Urteil des VG Sigmaringen vom 20.05.2015

datensicherung, vernehmung von zeugen, ausschluss der öffentlichkeit, erfüllung

VG Sigmaringen Urteil vom 20.5.2015, 5 K 5439/14
Weitergabe von Sicherungskopien der E-Mail-Postfächer einer früheren
Landesministerin an einen Untersuchungsausschuss des Landtags; Umfang
des Beweiserhebungsrechts eines Untersuchungsausschusses; Vorrang vor
datenschutzrechtlichem Löschungsanspruch
Leitsätze
1. Art. 35 LV BW und § 13 UAG BW sind "besondere Vorschriften" im Sinne von § 2
Abs. 5 DSG BW.
2. Die parlamentarischen Kontrollrechte eines Untersuchungsausschusses haben
regelmäßig gegenüber dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung das größere
Gewicht.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1 Die Klägerin, bis Mai 2011 Ministerin für Umwelt, Naturschutz und Verkehr, erstrebt
die Löschung sämtlicher noch vorhandener Daten der sie betreffenden Exchange-
Postfächer mit den darin enthaltenen, an sie gerichteten und von ihr versandten E-
Mails sowie E-Mail-Entwürfen, die im derzeitigen Umweltministerium noch
vorhanden sind.
2 Mit ihrer Klage will sie vor allem die Weitergabe von Sicherungskopien ihrer
Exchange-Postfächer durch das derzeitige Umweltministerium an den
Untersuchungsausschuss „Polizeieinsatz Sch. II“ des Landtags verhindern.
3 Der Auftrag des Untersuchungsausschusses umfasst nach dem
Einsetzungsbeschluss des Landtags vom 18.12.2013 (vgl. Landtagsdrucksache
15/XXX)
4 „I. zu untersuchen,
5 1. ob und in welchem Umfang der Abschlussbericht des
Untersuchungsausschusses
6 „Aufarbeitung des Polizeieinsatzes am 30. September 2010 im S. Sch.“
(Drucksache 14/XXX) unvollständig ist, welche Unterlagen – auch unter
Berücksichtigung des Kernbereichs exekutiver Verantwortung – diesem
Untersuchungsausschuss nicht vorgelegt wurden, insbesondere wann und von
wem welche Unterlagen vorenthalten wurden, aus welchen Gründen und unter
wessen Verantwortung;
7 2. ob und ggf. in welchem Umfang der Landtag durch unvollständig vorgelegte
Akten in seinen Rechten verletzt worden ist;
8 3. ob und ggf. auf welche Weise und mit welchen Zielen es eine politische Einfluss-
nahme der CDU-geführten Landesregierung (...) oder von Dritten auf den Poli-
zeieinsatz am 30. September 2010 im S. Sch. gab, insbesondere ob neu
aufgetretene Tatsachen oder neu zu beurteilende Tatsachen eine neue Bewertung
des Polizeieinsatzes erfordern;
9 4. wann und aus welchem Grund der 30. September 2010 für den Polizeieinsatz im
Sch. festgelegt wurde und welche Personen auf Seiten der CDU-geführten
Landesregierung (...), der Ministerien, der Polizei oder Dritte an dieser
Entscheidung beteiligt waren;
10 5. ob die für den 6. Oktober 2010 geplante Regierungserklärung des damaligen Mi-
nisterpräsidenten (...) Einfluss auf den Zeitpunkt des Polizeieinsatzes hatte; (...)“
11 In der konstituierenden Sitzung des Untersuchungsausschusses am 19.12.2013
wurde folgender Beweisbeschluss Nr. 3 gefasst:
12 „Es wird Beweis erhoben über die Fragen zu (...) I. des Untersuchungsauftrages
durch Beiziehung sämtlicher Akten, einschließlich Handakten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand direkt, indirekt, konkret oder
abstrakt betreffen, und die sich befinden im Bereich der Landesregierung und ihrer
Ministerien, die mit dem Polizeieinsatz am 30. September 2010 im S. Sch. befasst
waren (v.a. Staatsministerium, Innenministerium, Justizministerium, Ministerium für
Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Ministerium für Ländlichen Raum und
Verbraucherschutz, Ministerium für Verkehr und Infrastruktur, Ministerium für
Finanzen und Wirtschaft).“
13 Eine Recherche im Umweltministerium ergab darauf, dass keine für den
Untersuchungsgegenstand relevante Akten vorhanden waren mit Ausnahme eines
kurzen Vermerks des damaligen Ressortbeobachters des Umwelt- und
Verkehrsministeriums in der Landesvertretung in Berlin über die „Sondersitzung
des Innenausschusses des Bundestages am 01. Oktober 2010 zum Polizeieinsatz
auf der Baustelle von S.“, welcher dem Untersuchungsausschuss übermittelt
wurde. Im Besitz des Umweltministeriums befinden sich allerdings noch drei
Magnetbänder, die eine Datensicherung des gesamten Serverbestandes des
ehemaligen Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr enthalten. Im
Anschluss an die Landtagswahl 2011 erfolgte die Datensicherung wegen zu
erwartender Umressortierungen bei den Ministerien. Die Regierungsbildung im
Juni 2011 erbrachte eine Neuverteilung der Ressortbereiche des ehemaligen
Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr auf drei Ministerien (Ministerium
für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Ministerium für Ländlichen Raum und
Verbraucherschutz, Ministerium für Verkehr und Infrastruktur). Zweck der seinerzeit
erfolgten Datensicherung war es, im Hinblick auf die mit der Verschiebung
einzelner Ressortbereiche einhergehenden IT-Veränderungen bei Bedarf eine
Wiederherstellung des ursprünglichen Serverbestandes ermöglichen zu können.
Nach Angaben des Ministeriums war eine redundante Datensicherung über einen
längeren Zeitraum zwingend erforderlich, weil bei der Umorganisation mit der
Neubildung ganzer Ressortbereiche IT-Strukturen erst neu konzipiert, aufgebaut
oder reorganisiert und deren Verlässlichkeit verifiziert werden mussten. Die
Datensicherung beinhaltet eine Speicherung aller Abteilungs- und Referatsablagen
und aller etwa 600 Exchange-Postfächer der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des
damaligen Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr einschließlich des
Postfachs der Klägerin. Die Datensicherung ist in der vorliegenden Form ohne
technische Aufbereitung und Wiederherstellung nicht lesbar.
14 Nachdem der Untersuchungsausschuss über diesen Umstand informiert worden
war, fasste er am 26.09.2014 den folgenden Beweisbeschluss Nr. 24 a:
15 „Es wird Beweis erhoben über die Fragen [des Untersuchungsauftrags] durch
Beiziehung der Sicherungskopien mit Bezug zum Untersuchungsgegenstand, die
die e-mail-Postfächer für den Zeitraum 1.8.2010 bis 31.1.2011 von Ministerin a.D.
(…) und Ministerialdirektor a.D. (…) enthalten, vom Ministerium für Umwelt, Klima
und Energiewirtschaft.“
16 In der Begründung dieses Beweisbeschlusses wird ausgeführt, es bestünden
begründete Anhaltspunkte, dass sich in den Sicherungskopien relevante Daten für
die Erfüllung des Untersuchungsauftrags finden ließen. Die damalige
Verkehrsministerin sei in das Projekt S X und den Polizeieinsatz im Sch. am
30.09.2010 eng eingebunden gewesen. Es habe am 20.09.2010 ein
Strategiegespräch in kleiner Runde mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und
dem ehemaligen Polizeipräsidenten gegeben, an dem sie teilgenommen habe.
Ebenso habe sie an einem Gespräch am 29.09.2010 im Staatsministerium
teilgenommen, bei dem es um die Vorverlegung des Einsatzes auf 10:00 Uhr
gegangen sei. Weiter habe sie an der Pressekonferenz am 30.09.2010 im Landtag
und an der Besprechung im Eckzimmer am Abend des 30.09.2010 teilgenommen.
In den Akten finde sich eine E-Mail-Nachricht der ehemaligen Verkehrsministerin
an den damaligen Ministerpräsidenten vom 21.09.2010 mit folgendem Inhalt: „Es
wurde gestern vereinbart, dass die Bäume ab 1.10.2010 gefällt werden. Damit soll
verhindert werden, dass die Parkschützer zu lange Zeit haben, etwaige
Baumbesetzungen vorzunehmen. Ziel ist es, dass bis zu Deiner
Regierungserklärung mit den Bäumen alles erledigt ist. Planungen laufen
ordentlich, es wird aber eine Herausforderung.“ Nach dieser E-Mail scheine die
damalige Regierungserklärung einen größeren Einfluss auf die Festsetzung des
Termins des Polizeieinsatzes gehabt zu haben als bislang bekannt. Es könnten
daher politische Rahmenbedingungen polizeiliche Erwägungen überstrahlt haben.
