Urteil des VG Saarlouis vom 29.10.2010

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VG Saarlouis Urteil vom 29.10.2010, 1 K 831/09
Schulgeldfreiheit Saarland; Vertrag über Abgeltung von Schulsachkosten; Wohnsitz oder
ständiger Aufenthalt im Ausland
Leitsätze
Gemäß § 1 Satz 2 des Gesetzes über Schulgeldfreiheit im Saarland können Schulträger mit
Schülerinnen und Schülern, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Ausland
haben, die Abgeltung von Schulsachkosten vereinbaren.
Ein solch öffentlich-rechtlicher Vertrag verstößt auch dann nicht gegen das sich aus Art. 18
Abs. 1 EG Vertrag a.F. (nunmehr Art. 21 des Vertrages über die Arbeitsweise der
Europäischen Union - AEUV) ergebende Verbot, die Freizügigkeit von Unionsbürgern zu
beschränken, wenn der Erziehungsberechtigte des Schülers gemäß § 1 Abs. 2 Ziffer 2
EStG als Angehöriger des Öffentlichen Dienstes in Deutschland unbeschränkt
einkommensteuerpflichtig ist.
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 680,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-
Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2008 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 780,00 EUR vorläufig
vollstreckbar. Für den Beklagten ist das Urteil wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar; die
Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages
in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld
abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe
leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Zahlung des vertraglich vereinbarten
Schulsachkostenbeitrags für das Schuljahr 2008/2009 sowie den Abschluss eines
öffentlichrechtlichen Vertrags über die Verpflichtung zur Zahlung eines
Schulsachkostenbeitrags für das Schuljahr 2009/2010.
Der Beklagte und seine Mutter sind deutsche Staatsangehörige, wohnen jedoch in der
französischen Grenzgemeinde. Die Mutter des Beklagten arbeitet als beim
Landeskriminalamt des Saarlandes.
Am 28.11.2005 stellte die Mutter des Beklagten für diesen bei der Klägerin einen Antrag
auf Bereitstellung eines Grundschulplatzes an der Grundschule. Zur Begründung führte sie
aus, dass sie als Alleinerziehende mit hoher zeitlicher Inanspruchnahme durch den Beruf
darauf angewiesen sei, ihren Sohn in einer Schule unterzubringen, die sich in fußläufiger
Nähe zu ihrer Arbeitsstätte befinde und außerdem eine Nachmittagsbetreuung bis ca.
18.00 Uhr anbiete.
Die Klägerin teilte der Mutter des Beklagten mit Schreiben vom 06.03.2006 mit, dass sie
mit der Einschulung des Beklagten in die Grundschule unter der Voraussetzung
einverstanden sei, dass der Beklagte sich - entsprechend dem Beschluss des Saarbrücker
Stadtrats - vertraglich zur Zahlung eines jährlichen Schulsachkostenbeitrags verpflichte. In
der Folge unterzeichnete die Mutter des Beklagten als dessen gesetzliche Vertreterin den
von der Klägerin übersandten Vertrag und erbrachte - wie vertraglich vereinbart - den
Schulsachkostenbeitrag für die beiden Schuljahre 2006/2007 und 2007/2008.
Mit Schreiben vom 07.09.2006 bat die Mutter des Beklagten die Klägerin um Erstattung
des bereits geleisteten Schulsachkostenbeitrags sowie um Befreiung von diesem in den
des bereits geleisteten Schulsachkostenbeitrags sowie um Befreiung von diesem in den
Folgejahren. Zur Begründung führte sie aus, dass sie als Beamtin - anders als sonstige,
nicht in einem öffentlichen Dienstverhältnis stehende Einkommensbezieher - trotz ihres
französischen Wohnsitzes in Deutschland einkommensteuerpflichtig sei, wodurch der
Landeshauptstadt jährlich ca. 6.000 EUR Einkommensteuer von ihr zuflössen. Es gehe
nicht an, sie mit solchen Personen gleichzusetzen, die ihr in Deutschland verdientes
Einkommen in Frankreich versteuerten. Im Übrigen verstoße es gegen den
Gleichheitsgrundsatz, wenn der Regionalverband B-Stadt für seine Grundschulen auf die
Erhebung von Schulsachkostenbeiträge verzichte, wenn das Einkommen der Eltern in
Deutschland versteuert werde, während die Klägerin auch gegenüber diesem
Personenkreis auf der Entrichtung des Schulsachkostenbeitrags bestehe.
Die Klägerin teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 21.09.2006 mit, dass sie dem
Wunsch nach Befreiung von der Zahlungspflicht und Rückerstattung der bereits gezahlten
Sachkosten nicht entsprechen könne. Trotz entsprechender Erinnerungen der Klägerin
zahlte der Beklagte den Schulsachkostenbeitrag für das Schuljahr 2008/2009 nicht.
Mit Schreiben vom 01.07.2009 und 13.08.2009 wies die Klägerin die Mutter des
Beklagten darauf hin, dass bei Nichtzahlung des ausstehenden Schulsachkostenbeitrags für
das Schuljahr 2008/2009 der Beschulungsvertrag vertragsgemäß zum Schuljahresende
auslaufe und dem Beklagten mithin im kommenden Schuljahr 2009/2010 kein Recht mehr
zum Besuch der Saarbrücker zustehe.
