Urteil des VG Neustadt vom 25.03.2010

VG Neustadt: kostenbeitrag, gesetzlicher vertreter, besondere härte, stadt, nettoeinkommen, einkünfte, nacht, heim, pauschalbetrag, berechtigter

VG
Neustadt/Wstr.
25.03.2010
4 K 685/09.NW
Verwaltungsgericht Neustadt/Wstr.
Urteil vom 25.03.2010 - 4 K 685/09.NW
Jugendhilferecht
Verkündet am:
25. März 2010
gez. …
Justizbeschäftigte als Urkunds-
beamtin der Geschäftsstelle
Verwaltungsgericht
Neustadt an der Weinstrasse
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
der Frau C…,
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Heinz Köller, Bitscher Straße 1 a, 66955 A-Stadt,
gegen
die Stadt A-Stadt, ………………….
- Beklagte -
wegen Jugendhilferechts (Kostenbeitrag)
hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 25. März 2010, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Butzinger
Richter am Verwaltungsgericht Kintz
Richter am Verwaltungsgericht Bender
ehrenamtliche Richterin Hausfrau Koch
ehrenamtlicher Richter Werkzeugmacher Lahmers
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu einem jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag.
Ihr am 21. November 1991 geborener Sohn A erhält seit Mai 2007 Hilfe zur Erziehung im Rahmen seiner
auswärtigen Unterbringung in einem Heim in Berlin. Die Klägerin lebt in A-Stadt zusammen mit A-s
Bruder, dem am 25. Februar 1998 geborenen Sohn B, in einer Mietwohnung. Sie ist als Verkaufsleiterin in
einer Maschinenbaufirma beschäftigt. As Vater lebt inzwischen von der Familie getrennt und bezieht eine
monatliche Rente von ca. 460 €. Dieser war bis 2002 selbstständig tätig und musste wegen erheblicher
finanzieller Probleme den Betrieb einstellen.
Mit Bescheid vom 05. Dezember 2007 zog die Beklagte die Klägerin erstmals zu einem Kostenbeitrag in
Höhe von monatlich 380 € für die Zeit ab der Heimaufnahme heran. Dagegen erhob die Klägerin nach
erfolgloser Durchführung des Vorverfahrens Klage und wies zur Begründung insbesondere auf
verschiedenen Schuldverpflichtungen hin. Das unter dem Aktenzeichen 2 K 902/08.NW anhängige
Verfahren endete mit einem Vergleich in der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2009. In dem
Vergleich hob die Beklagte im Hinblick auf die unterbliebene Belehrung den Kostenbeitragsbescheid vom
05. Dezember 2007 auf, während sich die Klägerin verpflichtete, den Mindestbeitrag in Höhe von 154 € für
zu entrichten. Ferner wurde vereinbart, dass die Beklagte berechtigt sei, mit Wirkung ab dem 01. März
2009 den Kostenbeitrag neu zu berechnen.
Mit Schreiben vom 17. Februar 2009 teilte die Beklagte der Klägerin daraufhin mit, dass ihr Sohn A ab
dem 10. Mai 2007 Hilfe gemäß § 27 i.V.m. § 34 SGB VIII in Form von Hilfe über Tag und Nacht erhalte.
Weiter wies die Beklagte die Klägerin auf ihre auf den §§ 91 ff. SGB VIII beruhende Verpflichtung zum
Kostenbeitrag hin sowie darauf, dass der Unterhaltsbedarf von A für die Dauer der Hilfegewährung durch
die Leistungsgewährung in vollem Umfang gedeckt sei. Aus diesem Grund sei weder das Kind oder sein
gesetzlicher Vertreter noch ein Dritter berechtigt, für die Dauer der Jugendhilfeleistung von der Klägerin
für A Unterhalt zu verlangen. Die Klägerin sei ab Beginn der Jugendhilfegewährung nicht mehr legitimiert,
Unterhalt für A einzuziehen. Es sei mindestens das auf A entfallende Kindergeld als Kostenbeitrag für den
Zeitraum der Hilfe zu fordern. Sollten sich in den letzten Monaten Änderungen in den Einkommens- und
Vermögensverhältnissen gegenüber der letzten Überprüfung ergeben haben, könne die Klägerin
innerhalb der nächsten 14 Tage Unterlagen über die Einkünfte einreichen. Ansonsten werde die
Berechnung auf der Grundlage der vorliegenden Unterlagen erfolgen.