Weiter sei dem Ausschuss eine Liste vorgelegt worden mit Einschätzungen zur
Wichtigkeit von Dokumenten und zur Strategie im ersten
Untersuchungsausschuss. Schließlich seien vom Umweltministerium auffallend
wenig Akten zur Verfügung gestellt worden („nur ein einseitiges Protokoll“), obwohl
das damalige Verkehrsministerium wesentliche Zuständigkeiten im Projekt
besessen habe. Der Ausschuss wolle sich bei der Beweiserhebung auf die
zentralen Entscheidungsträger im Hinblick auf den Polizeieinsatz beschränken.
Zum Schutz der Grundrechte der Betroffenen, der Wahrung der
Persönlichkeitsrechte und des Datenschutzes sowie des Schutzes des
Kernbereichs der Regierung werde folgender Verfahrensvorschlag unterbreitet: Die
Daten sollten ungeöffnet und ohne Einblick zu nehmen an den
Untersuchungsausschuss übermittelt werden. Dies solle den Betroffenen vorher
angezeigt werden. Nach der Lesbarmachung der Daten erfolge - gegebenenfalls
durch einen Amtsrichter - eine Aussonderung der privaten Datenbestände und
derjenigen Daten, die keinen Bezug zum Untersuchungsgegenstand hätten. Die
dienstlichen Datenbestände mit Bezug zum Untersuchungsgegenstand würden
dann dem Ministerium mit der Bitte zugeleitet, diejenigen Daten auszusortieren, die
dem Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung zuzurechnen seien. Die
danach verbleibenden Daten seien dem Ausschuss zu übermitteln. Die übrigen
Daten seien sämtlich und unverzüglich zu löschen.
17 Mit Schreiben des Umweltministeriums vom 21.10.2014 wurde darauf die Klägerin
in Kenntnis gesetzt, dass sich das Ministerium verpflichtet sehe, ihre ehemaligen
Exchange-Postfächer für den Zeitraum vom 01.08.2010 bis 31.01.2011 ohne
Einsicht zu nehmen vom Gesamtdatenbestand getrennt und sodann ungelesen
und versiegelt an den Untersuchungsausschuss zu übermitteln. Es sei
beabsichtigt, mit der technischen Abwicklung eine auf Computer-Forensik
spezialisierte Fachfirma zu beauftragen, welche vom Ministerium auf die
Sicherstellung aller Geheimschutz- und Datenschutzaspekte verpflichtet werde.
Der Klägerin wurde weiter angeboten, an diesem Vorgang in der einen oder
anderen Weise selbst teilzunehmen. Sie wurde weiter darauf hingewiesen, dass
die rechtlichen Voraussetzungen einer Einsichtnahme allein durch den
Untersuchungsausschuss zu beachten und zu verantworten seien.
18 Das Umweltministerium wurde darauf vom Bevollmächtigten der Klägerin mit
Schreiben vom 06.11.2014 aufgefordert, von der Herausgabe Abstand zu
nehmen. Zugleich wurde die Löschung der Sicherungskopien beantragt. Mit
Schreiben des Umweltministeriums vom 04.12.2014 wurde der Klägerin mitgeteilt,
ihrem Anliegen nicht nachkommen zu wollen. Gleichzeitig erhielt sie Gelegenheit,
zur beabsichtigten formellen Ablehnung des Löschungsantrags Stellung zu
nehmen. Es wurde ihr zugesichert, keine Vollzugshandlungen vorzunehmen,
sofern eine gerichtliche Geltendmachung ihres Anspruchs unverzüglich erfolge
und solange ein erstinstanzliches Hauptsacheverfahren anhängig sei. Mit
Schreiben vom 05.12.2014 kündigte die Klägerin an, ihre Ansprüche gerichtlich
geltend zu machen.
19 Anschließend lehnte das Umweltministerium mit Bescheid vom 12.12.2014 die
Löschung der Sicherungskopien der früheren E-Mail-Postfächer der Klägerin
derzeit ab. Ein Löschungsanspruch bestehe derzeit nicht. Denn eine Löschung der
Dateien würde verhindern, dass das Ministerium seiner verfassungsrechtlichen
Verpflichtung gegenüber dem Untersuchungsausschuss nachkommen könne. Die
Sicherungskopien würden aber gelöscht, sobald eine gerichtliche Klärung der
Übermittlung von Daten an den Untersuchungsausschuss erfolgt und nachdem die
Sicherungskopien dem Landesarchiv zur Übernahme als Archivgut angeboten
worden seien.
20 Am 20.12.2014 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage
erhoben. Sie lässt vortragen, seinerzeit sei im damaligen Umweltministerium allen
Beschäftigten ausdrücklich gestattet gewesen, die E-Mail-Postfächer auch für
private Post zu nutzen. Eine Regelung zur Speicherung von E-Mails habe es nicht
gegeben. Der jeweilige Empfänger einer E-Mail habe eigenständig zu entscheiden
gehabt, wie er mit den E-Mail-Nachrichten umgehe. Soweit eingehende
Nachrichten für die Aktenführung bestimmt und geeignet gewesen seien, seien
jeweils Ausdrucke der eingegangenen E-Mails angefertigt und zu den Akten
genommen worden. Erst dadurch sei die betreffende E-Mail zu einem offiziellen
Aktenstück geworden und damit die Verfügungsgewalt des Dienstherrn
entstanden. Bei einer Auswertung der E-Mail-Postfächer würden einzelne
Personen Kenntnis sowohl von dienstlichen als auch von privaten E-Mails
nehmen. Wegen eines hohen Interesses der Presse und bestimmter
Bevölkerungsteile an deren Veröffentlichung sei es wahrscheinlich, dass E-Mails
mit dienstlichem, aber auch privatem Inhalt an die Öffentlichkeit gelangten.
21 Der Löschungsanspruch beruhe auf § 23 Abs. 1 Nr. 2 Landesdatenschutzgesetz
(LDSG). Diese Vorschrift ordne als zwingende Rechtsfolge die Löschung
personenbezogener Daten an, wenn ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur
Erfüllung ihrer Aufgabe nicht mehr erforderlich sei. § 2 Abs. 5 LDSG komme keine
entscheidende Bedeutung zu. Denn es handle sich bei den Regelungen des
Untersuchungsausschussgesetzes nicht um spezifische Datenschutzvorschriften
und damit nicht um „besondere Vorschriften“ im Sinne des § 2 Abs. 5 LDSG. Der
Verweis auf die Strafprozessordnung gehe fehl, da diese Normen für die
Zulässigkeit der Datenweitergabe an den Untersuchungsausschuss nicht
herangezogen werden könnten. Das Untersuchungsausschussgesetz regle die
Verpflichtung zur Übermittlung von Daten abschließend.
22 Zwischen § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG und § 15 LDSG bestehe ein inhaltlicher
Zusammenhang. Wenn die Verarbeitung personenbezogener Daten nach § 15
LDSG nicht mehr zulässig sei, bestehe ein Löschungsanspruch gemäß § 23 Abs.
1 Nr. 2 LDSG. Dasselbe gelte im Fall des § 16 Abs. 1 LDSG. „Erforderlich“ sei die
Kenntnis der personenbezogenen Daten zur Erfüllung der Aufgaben der
speichernden Stelle, wenn entweder die Kenntnis notwendig sei zur Erfüllung des
Zwecks, zu dem die Daten gespeichert worden seien, oder die Kenntnis
erforderlich sei für die Erfüllung eines anderen Zwecks und dies gemäß § 15 Abs.
3 LDSG keine Zweckänderung im Rechtssinne sei oder diese Zweckänderung
nach § 15 Abs. 2 LDSG zulässig sei. § 15 Abs. 4 LDSG enthalte ein absolutes
Zweckentfremdungsverbot. Damit solle verhindert werden, dass Datenbestände,
die zu Zwecken des Datenschutzes und der Datensicherheit angelegt worden
seien, als allgemeine Informationsgrundlage Verwendung finden könnten. Im
vorliegenden Fall wäre mit einer Wiederherstellung der Originaldateien aus den
vorhandenen Sicherungskopien eine mit § 15 Abs. 4 LDSG unvereinbare
Zweckänderung verbunden. Denn der ursprüngliche Zweck zur Erstellung der
Sicherungskopien - die Datensicherung für den Fall des Datenverlustes - könne
nun nicht mehr erreicht werden. Der Zweck, zu dem die Originaldateien
gespeichert worden seien, sei nämlich weggefallen. Die Datensicherung sei allein
zur Verhinderung etwaiger Datenverluste im Zuge der Umressortierungen erfolgt.
