Urteil des VG Saarlouis vom 10.03.2010

VG Saarlouis: stadt, öffentliche sicherheit, vollstreckung der strafe, ausweisung, lebensgemeinschaft, schutz des familienlebens, schutz der familie, schutz der gesundheit, haftentlassung

VG Saarlouis Urteil vom 10.3.2010, 10 K 711/09
Ausweisung, besonderer Ausweisungsschutz, familiäre Lebensgemeinschaft,
Unterbrechung durch Strafhaft, nichteheliche Vaterschaft, Belange des Kindes,
Wiederholungsgefahr, faktischer Inländer
Leitsätze
Einzelfall einer rechtmäßigen Ausweisung, da angesichts Art und Schwere der Straftaten
sowie angesichts des Verhaltens des Ausländers im Strafvollzug eine Wiederholungsgefahr
besteht und keine Anhaltspunkte für eine Wiederaufnahme der vor Haftantritt bestandenen
familiären Lebensgemeinschaft nach Haftentlassung gegeben sind.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines
Betrages in der Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden
Kostenschuld abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der am … 1983 in Leverkusen geborene Kläger ist serbischer Staatsangehöriger. Er erhielt
erstmals am 11.07.1996 eine bis 21.06.1997 befristete Aufenthaltserlaubnis, die am
02.10.1997 bis 09.03.1999 verlängert wurde. Am 18.05.1999 wurde die
Aufenthaltserlaubnis unbefristet erteilt. Zuletzt war der Kläger im Besitz einer
Niederlassungserlaubnis gemäß § 35 AufenthG.
Der Kläger ist bislang in erheblichem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getreten.
Durch Urteil des Amtsgerichts L. vom 19.01.1999 wurde er wegen Körperverletzung in
drei Fällen und Bedrohung verwarnt und zu 30 Arbeitsstunden verpflichtet.
Unter dem 28.07.2000 sprach ihn das Amtsgericht L. gemäß § 27 JGG einer räuberischen
Erpressung schuldig und setzte die Verhängung einer bestimmten Jugendstrafe zur
Bewährung aus.
Am 13.09.2002 verurteilte ihn das Amtsgericht B-Stadt unter Einbeziehung des Urteils
vom 28.07.2000 wegen Sachbeschädigung (Tatzeit 18.03.2002) zu einer Jugendstrafe
von neun Monaten, die für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Am 21.02.2003 wurde der Kläger durch das Amtsgericht St. W. wegen Diebstahls zu
einem Dauerarrest von drei Wochen verurteilt.
Durch Urteil vom 16.07.2004 verhängte das Amtsgericht B-Stadt unter Einbeziehung des
Urteils vom 13.09.2002 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und
unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (Tatzeit: 21.10.2003 und 20.02.2004) eine
Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten gegen den Kläger, die für drei Jahre zur
Bewährung ausgesetzt wurde.
Durch Urteil vom 09.12.2004 sprach das Amtsgericht B-Stadt wegen Diebstahls in einem
besonders schweren Fall eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten gegen ihn aus. Auf die
Berufung des Klägers setzte das Landgericht B-Stadt durch Urteil vom 04.02.2005 die
Vollstreckung der Strafe für vier Jahre zur Bewährung aus.
Am 13.09.2005 verurteilte ihn das Amtsgericht B-Stadt wegen Betrugs in fünf Fällen,
davon in einem Fall des Versuchs, unter Einbeziehung des Urteils vom 09.12.2004 zu
einem Jahr Freiheitsstrafe, die für vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Vom 14.02.2005 bis zum 13.05.2006 verbüßte der Kläger die ihm mit Urteil vom
16.07.2004 auferlegte Freiheitsstrafe. Eine am 09.03.2006 mit seiner vorzeitigen
bedingten Entlassung aufgenommene stationäre Drogentherapie brach er nach einem Tag
ab. Eine anschließend mit Beschluss vom 07.08.2006 im Bewährungsverfahren (Urteil vom
13.09.2005) auferlegte ambulante Drogen- und Alkoholentwöhnungstherapie brach er
ebenfalls nach einigen Terminen eigenmächtig ab. Erst im März 2007 nahm er an fünf
Termine einer ambulanten Drogentherapie teil.
Am 04.05.2007 wurde das Kind C. E. K. geboren; hinsichtlich der der Kläger am
31.03.2009 vor dem Jugendamt des Regionalverbandes B-Stadt die Vaterschaft
anerkannte.
Mit Urteil des Amtsgerichts B-Stadt vom 08.05.2007 wurde wegen Betrugs in vier Fällen in
Tatmehrheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte eine zwölfmonatige
Freiheitsstrafe gegen ihn verhängt.
Unter dem 19.07.2007 erfolgte die Aufnahme des Klägers in die Justizvollzugsanstalt B-
Stadt, von wo er aus vollzugstechnischen Gründen am 13.07.2009 in die
Justizvollzugsanstalt A-Stadt – Erwachsenenbereich – verlegt wurde.
Durch Strafbefehl des Amtsgerichts B-Stadt vom 10.09.2007 wurde der Kläger wegen
Diebstahls (Tatzeit: 26.05.2007) zu einer Geldstrafe von neunzig Tagessätzen verurteilt.
Wegen gemeinschaftlichen Betruges in sechs Fällen in Tatmehrheit mit Diebstahl, in
Tatmehrheit mit Sachbeschädigung, in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Fahren ohne
Fahrerlaubnis tateinheitlich mit fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr, in Tatmehrheit mit
Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte tateinheitlich mit vorsätzlicher Körperverletzung in
Tatmehrheit mit jeweils in zwei Fällen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
tateinheitlich mit vorsätzlichem Fahren ohne Versicherungsschutz verurteilte ihn das
Amtsgericht B-Stadt am 02.10.2007 unter Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe des Urteils
vom 08.05.2007 und Einbeziehung der dortigen Einzelstrafen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Seine mitangeklagte Lebensgefährtin Violetta K.
wurde wegen gemeinschaftlichen Betrugs in sechs Fällen unter Einbeziehung einer früheren
Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitstrafe von sechs Monaten verurteilt.
Am 06.12.2007 verhängte das Amtsgericht – Schöffengericht - B-Stadt gegen ihn wegen
unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in fünf Fällen begangen in Tatmehrheit mit
unerlaubtem gewerbsmäßigem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 15 Fällen unter
Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil vom 02.10.2007 und unter
Einbeziehung der dort ausgesprochenen Einzelstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei
Jahren und neun Monaten.
Mit Schreiben des Beklagten vom 09.10.2008 wurde der Kläger zur beabsichtigten
Ausweisung aus Deutschland angehört.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 31.10.2008 trat der Kläger einer Ausweisung entgegen.
Er sei hier geboren und aufgewachsen. Er habe den Sonderschulabschluss erreicht und sei
nur der deutschen Sprache mächtig. Seine gesamte Familie und Verwandten hielten sich in
Deutschland auf; zum Ursprungsland habe er keine Kontakte. Er sei Vater eines
Kleinkindes. Die Lebensgemeinschaft mit der Kindesmutter, Frau K. bestehe weiterhin.