Der Beklagte leistete in der Folge weder eine Zahlung auf den ausstehenden
Schulsachkostenbeitrag 2008/2009 noch schloss er mit der Klägerin einen neuen
Beschulungsvertrag für das Schuljahr 2009/2010 ab. Vielmehr wandte sich die Mutter des
Beklagten mit Schreiben ihres Anwaltes vom 05.08.2009 an die Klägerin und drängte auf
eine Zusage, dass der Beklagte auch im Schuljahr 2009/2010 die Grundschule besuchen
dürfe.
Mit Schreiben vom 19.08.2009 teilte die Klägerin der Mutter des Beklagten mit, das trotz
ihrer bisherigen Weigerung zur Entrichtung des geforderten Schulsachkostenbeitrags allein
im Interesse der weiterhin geordneten schulischen Entwicklung ihres Kindes dem Wunsch
nach Beschulung des Beklagten auch im Schuljahr 2009/2010 entsprochen werde. Hiermit
sei jedoch kein Verzicht auf die Entrichtung der geforderten Schulsachkostenbeiträge
verbunden. Es werde gebeten, bis spätestens 26.08.2009 die Bereitschaft zu Zahlung der
ausstehenden Schulsachkostenbeiträge für die Schuljahre 2008/2009 sowie 2009/2010
mitzuteilen. Nach ergebnislosem Ablauf der gesetzten Frist finde eine gerichtliche
Inanspruchnahme statt.
Am 01.09.2009 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung macht sie
geltend, der Klageantrag zu 1) gründe sich auf den zwischen der Klägerin und dem
Beklagten am 06.03.2006 geschlossenen Beschulungsvertrag. Unter Ziff. 3 des
Beschulungsvertrags verpflichte sich der Beklagte zur Zahlung eines jährlichen
Schulsachkostenbeitrags. Die geltend gemachte Zinsforderung beruhe auf § 288 BGB, der
vorliegend entsprechende Anwendung finde. Der Fälligkeitszeitpunkt ergebe sich aus Ziff. 5
des Beschulungsvertrags vom 06.03.2006.
Bezüglich des Schulsachkostenbeitrags für das Schuljahr 2009/2010 könne die Klägerin
einen Anspruch aus dem Beschulungsvertrag vom 06.03.2006 nicht mehr herleiten, da
dieser Vertrag ausweislich seiner Regelung unter Ziff. 13 aufgrund der verweigerten
Zahlung für das Schuljahr 2008/2009 mit dessen Ende ausgelaufen sei.
Der Klägerin stehe jedoch gegen den Beklagten ein Anspruch auf Abschluss eines öffentlich-
rechtlichen Vertrags betreffend die Zahlung eines Schulsachkostenbeitrags zu. Die Klägerin
könne sich insoweit auf den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und
Glauben (§ 242 BGB) berufen. Der Beklagte bzw. seine Mutter als seine gesetzliche
Vertreterin, deren Verhalten er sich insoweit zurechnen lassen müsse, verhalte sich
nämlich treuwidrig, wenn er einerseits gegenüber der Klägerin nachdrücklich auf die
erneute Aufnahme in die Grundschule dränge, andererseits sich dem Abschluss eines
entsprechenden Sachkostenübernahmevertrags mit der Klägerin verweigere, obwohl er
wisse, dass der Stadtrat der Klägerin einen entsprechenden Schulsachkostenbeitrag von
im Ausland wohnenden Schülern für den Besuch einer Saarbrücker Grundschule fordere.
Die Weigerung des Beklagten bzw. seiner Mutter zur Zahlung des Schulsachkostenbeitrags
sei auch keinesfalls gerechtfertigt.
Soweit die Mutter des Beklagten vortrage, sie zahle jährlich ca. 6.000 EUR
Einkommensteuer, die der Klägerin zuflössen, womit sie ihren Anteil zu dem
Schulsachkostenaufwand der Klägerin hinreichend Genüge getan habe, verkenne sie
bereits ansatzweise, dass der Klägerin das Einkommensteueraufkommen der Bürger bzw.
der dort Beschäftigten nicht zustehe, sondern nur ein geringer Bruchteil der von diesem
Personenkreis geleisteten Einkommensteuern über ein kompliziertes
Verrechnungsverfahren an die Gemeinden zurückfließe.
Der Einwand der Mutter des Beklagten, die Klägerin verstoße gegen den
Gleichheitsgrundsatz, da der Regionalverband von der Geltendmachung von
Schulsachkostenbeiträgen absähe, wenn die Eltern der im Ausland wohnenden Schüler ihr
Einkommen in Deutschland versteuerten, verkenne, dass sich das Gleichbehandlungsgebot
selbstverständlich nur auf den Zuständigkeitskreis der jeweiligen Körperschaft beziehen
könne.
