Urteil des VG Sigmaringen vom 19.01.2011

VG Sigmaringen: beförderung, altersgrenze, mitbewerber, bad, dienstzeit, konkurrenz, internetseite, verwaltung, bevorzugung, zwangsversteigerung

VG Sigmaringen Beschluß vom 19.1.2011, 4 K 1223/10
Konkurrentenstreit bei beamtenrechtlicher Beförderung; Altersbeförderungsverbot
Leitsätze
1. Für die Beurteilung eines Konkurrentenstreits ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung maßgeblich.
2. Frühere Beurteilungen der Bewerber sind bei der Auswahlentscheidung zu berücksichtigen, wenn aufgrund der aktuellen Beurteilungen ein
Leistungsgleichstand festgestellt wird. Dabei sind für den Leistungsvergleich nicht nur jeweils die den aktuellen Beurteilungen vorausgehenden
Beurteilungen rechtlich relevant, sondern alle früheren Beurteilungen, die den Bewerbern zu ihren zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung
eingenommenen Ämtern erteilt wurden.
3. Das Altersbeförderungsverbot aus § 34 Abs. 3 Landesbeamtengesetz Baden-Württemberg, in Kraft bis zum 31. Dezember 2010, begegnet im
Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, den Leistungsgrundsatz und den Anspruch auf gleiche Teilhabe bei der
Vergabe öffentlicher Ämter nach Art. 33 Abs. 2 GG und im Hinblick auf das Altersdiskriminierungsverbot aus Art. 6 der Richtlinie 200/78/EG
rechtlichen Bedenken.
Tenor
Soweit der Eilantrag zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
Dem Antragsgegner wird es im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, drei der sieben auf der Internetseite des Oberlandesgerichts
Stuttgart ausgeschriebenen Beförderungsstellen eines Amtsrats (Besoldungsgruppe A12) mit den Beigeladenen zu 1 bis 3 zu besetzen, solange
nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden ist.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsteller trägt 5/8, der Antragsgegner 3/8 der Kosten des Verfahrens; alle Beigeladenen behalten ihre außergerichtlichen Kosten auf sich.
Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der Antragsteller, der seine Beförderung zum Amtsrat (Besoldungsgruppe A12) erstrebt, begehrt zur Sicherung seiner Beförderungsmöglichkeit
die vorläufige Untersagung von Stellenvergaben an Konkurrenten im Wege der einstweiligen Anordnung.
2
Der am ...1947 geborene Antragsteller begann seinen Justizdienst beim Land Baden-Württemberg nach Abitur und Wehrdienst am ... als
Rechtspflegeranwärter und wurde ... zum Justizinspektor zur Anstellung ernannt. Seine Ernennung zum Justizinspektor, Justizoberinspektor und
Justizamtmann erfolgten ..., ... und 1980. Von zwei Abordnungen in den Jahren 1992 (Staatsanwaltschaft D., 8 Monate) und 1994
(Staatsanwaltschaft L., 9 Monate) abgesehen, ist der Beamte seit 1978 bei der Staatsanwaltschaft R. tätig. In seinem gegenwärtigen
Aufgabenbereich ist er Rechtspfleger in der Strafvollstreckung, Sachbearbeiter in Gnadensachen, Gruppenleiter der
Strafvollstreckungsabteilung, Sachbearbeiter für die praktische Umsetzung von Vorgängen nach dem DNA-Identitätsfeststellungsgesetz,
Lehrkraft im Begleitlehrgang für Justizsekretärinnenanwärter sowie Ansprechpartner für Auszubildende und die „...“-Schreibkanzlei. Von 1990 bis
1.7.2008 war er zudem Vertreter des Geschäftsleiters.
3
Für die Beförderung zum Amtsrat (A12) zeigte sich der Beamte dabei seit 1988 interessiert. Von 1986 bis 1997 bewarb er sich 5 Mal vergeblich
um die Stelle des Geschäftsleiters beim Landgericht bzw. bei der Staatsanwaltschaft R.. Zwischen 1999 und 2005 bewarb er sich neun Mal
vergeblich um eine Beförderungsstelle als Amtsrat (A12). Die Beförderungsproblematik wurde mit dem Beamten in verschiedenen
Personalgesprächen besprochen. Dabei wurde ihm am 8.12.1993 von Herrn N., Justizministerium, im Zusammenhang mit einer erfolglosen
Bewerbung um die Stelle des Geschäftsleiters des Amtsgerichts R., die Auskunft erteilt, dass er im Grundsatz auch mit seiner bisherigen Position
eine Altersbeförderung zum Amtsrat erwarten könne, dass insofern aber ein konkreter Zeitpunkt nicht genannt werden könne. Am 28.5.1999
wurde ihm durch den Vertreter der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts S. - unten OLG - Dr. G. erläutert, dass Funktionsrechtspfleger
wegen der langen Wartelisten frühestens nach 20 Jahren befördert werden könnten, für Nichtfunktionsrechtspfleger bestehe nur ausnahmsweise
die Möglichkeit Besoldungsgruppe A12 zu erreichen, und zwar als Altersbeförderung kurz vor der Pensionierung. Dies sei jedoch nur dann
möglich, wenn der betreffende Beamte sich durch die Übernahme zusätzlicher Aufgaben, wie z.B. als stellvertretender Geschäftsleiter, besonders
profiliert habe. In einem Telefonat in der 42. Kalenderwoche 2001 mit Frau L., Verwaltungsabteilung des OLG, berief sich der Beamte auf das
Personalgespräch mit Dr. G.. Dieser habe ihm eine nicht fernliegende Beförderung nach A12 in Aussicht gestellt. Frau L. teilte dem Beamten
daraufhin mit, Dr. G. habe dazu erklärt, er habe gegenüber dem Beamten keine baldige, wohl aber überhaupt eine Beförderung nach A12 in den
Raum gestellt, allerdings mit dem Zusatz „Altersbeförderung“. Zu diesem Hinweis erklärte der Beamte, er sei zu Unrecht bereits 1993 von Herrn
R., Justizministerium Baden-Württemberg, auf die Altersbeförderung festgelegt worden. Er habe mit anderen Versprechen die Abordnung nach
Sachsen angetreten. Er sei bereit, sich in eine Funktionsrechtspflegerstelle einzuarbeiten. In einem Personalgespräch mit Frau L. vom 27.3.2002
wurde dem Beamten nochmals die schwierige Beförderungssituation erläutert. Ohne Funktionsstelle sei eine Beförderung zum Amtsrat lediglich
in ganz besonderen Ausnahmefällen möglich. Wenn ihm sowohl vom Justizministerium als auch in einem früheren Gespräch beim OLG eine
Beförderung nach A12 gegen Ende seiner beruflichen Laufbahn in Aussicht gestellt worden sei, so sei dies keine negative Festlegung, sondern
eine Würdigung seiner Lebensleistung und Anerkennung seiner Verdienste und seines Einsatzes bei der Staatsanwaltschaft R. und in den
neuen Bundesländern. Am 10.3.2003 wurde der Beamte, nach einer weiteren erfolglosen Bewerbung auf die Stelle eines Amtsrats, von Herrn E.,
Verwaltungsabteilung des OLG, telefonisch dahin informiert, dass der Beamte beim OLG hohes Ansehen genieße und daher nach Ablauf der
vorgesehenen Wartezeit von 25 Jahren am 1.12.2005 bald mit seiner Beförderung zum Amtsrat rechnen könne.
4
In der Folgezeit wurde eine weitere Bewerbung des Beamten vom 24.10.2006 auf eine von 7 Beförderungsstellen zum Amtsrat ebenfalls
abgelehnt. Bei dem daraufhin beim Verwaltungsgericht Sigmaringen durchgeführten Eilverfahren 4 K 391/07 hatte der Beamte teilweise Erfolg.
Das Gericht untersagte dem Antragsgegner mit Beschluss vom 31.7.2007 vorläufig die Besetzung von vier der sieben Beförderungsstellen. Die
Beschwerde des Antragsgegners gegen diese Entscheidung blieb ohne Erfolg (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.12.2007 - 4 S 1980/07 -).