Nach der Haftentlassung sei die Eheschließung beabsichtigt. Er strebe die Rückstellung der
Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten zur Durchführung einer
Langzeitmaßnahme an, um seine Drogenprobleme zu lösen. Ein Antrag nach § 35 BtmG
werde gestellt, sobald die Voraussetzungen vorlägen.
Mit Schreiben vom 11.12.2008 nahm die Leiterin der JVA B-Stadt zur Person und zum
Vollzugsverlauf des Klägers Stellung.
Unter dem 31.03.2009 erkannte der Kläger beim Jugendamt des Regionalverbands B-
Stadt die Vaterschaft zu der deutschen Staatsangehörigen C., geboren 04.05.2007 in
Homburg, an.
Durch Bescheid des Beklagten vom 28.04.2009 wurde der Kläger gemäß § 53 Nr. 1 und 2
AufenthG dauerhaft aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und ihm die
Abschiebung angedroht. Die Voraussetzungen für eine zwingende Ausweisung nach § 53
Nr. 1 und 2 AufenthG lägen aufgrund der Vorstrafen unzweifelhaft vor. Ebenso erfülle der
Kläger die Voraussetzungen für einen besonderen Ausweisungsschutz gemäß § 56 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 AufenthG, da er sich seit dem 11.07.1996 erlaubt, d.h. rechtmäßig im
Bundesgebiet aufhalte und im Besitz einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 35 AufenthG
sei. Dagegen genieße er keinen besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1
Nr. 4 AufenthG, da er aufgrund seiner Inhaftierung nicht mit seiner Tochter in familiärer
Lebensgemeinschaft lebe. Wegen des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 AufenthG lägen die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Regelausweisung
vor. Besondere Umstände, die einen von der Regelausweisung abweichenden
Ausnahmefall begründeten, bei dessen Vorliegen die Ausweisung im pflichtgemäßen
Ermessen der Ausländerbehörde stünde, seien beim Kläger weder im Hinblick auf die
begangenen Straftaten noch auf seine persönlichen Lebensverhältnisse gegeben. Er halte
sich zwar seit über 26 Jahren hier auf. Eine Integration sei ihm bisher aber weder
wirtschaftlich noch sozial gelungen. Wie dem strafgerichtlichen Urteil vom 06.12.2007 zu
entnehmen sei, habe der Kläger zwar einen Sonderschulabschluss erreicht, jedoch die
Ausbildung zum Landschaftsgärtner abgebrochen. Er sei seit Jahren arbeitslos und lebe von
Arbeitslosengeld II. Bereits seit frühester Jugend habe der Kläger Drogen und
Alkoholprobleme. Im Alter von elf Jahren habe er ersten Kontakt zu Bier und Haschisch
gehabt. Seit seinem 14. Lebensjahr konsumiere er Drogen und Alkohol. Auch seien die
Straftaten vor dem Hintergrund der Betäubungsmittelabhängigkeit zu sehen. Der Kläger
stehe seit August 2007 mit der Drogenberatungsstelle der JVA in Kontakt. Aus diesem
Umstand könne jedoch nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass er auch nach der
Entlassung aus der Haftanstalt ohne die dortige Freiheitsbeschränkung und Überwachung
seinen vorherigen Drogenkonsum nicht wieder aufnehmen und drogenabstinent leben
werde. So habe er auch nicht geltend gemacht, dass er keiner Drogentherapie mehr
bedürfe, sondern sich im Gegenteil bescheinigen lassen, sich ihr zu unterziehen, sobald die
juristischen Voraussetzungen vorlägen. Der Kläger könne derzeit jedenfalls nicht aufgrund
einer erfolgreich durchgeführten Drogentherapie als weniger rückfallgefährdet nach der
Haftentlassung angesehen werden. Bei dieser Sachlage könne weder von wirtschaftlichen
noch einer sozialen Integration gesprochen werden. Durch die abgeurteilten Straftaten und
das hierdurch zum Ausdruck kommende Verhalten lasse der Kläger vielmehr erkennen,
dass er nicht gewillt sei, die deutsche Rechtsordnung zu beachten. Dies zeige sich auch
daran, dass er während seines Aufenthalts in der JVA mehrfach diszipliniert werden
musste. Die geltend gemachten familiären Bindungen zu den hier lebenden Angehörigen
stellten keinen atypischen Geschehensablauf dar, der einen Ausnahmefall rechtfertigte.
Diese familiären Bindungen hätten in der Vergangenheit den Kläger nicht von der Begehung
weiterer Straftaten abhalten können. Sein minderjähriges Kind E. wohne nicht mit dem
Kläger in häuslicher Gemeinschaft. Ein überwiegendes Getrenntleben der
Familienangehörigen deute eher auf das Vorliegen einer im Rahmen von Art. 6 GG und
auch aufenthaltsrechtlich nicht besonders schutzwürdigen Begegnungsgemeinschaft hin.
Allerdings könne in diesem Fall nicht vom Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft
ausgegangen werden, da aufgrund der Inhaftierung nicht einmal die notwendigsten und
elementarsten Grundleistungen einer Begegnungs- oder gar Beistandsgemeinschaft
erbracht werden könnten. Zudem sei vom Kläger lediglich die Vaterschaft zu dem Kind
anerkannt worden. Eine weitergehende Sorgerechtserklärung habe er nicht abgegeben
bzw. vorgelegt. Die elterliche Sorge habe alleine die Mutter des Kindes inne. Auch hätten
von August bis Dezember 2008 keine Besuche der Tochter mehr stattgefunden, was
darauf hindeute, dass ein enger Kontakt zwischen dem Kläger und seiner Tochter gerade
nicht bestehe. Auch die vom Kläger beabsichtigte Verlegung des Aufenthaltsortes von B-
Stadt nach L. stehe dem Aufbau und der Aufrechterhaltung einer intensiven Vater-Tochter-
Beziehung im Wege. Die Folgen einer dauerhaften Trennung vom Kläger seien für seine
Tochter verhältnismäßig gering. Die Tochter sei bei seiner Inhaftierung gerade zwei Monate
alt gewesen, habe also den weit überwiegenden Teil ihres Lebens ohne den Vater
verbracht. Ihre sporadischen Besuche in der Justizvollzugsanstalt hätten zu keiner innigeren
Bindung führen können. Neben dem regelmäßigen Umgang seien auch
Unterhaltsleistungen ein Zeichen für die Wahrnehmung elterlicher Verantwortung. Eine
Unterhaltsleistung sei aufgrund der Inhaftierung des Klägers ohnehin nicht mehr möglich.
Selbst wenn der Kläger diese erbrächte, wäre dies vorliegend unerheblich, da eine intensiv
gelebte familiäre Beistandsgemeinschaft nicht vorliege und die reine Zahlung von
Unterhaltsleistungen diese auch nicht begründe. Die Ausweisung stehe auch im Einklang
mit Art. 8 EMRK, da dieser keinen weitergehenden Schutz des Familienlebens als Art. 6 GG
begründe. Da somit insgesamt nicht von einem Ausnahmefall ausgegangen werden könne,
bleibe es bei der Regelausweisung.