Der Einwand, die Erhebung von Schulsachkostenbeiträgen verstoße gegen das im EU-Recht
verankerte Recht auf Freizügigkeit, liege neben der Sache. Es sei auch nicht ansatzweise
ersichtlich, wie die Wohnortnahme in Frankreich durch die Erhebung eines
Schulsachkostenbeitrags in B-Stadt für im Ausland lebende Schüler erschwert sein könne.
Dem Beklagten bleibe es selbstverständlich nach wie vor unbenommen, seinen Wohnsitz in
Frankreich zu nehmen, um sich damit selbstverständlich auch der französischen
Schulpflicht zu unterstellen. Die Mutter des Beklagten betreibe nichts anderes als
„Rosinenpickerei", wenn sie behaupte, ihr werde die Wohnortnahme in Frankreich durch die
Erhebung von Schulsachkostenbeiträgen in B-Stadt „vermiest". Wer seinen Wohnort in ein
anderes EU-Land verlege, müsse auch die damit verbundenen Nachteile für seine Person -
wie fremde Sprache, weiterer Anfahrtsweg zur Arbeit etc. -„in Kauf nehmen" und dürfe
nicht die aufgrund seiner ureigenen Entscheidung entstandenen Erschwernisse auf Dritte
„abladen", indem diese die persönlichen Nachteile seiner Entscheidung kompensieren
sollten.
Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 680,00
EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2008 zu zahlen,
2. den Beklagten zu verurteilen, mit der Klägerin einen
öffentlich-rechtlichen Vertrag betreffend die Verpflichtung
zur Zahlung eines Schulsachkostenbeitrags für das
Schuljahr 2009/2010 abzuschließen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, der streitgegenständliche Beschulungsvertrag sei aufgrund
der Unvereinbarkeit mit Europarecht nichtig, soweit er eine Verpflichtung des Beklagten zur
Zahlung von Sachkostenbeiträgen in Höhe von 654,00 EUR für jedes Schuljahr enthalte
und könne daher nicht Anspruchsgrundlage für den in Ziff. 1) geltend gemachten
Zahlungsanspruch sein.
Bei dem Beschulungsvertrag handele es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag i. S. d.
§ 54 VwVfG, da der Gegenstand der Vereinbarung den Normen des öffentlichen Rechts
zuzuordnen sei. Der Vertrag sei jedoch gem. § 59 VwVfG, insbesondere nach § 59 Abs. 1
VwVfG i.V.m. §§ 134, 138 BGB nichtig, da er mit EU-Recht nicht vereinbar sei und daher
gegen ein gesetzliches Verbot verstoße.
Grundsätzlich bestehe vor dem Hintergrund der Pflicht zu gemeinschaftstreuem Verhalten
aus Art. 10 EGV i.V.m. Art. 23 GG die Pflicht der Mitgliedsstaaten und ihrer Verwaltungen
zu europarechtskonformer Anwendung von nationalen Regelungen. Auch vor dem
Hintergrund des Effet-utile-Grundsatzes sei in der Rechtsprechung des EuGH anerkannt,
dass das nationale Recht bei seiner Anwendung derart ausgelegt werden müsse, dass sich
das Gemeinschaftsrecht am besten durchsetze, da letzteres Vorrang vor dem nationalen
Recht genieße.
Zu den gesetzlichen Verboten, die sich aus dem Recht der europäischen Union ergeben
könnten, gehöre insbesondere auch das Verbot die Freizügigkeit aus Art. 18 EGV
einzuschränken.
Die Behörden der Mitgliedstaaten seien nach dem Prinzip des Anwendungsvorrangs
verpflichtet, sich europarechtskonform zu verhalten. Dies gelte selbst dann, wenn dies im
Einzelfall zur Nichtanwendung entgegenstehender nationaler Vorschriften zwinge. Im
Hinblick auf § 1 S. 2 des Saarländischen Gesetzes über die Schulgeldfreiheit, der dem
Schulträger ein „Ermessen" einräume, sei daher jedenfalls eine
gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung und Anwendung der Vorschrift geboten.
Die Klägerin könne ihren Anspruch ebenso wenig auf § 1 Satz 2 des Saarländischen
Gesetzes über die Schulgeldfreiheit stützen, in dem vorgesehen sei, dass
Sachkostenbeiträge von deutschen Staatsbürgern, die im Ausland ihren Wohnort hätten
und in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig seien, zugelassen und
vereinbart seien, da diese Vorschrift nach den bereits dargelegten europarechtlichen
Grundsätzen ebenfalls nichtig sei bzw., soweit dies überhaupt möglich sei, jedenfalls
gemeinschaftskonform anzuwenden sei. Die vertragliche Vereinbarung sowie die Vorschrift
des § 1 Abs. 2 des Saarländischen Gesetzes über die Schulgeldfreiheit verletzten den
Beklagten als Normadressaten in seinem Recht auf Freizügigkeit aus Art. 18 EGV, auf den
sich der Beklagte hier zur Abwehr des Anspruchs berufen könne.
