichtete Gartenhaus auch nicht nachträglich - unter Erteilung
einer Befreiung, hinsichtlich der sie ihr Einvernehmen erteilt hatte - habe genehmigt
werden können. Inwiefern ihr diese Begründung und der hinzutretende Umstand, dass sie
in dem auf die Erteilung der Baugenehmigung gerichteten verwaltungsgerichtlichen
Verfahren nicht beigeladen worden war, die Klagebefugnis gegen die in der Folge
erlassene Abbruchsanordnung vermitteln sollte, ist jedoch auch nicht ansatzweise zu
erkennen. Dass die Klägerin für den Fall, dass sie die materielle Baurechtmäßigkeit des
Gartenhauses doch noch herbeiführen wollte, dies nur mehr mit einer Änderung ihres
Bebauungsplans erreichen könnte, stellt lediglich eine mittelbare Auswirkung der - nicht
streitgegenständlichen - rechtskräftigen Versagung der Baugenehmigung dar.
24 Nichts anderes gilt, soweit sich die Klägerin mit dem Hinweis auf ihre Finanzhoheit darauf
beruft, dass die Durchführung eines auf die Änderung des Bebauungsplans „Löchle II“
gerichteten Verfahrens mit Kosten verbunden wäre. Als Mindestvoraussetzung für die
Möglichkeit einer die Klagebefugnis vermittelnden Beeinträchtigung der kommunalen
Finanzhoheit müssten zudem ein qualifizierter Ursachenzusammenhang im Sinne einer
notwendigen Folge zwischen der anzugreifenden, Dritte betreffenden Maßnahme und den
finanziellen Interessen des Selbstverwaltungsträgers bestehen und die möglichen
finanziellen Auswirkungen ein nicht mehr zu bewältigendes Maß erreichen (vgl. BVerwG,
Beschl. v. 30.07.2004, a.a.O.; hierzu auch BVerfG, Beschl. v. 27.11.1986 - 2 BvR 1241/82 -
, NVwZ 1987, 123). Dass letzteres hier der Fall sein könnte, behauptet auch die Klägerin
nicht.
25 Die von ihr sinngemäß aufgeworfene und vom Verwaltungsgericht verneinte Frage, ob
einem im Baugenehmigungsverfahren erteilten Einvernehmen der Gemeinde - zumindest
in bestimmten Fällen - eine positive Bindungswirkung mit der Folge zukommen könnte,
dass sie sich dann möglicherweise auch gegen eine die Baugenehmigung versagende
Entscheidung der Baurechtsbehörde zur Wehr setzen könnte, stellt sich danach im
vorliegenden Verfahren nicht. Denn selbst dann, wenn sich die Baurechtsbehörden zu
Unrecht über ihr erteiltes Einvernehmen hinweggesetzt hätten, berechtigte dies die
Klägerin nicht, sich gegen eine nachfolgende Abbruchsanordnung zur Wehr zu setzen.
Die unterbliebene Beiladung hinderte zwar eine Rechtskrafterstreckung und ggf. auch den
Eintritt materieller Rechtskraft (vgl. hierzu Kopp/Schenke, a.a.O., § 65 Rn. 43), vermag
aber ebenso wenig die Klagebefugnis gegen eine Abbruchsanordnung zu begründen,
deren Erlass nicht eines Einvernehmens der Gemeinde bedarf. Denn über die Zulässigkeit
des Vorhabens wird in diesem Verfahren nicht entschieden (vgl. § 36 Abs. 1 Satz 2
BauGB).
26 Dass eine Klagebefugnis auch nicht mit einer vermeintlich den Gemeinden zukommenden
Aufgabe begründet werden kann, die Rechtmäßigkeit baurechtlicher Entscheidungen zu
gewährleisten, liegt auf der Hand. Gemeinden sind unter keinem denkbaren Gesichtspunkt
berechtigt, sich über die Anrufung der Verwaltungsgerichte zum „Kontrolleur“ der zur
Wahrung öffentlicher Belange jeweils berufenen staatlichen Behörden aufzuschwingen;
sie können auch nicht die grundrechtlich geschützten Interessen ihrer Einwohner bei sich
bündeln, indem sie diese als Sachwalterin der örtlichen Gemeinschaft geltend machen
(vgl. BVerwG, Urt. v. 16.03.2006 - 4 A 1001.04 -, Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 145; Beschl.
v. 21.01.1993 - 4 B 206.92 -, NVwZ 1993, 884 <886>; BVerwG, Urt. v. 21.03.1996 - 4 C
26.94 -, BVerwGE 100, 388 <391>; BVerwG, Beschl. v. 15.04.1999 - 4 VR 18.98 -
Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 151).