5
Der Antragsgegner passte daraufhin seine Beförderungspraxis an die in den gerichtlichen Entscheidungen dargestellte Rechtslage an. Mit den
neuen Leitlinien für Ausschreibungs- und Beförderungsverfahren in den OLG-Bezirken K. und S. und den Ergänzenden Leitlinien für
Ausschreibungs- und Beförderungsverfahren im OLG-Bezirk S., jeweils vom 1.5.2008, wurde bestimmt, dass zukünftig Binnendifferenzierungen
innerhalb eines Gesamturteils, etwa nach Punktewerten, zu berücksichtigen seien. Bei der Bewerberauswahl sei in einem ersten Schritt eine
Rangfolge zwischen den Bewerbern herzustellen durch Heranziehung der aktuellen Beurteilungen. Soweit sich daraus keine Unterschiede
ergäben, sei auf frühere dienstliche Beurteilungen abzustellen. Unterscheide sich bei nur einer zu vergebenden Stelle einer der Bewerber in der
bescheinigten Leistung von den anderen Bewerbern, sei allein das Hauptkriterium maßgebend. Entsprechendes gelte, wenn sich bei mehreren
zu vergebenden Stellen eine der Anzahl der Stellen entsprechende Gruppe von Bewerbern von den anderen Bewerbern unterscheide. Falls die
Zahl der Bewerber mit den besten Leistungen die Anzahl der zu vergebenden Stellen übersteige, sei als erstes Hilfskriterium für eine Herstellung
einer Rangfolge der Dienstposten der Bewerber in den Blick zu nehmen. Zu den herausgehobenen Dienstposten im gehobenen Dienst zählten
dabei bei den Rechtspflegern insbesondere Verwaltungsleiter, Funktionsrechtspfleger (Inso., Zwangsversteigerung/-verwaltung, Familiensachen,
Register), Bezirksrevisoren, Zentrale Prüfungsbeamte für GV, Verwaltungsbeamte, zentrale Rechtsantragsstelle, Beamte mit dem
Register), Bezirksrevisoren, Zentrale Prüfungsbeamte für GV, Verwaltungsbeamte, zentrale Rechtsantragsstelle, Beamte mit dem
Aufgabengebiete der Vermögensabschöpfung und Gruppenleiter.
6
Den am 2.6.2008 gegen die anschließende erneute Vergabe der vier Beförderungsstellen gestellten Eilantrag 4 K 1150/08 erklärte der
Antragsteller nach Erläuterung der neu und auf der Grundlage der geänderten Leitlinien vorgenommenen Stellenvergabe für erledigt. Hierzu war
ihm vom OLG mitgeteilt worden, dass die nunmehr ausgewählten Bewerber über ältere Beurteilungen verfügten, in denen sie früher als der
Beamte die Höchstpunktzahl von 8 Punkten erreicht hätten. Das Eilverfahren wurde daraufhin mit Beschluss vom 22.7.2008 eingestellt.
7
Auf die in der Folgezeit vom OLG ausgeschriebenen weiteren 12 Beförderungsstellen A12 (gehobener Justizdienst, Rechtspflegerlaufbahn)
bewarb sich der Kläger am 4.9.2008. Die Beförderungssituation wurde in Bezug auf diesen Beförderungsgang bei einem Personalgespräch vom
23.7.2009 mit dem Beamten erörtert. Dabei wiesen für die Verwaltungsabteilung des OLG Herr Dr. G. und Frau A. darauf hin, dass der Beamte
bei der gegenwärtigen Kampagne nicht zum Zuge komme, jedoch im Herbst 2009 sieben weitere Stellen ausgeschrieben würden, und, sofern
sich das Bewerberfeld nicht ändere, seine Bewerbung Erfolg haben könnte. Allerdings werde dann die Altersgrenze nach § 34 Abs. 3 LBG,
wonach keine Beförderung innerhalb von drei Jahren vor Erreichen der Altersgrenze ausgesprochen werden soll, zu berücksichtigen sein. Nach
der Entscheidung des VGH Bad.-Württ. vom 4.11.2002 - 4 S 2281/02 -, die dem Beamten ausgehändigt und mitgegeben wurde, stelle die
Sollvorschrift in § 34 Abs. 3 LBG im Regelfall eine Mussvorschrift dar.
8
Am 29.7.2009 wurde dem Beamten mitgeteilt, dass für die 12 Stellen andere Bewerber ausgewählt worden seien. Davon hätten 11 Konkurrenten
schon früher als der Beamte 8 Punkte erreicht, eine Bewerberin stelle sich insofern mit früher 7,5 und jetzt 8 Punkten gleich wie der Beamte, gehe
aber als Verwaltungsleiterin wegen des Dienstpostens dem Beamten vor. Unter Bezugnahme auf diese Mitteilung und das Personalgespräch
vom 23.7.2009 verzichtete der Beamte daraufhin mit Anwaltsschreiben vom 28.8.2009 auf die Durchführung eines weiteren
Rechtsmittelverfahrens und ließ dazu erklären, sein Verzicht erfolge im Hinblick auf die angekündigten guten Aussichten des Beamten, in der im
Herbst anstehenden neuerlichen Beförderungskampagne befördert zu werden. Wegen der vielfältigen Beförderungsversprechen und seiner
atypischen Situation stehe beim Beamten die Altersgrenze nach § 34 Abs. 3 LBG einer Beförderung nicht entgegen.
9
Am 14.10.2009 bewarb sich der Beamte auf eine von 7 Beförderungsstellen zum Amtsrat (gehobener Justizdienst, Rechtspflegerlaufbahn),
ausgeschrieben auf der Internetseite des Oberlandesgerichts, S., Bewerbungsschluss 29.10.2009. Auch bei diesen Beförderungsstellen war eine
Beförderung jeweils unter Beibehaltung der bisherigen Dienstposten vorgesehen. Am 10.5.2010 wurde der Beamte vom OLG schriftlich darüber
informiert, dass für die Besetzung dieser Beförderungsstellen die Beigeladenen sowie Justizamtfrau H. und Justizamtmann K. ausgewählt
worden seien. Letztere seien sowohl in der aktuellen Anlassbeurteilung als auch in der davor liegenden Beurteilung von 2005 mit 8 Punkten und
daher besser als der Beamte beurteilt worden. Die weiteren zur Beförderung vorgeschlagenen Bewerber seien aus dem Personenkreis
ausgewählt worden, der - wie der Antragsteller - aktuell mit 8 Punkten und davor 2005 mit 7,5 Punkten beurteilt worden sei. Da 9 Bewerber nach
dem Hauptkriterium gleich beurteilt worden seien, sei als erstes Hilfskriterium die Wertigkeit des Dienstpostens herangezogen und seien dem
Antragsteller die Bewerber mit höherwertigeren Dienstposten vorgezogen worden. Da danach noch keine Auswahlentscheidung möglich
gewesen sei, sei als weiteres Hilfskriterium das Lebensalter herangezogen worden. Da zwei Mitbewerber (die Beigeladenen zu 5 und zu 6) auch
danach fast gleichauf gelegen hätten, seien beide zur Beförderung vorgeschlagen worden, unter Verwendung einer zwischenzeitlich frei
gewordenen, zusätzlichen halben Stelle. Der Antragsteller sei, von der Höherwertigkeit der Dienstposten der ausgewählten Bewerber
abgesehen, aber auch deswegen nicht zur Beförderung vorgeschlagen worden, weil er schon vor Beginn der Ausschreibung das 62. Lebensjahr
vollendet hätte und Gründe für ein ausnahmsweises Absehen von dem Beförderungshindernis in § 34 Abs. 3 LBG weder vorgetragen noch
ersichtlich gewesen seien. Seine Auswahlentscheidung traf das OLG mit Zustimmung des Bezirkspersonalrats anhand folgender
Beförderungsmatrix:
10
Bewerber
akt. Note
2005 Dienstalter Alter Dienstposten
H.
8
8
21.08.2000
1963
Verwaltung
K.