Die in Art. 18 EGV verbürgte Freizügigkeit gewähre jedem Unionsbürger das Recht, sich im
Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Die Wahrnehmung
dieses Rechts werde durch die vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien sowie die
sich aus § 1 S. 2 des Saarländischen Gesetzes über die Schulgeldfreiheit ergebende
Verpflichtung zur Zahlung von Sachkostenbeiträgen an den Schulträger beeinträchtigt, da
von dieser zusätzlichen finanziellen Belastung für die in Deutschland unbeschränkt
Einkommenssteuerpflichtigen, die ihre Kinder in Deutschland beschulen wollten, eine
abschreckende Wirkung dahingehend ausgehe, ihren Wohnsitz in einen angrenzenden
Mitgliedsstaat zu verlegen. Ähnlich wie in den Fällen der deutschen Eigenheimzulage und
des Abzugsrechts nur für Schulgeldzahlungen an private inländische Einrichtungen, deren
Gemeinschaftswidrigkeit der EuGH in - EuGH, U. v. 17.01.2008, Rs. G - 152/05 -
(Kommission/Deutschland), EuZW 2008, S. 127 ff. und EuGH, U. v. 11.09.2007, Rs. G -
318/07 - (Kommission/Deutschland), EuZW 2007, S. 601 ff. festgestellt habe, liege hier
eine unzulässige Beschränkung der Freiheiten, die Art. 18 EGV den Unionsbürgern verleihe,
vor. Die Erleichterung, die das Recht auf Freizügigkeit allen Unionsbürgern gleichermaßen
gewähre, könne ihre Wirkung nicht voll entfalten, wenn die Wahrnehmung dieses Rechts
durch nationale Regelungen behindert werde, die an die Ausübung der Freizügigkeit
nachteilige Folgen knüpften.
Für die Einschränkung des durch den EGV garantierten Rechts auf Freizügigkeit durch die
Erhebung der Sachkostenbeiträge sei in diesem Fall auch keine europarechtlich anerkannte
Rechtfertigung ersichtlich. Insbesondere sei die Einschränkung nicht aus Gründen des
Allgemeininteresses geboten. Der Beklagte, dessen gesetzliche Vertreterin in Deutschland
unbeschränkt einkommenssteuerverpflichtet sei, trage in gleichem Umfang zum
Steueraufkommen bei, wie die übrigen in Deutschland unbeschränkt
Einkommenssteuerverpflichteten.
Wenn mit dem Ziel, die Deckung von Sachkosten zu gewährleisten zusätzliche Leistungen
gegenüber in Deutschland unbeschränkt Einkommenssteuerpflichtigen geltend gemacht
würden, so habe dies für alle Betroffenen in gleichem Umfang zu erfolgen. Die zusätzliche
finanzielle Inanspruchnahme des Beklagten gehe über das zur Erreichung dieses Ziels
Erforderliche hinaus und führe zu einer Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund. Der
Schüler und seine Mutter seien allein deswegen benachteiligt, weil sie von ihrer Freiheit,
sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, Gebrauch gemacht hätten und damit in
ihren Rechten aus Art. 18 EGV verletzt.
Die Klägerin sei dazu verpflichtet, das Prinzip des Anwendungsvorranges zu beachten und
eine Regelung zu treffen, die mit geltenden gemeinschaftlichen Vorschriften in Einklang
stehe. Die dem EG-Recht entgegenstehende auf § 1 des Saarländischen Gesetzes über die
Schulgeldfreiheit beruhende vertragliche Vereinbarung vom 06.03.2006 sowie die
zugrunde liegende landesrechtliche Norm selber seien nichtig da sie gegen ein rechtliches
Verbot i. S. d. § 134 BGB verstießen. Zur Herstellung des gemeinschaftsrechtkonformen
Zustandes sei der Beklagte von seiner Pflicht zur Zahlung von Sachkostenbeiträgen zu
befreien.
Die Klägerin habe nach alledem ferner keinen Anspruch - wie unter Ziff. 2) beantragt -
darauf, dass der Beklagte zum Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages betreffend
die Verpflichtung zur Zahlung eines Schulsachkostenbeitrages für das Schuljahr 2009/2010
verpflichtet sei.
Wegen des Sachverhaltes im Einzelnen wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen, der zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gemacht wurde.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung eines
Schulsachkostenbeitrags für das Schuljahr 2008/2009 in Höhe von 680,00 EUR nebst
Verzugszinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2008.
Dieser Anspruch ergibt sich aus dem zwischen der Klägerin und dem Beklagten, vertreten
durch seine Mutter, geschlossenen Vertrag vom 06.03.2006.
In Ziff. 3 dieses Vertrages verpflichtet sich der Beklagte, zur Abgeltung der Sachkosten der
Klägerin als Schulträger einen anteiligen Beitrag in Höhe von 654,00 EUR für das Schuljahr
2006/2007 und jedes weitere Grundschuljahr zu zahlen. Nach Ziff. 4 Satz 1 des Vertrages
wird der Sachkostenbeitrag an die allgemeine Preisentwicklung angepasst. Nach Satz 2
wird eine solche Anpassung den Eltern schriftlich mitgeteilt. Gemäß Ziff. 5 des Vertrages
ist der Sachkostenbeitrag im Voraus spätestens bis zum 01.06. des betreffenden
Kalenderjahres fällig.