27 2. Wenn es danach auch auf etwaige Rechte der Klägerin im rechtskräftig
abgeschlossenen Baugenehmigungsverfahren - entgegen ihrer und der Rechtsauffassung
des Verwaltungsgerichts - nicht ankam, erscheinen doch zur Klarstellung Ausführungen
dazu angezeigt, dass die Klägerin auch durch die - nicht streitgegenständliche -
Versagung der nachträglichen Baugenehmigung nicht unmittelbar in ihren Rechten,
insbesondere ihrer gemeindlichen Planungshoheit berührt wurde.
28 Die gemeindliche Planungshoheit besteht im Wesentlichen im Recht der Gemeinde,
Bauleitpläne aufzustellen, zu ergänzen oder aufzuheben (vgl. BVerwG, Beschl. v.
10.10.1991 - 4 B 167.91 -, Buchholz 406.11 § 36 BauGB Nr. 45; Beschl. v. 05.09.1968 - 4
B 154.67 -, Buchholz 406.11 § 36 Nr. 6). Dem Schutz dieses Rechts dient das
Einvernehmenserfordernis des § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB, wonach über die „Zulässigkeit“
von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB im bauaufsichtlichen Verfahren von der
Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden wird. Damit
soll die Gemeinde rechtzeitig vor Ausführung eines Vorhabens in die Lage versetzt
werden, durch politische Entscheidung die planungsrechtlichen Beurteilungsgrundlagen
für ein Vorhaben noch ändern und eine ggf. beabsichtigte Planung durch die Instrumente
der §§ 14 und 15 BauGB sichern zu können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.08.2008 - 4 B
25.08 -, Buchholz 406.11 § 36 BauGB Nr. 59; Urt. v. 07.02.1986 - 4 C 43.83 -, Buchholz
406.11 § 36 BBauG Nr. 35; hierzu auch § 36 Abs. 1 Satz 3 BauGB). Danach kommt eine
Beeinträchtigung der Planungshoheit aber von vornherein nicht in Betracht, wenn - wie
hier - eine (nachträglich) beantragte Baugenehmigung versagt wird. Denn dadurch ist sie
nicht gehindert, von diesen planungsrechtlichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen (vgl.
ausdrücklich OVG NW, Urt. v. 10.04.1981 - 10 A 1887/80 -, BRS 38 Nr. 156). Insofern hätte
ein Einvernehmen schon nicht eingeholt werden müssen. Denn dies ist nur erforderlich,
wenn die Baugenehmigungsbehörde eine positive Bescheidung des Bauantrags
beabsichtigt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.11.1991 - 4 B 191.91 -, NVwZ-RR 1992, 529;
bereits VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.11.1966 - IV 525/64 -, ESVGH 17, 125). An das hier
gleichwohl eingeholte und auch erteilte Einvernehmen war die Baugenehmigungsbehörde
jedenfalls nicht gebunden. Abgesehen davon, dass die Planungsabsichten der Gemeinde
nur einen Teilaspekt des Prüfprogramms darstellen (vgl. Dürr, in: Brügelmann, BauGB Bd.
3 , § 36 Rn. 14), erfordert ein Einvernehmen schon nach seinem Wesen eine
gleichermaßen positive Entschließung der Baugenehmigungsbehörde. Zu einer solchen
ist diese aber nicht schon deshalb verpflichtet, weil die Gemeinde die Zulassung des
Vorhabens befürwortet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.10.1991, a.a.O.; Beschl. v. 16.12.1969 -
IV B 121,69, DÖV 1970, 349; Beschl. v. 05.09.1968, a.a.O.; auch Urt. v. 28.05.1963 - I C
247.58 -, BVerwGE 16, 116 zu § 9 Abs. 2 FStrG; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß,
BauGB/BauNVO, 7. A. 2013, § 36 Rn. 49: sog. „Zwei-Schlüssel-Prinzip“; auch Dürr, a.a.O.,
§ 36 Rn. 14). Insofern verhält es sich nicht anders als im umgekehrten Fall, in dem die
Gemeinde ihr Einvernehmen versagt und sich ihre negative Auffassung - freilich
vorbehaltlich einer Ersetzung des Einvernehmens (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB, § 54
Abs. 4 Satz 1 LBO) - gegenüber der positiven Auffassung der Baugenehmigungsbehörde
im Verwaltungsverfahren durchsetzt (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 07.02.1986, a.a.O.; Urt. v.
19.11.1965 - IV C 184.65 -, BVerwGE 22, 342). Inwiefern sich aus der durch Art. 28 Abs. 2
GG garantierten gemeindlichen Planungshoheit ergeben sollte, dass sich die Auffassung
der Gemeinde in bauplanungsrechtlicher Hinsicht jedenfalls gegenüber der zur
Entscheidung über die Erteilung einer Baugenehmigung berufenen Baurechtsbehörde
(vgl. §§ 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB, 58 Satz 1 LBO) durchsetzen müsste, ist nicht ersichtlich.