8
8
01.06.2004
1968
Verwaltungsleiter
Beigel. zu 1
8
7,5
06.04.2001
1963
Verwaltungsleiter
Beigel. zu 2
8
7,5
01.08.1989
1954
Bezirksrevisor
Beigel. zu 3
8
7,5
01.02.2003
1963
Verwaltungsleiter
Beigel. zu 4
8
7,5
01.12.2004
1956
Sachbearbeiterin EDV
Beigel. zu 5
8
7,5
01.05.1987
1948
Funktion
Beigel. zu 6
8
7,5
19.12.1986
1948
Funktion
Antragsteller
8
7,5
22.12.1980
1947
Rechtspflegertätigkeit
11 Der Antragsteller hat am 27.5.2010 den vorliegenden Eilantrag gestellt. Zur Begründung des Eilantrags führt er aus, es sei nicht klar, ob vom
Antragsgegner Anlass- oder Regelbeurteilungen der anderen Bewerber aus dem Jahr 2005 herangezogen worden seien, und ob seine auf 8
Punkte lautende Beurteilung, welche sich auf den Beurteilungszeitraum 1.10.2005 bis 25.10.2006 erstrecke und die eine Empfehlung zur
Beförderung enthalten habe, in die Abwägung eingestellt worden sei. Es werde bezweifelt, dass den anderen Bewerbern vergleichbare
Befähigungen attestiert worden seien. Eine nachvollziehbare Gegenüberstellung der Leistungsbewertungen der (Konkurrenz-)Bewerber, die
erkennen lasse, wie sich die Konkurrenz unter Berücksichtigung der einzubeziehenden älteren Beurteilungen darstelle, sei vom OLG nicht
vorgelegt worden. Bezüglich der Anwendung des Hilfskriteriums „Wertigkeit des Dienstpostens“ sei der vom Antragsgegner bezüglich zweier
Bewerber verwandte Begriff der „Funktionsstelle“ in den Leitlinien für die Ausschreibung- und Beförderungsverfahren“ nicht definiert und dazu sei
auch nicht ersichtlich, warum das breite Spektrum der Aufgaben des Antragstellers, das ebenfalls Führungsaufgaben beinhalte, als geringer
wertig angesehen werde. Eine Höherwertigkeit der Dienstposten der Konkurrenzbewerber sei davon abgesehen aber auch deswegen nicht
feststellbar, weil vom Gesetzgeber immer mehr richterliche Aufgaben auf die Rechtspfleger übertragen worden seien. Insofern sei insbesondere
auf den Wegfall der Begrenzungsverordnung zu verweisen. Die Altersgrenze in § 34 Abs. 3 LBG stehe entgegen der Ansicht des Antragsgegners
der Beförderung des Antragstellers nicht entgegen. Insofern sei schon fehlerhaft, dass der Antragsgegner offenbar von einem
Beförderungshindernis und von einer Ermessensreduzierung auf null ausgegangen sei. Der stringenten Anwendung dieser Altersgrenze
stünden auch die „Ergänzenden Leitlinien“ entgegen, nach denen im Kollisionsfall (bei Leistungsgleichheit) die Auswahlentscheidung auf dritter
Stufe auch auf das Dienst- oder Lebensalter gestützt werden könne. Gegen eine Anwendung der Altersgrenze spreche auch das
beamtenrechtliche Fürsorgeprinzip, nachdem dem Antragsteller vielfach eine Beförderung in Aussicht gestellt worden sei und eine
Regelverlängerungsmöglichkeit der Dienstzeit seit langem in der Diskussion stehe. Maßgeblich sei in diesem Zusammenhang die Sach- und
Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, so dass die neueren beamtenrechtlichen Entwicklungen Beachtung finden müssten.
Nicht nachvollziehbar sei für den Antragsteller auch, dass der Antragsgegner bezüglich des 1948 geborenen Mitbewerbers S. davon ausgehe,
dass ein Absehen von der Beförderungssperre des § 34 Abs. 3 LBG anzunehmen sei, eine solche Annahme beim Antragsteller aber ablehne. Im
Übrigen sei der Antragsteller weiterhin der Ansicht, dass die Beförderungssperre in § 34 Abs. 3 LBG gegen höherrangiges (Verfassungs-)Recht
verstoße, nachdem sie in der Praxis dazu führe, dass Beförderungen höherqualifizierter Bewerber mit Hinweis auf deren Alter scheiterten. Mit
Anwaltsschreiben vom 30.7.2010 teilte der Antragsteller dem Gericht mit, der Eilantrag werde in Bezug auf die Beförderungsstellen, die für die mit
Beschluss vom 10.6.2010 beigeladenen Frau H. und Herrn K. vorgesehen seien, nicht aufrechterhalten. Das Gericht hob daraufhin mit Beschluss
vom 2.8.2010 den Beiladungsbeschluss vom 10.6.2010 bezüglich Frau H. und Herrn K. auf.
12 Der Antragsteller beantragt danach (sachdienlich gefasst),
13
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, sechs der auf der Internetseite des
Oberlandesgerichts S. ausgeschriebenen sieben Beförderungsstellen eines Amtsrats (Besoldungsgruppe A12) (Bewerbungsschluss
29.10.2009) mit einem Mitbewerber zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden ist.
14 Der Antragsgegner beantragt,
15
den Antrag abzulehnen.
16 Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragsteller habe bei der Beförderungsstellenvergabe nicht berücksichtigt werden können, da er schon vor
der Ausschreibung der Beförderungsstellen das 62. Lebensjahr vollendet habe. Gründe für ein Absehen vom Altersbeförderungsverbot in § 34
Abs. 3 LBG hätten nicht vorgelegen. Es handele sich nicht um einen atypischen Fall. Damit sei auch kein Ermessen des Dienstherrn eröffnet. Der
Umstand, dass der Beamte vor vielen Jahren zum Justizamtmann befördert worden sei und daher lange auf eine Beförderung zum Amtsrat
gehofft habe, rechtfertige die Annahme eines atypischen Falles nicht. Ihm sei nie eine Beförderung nach A12 zugesichert worden. Er teile
insofern den Werdegang vieler anderer Beamten. Der Personalkörper in A12 weise nur etwa die Größe von einem Drittel des Personalkörpers
A11 auf, so dass nur ein kleiner Teil der Beamten aus A11 nach A12 befördert werden könne. Diese Situation und das Altersbeförderungsverbot
seien dem Beamten bei dem Personalgespräch am 23.7.2009 offen und transparent erklärt worden. Maßgeblich für die Beurteilung und das
hierbei zu beachtende Lebensalter der Bewerber sei der Zeitpunkt, zu dem die Auswahlentscheidung über die betreffenden Stellen getroffen
worden sei, also hier der 6./8.4.2010. Zu diesem Zeitpunkt sei eine Regelverlängerungsmöglichkeit bezüglich der Dienstzeit bis zur Vollendung
des 68. Lebensjahr nicht absehbar und vom Gesetz auch nicht vorgesehen gewesen. Die spätere Entwicklung sei für den Dienstherrn nicht
vorhersehbar gewesen und daher auch nicht zu beachten. Nachdem § 34 Abs. 3 LBG (alt) zum maßgeblichen Zeitpunkt gegolten habe und zu
beachten gewesen sei, spiele es auch keine Rolle, dass die Norm mit Inkrafttreten des Dienstrechtsreformgesetzes am 1.1.2011 ersatzlos
gestrichen worden sei. Verfassungsrechtliche oder sonstige Bedenken gegen die Wirksamkeit des Altersbeförderungsverbots in § 34 Abs. 3 LBG
(alt) ergäben sich nicht aus dem am 1.4.2010 in Kraft getretenen Beamtenstatusgesetz und bestünden auch ansonsten nicht. Der
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg und das Bundesverwaltungsgericht hätten die Norm angewandt und dabei bezüglich ihrer
Wirksamkeit keine Zweifel geäußert. Den für die Auswahlentscheidung herangezogenen Beurteilungen lägen folgende Zeiträume zugrunde:
17
Name
Aktuelle Beurteilung
Frühere Beurteilung
G. Ba.
01.09.2005 - 31.01.2009 02.09.2002 - 01.09.2005
E.-K. Bi. 01.09.2005 - 31.01.2009
Dez. 2002 - Sept. 2005
D. J.
01.09.2005 - 16.03.2010
01.09.2002 - 01.09.2005
M. L.
02.09.2005 - 04.02.2009
02.07.2004 - 01.09.2005
M. Sk.
01.09.2005 - 31.01.2009
Sept. 2002 - Okt. 2005
W. Sp.
01.09.2005 - 31.01.2009
Sept. 2002 - Okt. 2005
18 Die mit Beschluss des Gerichts vom 10.6.2010 beigeladenen Mitbewerber haben sich nicht zur Sache geäußert und auch keine Sachanträge
gestellt.