Unter generalpräventiven Gesichtspunkten sei zu berücksichtigen, dass die Abschreckung
anderer Ausländer vor der Begehung von Betäubungsmitteldelikten zentrale Bedeutung für
die öffentliche Sicherheit und Ordnung habe. Durch Rauschgiftdelikte würden Leben und
Gesundheit zahlreicher Personen gefährdet. Insbesondere Delikten, die zur Verbreitung von
Betäubungsmitteln beitrügen, dürften daher nicht nur mit Mitteln des Strafrechts, sondern
auch des Ausländerrechts begegnet werden. Eine Ausnahme, die ein generalpräventives
Vorgehen gegen den Kläger entbehrlich erscheinen lasse, sei nicht gegeben. Er sei vom
Amtsgericht B-Stadt wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in fünf Fällen
begangen in Tatmehrheit mit unerlaubtem gewerbsmäßigen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in 15 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten
verurteilt worden. Es handele sich hier weder um eine geringe noch um eine einmalige
Verfehlung. Da die Niederlassungserlaubnis mit der Bekanntgabe der
Ausweisungsverfügung erlösche, sei der Kläger nicht mehr im Besitz eines erforderlichen
Aufenthaltstitels und daher gemäß § 50 Abs. 1 i.V.m. § 58 Abs. 2 AufenthG vollziehbar zur
Ausreise aus Deutschland verpflichtet. Da er aus der Haft abgeschoben werden solle, sei
gemäß § 59 Abs. 5 AufenthG eine Ausreisefrist entbehrlich. Für den Fall der vorzeitigen
Haftentlassung werde ihm eine Ausreisefrist von einer Woche nach Haftentlassung gesetzt.
Diese sei ausreichend, da der Kläger in leicht löslichen Wohnverhältnissen lebe und zurzeit
auch nicht erwerbstätig sei.
Den am 11.05.2009 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er zu
seinem Heimatland keine Beziehung habe. Sein gesamtes Leben habe er in Deutschland
verbracht. Der serbischen Sprache sei er nicht mächtig. Er habe deutsche Schulen besucht
und sei Vater einer deutschen Tochter. Zu seiner Tochter unterhalte er Kontakt; sie
besuche ihn regelmäßig in der JVA. Es hänge ausschließlich mit seiner Inhaftierung
zusammen, dass bisher kein intensiverer Kontakt mit der Tochter stattgefunden habe bzw.
eine Lebensgemeinschaft mit dem Kind bzw. mit der Kindesmutter nicht habe begründet
werden können. Nach der Geburt seiner Tochter am 04.05.2007 sei er praktisch nicht
mehr straffällig geworden. Seit dem 21.08.2007 arbeite er in der JVA an seiner
Drogenproblematik. Er verweise auf die beigefügte Bestätigung der Psychotherapeutin R.
vom 29.12.2008, wonach er die erforderlichen Termine pp. innerhalb der JVA eingehalten
habe. Eine stationäre Therapie werde von ihm begonnen, sobald die Voraussetzungen
hierfür erfüllt seien.
Durch Bescheid vom 24.06.2009, zugestellt am 15.07.2009, wies der Beklagte den
Widerspruch zurück. Zur Begründung ist ergänzend ausgeführt, dass das Vorbringen des
Klägers, seit Geburt der Tochter keine Straftaten mehr begangen zu haben, keine andere
Sicht der Dinge vermittele, da die Tochter am 04.05.2007 geboren worden und der Kläger
schon am 19.07.2007 in die JVA B-Stadt aufgenommen worden sei. Das straffreie
Verhalten rühre daher eher aus der Tatsache der Inhaftierung als aus einer tiefergehenden
Änderung des Lebenswandels her. Was die bevorstehende Eheschließung mit der Mutter
der Tochter angehe, habe der Kläger lediglich vorgebracht, sich mit der Absicht der
Eheschließung zu tragen. Die bloße Verlobung bzw. die geäußerte Absicht der
Eheschließung, die vom Kläger jedoch nicht hinreichend dargelegt sei, unterfalle nicht dem
Schutzbereich des Art. 6 GG. Die Ausweisung stehe auch mit Art. 8 EMRK im Einklang, da
der hier erfolgte Eingriff in das Privatleben gesetzlich nicht nur vorgesehen, sondern sogar
ausdrücklich vorgeschrieben sei und eine Maßnahme darstelle, die in einer demokratischen
Gesellschaft zum Schutz der in Art. 8 Abs. 2 EMRK besonders genannten Rechtsgüter
notwendig sei. Insbesondere sei davon auszugehen, dass das abgestufte System der
Ausweisungstatbestände im Aufenthaltsgesetz dem Standard der Europäischen
Menschenrechtskonvention und dem darin zum Ausdruck kommenden Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit genüge. Es entspreche diesem Grundsatz, Vielfachtäter des Landes zu
verweisen. Die beabsichtigte Drogentherapie lasse die Ausweisung nicht unverhältnismäßig
werden. Allein die Tatsache, dass eine Drogentherapie durchgeführt werde, rechtfertige
nicht das Absehen von der gesetzlich vorgesehenen Regelausweisung. Der Kläger sei
langjährig drogenabhängig, die Rückfallquote bei erfolgreich absolvierten Therapien sei
hoch. Auch bei einer positiven Bewertung der nunmehr bestehenden Therapiebereitschaft
sei zu berücksichtigen, dass der Kläger keine stabilisierenden familiären Bindungen habe
und seine zukünftige wirtschaftliche Situation im Bundesgebiet völlig ungesichert sei.
Insoweit sei es nicht erkennbar, dass eine Wiederholungsgefahr ausgeschlossen sei.
Weitere Gründe, die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder die weitere
Aussetzung der Abschiebung herangezogen werden könnten, seien nicht vorgebracht
worden und auch anhand der Aktenlage nicht ersichtlich.
Mit am 14.08.2009 eingegangener Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Ergänzend trägt er vor, dass er mittlerweile mit der Kindesmutter verlobt sei. Es
bestünden konkrete Heiratsabsichten. Sobald die formellen Voraussetzungen hierfür
vorlägen, werde die Ehe geschlossen. Zum Beleg seiner Angaben legt der Kläger eine
schriftliche Bestätigung von Frau K. vom 05.10.2009 vor.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 28.04.2009 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2009
aufzuheben.
Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide,
die Klage abzuweisen.
Durch Beschluss vom 29.10.2009 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen
Gefangenen-Personalakten der JVA B-Stadt des Klägers 119/09/4 sowie die
Verwaltungsunterlagen des Beklagten verwiesen, deren Inhalt zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gemacht wurde.
Entscheidungsgründe
Es konnte trotz Ausbleibens des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen
Verhandlung verhandelt und entschieden werden, da dieser ordnungsgemäß mit Hinweis
auf § 102 Abs. 2 VwGO zum Termin geladen wurde.