Nachdem die Klägerin in der Folgezeit keine neuen Unterlagen vorlegte, ermittelte die Beklagte einen
monatlichen Kostenbeitrag in Höhe von 425 € und setzte diesen Betrag mit Bescheid vom 11. März 2009
ab dem 01. März 2009 fest. Bei der Berechnung legte die Beklagte ein durchschnittliches monatliches
Bruttoeinkommen in Höhe von 3.655 € zugrunde und errechnete unter Hinzuziehung des Kindergeldes für
A in Höhe von 164 € ein Gesamteinkommen von 3.819,35 €. Hiervon zog sie Steuern,
Solidaritätszuschlag und Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 1.209,49 € ab, so dass sich
ein verbleibendes Einkommen in Höhe von 2.609,86 € ergab. Zusätzlich zog die Beklagte die
Belastungspauschale gemäß § 93 Abs. 3 SGB VIII von 25 % (= 652,47 €) ab und gelangte so zu einem für
die Eingruppierung in die Einkommensgruppe 10 der Kostenbeitragstabelle maßgeblichen Einkommen
von 1.957,40 €. Im Hinblick auf die Unterhaltspflichten der Klägerin gegenüber ihrem Sohn B erfolgte eine
Abstufung in die Einkommensgruppe 9, was einen Kostenbeitrag in Höhe von 425 € ergab. Die
Nebenrechnung der Beklagten zur Überprüfung der Unterhaltsansprüche weiterer vorrangig oder
gleichrangig Berechtigter führte zu einem verbleibenden unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen von
975,57 €. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berechnung wird auf die von der Beklagten vorgelegte
Behördenakte verwiesen.
Am 09. April 2009 legte die Klägerin gegen den Bescheid vom
11. März 2009 Widerspruch ein, den der Stadtrechtsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid
vom 26. Juni 2009, der Klägerin zugestellt am 02. Juli 2009, zurückwies. Zur Begründung führte der
Stadtrechtsausschuss aus, die dem Ausgangsbescheid zu Grunde liegende Berechnung entspreche den
maßgebenden Bestimmungen der §§ 92 f. SGB VIII i. V. m. den Vorschriften der
Kostenbeitragsverordnung. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass ihre berücksichtigungsfähigen
Belastungen über dem pauschalen Abzug lägen. Es fehlten sowohl Nachweise über Grund und Höhe der
Belastungen als auch Nachweise darüber, dass Schuldverpflichtungen bedient würden. Die vorliegenden
Unterlagen seien bruchstückhaft und ließen eine Beurteilung, ob sie im Sinne des Gesetzes angemessen
seien, nicht zu.
Am 24. Juli 2009 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie macht geltend, es sei zwar richtig, dass ihr
Bruttomonatsgehalt 3.655 € betrage. Jedoch lebe sie mittlerweile von ihrem Ehemann getrennt, was nach
den gängigen Rechenprogrammen zu einem Nettoeinkommen in Höhe von 2.112,46 € führe.
Unterhaltsrechtlich bevorrechtigt gegenüber A sei B und auch der Ehemann. Es seien erhebliche
Verbindlichkeiten bei der A-Bank, der B-Bank, der C-Bank und der D-Bank vorhanden; die Tilgung der
Schulden werde voraussichtlich noch fünf Jahre dauern. Die monatliche Gesamtdarlehensbelastung
betrage 1.210 €. Mit ihrem objektiv vorhandenen Einkommen könne sie die geforderten Zahlungen nicht
leisten.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 11. März 2009 und den Widerspruchsbescheid vom
26. Juni 2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt aus, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass die Belastungen nach Grund und Höhe
angemessen seien und die Grundsätze einer wirtschaftlichen Lebensführung nicht verletzten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze und die von der Beklagten vorgelegte Behördenakte verwiesen. Ihr Inhalt war
Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 11. März 2009, mit
dem die Klägerin ab dem 01. März 2009 zu einem Beitrag von 425,- € monatlich zu den Kosten der
Jugendhilfeleistung für ihren Sohn A herangezogen worden ist, und der hierzu ergangene
Widerspruchsbescheid des Stadtrechtsausschusses vom 26. Juni 2009 sind rechtmäßig und verletzen die
Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Entscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der
(letzten) Behördenentscheidung, d.h. des Erlasses des Widerspruchsbescheids (OVG Brandenburg, FEVS
55, 156; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 31. Oktober 1991 - 12 A 11505/91 -, juris). Die
Kammer hat somit zu prüfen, ob eine Heranziehung der Klägerin zum Kostenbeitrag für die Zeit von März
bis Juni 2009 rechtmäßig war.
Rechtsgrundlage für den Bescheid vom 11. März 2009 ist die Vorschrift des § 92 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII.
Danach sind Elternteile nach Maßgabe der §§ 93 und 94 SGB VIII unter anderem zu den Kosten der Hilfe
in einem Heim oder einer sonstigen betreuten Wohnform (§ 91 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 34 SGB VIII)
heranzuziehen. Die Heranziehung erfolgt gemäß § 92 Abs. 2 SGB VIII durch Erhebung eines
Kostenbeitrags, der durch Leistungsbescheid festgesetzt wird; Elternteile werden getrennt herangezogen.
