Urteil des VG Saarlouis vom 14.07.2009

VG Saarlouis: vollstreckung, vollziehung, rückübertragung, zwangsgeld, amt, androhung, satzung, entziehen, versetzung, entlastung

VG Saarlouis Beschluß vom 14.7.2009, 2 N 466/09
Vollstreckung einer einstweiligen Anordnung auf angemessene Beschäftigung
Leitsätze
1. Die Vollziehung einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO auf
amtsangemessene Beschäftigung durch Vollstreckung richtet sich nach § 172 VwGO.
2. Eine Nichterfüllbarkeit des Anspruchs auf amtsangemessene Beschäftigung, der
unabdingbar ist, kann der Vollstreckung nach § 172 VwGO nicht entgegengehalten werden.
Tenor
Der Vollstreckungsschuldnerin wird für den Fall, dass sie der einstweiligen Anordnung der
Kammer gemäß Beschluss vom 20.04.2009 -2 L 90/09-, den Vollstreckungsgläubiger
vorläufig so lange amtsangemessen zu beschäftigen, wie dieser bei ihr bedienstet ist, nicht
bis spätestens 31. August 2009 nachkommt, die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe
von 2.500,-- Euro angedroht.
Die Vollstreckungsschuldnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Der am 20.05.2009 bei Gericht eingegangene Vollstreckungsantrag, mit dem der
Vollstreckungsgläubiger begehrt, die Vollstreckungsschuldnerin unter Fristsetzung und
Androhung eines Zwangsgeldes bis 10.000,-- Euro dazu anzuhalten, der von der
erkennenden Kammer mit Beschluss vom 20.04.2009 -2 L 90/09- erlassenen
einstweiligen Anordnung, den Vollstreckungsgläubiger vorläufig so lange amts-angmessen
zu beschäftigen, wie dieser bei ihr bedienstet ist, nachzukommen, hat Erfolg.
Gemäß § 172 Satz 1 VwGO kann das Gericht des ersten Rechtszuges gegen eine
Behörde, die ihrer Verpflichtung aus Urteilen auf Folgenbeseitigung (§ 113 Abs. 1 Satz 2
VwGO), Verpflichtungsurteilen (§ 113 Abs. 5 VwGO) oder einstweiligen Anordnungen (§
123 VwGO) nicht nachkommt, auf Antrag unter Fristsetzung ein Zwangsgeld bis 10.000,--
Euro androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken.
Nach Satz 2 dieser Vorschrift kann das Zwangsgeld wiederholt angedroht, festgesetzt und
vollstreckt werden.
Die Vollziehung einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO durch Vollstreckung
richtet sich dabei auch dann nach § 172 VwGO, wenn es letztlich nicht um die
Verpflichtung der Vollstreckungsschuldnerin geht, einen Verwaltungsakt zu erlassen. Der
Anwendungsbereich des § 172 VwGO ist vielmehr auch dann eröffnet, wenn es das Ziel
der Vollstreckung ist, dass die Vollstreckungsschuldnerin, wie hier mit der vorläufigen
amtsangemessenen Beschäftigung des Vollstreckungsgläubigers, eine schlicht hoheitliche
Handlung vorzunehmen hat, für die sie eine spezifisch hoheitliche Regelungs- oder
Handlungsbefugnis in Anspruch nehmen muss
so ausdrücklich OVG Niedersachsen, Beschluss vom
12.09.2006 -5 OB 194/06-, NVwZ-RR 2007, 139;
Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2008, § 172 Rdnr. 1; a.A.
etwa VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom
25.06.2003 -4 S 118/03-, NVwZ-RR 2004, 459.
Die danach für die Zwangsgeldandrohung im Sinne von § 172 Satz 1 VwGO erforderlichen
Voraussetzungen liegen vor.
Die von der Kammer unter dem 20.04.2009 erlassene einstweilige Anordnung ist nach §§
168 Abs. 1 Nr. 2, 172 Satz 1 VwGO vollstreckbar; einer Vollstreckungsklausel bedurfte es
vorliegend nicht.
Die einmonatige Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO, die gemäß § 123 Abs. 3 VwGO
auch für die Vollziehung einer einstweiligen Anordnung gilt und mit der Zustellung des
entsprechenden Beschlusses der Kammer am 23.04.2009 an die Prozessbevollmächtigten
des Vollstreckungsgläubigers zu laufen begann, ist mit dem Eingang des
Vollstreckungsantrages bei Gericht am 20.05.2009 gewahrt.
Die Vollstreckungsschuldnerin ist der dem Vollstreckungsbegehren des
Vollstreckungsgläubigers zugrunde liegenden einstweiligen Anordnung vom 20.04.2009
bisher auch nicht in hinreichender Weise nachgekommen. Zwar sind dem
Vollstreckungsgläubiger von der Vollstreckungsschuldnerin nach der abschließenden
Bearbeitung verschiedener Altfälle neben der Urlaubsvertretung für den Leiter des
Fachbereichs 2 im Zeitraum vom 22.05. bis 02.06.2009 und vom 22.06. bis 26.06.2009
auch Aufgaben eines längerfristig erkrankten Mitarbeiters der Besoldungsgruppe A 11
sowie Einzelaufgaben zur Entlastung des Fachbereichsleiters selbst übertragen worden.