Die als Anfechtungsklage gemäß den §§ 42 Abs. 1, Abs. 2, 68 Abs. 1 S. 1, 74 Abs. 1 S. 1
VwGO zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 28.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 24.06.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§
113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Rechtsgrundlage der Ausweisung sind § 53 Nr. 1 und Nr. 2 AufenthG. Nach Nr. 1, Alt. 2
der Vorschrift wird ein Ausländer ausgewiesen, wenn er wegen vorsätzlicher Straftaten
innerhalb von fünf Jahren zu mehreren Freiheits- oder Jugendstrafen von zusammen
mindestens drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist. Nach Nr. 2, Alt. 1 wird ein
Ausländer ausgewiesen, wenn er wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem
Betäubungsmittelgesetz rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren
oder zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur
Bewährung ausgesetzt worden ist. Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind im Fall des
Klägers aufgrund seiner rechtskräftigen Vorstrafen gegeben. Rechtsfolge des § 53
AufenthG ist zwingend die Ausweisung des Ausländers.
Allerdings steht dem Kläger besonderer Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
AufenthG zu, da er sich seit dem 11.07.1996 erlaubt, d.h. rechtmäßig im Bundesgebiet
aufgehalten hat und zuletzt – bis zum Erlass der Ausweisungsverfügung (vgl. § 51 Abs. 1
Nr. 5 AufenthG) – eine Niederlassungserlaubnis besaß.
Dagegen genießt der Kläger keinen besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 S. 1
Nr. 4 AufenthG, da er nicht mit einem deutschen Familienangehörigen in familiärer
Lebensgemeinschaft zusammenlebt. Denn sowohl zur Zeit der angefochtenen Bescheide
als auch im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung befand bzw. befindet sich
der Kläger im Strafvollzug in der Justizvollzugsanstalt, so dass er mit seiner Tochter, einer
deutschen Staatsangehörigen, weder bei Erlass der Bescheide noch zum derzeitigen
Zeitpunkt familiär zusammenlebte bzw. -lebt. Allerdings hat der Hessische VGH für die
eheliche Lebensgemeinschaft entschieden, dass durch eine ihrer Natur nach nur
vorübergehende Trennung der Ehegatten, wie etwa durch die Verbüßung einer Strafhaft,
die eheliche Lebensgemeinschaft unabhängig von der konkreten Dauer der hierdurch
bedingten Trennung des Ehepaares grundsätzlich nicht beendet werde. Etwas anderes
gelte nur dann, wenn der Kontakt zwischen den Eheleuten aufgrund der erzwungenen
Unterbrechung der ehelichen Gemeinschaft abreißt, so dass nicht mehr davon
ausgegangen werden kann, dass das Ehepaar nach Beendigung der Trennung wieder
zusammenleben wird.
Vgl. HessVGH, Beschluss vom 21.07.1997, 13 TG
4776/96, InfAuslR 1998, 51 f
Selbst wenn man diese Rechtsprechung auf die familiäre Lebensgemeinschaft überträgt,
kann nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht davon ausgegangen werden, dass es im Falle
einer Haftentlassung des Klägers wieder zu einem familiären Zusammenleben mit seiner
Tochter kommen wird. Zwar dürfte zur Zeit der Geburt der Tochter am 04.05.2007 der
Kläger mit der Kindesmutter K. und damit auch mit dem Kind unter der Anschrift B-Stadt-
D., F., zusammengelebt haben,
siehe Urteil des Amtsgerichts B-Stadt vom 02.10.2007,
000-00/06 (04 Js 000006)
so dass durch die Aufnahme des Klägers in die Justizvollzugsanstalt B-Stadt am
19.07.2007 eine unfreiwillige Unterbrechung der familiären Lebensgemeinschaft mit dem
Kind stattgefunden hat. Allerdings muss gesehen werden, dass das familiäre
Zusammenleben des Klägers mit der Tochter vor dem Haftantritt nur sehr kurzzeitig,
etwas mehr als zwei Monate, angedauert hat und im Verlauf des Strafvollzugs der Kontakt
zu Mutter und Kind nach Aktenlage immer mehr zurückgegangen ist, bis er schließlich ganz
eingestellt worden ist. So ergibt sich aus dem Schreiben der Justizvollzugsanstalt vom
11.12.2008 an den Beklagten, dass Frau K., die in diesem Schreiben als Ex-
Lebensgefährtin bezeichnet wird, in der Zeit vom 30.07.07 bis 06.05.08 acht Mal und die
gemeinsame Tochter in der Zeit vom 21.09.07 bis 28.08.08 sechs Mal den Kläger in der
Justizvollzugsanstalt besucht haben. Im Weiteren heißt es in diesem Schreiben, dass der
Kläger seit dem 28.08.08 keinen Besuch mehr erhalten habe, nach seinen Angaben hier
im Saarland ein regelmäßiger Kontakt nur noch mit seinem Vater bestehe und seine
Familie aus L. ihn aus organisatorischen Gründen nicht öfter besuchen könne. In einer
Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt vom 21.05.2008 an das Ministerium für Justiz,
Arbeit, Gesundheit und Soziales zu einem Strafortverlegungsgesuch des Klägers nach
Nordrhein-Westfalen
siehe Bl. 82, 83 der Gefangenen-Personalakte, Band I
ist ausgeführt, dass es vor ca. drei Monaten zur Trennung von Frau K. und dem Kläger
gekommen sei und Frau K. diesem über eine Freundin habe ausrichten lassen, dass sie
keinen Kontakt mehr zu ihm wünsche. Ausweislich einer weiteren Stellungnahme der
Justizvollzugsanstalt vom 23.03.2009 an das Ministerium in dieser Angelegenheit
siehe Bl. 236, 237 der Gefangenen-Personalakte, Band II
hat der Kläger im Rahmen seines Strafortverlegungsgesuchs angegeben, dass er nach
seiner Haftentlassung bei seiner Großmutter in L. wohnen und diese unterstützen wolle,
welche ihn auch aufzunehmen bereit sei. In dem Besucherverzeichnis (gelbe Karteikarte)
siehe gelbe und grüne Karteikartei im hinteren
Aktenumschlag der Gefangenen-Personalakte, Band II,
Frau K. wird dort im Besucherverzeichnis (grüne Kartei-
Karte) in Verbindung mit dem Umschlag in orange als „n.
Angehörige“ unter Nr. 1 geführt und ist dort gestrichen
mit dem Vermerk: „gestr. a. W. d. Gef.“
findet sich nach dem 06.05.2008 kein Eintrag eines Besuches der Frau K. mehr, lediglich
die Tochter (lfd. Nr. 3 der Besucherliste – grüne Karteikarte) hat den Kläger bis zum
16.03.2009 (gelbe Karteikarte) noch weitere vier Mal in anderer Begleitung besucht. Im
Schreiben der Justizvollzugsanstalt vom 27.01.2010 an die Staatsanwaltschaft B-Stadt ist
ausgeführt, dass der Kläger seit 13.07.2009 in der JVA A-Stadt bis dato nur zwei Mal von
seinem Vater und seiner Großmutter besucht worden sei.