Mit Schreiben vom 18.04.2008 teilte die Klägerin dem Beklagten unter Bezugnahme auf
Ziff. 4 des Vertrages mit, dass der Sachkostenbeitrag für das Schuljahr 2008/2009
680,00 EUR betrage, die bis zum 01.06.2008 zu zahlen seien.
Damit waren Betrag und Fälligkeit des vertraglich für das Schuljahr 2008/2009 vom
Beklagten zu zahlenden Schulsachkostenbeitrages hinreichend bestimmt. Gegen eine
dynamische Anpassung des Sachkostenbeitrages an die allgemeine Preisentwicklung, hier
offensichtlich angelehnt an § 2 der Verordnung über Schulsachkostenbeiträge zwischen
kommunalen Schulträgern vom 13.04.2004 (Amtsblatt 2004, 998), bestehen keine
Bedenken.
Wie der Beklagte zutreffend vorträgt, handelt es sich bei dem zwischen der Klägerin und
dem Beklagten geschlossenen Vertrag um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des
§ 54 SVwVfG. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der Vertrag nicht gemäß § 59
SVwVfG i.V.m. §§ 134,138 BGB wegen Verstoßes gegen EU-Recht nichtig. Insbesondere
liegt kein Verstoß gegen das sich aus Art. 18 EG Abs. 1 a.F. (nunmehr Art. 21 des
Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV) ergebende Verbot, die
Freizügigkeit von Unionsbürgern zu beschränken, vor.
In Art. 18 EG a.F. (Art. 21 AEUV) ist das Recht eines jeden Bürgers der Europäischen
Union, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten,
niedergelegt. Bestimmungen, die einen Angehörigen eines Mitgliedstaats daran hindern
oder davon abhalten, seinen Herkunftsstaat zu verlassen, um von seinem Recht auf
Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellen Beeinträchtigungen dieser Freiheit dar.
Nationale Maßnahmen, die geeignet sind, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten
Grundfreiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, können jedoch zugelassen
Grundfreiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, können jedoch zugelassen
werden, wenn mit ihnen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird, wenn sie
geeignet sind, dessen Erreichung zu gewährleisten, und wenn sie nicht über das
hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist (vgl. u. a. Urteil des
Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 17.01.2008 - C-152/05 -
Kommission/Deutschland, Rn 18, 22, 26).
Nach der Rechtsprechung der Kammer (vgl. Urteil vom 13.07.2005 - 1 K 210/04 -) wird
die Freizügigkeit durch den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages über die
Abgeltung der Schulsachkosten nicht berührt.
Das Gericht hat im genannten Urteil hierzu ausgeführt:
„Zu berücksichtigen ist, dass die Tochter der Kläger aufgrund ihres Wohnsitzes
in Frankreich im Saarland nicht schulpflichtig ist, sondern ihre Schulpflicht
grundsätzlich in Frankreich zu erfüllen hat. Demzufolge sind saarländische
Schulträger nicht verpflichtet, Schüler mit Wohnsitz in Frankreich aufzunehmen,
selbst wenn die zuständigen französischen Behörden im Wege der
Ausnahmegenehmigung den Besuch einer Schule im Saarland gestattet haben.
In der Vergangenheit ist es auch bereits häufiger zu einer Verweigerung des
Einverständnisses des zuständigen saarländischen Schulträgers gekommen,
weshalb das betreffende in Frankreich lebende Kind die von ihm gewählte
Schule im Saarland nicht besuchen konnte. Hintergrund für die Verweigerung
des Einverständnisses war in diesen Fällen, dass der Schulträger keine
Möglichkeit hatte, die bei ihm entstehenden Schulsachkosten für das
aufzunehmende Kind von dritter Seite zurückzuerlangen, da § 48 SchoG für
diese Fälle nicht eingreift und eine andere gesetzliche Grundlage nicht gegeben
war. Durch die Neueinführung des § 1 Satz 2 des Gesetzes über
Schulgeldfreiheit zum 01.08.2003 ist für die Schulträger erstmals die
Möglichkeit geschaffen worden, mit den Eltern der betreffenden Kinder die
Abgeltung der Schulsachkosten mittels eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zu
vereinbaren. Damit besteht für die Schulträger nunmehr die Möglichkeit, die
Erteilung ihres Einverständnisses zum Besuch der gewählten Schule durch das in
Frankreich lebende Kind von der gleichzeitigen Entrichtung des
Schulsachkostenbeitrags abhängig zu machen. Dies ist rechtlich nicht zu
beanstanden, da eben kein Rechtsanspruch auf einen Schulbesuch in
Deutschland besteht und die Rechtsposition des in Frankreich lebenden Kindes
und seiner Eltern durch den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages mit
dem Schulträger gestärkt und nicht verschlechtert wird. Grundrechte des
Kindes oder seiner Eltern oder die Freizügigkeit werden ebenfalls nicht berührt,
da die Kläger jederzeit die Möglichkeit haben, ihren Wohnsitz wieder in
Deutschland zu begründen, ihr Kind dadurch in Deutschland erneut schulpflichtig
wird und eine Übernahme der Schulsachkosten durch die Eltern entfällt."