Die Ressortneubildung sei aber spätestens 2011 abgeschlossen worden. Damit
habe sich der Sicherungszweck erledigt. An den im Schreiben des Ministeriums
vom 21.10.2014 benannten Zweck sei das beklagte Land gebunden. Falls es
entscheidungserheblich sei, sei über die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die
Datensicherung zur Verhinderung etwaiger Datenverluste im Zuge der
Umressortierung erforderlich gewesen sei, Beweis zu erheben. Es existiere keine
Rechtsvorschrift, die die weitere Speicherung der E-Mails datenschutzrechtlich
gestatte. Die E-Mail-Accounts der Bediensteten des damaligen
Umweltministeriums seien dem „Persönlichkeitsbereich“ zugeordnet gewesen. Die
Nutzer hätten selbst über die Verwendung der Postfachinhalte entscheiden dürfen.
Die Speicherung diene damit ausschließlich den persönlichen Belangen der
Postfachinhaber. Dieser Speicherungszweck bestehe, nachdem sie, die Klägerin,
ihren E-Mail-Account im Umweltministerium nicht mehr nutze, nun nicht mehr. Sie
habe erst mit dem Schreiben des Umweltministeriums vom 21.10.2014 davon
Kenntnis erhalten, dass von ihr noch elektronische Postfach-Daten gespeichert
seien.
23 Die Übermittlung der Daten an den Untersuchungsausschuss sei nach § 16 Abs. 1
LDSG unzulässig. Denn diese sei nicht zur Erfüllung der Aufgaben des
Umweltministeriums erforderlich. Die Datenübermittlung sei auch nicht zur Erfüllung
der Aufgaben des Untersuchungsausschusses erforderlich, da die vom
Ausschuss geäußerten Vermutungen „ins Blaue hinein“ erfolgt seien und einem
Ausforschungsantrag gleich kämen. Selbst wenn man die Übermittlung von Daten
an den Ausschuss für erforderlich halten würde, könnte dies allenfalls auf E-Mails
dienstlicher Natur für einen eng definierten Zeitraum zutreffen. Die Forderung des
Untersuchungsausschusses zur Vorlage von E-Mails für den Zeitraum vom
01.08.2010 bis zum 31.01.2011 habe keine sachliche Grundlage, sondern sei
willkürlich gewählt. Der Polizeieinsatz im Sch. habe am 30.09. bzw. 01.10.2010
stattgefunden. Eine sachliche Begründung, warum die Vorlage der Postfachinhalte
bereits ab 01.08.2010 gefordert werde, fehle. Dasselbe gelte hinsichtlich der
Vorlage der Postfachinhalte bis zum 31.01.2011.
24 Es bestehe auch keine Aktenvorlagepflicht gemäß § 14 Abs. 1
Untersuchungsausschussgesetz (UAG). Diese Regelung stelle keine „besondere
Vorschrift“ im Sinne des § 2 Abs. 5 LDSG dar. Es handle sich um eine sehr
allgemeine und abstrakte Verpflichtung zur Aktenvorlage. Darüber hinaus seien die
Regelungen der Strafprozessordnung zur Beweiserhebung hier nicht einschlägig.
Denn das Untersuchungsausschussgesetz habe hierzu eigene Regelungen in §
14 Abs. 1 UAG. Darüber hinaus verfolge die Strafprozessordnung andere Ziele als
das Untersuchungsausschussgesetz. § 15 Abs. 2 LDSG nenne für das Speichern,
Verändern und Nutzen personenbezogener Daten für andere Zwecke gerade nicht
deren Verwertung für Untersuchungen von Untersuchungsausschüssen. Nach §
15 Abs. 5 LDSG sei die Übermittlung „verbundener Daten“ wie im vorliegenden Fall
wegen der schutzwürdigen Interessen der Klägerin nicht zulässig. Denn es
bestehe die Gefahr, dass die im Zuge der Trennung gesichteten privaten E-Mails
der Klägerin an die Öffentlichkeit gelangten. In der Vergangenheit seien
Einzelheiten zu den Entscheidungen und dem Schriftverkehr des Amtschefs an die
Presse gelangt. Es bestehe daher die konkrete Gefahr, dass das
Umweltministerium auch eine Veröffentlichung von Inhalten der E-Mails der
Klägerin nicht verhindern könne. Eine Aktenvorlagepflicht gemäß § 14 Abs. 1 UAG
sei nach § 14 Abs. 2 UAG ausgeschlossen, weil Vorschriften des
Landesdatenschutzgesetzes dieser Verpflichtung entgegen stünden.
25 Dem Löschungsanspruch der Klägerin nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG stünde weder
der Einwand des Rechtsmissbrauchs noch nachwirkender Pflichten aus der
Organtreue als ehemalige Ministerin des Landes entgegen. Ein Verstoß gegen die
Organtreue komme schon deshalb nicht in Betracht, weil diese keine
nachwirkenden Pflichten begründe.
26 Schließlich sei vom Untersuchungsausschuss der nicht ausforschbare
Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zu beachten. So komme etwa der
Erörterung im Kabinett besondere Schutzwürdigkeit zu. Je weiter ein
parlamentarisches Informationsbegehren in den innersten Bereich der
Willensbildung der Regierung eindringe, desto gewichtiger müsse es sein, um sich
gegen ein von der Regierung geltend gemachtes Interesse an Vertraulichkeit
durchsetzen zu können. Die unbeeinträchtigte Kommunikation zwischen
Regierungsmitgliedern sei ein unverzichtbares Element zur Erzielung möglichst
sachgerechter Regierungsentscheidungen. Der Austausch von Ministern
untereinander oder mit dem Ministerpräsidenten sei besonders schutzwürdig. Das
Informationsbegehren des Untersuchungsausschusses könne sich gegen das
Interesse der Regierung an Vertraulichkeit hier nicht durchsetzen. Hinzu komme,
dass die Untersuchung vergangenheitsbezogen sei und nicht zum Ziel habe,
Schaden abzuwehren. Bei einer umfassenden Kontrolle der Legislative komme es
zu einem Ungleichgewicht im Verhältnis zur Exekutive.
27 Als wesensgleiches Minus erfasse der Löschungsanspruch auch den Anspruch,
die Übermittlung der streitgegenständlichen Daten an den
Untersuchungsausschuss zu unterlassen.
28 Die Klägerin beantragt,
29 die Bescheide des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft vom
04.12.2014 und vom 12.12.2014 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten,
sämtliche bei ihm vorhandenen Daten ihrer Exchange-Postfächer, insbesondere
die darin enthaltenen, an sie gerichteten und von ihr versandten E-Mails sowie die
enthaltenen E-Mail-Entwürfe, unverzüglich zu löschen, nachdem diese nach
Maßgabe des § 3 Landesarchivgesetz dem Landesarchiv zur Übernahme als
Archivgut angeboten worden sind,
30 hilfsweise die Bescheide des Ministeriums für Umwelt, Klima und
Energiewirtschaft vom 04.12.2014 und vom 12.12.2014 aufzuheben und den
Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, die bei ihm vorhandenen Daten ihrer
Exchange-Postfächer, insbesondere die darin enthaltenen an sie gerichteten und
von ihr versandten E-Mails sowie die enthaltenen E-Mail-Entwürfe, an den
Untersuchungsausschuss „Polizeieinsatz Sch. II“ des Landtags herauszugeben.
31 Das beklagte Land beantragt,
32 die Klage abzuweisen.
33 Zur Begründung wird ausgeführt, dem Löschungsanspruch der Klägerin nach § 23
Abs. 1 Nr. 2 LDSG stehe das Beweiserhebungsrecht des
Untersuchungsausschusses entgegen. Im Verhältnis zum
Landesdatenschutzgesetz habe das Untersuchungsausschussgesetz als lex
specialis Vorrang. Die Regelungen für den Untersuchungsausschuss in Art. 35
Abs. 2 - 4 Landesverfassung (LV) in Verbindung mit den speziellen Regelungen in
§§ 13 ff UAG gingen nach § 2 Abs. 5 Satz 1 LDSG den allgemeinen
datenschutzrechtlichen Regelungen im Landesdatenschutzgesetz vor. Die
Regelungen des Untersuchungsausschussgesetzes stellten auch
datenschutzspezifische Spezialregelungen dar, da sie für die Beweisaufnahme auf
die Strafprozessordnung verweisen würden, die ihrerseits als
datenschutzbezogene Spezialregelungen dem allgemeinen Datenschutzrecht
vorangingen. Dabei seien § 13 Abs. 5 UAG und § 16 Abs. 4 UAG als spezielle
Datenschutzregelung anzusehen. Danach könne die Beweiserhebung durch
einen Richter erfolgen, wie dies in der Begründung zum Beweisbeschluss Nr. 24 a
des Untersuchungsausschusses auch vorgeschlagen worden sei.