Siehe Schreiben der JVA vom 27.01.2010 an die
Staatsanwaltschaft B-Stadt, Gefangenen-Personalakte
Band II Bl. 303, 304
Vor diesem tatsächlichen Hintergrund ist die im Klageverfahren vorgelegte schriftliche
Bestätigung der Frau K. vom 05.10.2009, wonach sie mit dem Kläger „mittlerweile
verlobt“ sei und diesen „schnellstmöglich“ heiraten wolle, in keiner Weise nachvollziehbar
und muss als Gefälligkeitserklärung angesehen werden, zumal weder in den
Verwaltungsunterlagen des Beklagten noch in der Gefangenen-Personalakte irgendwelche
Bemühungen oder auch nur Absichtserklärungen hinsichtlich einer Eheschließung erkennbar
sind. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall maßgeblich von dem vom Hessischen
VGH entschiedenen, in dem vor der haftbedingten Trennung der Eheleute eine eheliche
Lebensgemeinschaft über mehrere Jahre bestand und sich aus einer großen Anzahl
wechselseitiger, sehr persönlich gehaltener Briefe entnehmen ließ, dass die Ehepartner
weiterhin engen Kontakt zueinander hielten und die eheliche Gemeinschaft auch nach
Beendigung der Strafhaft fortführen wollten. Demgegenüber bestehen im vorliegenden Fall
durchschlagende Zweifel, dass es nach der Beendigung der Strafhaft zu einer
Wiederaufnahme des Zusammenlebens des Klägers mit Frau K. und damit zur Fortführung
der familiären Lebensgemeinschaft mit der Tochter kommen wird. Jedenfalls unter diesen
Verhältnissen kann auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Hessischen VGH
von einer fortbestehenden, durch die Strafhaft nur unfreiwillig unterbrochenen familiären
Lebensgemeinschaft des Klägers mit der Tochter nicht ausgegangen werden. Damit
scheidet ein besonderer Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AufenthG aus.
Genießt der Kläger aber, wie dargelegt, besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1
S. 1 Nr. 1 AufenthG, kann er gemäß § 56 Abs. 1 S. 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden
Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Schwerwiegende
Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegen gemäß § 56 Abs. 1 S. 3 AufenthG in
der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5, 5a und 7 vor. Weiterhin bestimmt § 56
Abs. 1 S. 4 AufenthG, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 AufenthG der
Ausländer in der Regel ausgewiesen wird.
Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sind jedenfalls hinsichtlich
des spezialpräventiven Ausweisungszwecks zum einen aufgrund der vom Kläger verübten
und, wie dargelegt, von § 53 Nr. 1 Alt. 2 und Nr. 2 Alt. 1 AufenthG erfassten Straftaten
gegeben. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ergeben sich
darüber hinaus daraus, dass beim Kläger von einer erheblichen Wiederholungsgefahr
auszugehen ist.
Die hierzu anzustellende Gefahrenprognose stützt sich auf handlungs- bzw. tatbezogene
Umstände, also Art und Schwere der Straftaten, insbesondere ihre generelle und konkrete
Gefährlichkeit, die Umstände ihrer Begehung und ihrer Vorwerfbarkeit, sowie auf die
Würdigung der Gesamtpersönlichkeit und der persönlichen Lebensverhältnisse. Dabei setzt
die Ausweisung, da sie keine selbständige polizeiliche Verfügung ist, keine konkrete Gefahr
für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des Polizeirechts voraus. Sie darf
grundsätzlich schon vor der Schwelle der konkreten Wiederholungsgefahr verfügt werden.
Allerdings dürfen die Anforderungen an eine Verneinung der Wiederholungsgefahr nicht
überspannt werden. Entscheidend ist, ob bei Anwendung „praktischer Vernunft“ neue
Verfehlungen nicht (mehr) in Rechnung zu stellen sind, ob also das von dem Ausländer
ausgehende Risiko bei Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles letztlich kein
anderes ist, als das, das bei jedem Menschen mehr oder weniger besteht.
Vgl. hierzu Gemeinschaftskommentar zum
Aufenthaltsgesetz, Stand: November 2009, § 54 Rdnr. 56
ff., 72 ff., 77 ff., vor §§ 53 ff. Rdnr. 1151, 1152, m.w.N.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze besteht bei Abwägung aller Umstände beim Kläger ein
gegenüber dem Durchschnittsbürger sogar beträchtlich erhöhtes Risiko, auch künftig
wieder strafrechtlich in Erscheinung zu treten. Zunächst spricht mit Gewicht für eine
Gefährlichkeit des Klägers seine „kriminelle Karriere“, die dadurch geprägt ist, dass er
schon im Alter von elf Jahren ersten Kontakt zu Bier und Haschisch hatte. Er konsumierte
seit seinem 14. oder 15. Lebensjahr Drogen und Alkohol. Einstiegsdrogen waren hierbei
Cannabis, Ecstasy und Amphetamine, die er drei bis vier Mal wöchentlich, Cannabis zudem
täglich konsumierte. Auch Bier und Schnaps konsumierte er fast täglich.
Siehe Urteil des Amtsgerichts B-Stadt vom 02.10.2007,
000-00/06 – 4 Js 0000/06 (Bl. 136 ff. VA) Seiten 3, 4
Von 1999 bis zum Jahr 2007 wurde er insgesamt zwölf Mal als Jugendlicher oder
Erwachsener vor allem wegen Vermögens- und Eigentumsdelikten sowie
Betäubungsmittelkriminalität verurteilt, wobei die Straftaten meist im Zusammenhang mit
seiner Drogenabhängigkeit begangen wurden.
Siehe Urteil des Amtsgerichts B-Stadt vom 06.12.2007, 8
Ls 11 Js 000/07 (000/00) – Bl. 162 ff. VA
Zu Lasten des Klägers ist auch zu berücksichtigen, dass er unmittelbar nach seinen
Verurteilungen am 09.12.2004 und am 13.09.2005 bereits wieder – und zudem -
einschlägig rückfällig wurde und außerdem noch in laufender Bewährung handelte. Auch die
Verbüßung einer erheblichen Jugendstrafe im Jahre 2005 bis zum Jahr 2006 hielt den Kläger
nicht davon ab, in den Jahren 2005 bis 2007 weitere Straftaten zu begehen.