Die Festsetzung des Kostenbeitrags richtet sich nach § 94 Abs. 1 SGB VIII, wonach die
Kostenbeitragspflichtigen aus ihrem Einkommen in angemessenem Umfang zu den Kosten
heranzuziehen sind. Gemäß § 94 Abs. 2 SGB VIII sind für die Bestimmung des Umfangs unter anderem
bei jedem Elternteil die Höhe des nach § 93 SGB VIII ermittelten Einkommens und die Anzahl der
Personen, die mindestens im gleichen Rang wie der untergebrachte junge Mensch unterhaltsberechtigt
sind, angemessen zu berücksichtigen. Absatz 5 der Norm schließlich führt ergänzend aus, dass für die
Festsetzung der Kostenbeiträge von Eltern, Ehegatten und Lebenspartnern junger Menschen nach
Einkommensgruppen gestaffelte Pauschalbeträge durch Rechtsverordnung bestimmt werden; von dieser
Ermächtigung hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Gebrauch gemacht
durch die Verordnung zur Festsetzung der Kostenbeiträge für Leistungen und vorläufige Maßnahmen in
der Kinder- und Jugendhilfe - Kostenbeitragsverordnung - (KostenbeitragsV) vom 1. Oktober 2005 (BGBl. I
Seite 2907).
Die Voraussetzungen für die Erhebung eines Kostenbeitrags nach
§§ 91 ff. SGB VIII sind hier erfüllt. Die Jugendhilfemaßnahme wurde rechtmäßig erbracht (
1.
hat die Klägerin ausreichend über die Folgen für ihre Unterhaltspflicht gegenüber ihrem Sohn A aufgeklärt
(
2.
nicht zu beanstanden (
3.
Ansicht des Gerichts um das der Klägerin gezahlte Kindergeld für ihren Sohn B (
4.
Belastungen der Klägerin für weitere Versicherungen, Arbeitsmittel und Schuldverpflichtungen, die die
kostenbeitragspflichtige Person gemäß § 93 Abs. 3 SGB VIII geltend machen kann, reicht die gemäß § 93
Abs. 3 Satz 3 SGB VIII anzusetzende Pauschale von 25 vom Hundert des nach den Abs. 1 und 2
errechneten Betrages aus (s. dazu
5
und die Einstufung in die Kostenbeitragstabelle sowie die damit einhergehende Ermittlung des
Kostenbeitrags führen nicht zu einem die Klägerin rechtswidrig belastenden Ergebnis (s. dazu
6.
Beklagte hat auch zu Recht keine Reduzierung des monatlichen Kostenbeitrags nach § 94 Abs. 4 SGB VIII
vorgenommen (s. dazu
7.
Härtefallgesichtspunkten ganz oder teilweise abzusehen (s. dazu
8.
1.
Klägerin nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
2.
Jugendhilfeleistung für den Unterhaltsanspruch ihres Sohnes in einer den Anforderungen des § 92 Abs. 3
Satz 1 SGB VIII i. V. m. § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII entsprechenden Art und Weise aufgeklärt worden.
Nach der zuerst genannten Bestimmung kann ein Kostenbeitrag erst ab dem Zeitpunkt erhoben werden,
ab welchem dem Pflichtigen die Gewährung der Leistung mitgeteilt und er über die Folgen für seine
Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen aufgeklärt wurde. Die Folgen für die Unterhaltspflicht
ergeben sich aus § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII. Soweit danach die Zahlung des Kostenbeitrags die
Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch
Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des
Unterhalts zu berücksichtigen. Die Vorschrift des § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII verdeutlicht, dass zwar der
bürgerlich-rechtliche Unterhaltsanspruch durch die Gewährung von Jugendhilfeleistungen dem Grunde
nach nicht berührt wird (vgl. BT-Drucksache 15/3676 Seite 31), dass aber die Bedarfsdeckung durch die
Jugendhilfeleistungen beim Unterhaltsberechtigten bzw. die durch die Zahlung des Kostenbeitrags
verminderte Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen bei der Berechnung des Unterhalts zu
berücksichtigen sind. Dem Unterhaltspflichtigen ist deshalb mitzuteilen, in welchem Umfang der
unterhaltsrechtliche Bedarf des Unterhaltsberechtigten durch die Jugendhilfeleistungen gedeckt und
damit seine Unterhaltspflicht reduziert ist und er stattdessen zu einem Kostenbeitrag herangezogen
werden kann (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Mai 2008 - 7 D 10429/08.OVG –; Mann in
Schellhorn/Fischer/Mann, SGB VIII, 3.Auflage 2007, § 92 Rdnr. 9).
Diesen Anforderungen genügt das Schreiben vom 17. Februar 2009. Die Beklagte hat der Klägerin
mitgeteilt, dass A ab dem 10. Mai 2007 Hilfe gemäß § 27 i.V.m. § 34 SGB VIII in Form von Hilfe über Tag
und Nacht erhalte. Mit der Feststellung, dass an die Stelle der bisherigen Unterhaltsverpflichtung der
Klägerin ein öffentlich-rechtlicher Kostenbeitrag trete, dessen Höhe noch festzusetzen sei, hat die
Beklagte den Inhalt der Vorschrift des § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII vollständig und deutlich wiedergegeben.