34 Die Vorschriften des Datenschutzrechts seien verfassungskonform auszulegen.
Hierbei stünden gewichtige Informationsansprüche des
Untersuchungsausschusses dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung
gegenüber, welches nur im überwiegenden Allgemeininteresse und unter
Beachtung der Verhältnismäßigkeit beschränkt werde. So komme auch eine
Herausgabe von als geheim eingestuften Regierungsunterlagen an das Parlament
in Betracht, wenn Vorkehrungen für den Geheimnisschutz getroffen würden. Die
Aufgabe der Abwägung zwischen dem Beweiserhebungsrecht und dem
Geheimhaltungsinteresse obliege aber dem Untersuchungsausschuss.
35 Das Rechtsschutzbedürfnis für eine verwaltungsgerichtliche Klage sei fraglich, da
im Rahmen der untersuchungsausschussrechtlichen Beweiserhebung
eigenständige und spezielle Rechtsschutzmöglichkeiten bestünden. Ein
grundrechtsrelevanter Eingriff in Persönlichkeitsrechte liege nicht vor, wenn, wie
der Klägerin mit Schreiben vom 21.10.2014 mitgeteilt, ihr Exchange-Postfach für
den Zeitraum vom 01.08.2010 bis 31.01.2011 ohne Einsicht zu nehmen vom
Gesamtdatenbestand getrennt und sodann ungelesen und versiegelt an den
Untersuchungsausschuss übermittelt werde. Die allein auf einem technischen
Vorgang beruhende Abtrennung des Postfaches der Klägerin vom
Gesamtdatenbestand sei für sich allein nicht grundrechtsrelevant. Eine
Grundrechtsrelevanz entstehe erst mit der Beweisaufnahme durch den
Untersuchungsausschuss. Dieser habe eigenständig und eigenverantwortlich die
rechtlichen Voraussetzungen einer Einsichtnahme zu beachten und die
erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Persönlichkeitsrechte, das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung und Datenschutzrechte zu wahren. Das
Verfahren nach dem Untersuchungsausschussgesetz biete im Streitfall effektiven
Rechtsschutz. Danach sei die richterliche Durchsicht elektronischer
Speichermedien nach § 16 Abs. Satz 4 UAG in Verbindung mit § 110 Abs. 1 StPO
mit der entsprechenden Beschwerdemöglichkeit nach § 16 Abs. 6 Satz 2 UAG
vorgesehen.
36 Die Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses finde ihre Grundlage in § 14
Abs. 1 UAG. Danach seien alle Behörden des Landes unmittelbar u.a. zur Vorlage
von Akten an einen Untersuchungsausschuss verpflichtet. Entsprechend einem
Beschluss des OLG Stuttgart vom 15.11.2012 erfasse der Aktenbegriff alle
schriftlich erstellten Unterlagen, ebenso aber auch etwaige Ton- und
Bildaufnahmen sowie Computerdateien. Es sei also von einem „dynamischen“
Aktenbegriff auszugehen. Abzugrenzen sei dieser vom Begriff des Beweisstückes
in § 147 StPO wie beispielsweise PC’s oder Festplatten. Auf die Frage, ob die
streitgegenständlichen Dateien unter den Aktenbegriff des § 14 Abs. 1 UAG
subsumiert werden könnten, komme es hier aber nicht an. Die Beweiserhebung
des Untersuchungsausschusses finde ihre Grundlage in Artikel 35 Abs. 2
Landesverfassung in Verbindung mit § 13 Abs. 1 UAG. Zur Beweiserhebung im
Sinne der soeben genannten Vorschriften zähle nicht nur die Beweisaufnahme im
engeren Sinne (§ 244 Abs.1 StPO), sondern nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts der gesamte Vorgang der Beweisverschaffung,
Beweissicherung und Beweisauswertung. Er erfasse damit auch die Anforderung
von Dokumenten und Datenträgern zur Vorlage.
37 In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und auch des
Staatsgerichtshofs sei geklärt, dass der Schutz geheimhaltungsbedürftiger
Informationen im Verhältnis von Regierung und Parlament beiden
Verfassungsorganen gemeinsam anvertraut sei. Die Geschäftsordnung des
Landtags enthalte ausreichende Vorkehrungen zur Geheimhaltung, so dass das
Umweltministerium davon ausgehen müsse, dass der Landtag bei den an ihn
übersandten Unterlagen und Vorgängen das entsprechende
Geheimhaltungsinteresse selbst wahre. Der Untersuchungsausschuss habe im
konkretisierenden Beweisbeschluss Nr. 24 a einen Verfahrensvorschlag
unterbreitet. Damit verhalte sich der Untersuchungsausschuss völlig
rechtskonform. Der Schutz der Rechte der Klägerin werde gewährleistet. Betroffen
seien ausschließlich E-Mails der Klägerin als Ministerin und Politikerin. Der
Untersuchungsausschuss strebe eine konsensuale Lösung an. So könnte eine
Aussonderung der privaten Datenbestände und derjenigen Daten, die keinen
Bezug zum Untersuchungsgegenstand hätten, durch einen von beiden Seiten
akzeptierten Dritten, beispielsweise den Landesdatenschutzbeauftragten, erfolgen.
Zuletzt verbleibe die bereits aufgeführte Aussonderung durch einen Amtsrichter
nach § 16 Abs. 4 Satz 4 UAG. Anschließend erhalte das Umweltministerium die
ausgesonderten dienstlichen Datenbestände mit Bezug zum
Untersuchungsgegenstand, um diejenigen Daten auszusortieren, die dem
Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung zuzurechnen seien. Die
verbleibenden Daten würden dem Ausschuss übermittelt. Die übrigen Daten
würden sämtlich und unverzüglich gelöscht. Es sei daher nicht damit zu rechnen,
dass etwa private E-Mails der Klägerin oder Daten ohne Bezug zum
Untersuchungsgegenstand an die Öffentlichkeit gelangten.
38 Die vorgesehene Beweiserhebung sei auch ordnungsgemäß. Die Beweismittel
und Beweistatsachen seien hinreichend bestimmt. Das Beweisziel sei klar, was
der Beweisbeschluss Nr. 24 a zeige. Der Hintergrund dafür sei der Umstand, dass
bisher auffallend wenig Akten zur Verfügung gestellt worden seien. Die Klägerin sei
als damalige Ministerin im Vorfeld des Polizeieinsatzes eng in die Entscheidungen
eingebunden gewesen. Das Ziel sei die Aufklärung des Sachverhalts im Rahmen
der parlamentarischen Kontrolle. Eine unzulässige Ausforschung finde nicht statt.
Dies sei erst der Fall, wenn ohne jegliche tatsächliche Grundlage „völlig ins Blaue
hinein“ Beweisanträge gestellt würden. Hier wolle der Untersuchungsausschuss
jedoch „Licht ins Dunkel“ des Komplexes bringen. Die Erforderlichkeit der
Beweisaufnahme sei im Beweisbeschluss Nr. 24 a des
Untersuchungsausschusses umfassend dargelegt worden.
39 Der nicht ausforschbare Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung sei nicht
berührt. Es handle sich hier um abgeschlossene Vorgänge aus der
vorangegangenen Legislaturperiode, welche die Vorgängerregierung beträfen. Im
Übrigen sei vorgesehen, dass Daten aussortiert würden, die diesem Kernbereich
zuzurechnen seien.