Siehe Urteil des Amtsgerichts B-Stadt vom 02.10.2007,
Seite 12
Ausreichende Bemühungen, einer Rückfälligkeit durch eine Alkohol- und
Drogenentzugstherapie vorzubeugen, und seine Lebensverhältnisse zu ordnen, waren für
das Strafgericht nicht erkennbar. Vielmehr war nach dessen Einschätzung eine
Persönlichkeitsstruktur erkennbar, die „erwiesenermaßen unter gewissen situativen
Voraussetzungen in Kombination mit seiner Drogen- und Alkoholproblematik, seiner
fehlenden Hemmschwelle und einer fehlenden ausreichenden Sozialisierung und
Stabilisierung zur Begehung weiterer Straftaten führt.“
Siehe Urteil des Amtsgerichts B-Stadt vom 02.10.2007,
Seite 12
Es ist nicht zu erkennen, dass sich an dieser Einschätzung durch die Geburt der Tochter
des Klägers oder durch den bisherigen Strafvollzug etwas geändert hat. Der Kläger ist, wie
bereits dargelegt, wenige Tage nach der Geburt seiner Tochter (04.05.2007) am
26.05.2007 erneut straffällig und durch Strafbefehl des Amtsgerichts B-Stadt vom
10.09.2007 wegen Diebstahls verurteilt worden. Insoweit ist seine Behauptung in der
Widerspruchsbegründung unzutreffend, dass er seit der Geburt seiner Tochter „praktisch
nicht mehr straffällig“ geworden sei. Während des Strafvollzugs wurden bis in die jüngste
Vergangenheit insgesamt elf Mal Disziplinarmaßnahmen wegen körperlicher Angriffe auf
Mitgefangene, Verstöße gegen die Anstaltsordnung, Beleidigung eines Bediensteten,
Nichtbefolgen von Anordnungen und Drogen- oder Alkoholkonsum gegen den Kläger
verhängt.
Siehe Gefangenen-Personalakte, Band I Bl. 26, 61, 64,
107, 134, 137, 144 sowie Band II Bl. 230, 245, 275, 309
Auch wurde der Kläger am 15.07.2008 vom Integrationskurs „Migranten im Strafvollzug“
wegen ungebührlichem Verhalten und am 30.01.2009 vom Arbeitseinsatz aus eigenem
Verschulden abgelöst.
Siehe Schreiben der JVA vom 13.08.2008 an
Rechtsanwalt Robling, Gefangenen-Personalakte, Band I
Bl. 122,123; Beurteilungskarte sowie Schreiben der JVA
vom 24.02.2009 an Ministerium, Gefangenen-
Personalakte, Band II Bl. 208, 213, 214
Zu einer Drogen- und Alkoholtherapie ist es im Strafvollzug bislang nicht gekommen. Nach
einer Bescheinigung der Aktionsgemeinschaft Drogenberatung e.V., Psychosoziale
Beratungsstelle für junge Menschen, vom 24.02.2009 bestehe beim Kläger zwar die
Indikation für eine stationäre Entwöhnungsbehandlung. Die Therapieüberleitung sei jedoch
frühestens in ca. einem Jahr möglich.
Siehe hierzu Gefangenen-Personalakte, Band II Bl. 238
Aber selbst wenn davon ausgegangen wird, dass der Kläger während der Haft eine
Therapie antreten kann, erscheint deren Erfolg mehr als fraglich. Der Kläger hat, wie
dargelegt, bereits vor seiner (letzten) Aufnahme in die Justizvollzugsanstalt keine
hinreichenden Bemühungen erkennen lassen, seine Drogen- und Alkoholproblematik in den
Griff zu bekommen, insbesondere hat er im Jahre 2006 eine stationäre Drogentherapie
nach einem Tag und eine ambulante Drogen- und Alkoholentwöhnungstherapie nach
einigen Terminen jeweils eigenmächtig abgebrochen.
Siehe Urteil des Amtsgerichts B-Stadt vom 02.10.2007,
Seiten 5, 15
Soweit die Diplom-Psychologin R. mit Schreiben vom 29.12.2008 (Bl. 212 VA) bescheinigt
hat, dass der Kläger sich bisher an alle Vereinbarungen – u.a. verbindliche Teilnahme an
Einzel- und Gruppengesprächen, aktive Mitarbeit – gehalten habe, so mag das aus
damaliger Sicht zutreffend gewesen sein. Aus jetziger Sicht muss indes gesehen werden,
dass der Kläger am 17.07.2009 sowie am 11.01.2010 ausgerechnet wegen Drogen- und
Alkoholkonsums diszipliniert werden musste.
Siehe Gefangenen-Personalakte Band II Bl. 275, 309
Zudem lässt der Kläger bei der Aufarbeitung der Drogenproblematik Termine ausfallen, weil
ihm andere Dinge wichtiger sind.
Siehe Schreiben der JVA vom 27.01.2010 an die
Staatsanwaltschaft B-Stadt, wie vor
Auch spricht das bereits aufgezeigte allgemeine Verhalten des Klägers in der
Justizvollzugsanstalt nicht dafür, dass es infolge des Strafvollzugs zu einem grundlegenden
und nachhaltigen Wandel in der Einstellung des Klägers gekommen ist oder kommen wird.
Deshalb kann aus Sicht der Justizvollzugsanstalt bei einer Gesamtbetrachtung zum jetzigen
Zeitpunkt nicht von einer günstigen Zukunftsprognose ausgegangen werden.
Siehe Schreiben der JVA vom 27.01.2010 an die
Staatsanwaltschaft B-Stadt, wie vor
Dies gilt aus Sicht der Kammer umso mehr, als die soziale Situation des Klägers bei
Haftentlassung alles andere als günstig ist. Der Kläger ist vorbestraft, hat nach Abbruch
einer Ausbildung zum Landschaftsgärtner keine Berufsausbildung und war vor seiner
Aufnahme in die Justizvollzugsanstalt jahrelang arbeitslos.
Siehe Urteil des Amtsgerichts B-Stadt vom 02.10.2007,
Seite 3
Von daher besteht die reale Gefahr, dass der Kläger nach seiner Haftentlassung sowohl in
Bezug auf den Alkohol- und Drogenkonsum als auch hinsichtlich der Begehung weiterer
Straftaten wieder rückfällig wird. Bei Abwägung aller Umstände geht aus Sicht der
Kammer von dem Kläger nach seiner Haftentlassung eine sogar erhebliche Gefahr der
Begehung weiterer Straftaten aus.
Liegen damit sowohl mit Blick auf die Straftaten nach § 53 Nr. 1 Alt. 2 und Nr. 2 Alt. 1
AufenthG als auch angesichts einer erheblichen Wiederholungsgefahr hinsichtlich der
Begehung weiterer Straftaten schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und
Ordnung vor, sind die Voraussetzungen einer Regelausweisung nach § 56 Abs. 1 S. 4
AufenthG gegeben. Dies bedeutet, dass die Ausweisung für den Regelfall vorgeschrieben
ist, wobei die Ausländerbehörde allerdings stets zu prüfen hat, ob ein Ausnahmefall
vorliegt. Daher muss die Regelausweisung unterbleiben, wenn ein Sachverhalt so erheblich
von der gesetzlich vorausgesetzten Normalsituation abweicht, dass die regelmäßige
Ausweisung ungerecht und insbesondere unverhältnismäßig erscheint. Liegt ein solcher
Ausnahmefall vor, steht die Ausweisung im Ermessen der Ausländerbehörde.
Vgl. Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage, 2005, § 54 Rdnr.