Damit hat die Vollstreckungsschuldnerin die ihr durch einstweilige Anordnung auferlegte
Verpflichtung, den Vollstreckungsgläubiger vorläufig solange amtsangemessen zu
beschäftigen, wie dieser bei ihr bedienstet ist, indes nur unzureichend erfüllt, weil die dem
Vollstreckungsgläubiger insoweit übertragenen Aufgaben selbst nach eigener Einschätzung
der Vollstreckungsschuldnerin seinem Anspruch auf eine seinem statusrechtlichen Amt als
Gemeindeamtsrat (Besoldungsgruppe A 12) gemäße Beschäftigung nicht gerecht werden.
Die Vollstreckungsschuldnerin geht im Gegenteil ersichtlich nach wie vor davon aus, dass
aufgrund der bereits zum 01.07.2008 erfolgten Rückübertragung der ihr durch Satzung
zur Durchführung des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch -SGB XII- und Ausführung des
Asylbewerberleistungsgesetzes -AsylbLG- delegierten Aufgaben auf den Regionalverband
Saarbrücken bei ihr keine Möglichkeit mehr bestehe, dem Vollstreckungsgläubiger einen
seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden Dienstposten zu übertragen, und beruft sich
im Weiteren darauf, dass es dem Vollstreckungsgläubiger zumutbar sei, für eine
Übergangszeit bis zu seiner Übernahme durch den Regionalverband Saarbrücken
unterwertig beschäftigt zu werden.
Eine Nichterfüllbarkeit des Anspruchs des Vollstreckungsgläubigers auf amtsangemessene
Beschäftigung kann die Vollstreckungsschuldnerin indes vorliegend nicht mit Erfolg geltend
machen. Davon abgesehen, dass dieser Einwand das Bestehen des der Vollstreckung
zugrunde liegenden Anspruchs betrifft und daher in dem Verfahren nach § 172 VwGO
grundsätzlich unbeachtlich ist, hat die Kammer bereits in ihrem Beschluss vom
20.04.2009 -2 L 90/09- dargelegt, dass sich die Vollstreckungsschuldnerin der ihr
obliegenden Pflicht, den Vollstreckungsgläubiger amtsangemessen zu beschäftigen,
grundsätzlich nicht mit dem Hinweis auf fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten entziehen
kann. Die Übertragung einer amtsangemessenen Tätigkeit ist vielmehr unabdingbar.
Insoweit muss vorliegend auch Berücksichtigung finden, dass die derzeitige unterwertige
Beschäftigung des Vollstreckungsgläubigers infolge der Rückübertragung von ehemals der
Vollstreckungsschuldnerin oblegenen Aufgaben nach SGB XII und AsylbLG allein von der
Vollstreckungsschuldnerin zu vertreten ist. Zwar steht dem Vollstreckungsgläubiger
unstreitig kein Recht auf Beibehaltung der ihm ehemals übertragenen Dienstaufgaben zu.
Die Vollstreckungsschuldnerin hätte jedoch für den Fall der Aufgabenrückübertragung auf
den Regionalverband Saarbrücken ohne gleichzeitige Versetzung des
Vollstreckungsgläubigers oder dessen Übernahme durch den Regionalverband Saarbrücken
dafür Sorge tragen müssen, dass dem Vollstreckungsgläubiger, jedenfalls solange er bei ihr
bedienstet ist, ein amtsangemessener Tätigkeitsbereich verbleibt
vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 22.06.2006 -2 C 1.06-,
ZBR 2006, 344 m.w.N.
Der Vollstreckungsantrag erweist sich entgegen der Auffassung der
Vollstreckungsschuldnerin weder als mutwillig noch ansonsten rechtsmissbräuchlich. Dass
der Vollstreckungsgläubiger sich angeblich mit den ihm von der Vollstreckungsschuldnerin
übertragenen Aufgaben einverstanden erklärt hat, ist insofern unerheblich, als damit die
einstweilige Anordnung und der ihr zugrunde liegende Anspruch des
Vollstreckungsgläubigers auf amtsangemessene Beschäftigung von der
Vollstreckungsschuldnerin jedenfalls nur unvollkommen erfüllt worden ist.
Dem Vollstreckungsgläubiger ist es letztlich auch nicht zumutbar, weiterhin auf
unbestimmte Zeit unterwertig beschäftigt zu werden. Nach wie vor ist nämlich nicht
absehbar, ob und gegebenenfalls wann eine von der Vollstreckungsschuldnerin auch
weiterhin angestrebte Übernahme des Vollstreckungsgläubigers durch den Regionalverband
Saarbrücken erfolgen wird. Die Vollstreckungsgläubigerin hat sich daher im Ergebnis so zu
organisieren, dass sie ihrer Pflicht zur vorläufigen amtsangemessenen Beschäftigung des
Vollstreckungsgläubigers nachkommt. In Anbetracht der hierzu erforderlichen
organisatorischen Maßnahmen erachtet die Kammer die bis zum 31.08.2009 gesetzte
Frist als ausreichend und die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.500,-- Euro als
angemessen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.