Dem schließt sich das Gericht auch für das vorliegende Verfahren an.
Der Umstand, dass die Mutter des Beklagten als Beamtin in Deutschland
einkommensteuerpflichtig ist, rechtfertigt keine andere Einschätzung. Da die Mutter des
Beklagten und der Beklagte ihren Wohnsitz in Frankreich haben und sie damit die
Einwohnerzahl der Klägerin nicht erhöhen, fließt der Klägerin nämlich kein entsprechender
Anteil aus der von der Mutter des Beklagten in Deutschland gezahlten Einkommenssteuer
zu. Der Besuch des Beklagten in der in der Trägerschaft der Klägerin stehenden Schule
verursacht aber Sachkosten, die der Klägerin auch nicht von dritter Seite erstattet werden.
Ein Erstattungsanspruch nach § 48 SchoG scheidet aus, da der Beklagte seinen Wohnsitz
in Frankreich hat. Die Stadt Forbach hat in ihrer Bescheinigung vom 23.11.2005
ausdrücklich erklärt, dass sie sich nicht an Kosten beteiligt, die durch die Einschulung des
Beklagten in B-Stadt entstehen.
Aus den zitierten Entscheidungen des EuGH zur Gemeinschaftswidrigkeit der deutschen
Eigenheimzulage und des Abzugsrecht nur für Schulgeldzahlungen an private inländische
Einrichtungen, kann der Beklagte ebenfalls keine andere Einschätzung herleiten, da sie völlig
andere Sachverhalte betreffen.
Zur Verdeutlichung sei noch mal betont, dass die Mutter des Beklagten mit Schreiben vom
28.11.2005 eine freiwillige Leistung der Klägerin beantragt hat, nämlich die Aufnahme des
Beklagten in eine Grundschule der Klägerin. Mit der Wohnsitznahme in war der Beklagte
zunächst in Frankreich schulpflichtig und damit auch berechtigt, eine Schule an seinem
französischem Wohnsitz zur Erfüllung seiner gesetzlichen Schulpflicht zu besuchen. Eine
Schulpflicht in Deutschland bestand nicht. Damit stand dem Beklagten gegen die Klägerin
kein Anspruch auf Aufnahme in eine Grundschule der Klägerin zu. Die in Art. 18 EG a.F.
(Art 21 AEUV) normierte Freizügigkeit der Unionsbürger verbürgt kein Wahlrecht, sich eine
bestimmte Schule unabhängig vom Wohnort frei auszusuchen. Schulpflicht und Schulrecht
bestehen zunächst einmal am Wohnsitz des Schülers.
Hat die Klägerin somit mit der Beschulung des Beklagten auf der Grundlage des zwischen
den Beteiligten geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrages eine freiwillige Leistung
erbracht, auf die der Beklagte ohne den Vertrag keinen Anspruch gehabt hätte, so kann sie
vom Beklagten auch ohne Verstoß gegen das Freizügigkeitsgebot des Art. 18 EG a.F. (Art
21 AEUV) die Leistung verlangen, zu der sich der Beklagte in freier Vertragsautonomie
seinerseits verpflichtet hat (Pacta .
Anders als in den vom Beklagten zitierten Entscheidungen des EuGH geht es vorliegend
nämlich nicht um eine nationale Regelung, die bestimmte eigene Staatsangehörige allein
deswegen benachteiligt, weil sie von ihrer Freiheit Gebrauch machen, sich in einen anderen
Mitgliedstaat zu begeben, sondern einzig und allein um die vom Beklagten, vertreten durch
seine Mutter, der Klägerin vertraglich zugesagte Zahlung des Schulsachkostenbeitrags, der
für das Schuljahr 2008/2009, wie dargelegt, 680,00 EUR beträgt.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 62 Satz 2 SVwVfG i.V.m. §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2
Ziff. 1 BGB. Der Klage war daher bezüglich des Klageantrages zu 1) stattzugeben.
2. Hinsichtlich des Klageantrags zu 2) war die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Abschluss eines öffentlich-
rechtlichen Vertrages betreffend die Verpflichtung zur Zahlung eines
Schulsachkostenbeitrags für das Schuljahr 2009/2010.
Dieser Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus dem auch im öffentlichen Recht
geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).
Rechtsprechung und Lehre haben aus § 242 BGB den das gesamte Rechtsleben
beherrschenden Grundsatz entnommen, dass jedermann in Ausübung seiner Rechte und
Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln hat. Der Grundsatz von Treu und Glauben gilt
für den gesamten Rechtsverkehr (vgl. Palandt, BGB, 66. Aufl., § 242 Rn 1).
