Urteil des VG Saarlouis vom 26.01.2010

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VG Saarlouis Beschluß vom 26.1.2010, 10 L 2144/09
Entziehung der Fahrerlaubnis; Amphetamin; Blutprobe ohne richterliche Zustimmung;
Verwertungsverbot
Leitsätze
Kein Verwertungsverbot bei Entnahme einer Blutprobe ohne richterliche Zustimmung
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Streitwert beträgt 2.500,-- Euro.
Gründe
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des
Antragstellers vom 16.12.2009 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom
17.11.2009, durch den ihm unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis
entzogen und ihm zugleich unter Androhung von Verwaltungszwang die Abgabe des
Führerscheins innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheides aufgegeben wurde,
ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß den §§ 80 Abs. 5, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO,
hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Zunächst hat der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung ordnungsgemäß
damit begründet, dass von ungeeigneten Kraftfahrern im Straßenverkehr große Gefahren
für die körperliche Unversehrtheit anderer Verkehrsteilnehmer ausgingen und daher die
privaten Interessen des Antragstellers hinter dem Interesse der Öffentlichkeit an der
unverzüglichen Gewährleistung der Sicherheit des Straßenverkehrs zurücktreten müssten.
Diese auf die typische Interessenlage abstellende Begründung genügt den formalen
Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, weil es bei vorerst – vorbehaltlich der
materiellen Nachprüfung – unterstellter Richtigkeit der Beurteilung der Sach- und
Rechtslage durch den Antragsgegner um die Abwehr von Gefahren für typische
Gemeinschaftsgüter, nämlich die Ordnung und Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs,
geht und daher das besondere öffentliche Vollzugsinteresse im Regelfall und auch hier mit
dem Interesse am Erlass des Verwaltungsaktes zusammenfällt.
Vgl. z. B. OVG des Saarlandes, Beschluss vom
07.05.2008, 2 B 187/08; VG des Saarlandes, Beschluss
vom 17.09.2008, 10 L 699/08, m.w.N.
Die somit gemäß § 80 Abs. 5 VwGO durch das Gericht vorzunehmende Abwägung der
widerstreitenden Interessen führt zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der
sofortigen Vollziehung der angegriffenen Verfügung das Aussetzungsinteresse des
Antragstellers überwiegt, weil dessen Widerspruch aller Voraussicht nach keinen Erfolg
haben wird.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis sind die §§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, 46
Abs. 1 FeV. Danach ist demjenigen die Fahrerlaubnis zu entziehen, der sich als ungeeignet
oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2
FeV liegt eine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen insbesondere vor, wenn
Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen oder erheblich
oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde
und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Gemäß Ziff.
9.1 der Anlage zu 4 zur FeV ist im Fall der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des
Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) von einer fehlenden Eignung zum
Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der
Universität des Saarlandes vom 25.09.2009, dass im Rahmen der toxikologischen
Untersuchungen der dem Antragsteller entnommenen Blutprobe neben einem Wert von
0,006 mg/l Tetrahydrocannabinol-Carbonsäure ein Wert von 0,122 mg/l Amphetamin
festgestellt wurde. Da Amphetamin ein Betäubungsmittel im Sinne des
Betäubungsmittelgesetzes ist (vgl. Anlage III zu § 1 Abs. 1 BTMG), liegen die
Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis im Fall des Antragstellers vor. Nach
der gefestigten Rechtsprechung der saarländischen Verwaltungsgerichte rechtfertigt
bereits der einmalige Konsum sog. harter Drogen, zu denen Amphetamin gehört, im
Regelfall die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen.
Vgl. z.B. OVG des Saarlandes, Beschluss vom
30.03.2006, 1 B 8/06; VG des Saarlandes, Beschluss
vom 09.09.2008, 10 L 851/08, m.w.N.
Danach beinhaltet Ziffer 9.1 der Anlage 4 den Erfahrungssatz, dass schon die einmalige
Einnahme von Amphetaminen regelmäßig die Fahreignung ausschließt. Der Nachweis einer
Drogenabhängigkeit, eines regelmäßigen Konsums oder auch nur - bei gelegentlichem
Konsum – des Unvermögens zur Trennung von Drogenkonsum und Kraftfahrzeugführung
bedarf es daher nicht. An diese normative Wertung sind die Behörden und Gerichte
gebunden, solange im Einzelfall keine Umstände vorliegen, welche ausnahmsweise eine
andere Beurteilung rechtfertigen, die Regelannahme also entkräften könnten.
Derartige die Regelannahme entkräftende Umstände sind vorliegend nicht erkennbar. Dies
folgt bereits daraus, dass in der Blutprobe des Antragstellers neben Amphetamin auch
Cannabis festgestellt worden ist, mithin ein Gebrauch mehrerer Betäubungsmittel
stattgefunden hat.
Die gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis vorgebrachten Einwände des Antragstellers
greifen nicht durch.
Dies gilt zunächst für den Einwand, die Blutprobe sei ohne vorherige richterliche
Zustimmung entnommen worden und daher rechtswidrig erlangt bzw. rechtlich nicht (zu
seinem Nachteil) verwertbar.