40 Ein Löschungsanspruch nach § 23 Abs.1 Nr. 2 LDSG stehe nicht entgegen.
Solange die Regelungen des Untersuchungsausschusses vorgehen, dürfe keine
Löschung vorgenommen werden. Denn eine Löschung würde die Erfüllung
verfassungsrechtlicher Pflichten des Umweltministeriums gegenüber dem
Untersuchungsausschuss verhindern. Der Sicherungszweck sei gewesen, bei der
Umressortierung im April 2011 eine Wiederherstellung des ursprünglichen
Serverbestandes zu ermöglichen. Dieser Sicherungszweck sei im Zeitpunkt der
ersten Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses im Dezember 2013 noch
vorhanden gewesen. Es sei nämlich hier im Gegensatz zur Fallgestaltung im Urteil
des VGH Baden-Württemberg vom 30.07.2014 - 1 S 1352/13 - nicht um die
Datensicherung einer Einzelperson gegangen, sondern um die Datensicherung
des Datenbestandes eines gesamten Ministeriums. Es hätten im Zusammenhang
mit der Neubildung ganzer Ressortbereiche IT-Strukturen erst neu konzipiert,
aufgebaut oder reorganisiert und deren Verlässlichkeit verifiziert werden müssen.
Daher sei eine redundante Datensicherung über einen längeren Zeitraum
zwingend erforderlich gewesen. Die Datensicherung habe sich daher nicht mit dem
Ausscheiden der Klägerin aus dem Amt erledigt. Mittlerweile sei eine
datenschutzrechtlich relevante Zweckänderung eingetreten, dass nunmehr eine
Nutzung durch den Untersuchungsausschuss im Raume stehe. Zwar bestehe eine
strenge Zweckbindung. Dieser Grundsatz stehe jedoch der Beweiserhebung eines
Untersuchungsausschusses nicht entgegen. Die strafprozessualen
Beweiserhebungsnormen seien als besondere Vorschriften im Sinne des § 2 Abs.
5 LDSG anzusehen, die sich über die Zwecksetzung des § 15 Abs. 4 LDSG
hinwegsetzen könnten. Wenn eine Zweckänderung einfachgesetzlich
unbeachtlich sein könne, dann gelte dies erst recht, wenn dies Verfassungsrecht
gebiete. Es bestehe nach Auffassung des Untersuchungsausschusses eine
Diskrepanz zwischen dem vorhandenen Aktenbestand und den Begleitumständen
der Polizeiaktion. Diese Diskrepanz sei nur zu klären, wenn auch der E-Mail-
Verkehr zwischen den beteiligten Personen ausgewertet werde. Es gebe kein
Primat des Datenschutzrechts. Da die Beweiserhebung des
Untersuchungsausschusses rechtmäßig sei und die Verfahrensrechte der Klägerin
gewährleistet seien, stünden einer Verwertung der den Gegenstand des
Untersuchungsauftrages betreffenden E-Mails der Klägerin keine
Hinderungsgründe entgegen.
41 Schließlich bestehe auch kein Verbot der Herausgabe der Sicherungsdateien an
den Untersuchungsausschuss.
42 Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen
Verhandlung verzichtet.
43 Dem Gericht liegen die ihm vom Umweltministerium vorgelegten Akten (2 Bände)
vor. Hierauf und auf die Gerichtsakte wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
44 Mit dem Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche
Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
45 Die Klage ist zulässig.
46 Die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Sigmaringen ergibt sich aus §
52 Nr. 3 Satz 2 VwGO, da die Klägerin im Zuständigkeitsbezirk dieses Gerichts
ihren Wohnsitz hat.
47 Entsprechend dem Hauptantrag ist hier die Verpflichtungsklage für das
Löschungsbegehren die richtige Klageart. Zwar stellt allein die Löschung von
Daten einen bloßen Realakt und damit schlichtes Verwaltungshandeln dar.
Diesem geht aber im vorliegenden Fall mit dem Bescheid des Umweltministeriums
vom 12.12.2014 der behördliche Verwaltungsakt voraus, mit dem der
Löschungsantrag förmlich abgelehnt wird. Damit ist das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art.
1 Abs. 1 GG abgeleitete subjektive Recht auf informationelle Selbstbestimmung
zum Schutz vor unberechtigter Datenverarbeitung in unmittelbar rechtserheblicher
Weise betroffen (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage, 2010, § 42 RdNr. 176). In
prozessualer Hinsicht steht der Klägerin daher grundsätzlich ein Antrag auf
Verpflichtung des Umweltministeriums offen, dem Löschungsantrag förmlich
stattzugeben. Auch das hilfsweise geltend gemachte Leistungsbegehren, die
Herausgabe der beim Umweltministerium vorhandenen Daten an den
Untersuchungsausschuss zu unterlassen, ist in prozessualer Hinsicht nicht zu
beanstanden.
48 Da die Klägerin vor dem Hintergrund eines grundsätzlich bestehenden
Löschungsanspruchs einen dementsprechenden Antrag gestellt hat, der von der
Behörde abgelehnt wurde, besteht, ebenso betreffend die Abwendung der
Herausgabe der Daten an den Untersuchungsausschuss, für die Klage insgesamt
ein Rechtsschutzbedürfnis. Schließlich ist kein Vorverfahren erforderlich (§ 68 Abs.
1 Satz 2 Nr.1 VwGO; wegen § 1 Ministergesetz - öffentlich-rechtliches
Amtsverhältnis - kein Fall des § 54 Abs. 2 BeamtStG).
49 Die Klage ist jedoch insgesamt unbegründet.
50 Der Ablehnungsbescheid des Umweltministeriums vom 12.12.2014 ist rechtmäßig
und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Dem Anhörungsschreiben vom
04.12.2014 kommt hingegen keine Verwaltungsaktqualität zu. Die Klägerin kann
im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über ihr Begehren nicht die
Löschung ihres als Sicherungskopie auf Magnetbändern des Umweltministeriums
vorhandenen E-Mail-Verkehrs aus der Zeit vom 01.08.2010 bis zum 31.01.2011
verlangen (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Auch der Hilfsantrag auf Verurteilung
des Beklagten, die Herausgabe des Datenmaterials an den
Untersuchungsausschuss zu unterlassen, bleibt erfolglos.
51 Zur Begründung ihres mit dem Hauptantrag geltend gemachten
Löschungsanspruchs beruft sich die Klägerin insbesondere auf §§ 23 Abs. 1 Nr. 2
und 15 Abs. 4 LDSG. Im Ergebnis kann sie damit aber nicht durchdringen.
52 Nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn
ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr
erforderlich ist. Unstreitig handelt es sich bei den streitgegenständlichen Dateien
um personenbezogene Daten. Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 LDSG sind
dies Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer
bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener). Die Daten im
elektronischen Postfach der Klägerin betreffen solche Einzelangaben jedenfalls
über deren sachliche Verhältnisse. Denn es geht um ihre Kommunikation mit
Dritten über Sachverhalte, die sich auf sie und ihre ausgeübte Funktion als
Ministerin beziehen. Es handelt sich daher um personenbezogene Daten.
Speichernde Stelle im Sinne des § 3 Abs. 3 LDSG ist das Umweltministerium.
53 Die in Rede stehenden Dateien sind für dieses Ministerium jedenfalls im Zeitpunkt
der gerichtlichen Entscheidung, welcher hier maßgeblich ist, nicht mehr im Sinne
des § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG zur Aufgabenerfüllung erforderlich. Denn die
Datensicherung erfolgte allein wegen der nach dem Regierungswechsel im
Frühjahr 2011 zu erwartenden IT-Veränderungen infolge der Verschiebung
einzelner Ressortbereiche des bisherigen Ministeriums. Diese Umorganisation
einschließlich der Verlässlichkeitsprüfungen der neuen IT-Strukturen ist inzwischen
abgeschlossen. Damit ist der Zweck der Datensicherung entfallen.
54 Grundsätzlich ist danach zugunsten der Klägerin ein Löschungsanspruch
entstanden. Zweck dieses Anspruchs nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG ist, die aus
dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung folgende Zweckbindung der
erhobenen Daten durchzusetzen.
55 Hinzu kommt das in § 15 Abs. 4 LDSG verankerte absolute
Zweckentfremdungsverbot. Danach dürfen personenbezogene Daten, die
ausschließlich zum Zweck der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur
Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage
gespeichert wurden, nur für diesen Zweck und hiermit im Zusammenhang
stehende Maßnahmen gegenüber Bediensteten genutzt werden. Es besteht damit
eine strenge Zweckbindung der für Zwecke der Datenschutzkontrolle und/oder
Datensicherung gespeicherten Daten. Damit soll grundsätzlich verhindert werden,
dass Datenbestände, die zum Zwecke des Datenschutzes und der
Datensicherheit angelegt wurden, als allgemeine Informationsgrundlage verwendet
werden (vgl. die näheren Ausführungen hierzu im Urteil des VGH Baden-
Württemberg vom 30.07.2014 - 1 S 1352/13 -, juris, dort insbesondere RdNrn. 47,
61 bis 66).