19 Das Dienst- und Lebensalter, die Dienstposten und die auf den Stellen als Justizamtmann/frau (A1) erbrachten, mit Beurteilungen
dokumentierten Leistungen ergeben sich aus der vom Gericht anhand der Personalakten erstellten tabellarischen Aufstellung auf Seite 11 dieses
Beschlusses:
20
Konkurrent Amt Dienstalter
in Stufe A11
Alter
Punkte
in A11
Beurteilungen nach Zeitraum und Art
Dienstposten
Ba.
StA
06.04.2001
1963
8
7,5
7
01.09.2005 - 31.01.2009 Anlassbeurteilung v. 26.02.2009
02.09.2002 - 01.09.2005 Regel- und Anlassbeurteilung v. 27.09.2005
08.03.2001 - 13.05.2002 Anlassbeurteilung v. 13.05.2002
Verwaltungsleiter
Bi.
AG
01.08.1989
1954
8
7,5
7,5
7
01.09.2005 - 31.01.2009 Anlassbeurteilung v. 12.03.2009
Bewerb. v. 04.10.2006/Weiterg. a. 24.10.2006 m. Verw. a. vor. Beurt.
01.12.2002 - 01.09.2005 Anlassbeurteilung v. 04.10.2005
01.06.1999 - 30.09.2002 Regelbeurteilung v. 26.11.2002
Bezirksrevisor
J.
AG
01.02.2003
1963
8
7,5
7,5
7
7
01.09.2005 - 16.03.2010 Anlassbeurteilung v. 17.03.2010
01.09.2005 - 01.09.2005 Regelbeurteilung v. 12.01.2006
01.11.2004 - 23.05.2005 Anlassbeurteilung v. 24.05.2005
11.07.2003 - 20.07.2004 Anlassbeurteilung v. 23.07.2004
01.10.2002 - 11.07.2003 Anlassbeurteilung v. 11.07.2003
Verwaltungsleiter
L.
DV
OLG
01.12.2004
1956 8
7,5
02.09.2005 - 04.02.2009 Anlassbeurteilung v. 04.02.2009
02.07.2004 - 18.10.2005 Regelbeurteilung v. 18.10.2005
Sachbearbeiterin EDV
Sk.
AG
01.05.1987
Sept.
1948
8
7,5
7,5
01.09.2005 - 31.01.2009 Anlassbeurteilung v. 13.03.2009
01.09.2002 - 31.10.2005 Anlassbeurteilung v. 14.11.2005
01.09.1999 - 30.09.2002 Regelbeurteilung v. 18.12.2002
Funktionsrechtspfleger,
Registerabteilung
Sp.
AG
19.12.1986
April
1948
8
7,5
7,5
02.09.2005 - 31.01.2009 Anlassbeurteilung v. 10.03.2010
01.09.2002 - 31.10.2005 Anlassbeurteilung v. 14.11.2005
01.09.1999 - 30.09.2002 Regelbeurteilung v. 09.01.2003
Funktionsrechtspfleger,
FG-Abteilung,
Zwangsversteigerung
Antragst.
StA
22.12.1980
Aug.
1947
8
8
7,5
7,5
7,5
7,5
01.09.2005 - 31.01.2009 Anlassbeurteilung v. 19.02.2009
01.05.2005 - 25.10.2006 Anlassbeurteilung v. 30.10.2006
01.01.2003 - 30.09.2005 Anlassbeurteilung v. 24.10.2005
26.07.2001 - 30.12.2002 Anlassbeurteilung v. 02.01.2003
01.07.2000 - 25.07.2001 Anlassbeurteilung v. 26.07.2001
21.12.1999 - 20.06.2000 Anlassbeurteilung v. 30.06.2000
Rechtspfleger
Strafvollstreckung
21 Tabellarische Aufstellung von Dienst- und Lebensalter, Dienstposten und Leistungen:
22 Dem Gericht wurden die vollständigen Personalakten für den Antragsteller und die Beigeladenen vorgelegt. Außerdem haben die Gerichtsakten
aus den Verfahren 4 K 391/07 und 4 K 1150/08 vorgelegen. Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Unterlagen und auf die
Ausführungen der Beteiligten in ihren Schriftsätzen verwiesen.
II.
23 Soweit der Eilantrag am 30.7.2010 bezüglich der für die Mitbewerber H. und K. vorgesehenen Beförderungsstellen zurückgenommen wurde,
wird das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt.
24 Der nach Teilzurücknahme anhängig gebliebene Eilantrag ist zulässig. Der Antragsteller macht im vorliegenden beamtenrechtlichen
Konkurrentenstreit geltend, dass die Auswahl bezüglich der jetzt noch verfügbaren 6 Beförderungsstellen zum Amtsrat (A12) zu seinen Lasten
fehlerhaft und daher rechtlich zu beanstanden sei. Die damit vorgetragene mögliche Rechtsverletzung rechtfertigt die Annahme eines
Rechtsschutzbedürfnisses bezüglich der Freihaltung aller 6 Beförderungsstellen. Denn anders könnte bei der - nach dem Vortrag - insgesamt
fehlerhaften Auswahl nicht sichergestellt werden, dass der Antragsteller - wie es das Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG
fordert - in einem neuen Auswahlverfahren gerade dem Mitbewerber vorgezogen wird, der sich - gemessen an einwandfreien Kriterien - ihm
gegenüber als nachrangig erweist. Der Umstand, dass der Antragsteller den nach § 126 Abs. 3 BRRG vorgesehenen Widerspruch gegen die
Auswahlentscheidung bisher wohl nicht erhoben hat, steht der Zulässigkeit des Eilantrags dabei nicht entgegen, nachdem die Erhebung des
Widerspruchs mit dem Ziel der Neubescheidung in der Frist des § 58 Abs. 2 VwGO noch nachgeholt werden kann.
25 Der danach zulässige Eilantrag hat nur teilweise, nämlich in dem aus der Entscheidungsformel sich ergebenden Umfang Erfolg.
26 Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen zulässig, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des
bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts eines Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123
Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO sind der Anordnungsanspruch, d. h. das Bestehen des materiell-rechtlichen Anspruches, dessen
vorläufige Sicherung begehrt wird, und der Anordnungsgrund, d. h. die Dringlichkeit der vorläufigen Regelung, glaubhaft zu machen.