2, 3; Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz,
Stand: November 2009, § 54 Rdnr. 46 ff.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zu § 48 Abs. 1 AuslG) liegt ein
solcher Ausnahmefall von der Regelausweisung - und damit die Notwendigkeit einer
behördlichen Ermessensentscheidung - bereits dann vor, wenn durch höherrangiges Recht
oder Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Belange des
Ausländers eine Einzelfallwürdigung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des
Falles gebieten. Der bisherige Maßstab, der ergebnisbezogen auf die Unvereinbarkeit der
Ausweisung mit höherrangigem Recht abstelle, reiche nicht aus, um den von Art. 6, Art. 2
Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Belangen in der Praxis zu einer ausreichenden
Berücksichtigung zu verhelfen. Vielmehr bestehe die Gefahr, dass schutzwürdige, von den
Tatbeständen des § 48 Abs. 1 AuslG bzw. § 56 Abs. 1 AufenthG nicht (voll) erfasste
Belange des Betroffenen im Verwaltungsvollzug schematisierend ausgeblendet würden.
Insbesondere bei der im Laufe der Zeit angewachsenen Gruppe im Bundesgebiet
geborener und aufgewachsener Ausländer bedürfe es bei der Entscheidung über eine
Ausweisung einer individuellen Würdigung, inwieweit der Ausländer im Bundesgebiet
verwurzelt ist und dies angesichts der konkreten Ausweisungsgründe bei Abwägung aller
Umstände des Einzelfalls einer Ausweisung entgegensteht.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2008, 1 C 10/07, zitiert
nach Juris
Dabei führt aber nicht jedweder einschlägige und zu berücksichtigende Belang zur
Ermessensprüfung. Vielmehr müssen die erkennbaren Umstände diese Prüfung
„gebieten“. Ausgehend von dem dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
zugrunde liegenden Lebenssachverhalt setzt die Veränderung des Prüfungsmaßstabes
mithin eine Verdichtung der einschlägigen Belange voraus, die jener Fallgestaltung
entspricht bzw. sich weitgehend angenähert darstellt.
Vgl. VG des Saarlandes, Urteile vom 16.12.2009, 10 K
330/09, sowie vom 18.06.2009, 10 K 806/08
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist fallbezogen zu prüfen, ob hinreichende, etwa durch
Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte und von § 56 Abs. 1
AufenthG nicht (voll) erfasste Belange des Klägers vorliegen, die eine Einzelfallwürdigung
unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles gebieten. Als
Integrationsmerkmale kommen zunächst die Geburt und der langjährige Aufenthalt des
Klägers in Deutschland, seine deutschen Sprachkenntnisse, sein hier erreichter
Sonderschulabschluss sowie der rechtmäßige Aufenthalt seiner Großeltern, Eltern und
Schwester in Deutschland in Betracht. Diese Umstände sind aber nicht von einem
derartigen Gewicht, dass sie eine Einzelfallwürdigung und damit eine
Ermessensentscheidung gebieten. Hierzu muss maßgeblich gesehen werden, dass die
Geburt und der langjährige Aufenthalt des Klägers in Deutschland kein hinreichendes
Integrationsmerkmal ist, das Erlernen deutscher Sprachkenntnisse durch den Besuch von
Kindergärten, Schulen und Ausbildungsstätten praktisch zwangsläufig erfolgt, der bloße
Sonderschulabschluss ohne Abschluss einer weiterführenden Schul- oder Berufsausbildung
eine hinreichende Integration ebenfalls nicht vermittelt und der Kläger als Volljähriger nicht
mehr auf die Betreuung und Unterstützung durch seine Eltern oder Schwester angewiesen
ist.
Ein eine Einzelfallwürdigung und damit eine Ermessensentscheidung gebietendes
Integrationsmerkmal kann auch nicht darin gesehen werden, dass der Kläger Vater eines
nichtehelichen deutschen Kindes ist. Allerdings ist das Verhältnis des Vaters zu seinem
nichtehelichen Kind vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG und des Art. 8 Abs. 1
EMRK erfasst.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1
i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat
die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung
über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren)
Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im
Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen,
in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des
Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus
Art. 6 GG, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über
aufenthaltsbeendende Maßnahmen seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet
lebende Personen angemessen berücksichtigen. Ausländerrechtliche Schutzwirkungen
entfaltet Art. 6 GG freilich nicht schon aufgrund formal-rechtlicher familiärer Bindungen.
Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern,
wobei grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalls geboten ist.
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30.01.2002, 2 BvR 231/00,
zitiert nach Juris, und vom 31.08.1999, 2 BvR 1523/99,
InfAuslR 2000, S. 67
Der Schutz des Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG gilt zunächst und zuvörderst der Familie als
Lebens- und Erziehungsgemeinschaft. Besteht eine solche Lebens- und
Erziehungsgemeinschaft zwischen dem Ausländer und seinem Kind und kann diese
Gemeinschaft nur in der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht werden, etwa weil das
Kind deutscher Staatsangehöriger ist und ihm wegen der Beziehung zu seiner Mutter das
Verlassen der Bundesrepublik nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die
Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Demgegenüber
können die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis und die Einleitung aufenthaltsbeendender
Maßnahmen jedenfalls dann unbedenklich sein, wenn keine Lebensverhältnisse bestehen,
die einen über die Aufrechterhaltung einer Begegnungsgemeinschaft hinausgehenden
familienrechtlichen Schutz angezeigt erscheinen lassen.
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30.01.2002, wie vor
Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person u.a. das Recht auf Achtung ihres Familienlebens.
Geschützt werden das Zusammenleben und die persönlichen Kontakte zwischen den
Familienmitgliedern. Eltern-Kind-Beziehungen sind geschützt, auch wenn die Eltern nicht
zusammenleben und die Beziehungen nur im Wege (intensiver) Besuche gelebt werden.
Vgl. Gemeinschaftskommentar, wie vor, Vor §§ 53 ff,
Rdnr. 774, 782, 783, m.w.N.
Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK darf in die Ausübung des Rechtes auf Familienleben nur
eingegriffen werden, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen
Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das
wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von
Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und
Freiheiten anderer. Die Ausweisung straffällig gewordener Ausländer dient der Verteidigung
der öffentlichen Ordnung und der Verhinderung von Straftaten und verfolgt damit legitime
Ziele. Geboten ist eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände, wobei
etwa die Art und Schwere der Straftat, aber auch die Intensität der Beziehungen zu den
Familienangehörigen oder die Belange und das Wohl der Kinder zu würdigen sind.