Der Hinweis, dass der Unterhaltsbedarf As für die Dauer der Hilfegewährung in vollem Umfang gedeckt
sei, musste nach Auffassung des Gerichts angesichts der dauerhaften Unterbringung des Kindes in einem
Heim nicht weiter konkretisiert werden; eines zusätzlichen Hinweises darauf, dass bei der Berechnung
des Unterhaltsanspruchs des Kindes die durch die Zahlung des Kostenbeitrags geminderte
Leistungsfähigkeit der Klägerin als Unterhaltsverpflichtete zu berücksichtigen sei, bedurfte es nicht. Auch
eine weitere Aufklärung über die Höhe des zu erwartenden Kostenbeitrages war nicht erforderlich; eine
solche ist in der Regel auch nicht möglich, da die Berechnung der Höhe des Kostenbeitrages gerade von
den noch einzuholenden Auskünften des Kostenbeitragspflichtigen über seine Einkünfte und Belastungen
abhängig ist.
3.
bestehen im Wesentlichen keine Bedenken. Als Einkommen gelten im Hilfezeitraum zufließende Einkünfte
in Geld oder Geldeswert (sog. Zuflusstheorie, vgl. z. B. BVerwG, NJW 2004, 2608 zum
sozialhilferechtlichen Einkommensbegriff). Bei regelmäßigen Geldzuflüssen in wechselnder Höhe oder
auch einmaligen Zahlungen (z.B. Urlaubsgeld, Weihnachtsgratifikation) kann ein über einen längeren
Zeitraum gemitteltes monatliches Durchschnittseinkommen gebildet werden (vgl. VG Münster, Urteil vom
12. Januar 2010 – 6 K 1854/08, juris).
Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die Beklagte aufgrund der von der Klägerin vorgelegten
Gehaltsbescheinigung ihres Arbeitgebers vom 22. Oktober 2007 von einem durchschnittlichen
Bruttoeinkommen in Höhe von 3.655,35 € pro Monat ausgegangen ist. Allerdings dürfte das Abstellen auf
einen Verdienst über einen Zeitraum von nur 5,5 Monaten, der im Übrigen zum Zeitpunkt der Berechnung
des Kostenbeitrags schon länger zurückliegt, für die Ermittlung des Einkommens nach Auffassung der
Kammer problematisch sein. Denn in dieser Berechnung fehlen einmalige Zahlungen wie z.B. das
Weihnachtsgeld oder weitere Prämien und Provisionen, die die Klägerin von ihrem Arbeitgeber gewährt
werden. Dies braucht hier indessen nicht weiter vertieft zu werden, denn dass die Klägerin im
maßgeblichen Zeitraum der Hilfegewährung von März bis Juni 2009 ein geringeres Arbeitseinkommen
erzielt haben könnte, ist nicht erkennbar. In der Klagebegründung vom 05. Oktober 2009 hat sie nur
bestätigt, dass sich ihr monatliches Bruttoeinkommen auf 3.655 € belaufe. Einen Steuerbescheid für das
Jahr 2008 oder eine aktuelle Gehaltsbescheinigung hat die Klägerin bis zuletzt nicht vorgelegt, obwohl ihr
dies jederzeit möglich gewesen wäre. Die Heranziehung des genannten Betrags als Grundlage der
Ermittlung des Arbeitseinkommens wirkt sich jedenfalls nicht zum Nachteil der Klägerin aus.
Von dem durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen der Klägerin in Höhe von 3.655,35 € hat die
Beklagte gemäß § 93 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII als auf das Einkommen gezahlte Steuer zutreffend die
Lohnsteuer (441,31 €), die Kirchensteuer (17,27 €) und den Solidaritätszuschlag (5,79 €) berücksichtigt
(zusammen 464,37 €). Als Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur
Arbeitsförderung (§ 93 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII)hat die Beklagte ebenfalls zutreffend die Beiträge zur
Krankenversicherung (274,18 €), Pflegeversicherung (30,46 €), gesetzlichen Rentenversicherung (363,71
€) und Arbeitslosenversicherung (76,76 €) in Ansatz gebracht (zusammen 745,12 €). Danach ergibt sich
ein monatliches Nettoarbeitseinkommen von 2.445,86 €, zu dem zutreffend das Kindergeld von 164 € für
A hinzugerechnet worden ist, so dass sich ein Ausgangsbetrag gem. § 93 Abs. 1 und 2 SGB VIII in Höhe
von 2.609,86 € ergibt.
Soweit die Klägerin im Klageverfahren behauptet hat, sie lebe mittlerweile von ihrem Ehemann getrennt,
was nach den gängigen Rechenprogrammen zu einem Nettoeinkommen in Höhe von 2.112,46 € führe,
kann sie damit hier nicht gehört werden. Die Ermittlung des Einkommens erfolgt nicht nach abstrakten
Rechenprogrammen, sondern aufgrund der Vorlage konkreter Gehaltsbescheinigungen bzw.