27 In Fällen der Konkurrenz von Bewerbern um die Besetzung einer Beförderungsstelle hat der im Auswahlverfahren unterlegene Beamte - wie hier
der Antragsteller - einen Anordnungsanspruch, wenn dies - namentlich um den Eintritt "vollendeter Tatsachen" durch Aushändigung der
Beförderungsurkunde zu verhindern - zur Sicherung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs geboten ist. Der Bewerbungsverfahrensanspruch
enthält vor allem das Recht, dass der Dienstherr bei konkurrierenden Bewerbungen die Auswahl unter Beachtung des durch Art. 33 Abs. 2 GG
verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatzes der Bestenauslese (Leistungsgrundsatz) vorzunehmen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - 2
C 23/03 -, BVerwGE 122, 147). Dieser Anspruch ist grundsätzlich nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO sicherungsfähig, ohne dass es darauf
ankommt, ob der um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchende, übergangene Bewerber zwingend oder auch nur überwiegend wahrscheinlich
seinem Konkurrenten hätte vorgezogen werden müssen. Bleibt dem unterlegenen Bewerber nämlich der erstrebte Eilrechtsschutz versagt, so
kann die fragliche Stelle in aller Regel daraufhin sofort besetzt werden und kommt etwaiger Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren grundsätzlich
zu spät (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 4.11.2010 - 2 C 16/09 - Juris). Dies bedingt zugleich, dass die Gerichte im so genannten
beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit gehalten sind, den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes gerade im Eilverfahren besonders
Rechnung zu tragen. Infolgedessen genügt es in diesen Fällen nicht - sofern nicht ausnahmsweise gewichtige Gründe entgegenstehen -, das
Bestehen des Anordnungsanspruchs nur einer "summarischen" Prüfung zu unterziehen. Vielmehr ist (erforderlichenfalls) unter eingehender
tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des geltend gemachten Bewerbungsverfahrensanspruchs über die Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes zu entscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.9.2002 - 2 BvR 857/02 -, ZBR 2002, 427; BVerwG, Urteil vom 21.8.2003 - 2 C
14.02 -, BVerwGE 118, 370). Hiernach ist ein Anordnungsanspruch in Fällen der vorliegenden Art schon dann zu bejahen, wenn es nach dem im
Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erkennbaren Sach- und Streitstand gemessen an den vorgenannten Prüfungsmaßstäben nicht mit
hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass die vom Dienstherrn getroffene Auswahlentscheidung zu Lasten des Antragstellers
rechtsfehlerhaft ist, weil dessen Bewerbungsverfahrensanspruch keine hinreichende Beachtung gefunden hat. Zugleich müssen die Aussichten
des Betroffenen, in einem neuen rechtmäßigen Auswahlverfahren ausgewählt zu werden, zumindest "offen" sein, was bereits zu bejahen ist,
wenn seine Auswahl möglich erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.9.2002, a.a.O.).
28 Bei der Prüfung der Erfüllung des Beförderungsverfahrensanspruchs ist zu beachten, dass weder Art. 33 Abs. 2 GG noch die zu seiner
Konkretisierung ergangenen einfachgesetzlichen Vorschriften (§ 11 Abs. 1 LBG (alt)) einen Anspruch auf Übernahme in ein Beamtenverhältnis
gewähren (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 7.5.1981 - 2 C 42.79 -, Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 19). Entschließt sich der Dienstherr, eine freie Stelle
zu besetzen, ist die Auswahl unter den Bewerbern nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu treffen (vgl. Art. 33 Abs. 2 GG). Die
Entscheidung darüber, ob der Bewerber den Anforderungen des zu besetzenden Dienstpostens und der Laufbahn genügt, trifft der Dienstherr in
Wahrnehmung einer Beurteilungsermächtigung. Sie bewirkt im Ergebnis, dass die Eignungseinschätzung von den Verwaltungsgerichten nur
beschränkt überprüft werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 7.5.1981 - 2 C 42.79 -, a.a.O.). Nur der Dienstherr soll durch die für ihn
handelnden Organe nach dem erkennbaren Sinn der Regelung über die Auslese nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ein
persönlichkeitsbedingtes Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Ernennungsbewerber den - ebenfalls vom Dienstherrn zu
bestimmenden - fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes und der Laufbahn entspricht. Aufgrund der
Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn hat sich die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle darauf zu beschränken, ob die
Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem
unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen
Verfahrensvorschriften verstoßen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.1.2003 - 2 A 1/02 -, Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 55).
29 Danach ist hier ein Anordnungsanspruch gegeben. Der Antragsgegner hat den anzuwendenden Leistungsbegriff verkannt und den
verfassungsrechtlich, gesetzlich, und durch seine eigene Beurteilungspraxis für die Auswahlentscheidung vorgegebenen Rahmen verlassen,
indem er Bewerber, die unterschiedlich beurteilt sind, als gleich leistungsfähig angesehen hat. Das Auswahlverfahren weist damit Fehler auf, die
den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletzen. Ob der Antragsteller bei der Wiederholung der Auswahlentscheidung
ausgewählt werden wird, ist dabei offen. Eine sichere Prognose ist nicht möglich, nachdem die weitere Verfahrensweise im Ermessen des
Dienstherrn steht. Behält dieser das bisherige Auswahlverfahren bei, wäre die Bevorzugung anderer leistungsstärkerer Bewerber möglich. Bricht
der Dienstherr dagegen das Auswahlverfahren ab, ist nicht absehbar, nach welchen Auswahlkriterien (Anforderungsprofilen etc.) ein neues
Auswahlverfahren durchgeführt wird. Denkbar wäre insofern, dass die vom Antragsgegner scheinbar ohnehin gewünschte generelle
Bevorzugung von Funktionsstelleninhabern durch ein entsprechendes Anforderungsprofil offengelegt wird unter Hinnahme der Konsequenzen
für die Motivation der übrigen Beamten.
30 Im Einzelnen gilt zur Verletzung des Beförderungsverfahrensanspruchs des Antragstellers folgendes:
31 Für die Beurteilung maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung. Nicht abzustellen ist dagegen auf den
Zeitpunkt des Ablaufs der Bewerbungsfrist, auf den Zeitpunkt des Erlasses der Widerspruchsentscheidung oder auf den Zeitpunkt der
Entscheidung des Gerichts. Denn für die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung kommt es allein auf die Erwägungen an, die der Dienstherr
bei seiner Auswahlentscheidung in Ausübung seines Verwendungsermessens und des ihm vorbehaltenen Beurteilungsspielraums hinsichtlich
der Eignung der Kandidaten angestellt hat. Daher müssen zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung alle Voraussetzungen für die begehrte
Beförderung vorliegen. Damit fixiert die Auswahlentscheidung auch die Sach- und Rechtslage, die maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung ist
(vgl. VGH München, Beschluss vom 15.2.2010 - 15 CE 09.3045 -; OVG Sachsen, Beschluss vom 15.3.2010 - 2 B 516/09 -; OVG Sachsen-Anhalt,
Beschluss vom 26.10.2010 - 1 M 125/10 -).
32 1. Der Antragsgegner dürfte zu Unrecht von einem Leistungsgleichstand zwischen dem Antragsteller und den Beigeladenen zu 1 bis 3
ausgegangen sein. In der Folge hat er die Auswahl unzulässigerweise anhand eines Hilfskriteriums getroffen. Dem Bestenauslesegrundsatz
entspricht es, zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien
zurückzugreifen; regelmäßig sind dies die - bezogen auf den Zeitpunkt der Auswahlentscheidung - aktuellsten Beurteilungen der Bewerber (vgl.
BVerwG, Urteile vom 19.12.2002 - 2 C 31.01 -, IÖD 2003, 147, und vom 27.2.2003 - 2 C 16.02 -, IÖD 2003, 170). Danach ist es grundsätzlich
nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner bezüglich des primären Auswahlkriteriums zunächst ausschließlich auf die aktuellen
Beurteilungen und die dort vergebenen Gesamtnoten abgestellt hat. Insofern sind auch die Beschreibung der Beförderungspraxis in der Nr. 1 a)
der Leitlinien für Ausschreibungs- und Beförderungsverfahren (Stand: 1.5.2008) der Oberlandesgerichte K. und S. - unten LAB - sowie A. II. Nr. 1
Satz 1 und 2 der Ergänzenden Leitlinien für Ausschreibungs- und Beförderungsverfahren (Stand: 1.5.2008) des Oberlandesgerichts S. - ELAB -
rechtlich nicht zu beanstanden. In diesen die Beförderungspraxis des Antragsgegners beschreibenden Vorschriften ist vorgesehen, dass zur
Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückgegriffen wird; regelmäßig sind
dies die aktuellsten dienstlichen Beurteilungen (§ 115 LBG (alt)). Damit steht die Beförderungspraxis im Einklang mit dem Grundsatz der
Bestenauslese. Andere primäre Auswahlkriterien waren hier für den Antragsgegner auch nicht verfügbar, nachdem sich die
Stellenausschreibung nicht auf konkret zu vergebende Dienstposten bezog und keinerlei Anforderungsprofil erkennen ließ. In der Folge kommt
für die Beförderung jeder Bewerber in gleicher Weise in Betracht, soweit er die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Dies ist bei allen in
der Bewerbungsmatrix aufgeführten Bewerbern der Fall, nachdem diese statusrechtlich das Amt eines Justizamtmanns bzw. einer Justizamtfrau
(A11) bereits einnehmen und im Auswahlzeitpunkt eine Dienstzeit von mehr als acht Jahren zurückgelegt hatten (vgl. § 26 LVO (alt)).