Als Generalklausel enthält § 242 BGB keinen Rechtssatz mit deskriptiven
Tatbestandsmerkmalen, aus dem durch bloße Subsumtion bestimmte Rechtsfolgen
abgeleitet werden können. In einer mehr als 100-jährigen Rechtsentwicklung ist der Inhalt
des § 242 BGB aber durch Herausarbeitung von Funktionskreisen und durch Bildung von
Fallgruppen präzisiert und im wesentlichen abschließend konkretisiert worden. Dabei
enthält § 242 BGB keine Ermächtigung zu einer Billigkeitsjustiz. Er gibt dem Richter
insbesondere nicht die Befugnis, die sich aus Vertrag oder Gesetz ergebenden
Rechtsfolgen im Einzelfall durch vermeintlich „billigere“ oder angemessener“ zu ersetzen.
Die Anwendung und Weiterentwicklung des § 242 BGB hat sich an den Rechtsgrundsätzen
und Rechtsinstitutionen zu orientieren, die Rechtsprechung und Lehre auf der Grundlage
des § 242 BGB herausgebildet haben. Sie setzen der Rechtsausübung dort eine Schranke,
wo sie zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit offensichtlich unvereinbaren
Ergebnissen führt (vgl. Palandt, a.a.O., Rn 2).
§ 242 BGB erfordert in allen Anwendungsfällen eine umfassende Interessenabwägung.
Dabei sind auch subjektive Elemente zu berücksichtigen (vgl. Palandt, a.a.O., Rn 5). Zu
betonen bleibt jedoch, dass § 242 BGB grundsätzlich keine selbstständige
Anspruchsgrundlage darstellt (vgl. Palandt, a.a.O., Rn 14a). Seinem Wortlaut und seiner
Stellung nach betrifft § 242 BGB nur Nebenpflichten im Zusammenhang mit der Erbringung
einer Hauptleistungspflicht (vgl. Jauernig, BGB, 12. Aufl., § 242 Rn 16), wobei
nachvertragliche Nebenpflichten unter Umständen sogar auf Neuabschluss eines Vertrages
gerichtet sein können (vgl. Jauernig, a.a.O., Rn 30). Allerdings muss hierbei beachtet
werden, dass die Rechtsordnung widersprüchliches Verhalten grundsätzlich zulässt. Die
Parteien dürfen ihre Rechtsansichten ändern. Jeder Partei steht es i.d.R. auch frei, sich auf
die Nichtigkeit der von ihr abgegebenen Erklärung zu berufen oder ein unter ihrer
Beteiligung zustande gekommenes Rechtsgeschäft anzugreifen. Widersprüchliches
Verhalten ist aber missbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand
geschaffen worden ist (Palandt, a.a.O., Rn 55).
Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin gegen den Beklagten aus dem Grundsatz von
Treu und Glauben (§ 242 BGB) keinen Anspruch auf Abschluss eines öffentlich-rechtlichen
Vertrages betreffend die Verpflichtung zur Zahlung eines Schulsachkostenbeitrags für das
Schuljahr 2009/2010.
Wie dargelegt, lässt sich ein solcher Anspruch nicht unmittelbar auf § 242 BGB als
Anspruchsgrundlage stützen. Der Anspruch könnte damit nur als nachwirkende
Nebenverpflichtung gegeben sein, im Hinblick auf den am 06.03.2006 geschlossenen
Beschulungsvertrag, der wegen der Nichtzahlung des vereinbarten
Schulsachkostenbeitrags gemäß Ziff. 13 des Vertrages mit Ende des Schuljahres
2008/2009, ohne dass eine Kündigung erforderlich war, außer Kraft getreten ist.
Diese nachwirkende Nebenverpflichtung würde aber auch nur dann bestehen, wenn der
Beklagte, vertreten durch seine Mutter, durch ein unredliches, mit der Rechtsordnung nicht
in Einklang zu bringendes, untreues Vertragsverhalten zur Auflösung des Vertrages selbst
beigetragen hätte und es der Klägerin nach Treu und Glauben nicht zumutbar gewesen
wäre, ihre Leistung im Hinblick auf die Auflösung des Vertrages zu verweigern.
Hiervon kann nach den gesamten Umständen nicht ausgegangen werden. Das Verhalten
des Beklagten, die Zahlung des vereinbarten Schulsachkostenbeitrages einzustellen, war
zwar vertragswidrig, kann aber bei der gebotenen Interessenabwägung unter
Berücksichtigung subjektiver Elemente nicht als unredliches, missbräuchliches
Vertragsverhalten gewertet werden.
Wie dargelegt, dürfen Vertragsparteien ihre Rechtsansichten ändern und sich auf die
Nichtigkeit der von ihnen abgegebenen Erklärung berufen oder ein unter ihrer Beteiligung
zustande gekommenes Rechtsgeschäft angreifen. Die Berufung auf die Nichtigkeit des
öffentlich-rechtlichen Vertrages wegen Verstoßes gegen Art. 18 EG a. F. ist hier rechtlich
gesehen nicht so abwegig oder fernliegend, dass von einem unredlichen Vertragsverhalten
gesprochen werden könnte. Widersprüchliches Verhalten ist zudem nur missbräuchlich,
wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist. Dies war
bezogen auf das streitige Schuljahr 2009/2010 hier nicht mehr der Fall.