56 Diese Feststellungen sind jedoch - im Gegensatz zur Konstellation, die das Urteil
des VGH Baden-Württemberg vom 30.07.2014 - 1 S 1352/13 - (juris) zum
Gegenstand hatte - für den vorliegenden Fall wegen der Überlagerung durch die
parlamentarischen Kontrollrechte nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung,
wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergeben wird. Ebenso wenig ist
eine Beweiserhebung notwendig zur Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die
Datensicherung zur Verhinderung etwaiger Datenverluste im Zuge der
Umressortierungen infolge der Landtagswahl 2011 aus technischer Sicht
erforderlich war. Denn der Zeitpunkt des mit der erfolgten Datensicherung
erreichten Zwecks ist nicht entscheidungserheblich. Wie darzustellen sein wird, ist
nach Auffassung des Gerichts für die rechtmäßige Ablehnung des
Löschungsantrags nicht der Zeitpunkt der Zweckerreichung der Datenspeicherung
von Bedeutung, sondern in zeitlicher Hinsicht der bloße Umstand, dass
gegenwärtig vor dem Hintergrund der Anforderung der Sicherungskopien durch
den Untersuchungsausschuss aufgrund seines Beweisbeschlusses Nr. 24 a das
Datenmaterial noch vorhanden ist.
57 Der im Grundsatz bestehende Löschungsanspruch wird hier durch vorrangige
Rechtsvorschriften überlagert. Nach § 2 Abs. 5 Satz 1 LDSG gehen besondere
Rechtsvorschriften des Bundes oder des Landes den Vorschriften des
Landesdatenschutzgesetzes vor, soweit sie auf personenbezogene Daten
anzuwenden sind. Das Landesdatenschutzgesetz erhält damit die Funktion eines
Auffanggesetzes. Rechtsgrundlagen mit bereichsspezifischen Regelungen gelten
unabhängig davon (vgl. zur entsprechenden Vorschrift des § 1 Abs. 3 BDSG:
Gola/Schomerus, BDSG, 10. Auflage, § 1 RdNr. 24). Das in § 2 Abs. 5 Satz 1
LDSG genannte tatbestandliche Erfordernis, dass besondere Rechtsvorschriften
auf personenbezogene Daten zur Anwendung kommen müssen, um die
Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes zu verdrängen, soll gewährleisten,
dass nicht jede Rechtsnorm außerhalb des Datenschutzrechts einen Zugriff auf
personenbezogene Daten ermöglichen soll. Einen derartigen Zugriff soll nur eine
spezielle Datenschutzvorschrift erlauben können. Normen, die
Datenverarbeitungsvorgänge lediglich voraussetzen, reichen nicht aus. Anerkannt
ist, dass diesen Anforderungen des § 2 Abs. 5 LDSG an besondere
Rechtsvorschriften die §§ 160, 161, 163 StPO über die Beweiserhebung in
Ermittlungsverfahren entsprechen. Diese sind die allgemeinen Rechtsgrundlagen
für Datenerhebungen durch Strafverfolgungsbehörden. Insbesondere ist § 161
Abs. 1 StPO eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die allgemeine
Erhebung personenbezogener Daten im Ermittlungsverfahren (vgl. BVerfG,
Kammerbeschluss vom 17.02.2009 - 2 BvR 1372/07 und 1742/07 -, juris RdNr.
26). Die strafprozessualen Beweiserhebungsnormen sind deshalb besondere
Vorschriften im Sinne des § 2 Abs. 5 LDSG, die sich auch über die Zwecksetzung
des § 15 Abs. 4 LDSG hinwegsetzen können (hierzu auch VGH Baden-
Württemberg, Urteil vom 30.07.2014 - 1 S 1352/13 -, juris RdNr. 68 m.w.N.). Die
genannten strafprozessualen Vorschriften, darunter vor allem § 161 Abs. 1 StPO,
ermöglichen wegen der übergeordneten Interessenlage an der Aufklärung von
Straftaten die nicht durch das Landesdatenschutzgesetz beschränkte freie
Gestaltung der Ermittlungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörde (vgl. dazu ebenso
§ 1 Abs. 3 Bundesdatenschutzgesetz).
58 Entgegen der Auffassung der Klägerin stellen auch Vorschriften des
Untersuchungsausschussgesetzes, insbesondere § 13 Abs. 1 UAG, die hier zur
Anwendung kommen, „besondere Rechtsvorschriften“ im Sinne des § 2 Abs. 5
LDSG dar, welche die Regelungen des Landesdatenschutzgesetzes überlagern.
59 Für einen Untersuchungsausschuss des Bundestages sind nach Art. 44 Abs. 2
Satz 1 GG auf Beweiserhebungen die Vorschriften über den Strafprozess
sinngemäß anzuwenden. In Art. 35 LV findet sich für Untersuchungsausschüsse
des Landtags eine derartige direkte Verweisung zwar nicht. Nach Art. 35 Abs. 4
Satz 1 LV wird das Nähere über die Einsetzung, die Befugnisse und das Verfahren
der Untersuchungsausschüsse durch Gesetz geregelt. In § 13 Abs. 6 UAG findet
sich für die Beweisaufnahme die Verweisung auf die Vorschriften über den
Strafprozess, die entsprechend gelten, soweit sich aus dem
Untersuchungsausschussgesetz nichts anderes ergibt. Die Verweisung erstreckt
sich auf alle Bestimmungen, die die strafprozessuale Sachverhaltsaufklärung
regeln. Sie erfasst sowohl befugnisbegründende als auch befugnisbegrenzende
Regelungen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.06.2009 - 2 BvE 3/07 -, juris RdNr.
108).
60 Über § 13 Abs. 6 UAG werden damit strafprozessuale Befugnisse hinsichtlich der
Beweiserhebung in entsprechender Weise auf den Untersuchungsausschuss
übertragen. Besondere, von strafprozessualen Regelungen abweichende
Vorschriften über die Beweiserhebung enthält das
Untersuchungsausschussgesetz nicht. Ob § 14 UAG, der u.a. die Pflicht zur
Aktenvorlage und Auskunftserteilung der Landesbehörden regelt, in diesem
Zusammenhang eine Sonderregelung darstellt, wie die Klägerin meint, kann
dahingestellt bleiben. Denn auf diesen Aspekt kommt es, wie an späterer Stelle
dargestellt wird, nicht entscheidungserheblich an. Die Übertragung der
strafprozessualen Befugnisse ohne die Loslösung von den Vorschriften des
Landesdatenschutzgesetzes gemäß § 2 Abs. 5 LDSG würde dazu führen, dass
das Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses, soweit dieses Zugriff
gerade auch auf von der Exekutive nicht freiwillig bereit gestelltes Datenmaterial
über die Regierungstätigkeit verschaffen soll, leer liefe. Die parlamentarische
Kontrolle bliebe unwirksam (vgl. im Zusammenhang mit dem Schutz des
Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung: BVerfG, Beschluss vom 17.6.2009 -
2 BvE 3/07 -, juris RdNr. 124 sowie Beschluss vom 30.03.2004 - 2 BvK 1/01 -, juris
RdNr. 51).