33 Von ihren aktuellen Beurteilungen ausgehend, sind die beigeladenen Mitbewerber und der Antragsteller jeweils mit der Spitzennote von 8
Punkten (übertrifft die Leistungserwartungen) beurteilt. Es besteht insofern ein Gleichstand. Dabei billigt das Gericht die Annahme des
Antragsgegners, dass die in den Beurteilungen vergebenen Punkte nicht nur im Zeitpunkt der Erstellung der Beurteilung erreicht wurden,
sondern rückwirkend für den gesamten Beurteilungszeitraum gelten. Geringfügige Unterschiede bezüglich der Beurteilungszeiträume im Bereich
von wenigen Monaten begründen dabei keine erheblichen Unterschiede im Hinblick auf die Entscheidungsgrundlagen. Dem entsprechend
vermag das Gericht bis zu diesem Auswahlschritt keinen Fehler bezüglich der Auswahlentscheidung zu erkennen.
34 Zu beanstanden ist jedoch die Außerachtlassung des Ergebnisses früherer Beurteilungen im folgenden Auswahlschritt. Der Antragsgegner stellt
insofern nur das Ergebnis jeweils einer vorausgegangenen Beurteilung in seine Auswahlentscheidung ein und kommt daraufhin zum Ergebnis,
dass die Mitbewerber auch insofern gleich sind. Die weiteren ebenfalls in den Personalakten verfügbaren früheren Beurteilungen lässt er ohne
Angabe einer Begründung außer Acht und ignoriert die mit diesen Leistungsnachweisen verbundenen weiteren Hinweise auf eine bessere
Leistung im Amt Justizamtmann A11. In der Rechtsprechung ist dazu geklärt, dass ältere Beurteilungen zusätzlich die Leistungsentwicklung der
Beamten widerspiegeln und danach als Erkenntnisse, die über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung Aufschluss geben, vor Hilfskriterien
heranzuziehen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.12.2002 - 2 C 31/01 -, Buchholz 237.9 § 20 SaarLBG Nr. 1). Ihre zusätzliche Berücksichtigung
bei der Auswahl ist deswegen mit Blick auf Art. 33 Abs. 2 GG, § 11 Abs. 1 LBG (alt) geboten, wenn eine Stichentscheidung unter zwei oder mehr
aktuell im Wesentlichen gleich beurteilten Beamten zu treffen ist. (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.12.2002 - 2 C 31/01 -, Buchholz 237.9 § 20
SaarLBG Nr. 1; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5.5.2006 - 1 B 41/06 - juris). Wesentliche Leistungsunterschiede ergeben sich auch
aus den Zeiträumen, in denen der Beamte ein bestimmtes Leistungsniveau erreicht hat und halten kann. Dem entsprechend sind bei
Leistungsgleichstand frühere Beurteilungen zu beachten. Dies gilt im vorliegenden Fall auch für die Beurteilungen zu den
Beurteilungszeiträumen 1999 bis 2002.
35 Der von der zitierten Rechtsprechung klargestellten Rechtslage entspricht im Übrigen auch die Beurteilungspraxis des Antragsgegners. Zum
weiteren Vorgehen bei einem Gleichstand der Mitbewerber hinsichtlich der Punktezahl in der aktuellen Beurteilung wird in der Nr. 1. d) LAB
festgestellt, dass auch ältere dienstliche Beurteilungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung eines Mitbewerbers Auskunft geben.
Diese Feststellung konkretisierend wird in A. II. Nr. 1. Satz 5 ELAB bezüglich der Beförderungspraxis im OLG-Bezirk S. ausgeführt, es werde „auf
frühere Beurteilungen abgestellt“, soweit sich aus der Heranziehung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen keine Unterschiede ergeben.
Damit entspricht die Beförderungspraxis des Antragsgegners der oben zitierten Rechtsprechung und dem Leistungsgrundsatz. Denn auch die
ELAB verlangen die Berücksichtigung der „früheren Beurteilungen“ und lassen es nicht bei der Berücksichtigung der „vorausgegangenen
Beurteilung“ bewenden. Damit sind hier bei Leistungsgleichstand alle Beurteilungen aus dem aktuellen Amt Justizamtmann (A11) zu
berücksichtigen, jedenfalls soweit es sich zwischen den einzelnen Konkurrenten um vergleichbare Zeiträume handelt. Auszuscheiden sind
lediglich die Beurteilungen aus zuvor innegehabten Ämtern, hier also die Beurteilungen aus A10 (Justizoberinspektor), denn diese
Beurteilungen lassen Rückschlüsse auf Leistung und Bewährung im jetzigen Amt (A11) nicht zu.
36 Bei Beachtung der dargestellten rechtlichen Grundsätze und der Beschreibung der Beförderungspraxis in A. II. Nr. 1. Satz 5 ELAB ist die vom
Antragsgegner seiner Auswahlentscheidung zugrundegelegte Bewerbermatrix unvollständig, weil sie einen Teil der früheren Beurteilungen
willkürlich ausblendet. Der einer korrekten Auswahlentscheidung zugrundezulegende vollständige Leistungsvergleich ergibt sich aus der
Aufstellung auf Seite 11 des vorliegenden Beschlusses.
37 Wird der Auswahlentscheidung dieser vollständige Leistungsvergleich zugrunde gelegt, ist nicht nachvollziehbar, warum die Beigeladenen zu 1
bis 3 dem Antragsteller vorgezogen werden. Denn der Antragsteller ist auf A11 (Justizamtmann) bereits längere Zeit mit 7,5 Punkten beurteilt,
nämlich durchgehend ab 21.12.1999. Dagegen hat der Beigeladene zu 1 diesen Leistungsstand erst am 2.9.2002 erreicht (vgl. Regel- und
Anlassbeurteilung vom 27.9.2005), der Beigeladene zu 2 erst am 1.12.2002 (vgl. Anlassbeurteilung vom 4.10.2005) und der Beigeladene zu 3
erst am 1.11.2004 (vgl. Anlassbeurteilung vom 24.5.2005). Dass die genannten Unterschiede von jeweils einem halben Punkt bei der
Auswahlentscheidung zu berücksichtigen sind, ergibt sich aus den oben zitierten Beschlüssen des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim vom
17.12.2007 - 4 S 1980/07 - und des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 31.7.2007 - 4 K 391/07 - und aus Nr. 1. c.) LAB. Die
Berücksichtigungspflicht ist im Übrigen, jedenfalls zwischen den Hauptbeteiligten, mittlerweile wohl auch unstreitig. Damit ist der Antragsteller im
Hauptkriterium „Leistung“ jeweils besser als die konkurrierenden Beigeladenen zu 1 bis 3. Er hat früher als diese eine mit 7,5 Punkten bewertete
Leistung erbracht und dieses Leistungsniveau in der Folge auch länger gehalten.