Bereits mit Schreiben vom 07.09.2006 hat die Mutter des Beklagten im Hinblick auf ihre
Einkommenssteuerpflicht in Deutschland einen Befreiungsantrag gestellt und um
Erstattung des bereits erbrachten Schulsachkostenbeitrages gebeten. Mit anwaltlichem
Schreiben vom 16.05.2008 wurde der Befreiungsantrag erneut gestellt, mit der
Begründung, die Zahlungspflicht verstoße gegen das Recht auf Freizügigkeit aus Art 18 EG
a.F.. Trotz Zahlungserinnerung der Stadtkasse und einem umfangreichen
Schriftsatzwechsel der Beteiligten kam der Beklagte seiner vertraglich eingegangenen
Verpflichtung bereits für das Schuljahr 2008/2009 nicht mehr nach. Mit Schreiben vom
01.07.2009 hat sich die Klägerin selbst darauf berufen, dass der Beschulungsvertrag bei
weiter offen stehender Forderung gemäß Ziff. 13 des Vertrages mit Ende des Schuljahres
2008/2009 außer Kraft tritt, ohne dass es einer Kündigung durch den Schulträger bedarf.
Unter diesen Umständen konnte die Klägerin nicht mehr davon ausgehen, dass der
Beklagte den Schulsachkostenbeitrag für das Schuljahr 2009/2010 bezahlt, auch wenn er
nach wie vor die Leistung der Klägerin in Anspruch nahm, denn nach der immer wieder
geäußerten Ansicht des Beklagten war diese Leistung ja im Hinblick auf die
Einkommenssteuerpflicht der Mutter in Deutschland und die geltend gemachte Nichtigkeit
des öffentlich-rechtlichen Vertrages beitragsfrei. Einen vom Beklagten geschaffenen
Vertrauenstatbestand kann die Klägerin daher nicht geltend machen.
Es wäre für sie auch nicht unzumutbar gewesen, ihrerseits die eingegangene
Vertragsverpflichtung im Hinblick auf die ausstehende Beitragszahlung des Beklagten zu
verweigern. Denn für das Schuljahr 2009/2010 hatte der zwischen den Beteiligten
geschlossene Vertrag keinen Bestand mehr und die Klägerin hatte den Beklagten auch
mehrfach darauf hingewiesen, dass sie nicht mehr zur Leistung verpflichtet ist.
Dass sie letztendlich den Beklagten aus pädagogischen Gründen weiter beschult hat,
offensichtlich um den minderjährigen Beklagten nicht unter dem vertragswidrigen Verhalten
seiner Mutter leiden zu lassen, war eine nachvollziehbare, humanitäre Geste im Interesse
des Kindeswohls, aber für die Klägerin nicht unabwendbar.
Dass die Klägerin betreffend das Schuljahr 2009/2010 ohne Vertrag und damit ohne
Rechtsgrund eine Leistung erbracht hat, für die sie keine Gegenleistung erhalten hat, kann
einen Anspruch aus § 242 BGB auf nachträglichen Abschluss eines Vertrages nicht stützen.
Für einen diesbezüglichen Ausgleich hat der Gesetzgeber das Rechtsinstitut der
ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 BGB ff.) geschaffen, das im Öffentlichen Recht als
öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch seine entsprechende Anwendung findet. Diese, in
der mündlichen Verhandlung vom Gericht auch erörterte Möglichkeit, wäre hier entgegen
der Auffassung der Klägerin nicht deshalb ausgeschlossen gewesen, weil der Wert der
Leistung nicht hätte bestimmt werden können. Nach § 818 Abs. 2 BGB ist Wertersatz zu
leisten, wenn die Herausgabe des Erlangten wegen deren Beschaffenheit unmöglich ist. Zu
ersetzen ist dabei der gemeine Wert, d.h. der objektive Verkehrswert, den das Erlangte
nach seiner Beschaffenheit für jedermann hat, bzw. der Betrag, den ein Dritter am Markt
dafür zu zahlen bereit gewesen wäre. Bei Dienstleistungen kann zur Bemessung des
Wertersatzes auf den vom Vertragspartner ersparten, d.h. in der Regel auf den - wie hier -
vertraglich vereinbarten Betrag zurückgegriffen werden. Die §§ 814 und 818 Abs. 3 BGB
sind bei öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüchen nicht anwendbar, zumal die Klägerin
hier im Hinblick auf den angedrohten Eilrechtsschutz mit einer gerichtlichen
Inanspruchnahme rechnen musste.
Wäre somit für die Klägerin bezogen auf das Schuljahr 2009/2010 die Geltendmachung
eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs in Betracht gekommen, so verbietet sich
ein Rückgriff auf das Rechtsinstitut von Treu und Glauben nach § 242 BGB als
Generalklausel. Wie bereits oben dargelegt, enthält § 242 BGB keine Ermächtigung zu
einer Billigkeitsjustiz. Das Gericht hat den Vorrang gesetzlicher Regelungen zu beachten.
Die Klage ist daher bezüglich des Klageantrages zu 2) abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO; die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11,
709, 711 ZPO.
4. Für eine Zulassung der Berufung besteht kein Anlass (vgl. § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §
124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO).
Beschluss
1.360,00 Euro