Steuerbescheide. Obwohl die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 17. Februar 2009 gebeten hatte,
im Falle der Änderung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse neue Unterlagen einzureichen, kam
die Klägerin dem bis zuletzt nicht nach.
4
weiteren Sohn der Klägerin, der mit ihr zusammen in einem Haushalt wohnt, in Höhe von 164 €
hinzuzurechnen. Das erkennende Gericht schließt sich insoweit der Auffassung verschiedener
Verwaltungsgerichte (s. z.B. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Dezember 2009 - 12 S 1550/07 -,
juris; VG Münster, Urteil vom 12. Januar 2010 – 6 K 1854/08 -, juris; VG Oldenburg, Urteil vom 31. März
2008 - 13 A 5469/05 -, juris; VG Aachen, Urteil vom 23.6.2009 - 2 K 1817/08 - juris Rn. 30 m. w. N; aA z.B.
Wiesner, Kommentar zum SGB VIII, § 93 Rdnr. 5) an, dass auch das für die Geschwisterkinder gezahlte
Kindergeld dem Einkommen des Kostenbeitragspflichtigen hinzuzurechnen ist. Dies ergibt sich aus
Folgendem:
Zum Einkommen gehören gemäß § 93 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit
Ausnahme der Grundrente nach oder entsprechend dem Bundesversorgungsgesetz sowie der Renten
und Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für einen Schaden an Leben sowie an Körper
und Gesundheit gewährt werden bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem
Bundesversorgungsgesetz. Derartige Ausnahmen stehen hier nicht zur Rede.
Auch liegt keine Ausnahme nach § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII vor, wonach Geldleistungen, die dem
gleichen Zweck wie die jeweilige Leistung der Jugendhilfe dienen, nicht zum Einkommen zählen und
unabhängig von einem Kostenbeitrag einzusetzen sind. Denn Kindergeld für ein bestimmtes Kind dient
dazu, die in der Person des Kindes entstehenden Kosten der allgemeinen Lebensführung mindestens
dazu, die in der Person des Kindes entstehenden Kosten der allgemeinen Lebensführung mindestens
teilweise zu decken und zur Entlastung von den Kosten des Lebensunterhalts beizutragen (vgl. BVerwG,
NJW 1999, 2383). Es kann denknotwendig daher nicht dem gleichen Zweck wie die jeweilige Leistung der
Jugendhilfe für ein anderes Kind dienen.
Das Geschwisterkindergeld unterfällt auch nicht dem Ausschlussgrund des § 93 Abs. 1 Satz 4 SGB VIII.
Danach sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten
Zweck erbracht werden, nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Im Falle der Gewährung des
Kindergeldes an ein Geschwisterkind fehlt es aber an einem solchen ausdrücklich genannten Zweck. § 93
SGB VIII sieht eine eigenständige Definition des maßgeblichen Einkommensbegriffs vor. Daher können
andere Bestimmungen wie die §§ 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II, nach denen das
Kindergeld dem Kind zuzurechnen ist, zur Auslegung des Begriffs „Einkommen“ im jugendhilferechtlichen
Sinne nicht herangezogen werden (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Dezember 2009 - 12 S
1550/07 -, juris unter Bezugnahme auf BT-Drucksache 15/3676, Seite 41 f.). Bei den genannten
Vorschriften fehlt es an der in § 93 Abs. 1 Satz 4 SGB VIII geforderten ausdrücklichen Nennung des
Zwecks. Dies entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung des BVerwG (NJW 1999, 2383), das den
„allgemeinen Zweck des Familienlastenausgleichs“ hervorgehoben hat, der für das Kindergeld einen
weiten Verwendungsrahmen ziehe, welcher von den Kindergeldberechtigten auf sehr unterschiedliche
und vielfältige Weise ausgefüllt werden könne. Die Offenheit und Weite dieser Zweckbestimmung seien
Ausdruck gesetzgeberischer Zurückhaltung, die dem einzelnen Kindergeldberechtigten die Entscheidung
überlasse, in welcher Art und Weise er das Kindergeld entsprechend seiner allgemeinen Zielsetzung
zugunsten der Kinder, für die es geleistet werde, verwende.
Eine ausdrückliche Zweckbestimmung sieht auch weder das Bundeskindergeldgesetz noch § 31 EStG
vor, der den Familienleistungsausgleich regelt. Das Kindergeld ist keine reine Sozialleistung, sondern
teilweise auch als Steuervergütung anzusehen, um eine Steuerfreiheit in Höhe des Existenzminimums
sicherzustellen (s. § 31 Satz 1 EStG). Das Kindergeld dient dem allgemeinen Zweck des Lastenausgleichs
und überlässt es dem Kindergeldberechtigten, in welcher Art und Weise er das Kindergeld verwendet.