38 Die Bevorzugung der weiteren Mitkonkurrenten dürfte dagegen nicht zu beanstanden sein. Die Beigeladene zu 4 hat seit Übernahme des Amtes
A11 (Justizamtfrau) am 1.12.2004 die Note 7,5 (vgl. Regelbeurteilung vom 18.10.2005) sowie ab 2.9.2005 8 Punkte (vgl. Anlassbeurteilung vom
4.2.2009) erreicht und stellt sich damit im Hauptkriterium gleich wie der Antragsteller. Dass er länger eine mit 7,5 Punkten bewertete Leistung
erzielt hat, kann er gegenüber der Beigeladene zu 4 nicht einwenden, nachdem diese das Amt Justizamtfrau (A11) erst seit dem 1.12.2004
einnimmt. Auch bei den Beigeladenen zu 5 und 6 ist die Feststellung eines Leistungsgleichstands nicht zu beanstanden. Eine falsche
Anwendung des folglich hier gemäß der Beschreibung der Beförderungspraxis in A. II. Nr. 2. ELAB heranzuziehenden Hilfskriteriums
„herausgehobener Dienstposten“ wurde bei keinem dieser drei Mitkonkurrenten glaubhaft gemacht. Von den ausführlichen Beschreibungen des
Antragsgegners ausgehend, erscheint dessen Annahme vertretbar, dass die Dienstposten der Beigeladenen zu 4 bis 6 (EDV-Management für
große Teile der Justiz in der Position einer Sachbearbeiterin, Funktionsrechtspfleger Registerabteilung und Funktionsrechtspfleger FG-Abteilung
und Zwangsversteigerung) sowohl vom Grad der Verantwortung als auch von den fachlichen Anforderungen anspruchs- und
verantwortungsvoller sind als der Dienstposten des Antragstellers. Dagegen ist sein Dienstposten deutlich weniger verantwortungsvoll und
beinhaltet kaum Führungsaufgaben. Die hiergegen vorgebrachten Einwände des Antragstellers überzeugen das Gericht nicht. Sie belegen nicht,
dass auch der Antragsteller einen im Sinne der Beförderungspraxis des Antragsgegners herausgehobenen Dienstposten einnimmt. Die
Bestimmung Buchstabe B. Rechtspfleger (gehobener Dienst) der ELAB, nach der auch eine Verwendung als Verwaltungsbeamter die Annahme
eines herausgehobenen Dienstpostens rechtfertigen soll, kam bei der streitgegenständlichen Auswahlentscheidung, auch was die Beigeladene
zu 4 betrifft, nicht zur Anwendung, so dass sich hieraus keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung ergeben können.
Hinreichende Anzeichen für eine Umgehung der leistungsbezogenen Auswahlentscheidung durch eine nicht leistungsbezogene Vergabe von
Funktionsstellen wurden nicht vorgetragen und konnte das Gericht auch nicht feststellen. Insofern wurde vom Antragsgegner glaubhaft versichert,
dass er - jedenfalls in neuerer Zeit - alle Funktionsstellen ausschreibe und dass sich auch der Antragsteller um eine Funktionsstelle habe
bewerben können.
39 Danach weist die Auswahlentscheidung im Hinblick auf die Beigeladenen zu 1 bis 3 voraussichtlich Fehler auf, die die Anordnung, die für sie
vorgesehenen Stellen vorläufig nicht zu besetzen, begründen. Bezüglich der weiteren Bewerber vermag das Gericht solche Rechtsfehler nicht
festzustellen, so dass insofern der Eilantrag keinen Erfolg hat und abzulehnen ist.
40 2. Gegen die obigen Ausführungen kann der Antragsgegner nicht mit Erfolg einwenden, der Antragsteller sei zu alt und unterliege deswegen
einem Beförderungsverbot. Rechtsgrundlage ist wegen der oben beschriebenen maßgeblichen Sach- und Rechtslage § 34 Abs. 3 LBG (alt).
Diese Bestimmung ist zwar mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts am 1.1.2011 außer Kraft getreten, sie galt
aber noch zum maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahlentscheidung am 6./8.4.2010. Der die Beförderung regelnde § 20 LBG (neu) sieht ein
Altersbeförderungsverbot nicht mehr vor. § 34 Abs. 3 LBG (alt) lautet: Eine Beförderung soll nicht innerhalb von drei Jahren vor Erreichen der
Altersgrenze ausgesprochen werden. Die Altersgrenze wäre nach § 50 Abs. 1 LBG (alt) mit dem Ablauf des Monats erreicht gewesen, in dem der
Beamte das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet, also hier am ...2012. Damit kam nach altem Recht eine Beförderung des Beamten ab dem
...2009 grundsätzlich nicht mehr in Betracht, womit er zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung am 6./8.4.2010 nicht mehr als Mitkonkurrent in
Betracht zu ziehen war. Hiergegen kann der Antragsteller nicht mit Erfolg einwenden, dass es sich um eine Sollregelung handele und sein
atypischer Fall eine andere Handhabung erforderlich mache. Die hierfür vorgebrachten Gründe überzeugen das Gericht nicht. Die dem
Antragsteller von den personalverwaltenden Stellen gemachten „Beförderungsversprechungen“ begründen keinen atypischen Fall, nachdem
motivationserhaltende Vertröstungen durch Personalverwaltungen auch in der Justiz üblich sind und jeweils die Verbindlichkeit einer
Zusicherung nicht erreichen. Soweit der Antragsteller auf die lange Zeitdauer seiner vergeblichen Bemühungen um eine nach A12 besoldete
Stelle verweist, begründet dies ebenfalls keinen atypischen Fall. Im Gegenteil. Je länger sich ein Beamter vergeblich um eine Beförderung
bemüht, um so mehr nähert er sich typischerweise dem nach § 34 Abs. 3 LBG (alt) kritischen, weil für eine Beförderung schädlichen Alter. Der
Annahme des Antragstellers, dass das Verhalten der personalverwaltenden Stelle bei der vorausgegangenen Bewerbungskampagne einen
atypischen Falls begründet, folgt das Gericht ebenfalls nicht. Das Gericht vermag auch insofern keine gravierende Verletzung der Fürsorgepflicht
zu erkennen, die die Annahme eines atypischen Falls rechtfertigen könnte. Beim Personalgespräch am 23.7.2009 wurde dem Antragsteller nicht
nur eine Beförderungschance bei der nächsten Kampagne in Aussicht gestellt. Sondern er erhielt auch deutliche Hinweise und einen
Rechtsprechungsnachweis bezüglich des grundsätzlich zwingenden Altersbeförderungsverbots, das keine Beförderung zulasse. Damit wurde
der Antragsteller, jedenfalls im Ergebnis, nicht in die Irre geführt, sondern deutlich auf die rechtliche Einschätzung des Dienstherrn und die
danach zu erwartende Entwicklung hingewiesen. Der anschließende Rechtsmittelverzicht des Antragsteller kann dem entsprechend nicht mit
einem durch den Antragsgegner herbeigeführten Irrtum begründet werden, sondern ging allein auf die von Antragsteller angenommene
Chancenlosigkeit bei der damaligen Kampagne zurück. Die im Anwaltsschreiben vom 28.8.2009 aufgestellte Behauptung, wegen der
Beförderungsversprechen liege ein atypischer Fall vor und stehe die Altersgrenze nach § 34 Abs. 3 LBG (alt) der Aussicht, bei der
anschließenden Kampagne befördert zu werden, nicht entgegen, stand im klaren und erkennbaren Widerspruch zu der Kernaussage beim
Personalgespräch und musste daher durch die personalverwaltende Stelle nicht mit einem Antwortschreiben korrigiert werden. Wenn der
Antragsteller auf dieser, von ihm selbst zu verantwortenden Basis, auf Rechtsmittel bezüglich der vorausgegangenen Kampagne verzichtete,
liegt hier in seinem Verantwortungsbereich und begründet keinen atypischen Fall.
41 Nach alldem hätte das Altersbeförderungsverbot aus § 34 Abs. 3 LBG (alt) zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung am 6./8.4.2010 einer
Beförderung des Antragstellers entgegengestanden. Unter der Voraussetzung, dass die Norm wirksam war. Hieran bestehen beim Gericht
jedoch gravierende Zweifel. § 34 Abs. 3 LBG (alt) schließt alte Beamte wegen ihres Alters von dem nach Art. 33 Abs. 2 GG grundrechtlich
gesicherten Anspruch auf gleiche Teilhabe bei der Vergabe öffentlicher Ämter aus. Die Benachteiligung alter Beamten widerspricht zugleich dem
Diskriminierungsverbot in Art. 3 Abs. 1 GG. Die Vorschrift bewirkt dabei auch, dass allein wegen des Alters nicht der leistungsmäßig beste
Beamte, sondern ein schlechterer, eine Beförderungsstelle erhält. Die Vorschrift ist damit altersdiskriminierend und widerspricht dem
Leistungsgrundsatz. Sie begegnet damit Bedenken in verfassungsrechtlicher Hinsicht (Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 3 Abs. 1 GG) und im Hinblick auf
das Diskriminierungsverbot in der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die
Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Die von § 34 Abs. 3 LBG (alt) vorgesehene Diskriminierung wäre nach Art. 6
der Richtlinie 2000/78/EG, die bis zum 2.12.2003 von den Mitgliedstaaten umzusetzen war, nur dann nicht unzulässig, wenn das
Altersbeförderungsverbot objektiv und angemessen wäre und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere
rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt wäre, und
wenn die Maßnahme zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich wäre. Dies erscheint zweifelhaft.