61 Darüber hinaus ergibt sich der Vorrang als „besondere Rechtsvorschriften“ im
Sinne von § 2 Abs. 5 LDSG auch aus der Teleologie der in Rede stehenden
Regelungen für den Untersuchungsausschuss. Das Kontrollrecht des
parlamentarischen Untersuchungsausschusses einschließlich des
Beweiserhebungsrechts (Art. 35 Abs. 2 bis 4 LV) und der grundrechtliche
Datenschutz stehen sich auf der Ebene des Verfassungsrechts gegenüber und
müssen im konkreten Fall einander so zugeordnet werden, dass beide so weit wie
möglich ihre Wirkungen entfalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.06.2009 - 2 BvE
3/07 -, juris RdNr. 133 im Hinblick auf Art. 44 GG). Dabei ist zu berücksichtigen,
dass es sich bei dem in Art. 44 GG (für den Bundestag) und Art. 35 LV (für den
Landtag) geregelten Untersuchungsrecht um eines der ältesten und wichtigsten
Rechte der Parlamente handelt. Das parlamentarische Untersuchungsverfahren
dient der Aufklärung eines Sachverhalts zu politischen Zwecken und zur
Wahrnehmung der Kontrollfunktion des Parlaments (OLG Stuttgart, Beschluss vom
15.11.2012 - 4a VAs 3/12 -, juris RdNr. 12). Wegen der umfassenden politischen
Aufklärungsfunktion eines Untersuchungsausschusses kommt hinzu, dass sogar
Regeln und Abwägungen, die etwa für die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter
oder rechtswidrig aufbewahrter Informationen in Strafverfahren und anderen
gerichtlichen Verfahren maßgebend sind, auf die Verwertung solcher
Informationen durch einen Untersuchungsausschuss nicht ohne weiteres
übertragen werden können. Insbesondere kann der Gesichtspunkt präventiver
Vermeidung künftiger Rechtsverstöße gerade gegen ein Verwertungsverbot
sprechen, soweit es um die Zugänglichkeit von Informationen für einen
Untersuchungsausschuss geht. Dies gilt vor allem - wie auch im hier vorliegenden
Fall - im Rahmen von Missstandsenquêten. Dem parlamentarischen
Informationsinteresse kommt besonderes Gewicht zu, soweit es um die Aufklärung
behaupteter Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände im
Verantwortungsbereich der Regierung geht (vgl. BVerfG, Beschluss vom
17.06.2009 - 2 BvE 3/07 -, juris RdNr. 136 und 145, dort auch im Hinblick auf die
Berührung des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung). Das
Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses ist weit zu fassen. Zur
Beweiserhebung gemäß Art. 35 Abs. 2 Satz 1 LV und § 13 Abs. 1 UAG zählt nicht
nur die Beweisaufnahme im engeren Sinne (entsprechend § 244 Abs. 1 StPO),
sondern der gesamte Vorgang der Beweisverschaffung, Beweissicherung und
Beweisauswertung. Erfasst ist daher neben der Ladung und Vernehmung von
Zeugen nicht nur die Einsichtnahme in Dokumente und deren Auswertung,
sondern auch bereits deren Anforderung zur Vorlage (BVerfG, Beschluss vom
17.06.2009 - 2 BvE 3/07 -, juris RdNr. 109). Die dem Untersuchungsausschuss
zugedachte Ermittlungs- und Aufklärungsfunktion kann dieser nur umfassend
wahrnehmen, wenn sich sein Beweiserhebungsrecht einschließlich des Rechts auf
Vorlage und Auswertung von Beweismitteln, welche wie hier personenbezogene
Daten auf Sicherungskopien enthalten, gegenüber den die Datenverarbeitung
begrenzenden Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes durchsetzt.
62 Die umfassenden Rechte des Untersuchungsausschusses sind jedoch an
verschiedene Voraussetzungen geknüpft, welche im vorliegenden Fall erfüllt sind.
63 Das Beweiserhebungsrecht eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses
wird zunächst begrenzt durch den im Einsetzungsbeschluss zu bestimmenden
Untersuchungsauftrag. Dieser muss sich im Rahmen der parlamentarischen
Kontrollkompetenz halten und hinreichend deutlich bestimmt sein. Dies folgt aus
dem Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsrechts, aus dem
Rechtsstaats- und dem Gewaltenteilungsprinzip sowie aus der Stellung des
Untersuchungsausschusses als Hilfsorgan des Landtags. Der Landtag hat als
Herr des Untersuchungsverfahrens dessen Rahmen selbst abzustecken und darf
diese Aufgabe nicht auf den Ausschuss delegieren. Diese Abgrenzung dient auch
dem Schutz des Untersuchungsbetroffenen, denen gegenüber das
Untersuchungsrecht sogar Eingriffs- und Zwangsbefugnisse verleiht. Die
Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes hat auch Bedeutung für die
Reichweite der von Behörden und Gerichten zu leistenden Amtshilfe.
64 Die förmlichen Beweisbeschlüsse Nr. 3 und Nr. 24 a halten sich im Rahmen des
Einsetzungsbeschlusses des Landtags vom 18.12.2013 (vgl. § 2 Abs. 2 UAG
sowie Landtagsdrucksache 15/XXX). Insbesondere der Beweisbeschluss Nr. 24 a,
mit dem die Beiziehung der den E-Mail-Verkehr der Klägerin enthaltenden
Sicherungskopien vom Umweltministerium beschlossen wurde, ist vor dem
Hintergrund des Untersuchungsauftrags keineswegs aus der Luft gegriffen. Die
Beweismittel und die Beweistatsachen sind in einer für die Vollziehbarkeit des
Beschlusses hinreichend bestimmten Weise angegeben worden. Auch ist das
Beweisziel erkennbar. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass das
parlamentarische Untersuchungsverfahren Besonderheiten gegenüber dem
Strafverfahren, das anderen Zielen dient, unterliegt. Während im Strafverfahren die
Verwirklichung eines bestimmten festumrissenen Tatbestandes im Hinblick auf die
individuelle Schuld einer Person geprüft wird, geht es im Untersuchungsausschuss
um die Aufklärung eines Sachverhalts zu politischen Zwecken, vor allem um die
Wahrnehmung der Kontrollfunktion des Parlaments. Es bedarf mit Rücksicht auf
den Schutz der Grundrechte der von der Untersuchung betroffenen Person aus
Gründen der Verhältnismäßigkeit greifbarer, hinreichend tatsachengestützter
Anhaltspunkte, dass die Beweiserhebung der Erfüllung des
Untersuchungsauftrags dienen kann. Unzulässig wäre es, lediglich einen „Schuss
ins Dunkle“ abzugeben, um den Gesamtbereich der Regierungspolitik oder gar
den privaten Bereich eines Betroffenen auszuforschen. Die einzelne
Beweiserhebung eines Untersuchungsausschusses muss aber nicht auf
bestimmte Tatsachen bezogen sein, sondern kann darauf abzielen, zunächst
„Licht ins Dunkel“ eines Untersuchungskomplexes zu bringen, um auf diese Weise
die Aufklärung von politischen Verantwortlichkeiten zu ermöglichen. Im
Untersuchungsausschussverfahren ist eine Beweisbehauptung im
strafprozessualen Sinne daher nicht Voraussetzung einer Beweiserhebung. Die
Grenze zulässiger Ausforschung ist erst dort erreicht, wo Beweisanträge ohne
jegliche tatsächliche Grundlage „völlig ins Blaue hinein“ gestellt werden (BVerfG,
Beschluss vom 17.06.2009 - 2 BvE 3/07 -, juris RdNr. 111 m.w.N. sowie StGH
Baden-Württemberg, Urteil vom 13.08.1991 - GR 1/91 - VBlBW 1991, 414, 421).
65 Aus der umfangreichen Begründung zum Beweisbeschluss Nr. 24 a wird deutlich,
dass hinreichend tatsachengestützte Anhaltspunkte für die Beiziehung der
Sicherungskopien durch den Untersuchungsausschuss vorliegen. Die Grenzen
der reinen Ausforschung im Sinne eines „Schusses ins Dunkle“ sind nicht erreicht.
Das betrifft wegen des Vorlaufs und der Nachwirkungen hinsichtlich des
Untersuchungskomplexes auch den Zeitraum vom 01.08.2010 bis 31.01.2011,
aus dem der E-Mail-Verkehr der Klägerin beigezogen wird. Die Klägerin hat nach
der Begründung zu diesem Beweisbeschluss wenige Tage vor dem Termin vom
30.09.2010 für den Polizeieinsatz im Sch. an einem Strategiegespräch in kleiner
Runde mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und dem ehemaligen
Polizeipräsidenten teilgenommen, ebenso bei einem Gespräch im
Staatsministerium am Vortag des Polizeieinsatzes. Ferner war sie Teilnehmerin an
der Pressekonferenz am 30.09.2010 im Landtag sowie an einer Besprechung am
Abend desselben Tages. Zudem ist eine E-Mail der Klägerin an den ehemaligen
Ministerpräsidenten vom 21.09.2010 aufgetaucht, in der von einer Vereinbarung
die Rede ist, die Bäume ab dem 01.10.2010 zu fällen, um zu verhindern, dass
Parkschützer lange Zeit für etwaige Baumbesetzungen haben. Es sei Ziel, dass
bis zur Regierungserklärung des damaligen Ministerpräsidenten mit den Bäumen
alles erledigt sei. Wie die Begründung nachvollziehbar ausführt, scheine nach
dieser E-Mail die damalige Regierungserklärung einen größeren Einfluss auf den
Termin des Polizeieinsatzes gehabt zu haben als bislang bekannt. Es könnten
daher politische Rahmenbedingungen polizeiliche Erwägungen überstrahlt haben.