Insbesondere stellt ein erteiltes Einvernehmen keine das Vorhaben beeinflussende
„Planungsentscheidung“ dar (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.10..1991, a.a.O.; Rieger, in:
Schrödter, BauGB 7. A. 2006, § 36 Rn. 13).
29 Soweit die Klägerin der Sachbeurteilungskompetenz der Baugenehmigungsbehörde
sinngemäß entgegenhält, dass (jedenfalls) die Auslegung eines von ihr selbst erlassenen
Bebauungsplans ihre Sache und insofern für die Baugenehmigungsbehörde verbindlich
sein müsse, bleibt sie eine Begründung für diese Behauptung schuldig. Einen Grundsatz
des Inhalts, dass die Auslegung durch den Plan- bzw. Normgeber für den Normanwender
verbindlich wäre, gibt es nicht. Dem entsprechend wird auch über die Zulässigkeit von
Vorhaben nach § 30 Abs. 1 und 2 BauGB nicht im Einvernehmen der Gemeinde
entschieden (vgl. § 36 Abs. 1 Satz 1 u. 3 BauGB), obwohl sich die Zulässigkeit des
Vorhabens allein nach dem Bebauungsplan beurteilt.
30 Dass die Baurechtsbehörden den Bebauungsplan „Löchle II“ im Hinblick auf die einer
Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB entgegenstehenden „Grundzüge der Planung“ anders
als die Klägerin beurteilt hatten, war danach von vornherein nicht geeignet, auf eine
Beeinträchtigung ihrer Planungshoheit mit der Folge zu führen, dass auch sie die
getroffene Ablehnungsentscheidung zur gerichtlichen Überprüfung hätte stellen können.
Mit dem Erlass des Bebauungsplans „Löchle II“ hatte sie ihre Planungshoheit bereits
ausgeübt. An diesen Bebauungsplan ist die Klägerin solange gebunden, als sie ihn nicht
in dem dafür vorgesehenen förmlichen Verfahren geändert hat (vgl. § 1 Abs. 8 BauGB).
Ein solches Verfahren war auch nicht deshalb entbehrlich geworden, weil sie ihr
Einvernehmen erteilt hatte. Ein einfacher Beschluss des Gemeinderats, ein bestimmtes
Vorhaben zu befürworten, stellt eben - anders, als die Klägerin meint - noch keine
„Planungsentscheidung“ dar.
31 Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil über die Erteilung einer
Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB nach Ermessen zu entscheiden gewesen wäre (vgl.
BVerwG, Beschl. v. 29.01.1982 - 4 B 204.81 -, Buchholz 406.12 § 3 BauNVO Nr. 5; Rieger,
a.a.O., § 36 Rn. 12, § 31 Rn. 38), sollten die „Grundzüge der Planung“ tatsächlich nicht
berührt gewesen sein. Zwar hätte der Klägerin dann ebenso wie in dem Fall, in dem
bereits über die Zulässigkeit des Vorhabens selbst nach Ermessen zu entscheiden ist (vgl.
hierzu BVerwG, Beschl. v. 10.10.1991 - 4 B 167.91 -, Buchholz 406.11 § 36 BauGB Nr.
45), ein Ermessensspielraum zugestanden. Jedoch konnte ein erteiltes Einvernehmen
nach dem oben Gesagten auch dann zu keiner Begrenzung der
Sachbeurteilungskompetenz der Baugenehmigungsbehörde führen (so aber Hofmeister,
in: Spannowski/Uechtritz, BauGB, 2. A. 2014, § 36 Rn. 18) bzw. eine positive
Bindungswirkung begründen (vgl. Groß, BauR 1999, 566, 568 und 571). Insbesondere
erforderte das Einvernehmen nach dem sog. „Zwei-Schlüssel-Prinzip“ auch in diesem Fall
eine entsprechende - positive - Ermessensausübung der Baugenehmigungsbehörde (vgl.
Dürr, a.a.O., § 31 Rn. 66; BVerwG, Beschl. v. 03.12.1964, a.a.O.). Eine planerische
Funktion kommt der Erteilung des Einvernehmens auch in einem solchen Fall nicht zu.
Der der Gemeinde zustehende Ermessensspielraum ist lediglich insofern von Bedeutung,
als ein nach pflichtgemäßem Ermessen versagtes Einvernehmen der Gemeinde dann
nicht nach § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB ersetzt werden könnte.
32 Die Kostenentscheidung bestimmt sich nach § 154 Abs. 2 VwGO. Der Senat sieht gemäß
§ 167 Abs. 2 VwGO davon ab, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
33 Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht
vorliegen.
34
Beschluss vom 17. Februar 2014
35 Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren endgültig auf EUR 5.000,-- festgesetzt (vgl.
§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG).
36 Dieser Beschluss ist unanfechtbar.