42 Zum Zweck des § 34 Abs. 3 LBG (alt) hat der VGH Bad.-Württ. in seinem Beschluss vom 4.11.2002 - 4 S 2281/02 -, also vor Ablauf der
Umsetzungsfrist für die Richtlinie 2000/78/EG und vor Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes am 18.8.2006, ausgeführt:
43
„Die in Ausprägung des in Art. 33 Abs. 2 GG verankerten Leistungsgrundsatzes ... nach § 34 Abs. 3 LBG vorgesehene dreijährige
Beförderungssperre vor Erreichen der Altersgrenze dient dabei nicht nur dem Zweck, sog. Altersbeförderungen vorzubeugen, die nicht
in erster Linie auf der Eignung des Beamten für das Beförderungsamt beruhen, sondern dazu dienen, ihm die ruhegehaltfähigen
Dienstbezüge aus diesem Amt zukommen zu lassen, wie er auch § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG zugrunde liegt. Der Gesetzgeber bringt mit
ihr vielmehr auch seine Erwartung zum Ausdruck, dass der Beamte im Interesse des Dienstherrn und zum Nutzen der Allgemeinheit die
ihm übertragenen Aufgaben des höher bewerteten Amtes noch für eine längere Zeitdauer wahrnehmen werde. ...“
44 Die vom Senat für diese Ansicht zitierten Entscheidungen (BVerwG, Urteil vom 23.10.1980, ZBR 1981, 228; Beschluss des Senats vom
28.08.1975, RiA 1976, 98; Hess. VGH, Beschluss vom 20.08.2002 - 1 TG 1229/02 -; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 12.09.1990 - 1 W
150/90 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.07.1981, ZBR 1981, 378). Hess. VGH, Beschluss vom 20.08.2002 - 1 TG 1229/02 -; OVG
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.07.1981, a.a.O.) haben gemeinsam, dass sie allesamt älter sind und zeitlich vor der geänderten und jetzt
diskriminierungsfeindlichen Rechtslage getroffen wurden. Die zur Begründung der Entscheidung angeführte sogenannte Altersbeförderung
überzeugt nicht. Diese war früher nicht unüblich und bestand in einer nicht leistungsgerechten Beförderung mit dem alleinigen Ziel, kurz vor
Eintritt in den Ruhestand ein höheres Ruhegehälter zu ermöglichen. Einem solchen Vorgehen steht nach Ansicht des Gerichts aber bereits der
Leistungsgrundsatz nach § 33 Abs. 2 GG entgegen. Einer weiteren einfachgesetzlichen Norm bedarf es danach zur Verhinderung der ohnehin
rechtswidrigen Altersbeförderung nicht. Hinzu kommt, dass nach § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG ohnehin nur die Bezüge des vorher bekleideten
Amtes ruhegehaltsfähig sind, wenn der Beamte die Bezüge aus dem Beförderungsamt nicht mindestens zwei Jahre vor dem Eintritt in den
Ruhestand erhalten hat. Ob der Gesetzgeber zurecht erwarten kann, wie der Senat in der Entscheidung von 2002 meinte, dass der Dienstherr
vom jüngeren aber leistungsmäßig schlechteren Bewerber in der Regel mehr profitieren wird als vom älteren leistungsstärkeren, erscheint eher
fraglich. Die Zweckmäßigkeitsüberlegung knüpft dabei im Übrigen ausschließlich an das Lebensalter an und benachteiligt damit den alten
Beamten gerade wegen seines Alters. Ist im Einzelfall bezüglich des zu vergebenden Dienstpostens bzw. der zu vergebenden
Beförderungsstelle eine längere Dienstzeit zwingend notwendig, kann eine erforderliche Mindestdienstzeit durch ein entsprechendes
Anforderungsprofil bei der Stellenausschreibung angestrebt werden. Eines generellen Altersbeförderungsverbots bedarf es hierfür nicht.
Bezüglich der These, das Beförderungsverbot nach § 34 Abs. 3 LBG sei „Ausdruck des in Art. 33 Abs. 2 GG verankerten Leistungsgrundsatzes“
kann auf die Ausführungen von Lorse in seinem Aufsatz „Dienstrechtsreform in Baden-Württemberg - Generalrevision statt Revolution im
„Ländle““, ZBR 2011, Seite, 1 verwiesen werden. Darin wird ausgeführt: „Ein strukturelles Element der Neugestaltung des Laufbahnrechts ist der
weitestgehende Verzicht auf Mindestdienstzeiten und Altersgrenzen. Der Zeitfaktor im Beamtenrecht wird als leistungsfeindlich eingestuft und
aus dem Laufbahnrecht - soweit möglich - verbannt.“ Dieser Aussage stimmt das Gericht grundsätzlich zu.
45 Werden alle für und gegen die EU-Rechtskonformität und Verfassungsgemäßheit des Altersbeförderungsverbots sprechenden Gesichtspunkte
herangezogen und bewertet, spricht einiges für die Unwirksamkeit von § 34 Abs. 3 LBG (alt). Es kann allenfalls noch von einer offenen
Fragestellung ausgegangen werden, die im Hauptsacheverfahren einer Klärung unter Berücksichtigung der seit 2002 veränderten, jetzt
diskriminierungsfeindlichen Rechtslage zuzuführen ist. Eine bei offenem Ausgang gebotene Interessenabwägung muss hier zugunsten des
Antragstellers ausfallen, nachdem dessen Beförderungsverfahrensanspruch mit der Vergabe der Beförderungsstellen endgültig vernichtet wird.
Dagegen erscheint es aus Sicht des Antragsgegners zumutbar, mit der Vergabe der Beförderungsstellen an die Beigeladenen zu 1 bis 3
zuzuwarten, bis die Klärung im Hauptsacheverfahren abgeschlossen werden kann. Dabei kann in die Abwägung eingestellt werden, dass der
Antragsgegner bei Bedarf eine neue Auswahlentscheidung treffen könnte. Hierfür wäre die neue Sach- und Rechtslage maßgeblich und damit
die bei der streitgegenständlichen Auswahlentscheidung mit dem Altersbeförderungsverbot verbundene Problematik beseitigt.
46 Nach alldem ist der Anordnungsanspruch des Antragstellers hinsichtlich der für die Beigeladenen zu 1 bis 3 vorgesehenen Beförderungsstellen
zu bejahen, da es nach dem im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erkennbaren Sach- und Streitstand gemessen an den vorgenannten
Prüfungsmaßstäben nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass die vom Dienstherrn getroffene
Auswahlentscheidung zu Lasten des Antragstellers rechtsfehlerhaft ist, weil dessen Bewerbungsverfahrensanspruch keine hinreichende
Beachtung gefunden hat. Zugleich sind die Aussichten des Beamten, in einem neuen rechtmäßigen Auswahlverfahren ausgewählt zu werden,
zumindest "offen", da seine Auswahl möglich erscheint. Bezüglich der für die Beigeladenen zu 4 bis 6 vorgesehenen Stellen ist
Anordnungsanspruch dagegen nicht glaubhaft gemacht.
47 Daher ist, wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich, zu entscheiden.
48 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO. Die Kostenquotelung entspricht den
Obsiegens- und Unterliegensanteilen unter Berücksichtigung der Rücknahme. Die Beigeladenen behalten ihre außergerichtlichen Kosten auf
sich, nachdem sie keinen Antrag gestellt und daher auch kein Kostenrisiko eingegangen sind (vgl. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO). Der
Streitwert wird auf 5.000,- EUR (Auffangwert) festgesetzt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.12.2007 - 4 S 1980/07 -; anderer Ansicht
Verwaltungsgericht Sigmaringen, Beschluss vom 31.7.2007 - 4 K 391/07 - mit weiteren Nachweisen).