Vgl. Gemeinschaftskommentar, wie vor, Vor §§ 53 ff,
Rdnr. 792, 798, 799, 800, 809, m.w.N. und Hinweisen
auf die Rechtsprechung des EUGH; siehe auch EUGH,
Urteil vom 08.01.2009, 10606/07 InfAuslR 2010, 89 ff
Fallbezogen muss zunächst gesehen werden, dass der Kläger gegenüber dem Jugendamt
nur die Vaterschaft zu dem Kind anerkannt hat. Eine Übertragung auch nur eines Teils der
elterlichen Sorge ist nicht erfolgt, vielmehr hält die Kindesmutter das alleinige Sorgerecht
inne. Der Kläger und seine Tochter haben, wie bereits dargelegt, nur sehr kurze Zeit,
etwas über zwei Monate nach der Geburt des Kindes, in häuslicher Gemeinschaft
gewohnt. Seit dem 19.07.2007 haben beide infolge der Inhaftierung des Klägers getrennt
gelebt und konnten die Beziehungen nur durch Besuche des Kindes in der
Justizvollzugsanstalt gepflegt werden. Solche Besuche fanden zwar statt, sie erfolgten
allerdings nicht regelmäßig, sondern teilweise mit größeren Unterbrechungen.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger während dieser Zeit über die bloßen Besuchskontakte
hinaus irgendwelche Beistands- und Unterstützungsleistungen für das Kind erbracht bzw.
von sich aus die für ihn bestehenden Möglichkeiten der Kontaktaufnahme regelmäßig
genutzt hätte und weiter nutzt, sind nicht ersichtlich. Es lag daher jedenfalls nach der
Inhaftierung offensichtlich immer nur eine bloße Begegnungsgemeinschaft vor, die
zwischenzeitlich sogar zum Erliegen gekommen ist, nachdem die Besuche der Tochter
nach dem 16.03.2009 vollständig eingestellt worden sind. Zu beachten ist weiterhin, dass
der Kläger sich im Strafvollzug um eine Strafortverlegung nach Nordrhein-Westfalen
bemüht hatte, wo er sich nach der Haftentlassung niederlassen wollte. Dies deutet darauf
hin, dass bezogen auf die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung einer
Lebensgemeinschaft eine innere Abwendung des Klägers von seiner Tochter stattgefunden
hat, weil über eine solche Entfernung der Aufbau und die Aufrechterhaltung einer intensiven
Beziehung zu dem minderjährigen Kind offensichtlich nicht möglich sind. Dies alles
berücksichtigend und auch im Hinblick darauf, dass der Kläger keine anderweitigen
Gesichtspunkte vorgetragen hat, sprechen alle erkennbaren Umstände dafür, dass
zwischen dem Kläger und seiner Tochter eine besondere Verbundenheit bzw. Beziehung
nicht besteht und auch eine Rückkehr des Klägers in sein Heimatland das Wohl und Wehe
des Kindes nicht beeinträchtigt. Eine weitergehende Sachaufklärung war der Kammer in
der mündlichen Verhandlung nicht möglich, da für den Kläger, und auch das mag
bezeichnend sein, niemand erschienen ist.
Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall aber erheblich von dem vom
Bundesverwaltungsgericht
a.a.O.
entschiedenen, in dem es um einen im Bundesgebiet geborenen und aufgewachsenen
Unionsbürger gegangen ist, der im Zeitpunkt der Ausweisung mit einer Deutschen und den
gemeinsamen Kindern zusammengelebt hat. Es liegt auf der Hand, dass zugunsten jenes
Ausländers wesentlich stärkere Integrationsmerkmale sprachen als für den Kläger.
Im Weiteren kann sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Ausweisung
gegen Art. 8 EMRK insoweit verstoße, als nicht hinreichend beachtet worden sei, dass er
seine wesentliche Sozialisation und Erziehung in Deutschland erfahren habe und aufgrund
der Integration zu einem faktischen Inländer geworden sei. Ein Bleiberecht auch eines in
Deutschland geborenen und aufgewachsenen Ausländers auf der Grundlage des Art. 8
EMRK erfordert jedenfalls eine abgeschlossene „gelungene“ Integration in die
Lebensverhältnisse in Deutschland, die nach der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte Grundvoraussetzung für die Annahme eines rechtlichen
Abschiebungshindernisses auf der Grundlage des Art. 8 Abs. 1 EMRK ist und von der nicht
bereits deswegen ausgegangen werden kann, weil sich der Betroffene eine bestimmte,
auch längere Zeit im Aufnahmeland aufgehalten hat. Eine Aufenthaltsbeendigung kann
vielmehr nur dann einen konventionswidrigen Eingriff in das „Privatleben“ im Verständnis
des Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellen, wenn der Ausländer aufgrund seines (längeren)
Aufenthalts über so starke persönliche, soziale und wirtschaftliche Kontakte zum
Aufnahmestaat verfügt, dass er aufgrund der Gesamtentwicklung „faktisch zu einem
Inländer“ geworden ist, dem wegen der Besonderheit seines Falles ein Leben in dem Staat
seiner Staatsangehörigkeit, zu dem er keinen Bezug (mehr) hat, schlechterdings nicht
mehr zugemutet werden kann.
Ständige Rechtsprechung der saarländischen
Verwaltungsgerichte: vgl. z.B. OVG des Saarlandes,
Beschluss vom 13.04.2008, 2 B 214/08, m.w.N.
Vorliegend verfügt der Kläger über keine Berufsausbildung und wird nach der
Haftentlassung, wie schon vor der Aufnahme in die Justizvollzuganstalt, auf die Gewährung
öffentlicher Mittel angewiesen sein. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass es zu
einer gelungenen wirtschaftlichen Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse gekommen
ist. Ebenso wenig kann mit Blick auf die Vielzahl und Schwere der von ihm begangenen
Straftaten festgestellt werden, dass er in sozialer Hinsicht in dieser Gesellschaft Fuß
gefasst hat. Liegt demnach schon keine hinreichende Integration in die Lebensverhältnisse
in Deutschland vor, ist auch nicht festzustellen, dass dem Kläger eine Rückkehr in sein
Heimatland schlechterdings nicht zugemutet werden kann. Selbst wenn der Kläger, wie er
geltend macht, der serbischen Sprache nicht mächtig ist, so hat er sich nach Aktenlage
doch mehrfach mit seinem Vater in Serbien aufgehalten. Es kann daher nicht davon
ausgegangen werden, dass sich der Kläger nach einer gewissen Übergangszeit,
gegebenenfalls mit Unterstützung seiner Familie, in Serbien nicht wird zu Recht finden
können.
Rechtlich nicht zu beanstanden ist weiter, dass der Kläger durch den angefochtenen
Bescheid dauerhaft aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen worden ist.
Angesichts der bestehenden Ungewissheiten darüber, ob und wann der Kläger sein
künftiges Leben straffrei gestalten kann, ist eine tragfähige Grundlage für eine etwaige
Befristung der Wirkung der Ausweisung zum derzeitigen Zeitpunkt nicht gegeben.
Die gegen den Kläger ausgesprochene Abschiebungsandrohung begegnet im
maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung.
Vgl. hierzu Hailbronner, wie vor, § 59 Rdnr. 86 mit Hinweis
auf BVerwG, Urteil vom 15.11.2007, BVerwG 1 C 45.06,
BVerwGE 130,20
keinen rechtlichen Bedenken. Soweit in dem angefochtenen Bescheid vom 28.04.2009
eine Ausreisefrist nicht verfügt worden ist, ist dies mit Blick auf § 59 Abs. 5 AufenthG nicht
zu beanstanden, da sich der Kläger auf richterliche Anordnung in Haft befindet (§ 58 Abs. 3
Nr. 1 AufenthG).
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die sonstigen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711
ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird gemäß den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000.- Euro festgesetzt.