Vgl. hierzu VG des Saarlandes, Beschluss vom
17.09.2008, 10 L 699/08
Dabei kann dahinstehen, ob man die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur
eingeschränkten Kompetenz der Staatsanwaltschaft und –nachrangig- ihrer
Ermittlungspersonen zur Anordnung der Entnahme einer Blutprobe nach § 81 a StPO bzw.
dem diesbezüglichen Richtervorbehalt
vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 12.02.2007, 2 BvR
273/06, NJW 2007, 1345
auf die im Alltag massenhaften Fälle des Nachweises einer durch Drogen bedingten
Fahruntüchtigkeit für übertragbar hält und folglich nur noch ausnahmsweise – etwa bei nur
geringfügigen Drogeneinwirkungen im Bereich der maßgeblichen Grenzwerte – eine Gefahr
im Verzuge (§ 81 a Abs. 2 StPO) bejaht werden kann,
so LG Berlin, Beschluss vom 23.04.2008, 528 Qs 42/08,
zitiert nach Juris; siehe ferner OLG Stuttgart, Beschluss
vom 26.11.2007, 1 Ss 532/07, BA 2008, 76
oder die Einholung einer richterlichen Anordnung der Blutentnahme für regelmäßig
entbehrlich ansieht, weil durch die Verzögerung der Maßnahme der Untersuchungserfolg
gefährdet wird.
So zum Verdacht einer Trunkenheitsfahrt etwa LG
Hamburg, Beschluss vom 12.11.2007, 603 Qs 470/07,
BA 2008, 77; ferner LG Heidelberg, Beschluss vom
19.06.2008, 1 Qs 41/08, jeweils zitiert nach Juris;
zustimmend Laschewski, Liegt auch künftig noch Gefahr
im Verzug vor? Zur Eilanordnung einer Blutentnahme
durch die Strafverfolgungsbehörden, BA 2008, 232
Selbst wenn man nämlich davon ausginge, dass beim Antragsteller in (formell)
unzulässigerweise die Entnahme der Blutprobe durch eine Ermittlungsperson der
Staatsanwaltschaft statt durch den zuständigen Richter angeordnet worden wäre, so
hätte dies aufgrund der konkreten Umstände des Falles jedenfalls kein Verwertungsverbot
zur Folge. Ein Verwertungsverbot besteht nur in Sonderfällen schwerwiegender
Rechtsverletzungen, die auf grober Verkennung der Rechtslage beruhen. Dies wäre
insbesondere anzunehmen, wenn die Durchführung der Maßnahme auf einer bewusst
fehlerhaften bzw. objektiv willkürlichen Annahme der Eingriffsbefugnis durch den
Polizeibeamten beruht bzw. dieser den Richtervorbehalt bewusst und gezielt umgangen
bzw. ignoriert hätte.
Vgl. dazu OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.11.2007, 1
Ss 532/07, wie vor; OLG Karlsruhe, Beschluss vom
29.05.2008, 1 Ss 151/07, sowie OLG Hamburg,
Beschluss vom 04.02.2008, 2 – 81/07, jeweils zitiert
nach Juris.
Der aktenkundige Sachverhalt liefert aber keine Anhaltspunkte für eine derartig
schwerwiegende Rechtsverletzung seitens des die Blutentnahme anordnenden
Polizeibeamten. Der Antragsteller hat dergleichen auch selbst nicht vorgetragen. Deshalb
könnte – bei Annahme eines Richtervorbehalts im vorliegenden Fall - allenfalls ein
irrtümlicher Verstoß gegen die gesetzliche Zuständigkeitsregelung des § 81 a Abs. 1 StPO
angenommen werden, welcher jedenfalls dann, wenn wie hier bei Vorliegen der materiellen
Voraussetzungen für eine entsprechende Anordnung ein hypothetischer Ersatzeingriff
rechtmäßig wäre, nicht zu einem Beweisverwertungsverbot führt.
Vgl. dazu erneut die beiden oben bereits zitierten
Beschlüsse des OLG Stuttgart vom 26.11.2007, 1 Ss
532/07, des OLG Karlsruhe vom 29.05.2008, 1 Ss
151/07, sowie des OLG Hamburg vom 04.02.2008, 2 –
81/07
Soweit der Antragsteller geltend macht, dass der Antragsgegner keine
Ermessenserwägungen angestellt habe und daher ein Ermessensausfall vorliege, übersieht
er, dass die Ermächtigungsgrundlage eine gebundene Regelung darstellt und daher bei
Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen die Entziehung der Fahrerlaubnis die zwingende
Rechtsfolge ist.
Ebenso wenig kann sich der Kläger mit Erfolg darauf berufen, dass die Entziehung der
Fahrerlaubnis unbestimmt sei, weil die einschlägigen Normen der §§ 46 ff FeV nicht im
Einzelnen bezeichnet seien. Bei der Frage der Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes geht
es nicht um die genaue Bezeichnung der Ermächtigungsgrundlagen sondern darum, dass
aus dem Verwaltungsakt erkennbar sein muss, welche Behörde von welchem Adressaten
was verlangt. Insoweit geben die in dem angefochtenen Bescheid getroffenen
Regelungsanordnungen zu keinen rechtlichen Bedenken Anlass.
Schließlich kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Entziehung
der Fahrerlaubnis auch in zeitlicher Hinsicht unbestimmt sei und ihm nicht nur für eine
bestimmte Zeit, sondern überhaupt das Recht genommen werde, in Deutschland von
seiner Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen. Auch diese Ausführungen vermögen die
Rechtmäßigkeit der verhängten Maßnahme nicht in Frage zu stellen. Für eine zeitliche
Befristung der Entziehung der Fahrerlaubnis ist schon deshalb kein Raum, weil der
Antragsteller die Wiedererlangung seiner Fahreignung und damit das Vorliegen der
Neuerteilungsvoraussetzungen nachzuweisen hat.
Rechtlichen Bedenken begegnet auch nicht die dem Antragsteller auferlegte Pflicht zur
Abgabe des Führerscheins, die ihre Grundlage in den §§ 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, 47 Abs. 1
FeV findet.
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 46.3
des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dieser auf die Hauptsache
bezogene Wert wird im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich zur
Hälfte zugrunde gelegt.