Wegen der fehlenden „ausdrücklichen“ Zweckbestimmung kann deshalb nicht davon ausgegangen
werden, dass das Kindergeld - unabhängig davon, für welches Kind es gezahlt wird - nicht zum
Einkommen im Sinne des § 93 Abs. 1 SGB VIII zählt. Auch aus der Gesetzesbegründung zu § 93 SGB VIII
ergibt sich, dass das Kindergeld dem Einkommen zuzurechnen ist, ohne dass in diesem Zusammenhang
eine Differenzierung vorgenommen wurde (BT-Drucksache 15/5616, Seite 27).
Somit ergibt sich unter Hinzurechnung des Geschwisterkindergeldes in Höhe von 164 € ein maßgebliches
Nettoeinkommen der Klägerin in Höhe von 2.773,86 €. Insoweit ist der angegriffene Bescheid zwar
fehlerhaft, diese unrichtige Berechnung belastet die Klägerin jedoch nicht in ihren Rechten.
5.
abzuziehen. In Betracht kommen insbesondere Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen
oder ähnlichen Einrichtungen, die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen
Ausgaben sowie Schuldverpflichtungen (§ 93 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII). Der Abzug erfolgt gemäß § 93 Abs.
3 Satz 3 SGB VIII durch eine Kürzung des nach den Absätzen 1 und 2 errechneten Betrages um pauschal
25 vom Hundert, was vorliegend einen Betrag in Höhe von 693,47 € ergibt. Sind die Belastungen höher
als der pauschale Abzug, so können sie abgezogen werden, soweit sie nach Grund und Höhe
angemessen sind und die Grundsätze einer wirtschaftlichen Lebensführung nicht verletzen (§ 93 Abs. 3
Satz 4 SGB VIII). Die kostenbeitragspflichtige Person muss die Belastungen gemäß § 93 Abs. 3 Satz 5
SGB VIIInachweisen.
Für eine Verminderung des - der Kostenbeitragsberechnung zugrunde zu legenden - Nettoeinkommens
der Klägerin nach § 93 Abs. 1 SGB VIII um mehr als den Pauschalabzug in Höhe von 25 vom Hundert
gemäß § 93 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII ist hier kein Raum.
Die monatlichen Aufwendungen der Klägerin für Miete, Haushaltsstrom, Heizung und Wasser zählen zu
den Unterkunftskosten. Diese Kosten sind in die Beiträge der Kostenbeitragstabelle bereits eingearbeitet
und können deshalb im Rahmen der Abzugskosten nach § 93 Abs. 3 SGB VIII keine Berücksichtigung
finden (s. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12. März 2010 – 7 B 10085/10.OVG -).
Der Pauschalbetrag von 693,47 € deckt die gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VIIII vom Einkommen
abzusetzenden Ausgaben der Klägerin für die Fahrt zum knapp 5 km entfernten Arbeitsplatz. Die
Beantwortung der Frage, welche Belastungen nach § 92 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII einkommensmindernd zu
berücksichtigen sind, ist an steuerrechtlichen Grundsätzen auszurichten (s. OVG Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 18. Dezember 2008 - 12 E 1458/08 -, juris; VG Neustadt, Urteil vom 12. Februar 2010 - 2 K
343/09.NW -). Zur Abgeltung der Aufwendungen der Klägerin für die Fahrt zu ihrem Arbeitsplatz ist
deshalb je Arbeitstag für jeden vollen Entfernungskilometer der Wegstrecke ein Betrag von 0,30 €
anzusetzen. Damit sind sämtliche Aufwendungen abgegolten, die durch die Fahrten zwischen Wohnung
und Arbeitsstätte und die Heimfahrten veranlasst sind. Danach ist ein monatlicher Betrag von 27,50 € (330
€ bei 220 Arbeitstagen/12 Monate) zu berücksichtigen.
Die Frage, ob neben den Kosten für die Fahrt zum Arbeitsplatz nach § 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VIIII
zusätzlich die Kosten für eine Kraftfahrzeugversicherung abzugsfähig sind(so Münder u. a., Frankfurter
Kommentar zum SGB VIII, 5. Auflage 2006, § 93 Rdnr. 26 und OVG des Saarlandes, Beschluss vom 22.
März 2010 - 3 D 9/10 -, juris) oder ob die Kosten einer Kraftfahrzeugversicherung mit der
Pendlerpauschale gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG vollständig abgedeckt sind (so VG Magdeburg, Urteil vom
17. Februar 2010 – 4 A 27/09 -, juris; vgl. auch Mann in Schellhorn/Fischer/Mann, a.a.O., § 93 Rdnr. 21),
bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn die Klägerin hat solche Kosten nicht geltend gemacht. Auf
Belastungen aus Versicherungsbeiträgen, die nach § 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB VIII zu beachten sein
könnten, hat sich die Klägerin ebenfalls nicht berufen.
Nach Abzug von 27,50 € für die Aufwendungen der Klägerin für die Fahrt zum Arbeitsplatz verbleibt ein
Betrag von 665,97 €. Dieser Betrag deckt auch die monatlichen Belastungen in Höhe von 211 € ab, die
die Klägerin wegen der Anschaffung eines Kraftfahrzeugs aufgrund eines Darlehensvertrages aus dem
Jahre 2002 an die A-Bank zu zahlen hat. Es bedarf daher keiner Entscheidung der Kammer, ob diese
Schuldverpflichtung gegenüber der A-Bank nach § 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 und Satz 4 SGB VIII als
Schuldverpflichtung überhaupt abzugsfähig ist.