Diese Begründung ist plausibel. Die angestrebte Beweiserhebung ist daher
grundsätzlich nicht zu beanstanden.
66 Beweismittel sind die beim Umweltministerium noch vorhandenen
Sicherungskopien, die von diesem dem Untersuchungsausschuss vorgelegt
werden sollen.
67 Die Sicherungskopien stellen keine Akten im Sinne von § 14 Abs. 1 UAG dar. Der
Aktenbegriff des Untersuchungsausschussgesetzes ist mit dem in den §§ 147,
199 StPO identisch. Dazu gehören alle schriftlich erstellten Unterlagen, die in
einem (Ermittlungs-) Verfahren angefallen sind, sowie auch Ton- und
Bildaufnahmen ebenso wie Computerdateien. Beweisstücke wie PCs oder
Festplatten stellen hingegen keine Aktenbestandteile dar. Dementsprechend sind
die vorhandenen Magnetbänder, auf denen völlig unabhängig von einer
thematischen Zuordnung zu bestimmten Vorgängen oder Verfahren die Daten von
etwa 600 Accounts gesammelt sind, als Beweisstücke zu qualifizieren. Dies hat
zur Folge, dass im vorliegenden Fall § 14 UAG nicht zur Anwendung kommen
kann. Dies beinhaltet zugleich aber auch keine Beschränkung der
Beweiserhebung dahingehend, dass der Untersuchungsausschuss von den
Landesbehörden nur die Vorlage von Akten verlangen könnte und die Vorlage
anderer Beweismittel auf der Grundlage von § 13 UAG ausgeschlossen wäre.
68 Die Beweiserhebung nach Art. 35 Abs. 2 Satz 1 LV und § 13 Abs. 1 UAG umfasst
entsprechend des dargestellten weiten rechtlichen Rahmens dieses Begriffes die
Vorlage der Sicherungskopien an den Untersuchungsausschuss zur Auswertung
durch ihn. Denn die Beweiserhebung beinhaltet neben der Anforderung des
Beweismittels auch dessen Einsichtnahme und Auswertung. Die auf den
Sicherungskopien enthaltenen Daten sind nicht durch das Umweltministerium
sichtbar zu machen.
69 Nach den bisherigen Ausführungen zeigt sich, dass die rechtlichen
Voraussetzungen einer Beweiserhebung durch Heranziehung der Magnetbänder
mit den Sicherungskopien als Beweisstücke vorliegen. Es bestehen hinreichende
Anhaltspunkte, dass die auf den Sicherungskopien vorhandenen Daten für die
Erfüllung des Untersuchungsauftrags relevant sein können. Die Anforderung des
Datenmaterials durch den Untersuchungsausschuss beim Umweltministerium
erscheint daher rechtmäßig.
70 Andere mögliche Begrenzungen des Rechts des Untersuchungsausschusses sind
im vorliegenden Fall nicht durchgreifend.
71 Anzusprechen sind hier zunächst mögliche Begrenzungen aufgrund des
Gewaltenteilungsgrundsatzes. Das Gewaltenteilungsprinzip zielt auf
Machtverteilung und die daraus sich ergebende Mäßigung der Staatsherrschaft. In
der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ist die Teilung der Gewalten nicht als
absolute Trennung realisiert und geboten. Die Zweige der Staatsgewalt sind
aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen
Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt
werden. Die Verantwortung der Regierung gegenüber dem Parlament und dem
Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung
voraus, der einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen
grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich
einschließt. Dabei sind Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von
Regierungsentscheidungen, die Aufschluss über den Prozess der Willensbildung
geben, umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen.
So kommt den Erörterungen im Kabinett besonders hohe Schutzwürdigkeit zu. Die
vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind demgegenüber einer
parlamentarischen Kontrolle in einem geringeren Maße entzogen. Besonders
hohes Gewicht kommt aber dem parlamentarischen Informationsinteresse zu,
soweit es sich - wie ausgeführt - um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße
und vergleichbarer Missstände innerhalb der Regierung handelt (zum Ganzen:
BVerfG, Beschluss vom 17.06.2009 - 2 BvE 3/07 -, juris RdNrn. 120 bis 127
m.w.N.). Einer Beurteilung, ob und inwiefern im vorliegenden Fall der Kernbereich
exekutiver Eigenverantwortung tangiert wird, bedarf es hier jedoch nicht. Denn
diese Thematik betrifft nicht eigene Rechte der Klägerin, sondern solche der
Exekutive. Eine Verletzung von Rechten der Klägerin wegen diesen
Gesichtspunkts ist daher hier nicht zu befürchten.
72 Schließlich haben parlamentarische Untersuchungsausschüsse gemäß Art. 1 Abs.
3 GG die Grundrechte zu beachten. Dabei stößt das Beweiserhebungsrecht des
parlamentarischen Untersuchungsausschusses auf das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m.
Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung in seiner
einfachgesetzlichen Ausgestaltung durch die Vorschriften des
Landesdatenschutzgesetzes. Betroffen ist hier insbesondere der auf den
Sicherungskopien auch enthaltene private E-Mail Verkehr der Klägerin. Die
Wahrung der Rechte der Klägerin hat jedoch nicht das Umweltministerium,
sondern der die Beweisstücke empfangende Untersuchungsausschuss
sicherzustellen. Zu diesem Komplex hat das OLG Stuttgart in seinem Beschluss
vom 15.11.2012 - 4a VAs 3/12 - (juris, RdNr. 15) folgende Erwägungen angestellt,
denen sich das Verwaltungsgericht auch hinsichtlich des Datenmaterials auf den
Magnetbändern anschließt:
73 „Nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG (E 124, 78 [117, 125]) hat der
Untersuchungsausschuss die Grundrechte Dritter, etwa das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung, zu beachten, das nur im überwiegenden
Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden darf. Auch dazu sind ihm die
vollständigen Akten vorzulegen, damit er sich ein Bild vom Umfang ihrer
Entscheidungserheblichkeit machen kann. Hieraus ergibt sich, dass die
erforderliche Verhältnismäßigkeitsprüfung in Fällen der Betroffenheit des
Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung bei der Gewährung von
Akteneinsicht gegenüber parlamentarischen Untersuchungsausschüssen nicht im
Kompetenzbereich der die Akteneinsicht gewährenden Stelle liegt. Es ist nicht
deren Aufgabe diese Beschränkungen zu prüfen und gegebenenfalls die Einsicht
zu versagen. Vielmehr obliegt es dem parlamentarischen
Untersuchungsausschuss in eigener Verantwortung den Schutz solcher
Rechtspositionen durch Geheimhaltungsmaßnahmen oder - in letzter
Konsequenz - durch Rückgabe entsprechender Aktenbestandteile nach
Vorprüfung zu gewährleisten.“
74 Die Sicherstellung der Rechte der Klägerin kann, sofern konsensual keine andere
Lösung zustande kommt, etwa erfolgen bereits durch Begrenzung des sichtbar
gemachten und dem Ausschuss vorgelegten Materials entsprechend dem
Verfahrensvorschlag in der Begründung zum Beweisbeschluss Nr. 24 a, durch den
Ausschluss der Öffentlichkeit (Artikel 35 Abs. 2 Satz 3 LV, § 32 Geschäftsordnung
des Landtags) sowie durch eine die Rechte der Klägerin wahrende Abfassung des
Schlussberichts und einer Prüfung, ob die Verfügung einer Geheimhaltungsstufe in
Betracht kommt.
75 Zusammenfassend gesehen bleibt damit der Hauptantrag ohne Erfolg, da dem von
der Klägerin geltend gemachten Löschungsanspruch im vorliegenden Fall die
Pflicht des Umweltministeriums gegenübersteht, das Datenmaterial dem
Untersuchungsausschuss, der dieses rechtmäßig angefordert hat, zur Verfügung
zu stellen. Im Ergebnis kommt hier den parlamentarischen Kontrollrechten
gegenüber dem Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung das
größere Gewicht zu.
76 Entsprechend den obigen Ausführungen bleibt auch der Hilfsantrag mit dem Ziel,
das Umweltministerium zu verurteilen, es zu unterlassen, das Datenmaterial an
den Untersuchungsausschuss herauszugeben, erfolglos.
77 Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Von der Möglichkeit, das
Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (167 Abs. 2
VwGO), macht das Gericht keinen Gebrauch.
78 Wegen des obergerichtlich nicht abschließend geklärten Verhältnisses des
Landesdatenschutzgesetzes zum Untersuchungsausschussgesetz lässt das
Verwaltungsgericht die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Rechtssache zu (§§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).