Entgegen der Auffassung der Klägerin müssen in die Vergleichsberechnung nicht zusätzlich gemäß § 93
Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII als Schuldverpflichtungen die von ihr monatlich aufzubringenden
Tilgungsraten von 210 € für ein Darlehen bei der D-Bank, von 350 € für ein Darlehen bei der C-
Bank(nunmehr Link Financial) und von 439 € für ein Darlehen bei der B-Bank einstellen.
Schuldverpflichtungen können nur berücksichtigt werden, wenn sie nach objektiven Maßstäben dem
Grunde und der Höhe nach angemessen sind und die Grundsätze einer wirtschaftlichen Lebensführung
nicht verletzen. Es ist abzuwägen, ob in vergleichbarer persönlicher oder wirtschaftlicher Situation die
Finanzierung der beschafften Gegenstände durch Aufnahme eines Kredites üblich oder zu verantworten
ist (vgl. Münder u. a., Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, a.a.O., § 93 Rdnr. 29). Schuldverpflichtungen,
die erst während der laufenden Hilfegewährung eingegangen werden, sind nur zu berücksichtigen, wenn
sie zur Anschaffung notwendiger Gegenstände des täglichen Lebens unumgänglich waren, nicht aber,
wenn sie der Finanzierung von Luxus, Sucht, oder der allgemeinen Lebensführung dienen (OVG
Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. März 2009 – 12 A 3019/08 -, juris). Erforderlich ist ferner die
Darlegung von Grund und Zeitpunkt der Entstehung dieser Verpflichtungen, die die notwendige
Beurteilung ihrer Angemessenheit zulässt (vgl. § 93 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII). Dass es einer solchen
Darlegung bedarf, ergibt sich nicht zuletzt aus § 93 Abs. 3 Satz 5 SGB VIII, der den Nachweis der
Belastungen durch die kostenbeitragspflichtige Person verlangt.
Hier hat die Klägerin nicht ausreichend nachgewiesen, dass die von ihr eingegangenen Verbindlichkeiten
gegenüber der D-Bank, der B-Bank und der C-Bank nach objektiven Maßstäben dem Grunde und der
Höhe nach angemessen waren und die Grundsätze einer wirtschaftlichen Lebensführung nicht verletzten.
Für eine Ermessensentscheidung der Beklagten gemäß § 93 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII hat danach kein
Anlass bestanden. Im Einzelnen ist dazu Folgendes auszuführen:
In Bezug auf die Verbindlichkeiten bei der D-Bank und der C-Bank hat die Klägerin nicht den Nachweis
geführt, wofür die Kredite von ihr in Anspruch genommen worden sind. Sie hat im Verwaltungsverfahren
lediglich einen undatierten Vertragsentwurf bezüglich des Kredits mit der D-Bank vorgelegt, der keinerlei
Angaben über den Zweck des Darlehens enthält. Was den Darlehensvertrag mit der C-Bank anbetrifft, hat
die Klägerin einen „aktuellen Zahlungsplan“ vom 30. August 2007, der den Kontostand und die
monatlichen Zahlungspflichten ausweist, und ein Schreiben der Bank vom 04. Februar 2008 eingereicht,
in dem der monatlich zu begleichende Betrag von 350 € genannt ist. Da die Schreiben der C-
BankAngaben über den Zweck des Darlehens nicht enthalten, ist nicht ersichtlich, in welchem
Zusammenhang diese Forderung entstanden ist. Zu den Zahlungen an die D-Bank hat die Klägerin nur
angegeben, diese gingen auf eine Darlehensaufnahme in Verbindung mit der Kreditkarte zurück. Bei der
C-Bank sei ein Darlehen aufgenommen worden, um Verbindlichkeiten des Ehemannes aus dessen
selbstständiger Tätigkeit abzudecken. Diese allgemeinen Angaben versetzen weder die Behörde noch
das Gericht in die Lage, die Belastungen auf eine den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Lebensführung
entsprechende Verwendung zu überprüfen, obwohl - worauf die Klägerin mehrfach hingewiesen wurde -
der Nachweis gemäß § 93 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII von ihr zu erbringen ist.
Was die Schulden bei der B-Bank anbetrifft, so hat die Klägerin zwar belegt, dass sie und ihr Ehemann am
11. Dezember 2007 mit der Bank einen Darlehensvertrag über einen Betrag in Höhe von 26.465,51 €
geschlossen haben. Der Vertrag, der offenbar der Ablösung eines im Jahre 1999 geschlossenen
Darlehensvertrages diente, sieht 84 Annuitätsraten aus Zins und Tilgung vor, wobei 83 mal 439,37 und
einmal 276,99 € pro Monat beginnend ab dem 30. Dezember 2007 zu zahlen sind. Den Vertrag schlossen
die Klägerin und ihr Ehemann zu einem Zeitpunkt, in dem die Beklagte für ihren Sohn A bereits
Jugendhilfeleistungen gewährte. In Anbetracht ihrer persönlichen finanziellen Verhältnisse waren die von
der Klägerin im Dezember 2007 eingegangenen Zahlungsverpflichtungen aber unangemessen hoch. Als
Verwendungszweck ist in dem Vertrag ausdrücklich „Konsum“ angegeben; die Klägerin hat damit nicht
nachgewiesen, dass die Kreditaufnahme bzw. die Konditionen der Rückzahlung nicht die Grundsätze
einer wirtschaftlichen Lebensführung verletzen.
Zu keinem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gelangt man im Übrigen auch dann, wenn man die
monatlichen Kreditzahlungen an die B-Bank noch als nach Grund und Höhe angemessen ansehen
würde. Denn der Pauschalbetrag von 693,47 € deckt auch noch diese Zahlungen in Höhe von 439 €
monatlich ab (693, 47 € abzüglich 27,50 € für die Fahrtkosten zum Arbeitsplatz und abzüglich 211 € für die
Zahlungen an die A-Bank = 454,97 €).
Nach alledem errechnet sich für die als Abzugsposten konkret in Betracht kommenden Belastungen nach
§ 93 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII ein maximaler Gesamtbetrag von 677,50 € (27,50 € + 211 € + 439 €), der unter
dem Pauschalbetrag von 693,47 € liegt. Zieht man den Pauschalbetrag von dem sich nach § 93 Abs. 1
und 2 SGB VIII ergebenden Einkommensbetrag von 2.773,86 € ab, verfügt die Klägerin über ein
maßgebliches Einkommen nach § 93 Abs. 1 bis 3 SGB VIII in Höhe von 2.080, 39 €.
6.
Kostenbeitragstabelle sowie die damit einhergehende Ermittlung des Kostenbeitrags führen nicht zu
einem die Klägerin rechtswidrig belastenden Ergebnis. Setzt man den Betrag von 2.080, 39 € in die in der
Anlage zu § 1 KostenbeitragsV befindliche Kostenbeitragstabelle ein, so ist die Klägerin in die
Beitragsgruppe 11 einzuordnen. Die auf diese Weise in der Tabelle gefundene Einkommensgruppe ist im
Blick auf die Zahl anderer unterhaltspflichtiger Familienangehöriger nach den in § 4 Abs. 1
KostenbeitragsV genannten Kriterien durch „Sprünge“ über Einkommensgruppen hinweg zu korrigieren.
Da die Klägerin gegenüber ihrem Sohn B in mindestens dem gleichen Rang wie ihrem untergebrachten
Sohn A zum Unterhalt verpflichtet ist, erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 KostenbeitragsV eine Herabstufung
um eine Einkommensgruppe, so dass die Klägerin in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum von März
bis Juni 2009 nach der Beitragsgruppe 10 der Anlage zu § 1 der KostenbeitragsV für die vollstationäre
Unterbringung ihres Sohnes A in einem Heim nach der Beitragsstufe 1 als erster Person einen
monatlichen Kostenbeitrag von 475 € zu leisten hatte. Die Beklagte ist wegen der Nichtberücksichtigung
des Geschwisterkindergeldes von niedrigeren Einkommensbeträgen ausgegangen und hat einen
Kostenbeitrag von 425 € entsprechend der Gruppe 9 ermittelt. Diese Berechnung des Kostenbeitrags führt
zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis, die sie nicht in ihren Rechten belastet.
Ein anderes Resultat ergibt sich auch nicht aus dem Einwand der Klägerin, unterhaltsrechtlich
bevorrechtigt gegenüber A sei auch ihr Ehemann. Gemäß § 4 Abs. 1 KostenbeitragsV sind weitere
Unterhaltspflichten der beitragspflichtigen Person nur zu berücksichtigen, soweit diese
unterhaltsberechtigten Personen nach § 1609 BGB mindestens den gleichen Rang wie der
untergebrachte junge Mensch haben. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der KostenbeitragsV am 01.
Oktober 2005 war zwar noch § 1609 BGB in der Fassung vom 02. Januar 2002, gültig bis 31. Dezember
2007, in Kraft. Gemäß dessen Absatz 2 stand der Ehegatte den Kindern im Sinne des § 1603 Abs. 2 BGB
(minderjährige unverheiratete Kinder) gleich. Diese Rangfolge hat der Gesetzgeber jedoch mit
Inkrafttreten des Unterhaltsreformgesetzes zum 01. Januar 2008 (BGBl 2007, 3189) geändert. Seitdem
gehen Ehegatten den minderjährigen unverheirateten Kindern und Kindern im Sinne des § 1603 Abs. 2
Satz 2 BGB im Range nach. Diese Neufassung ist auch maßgeblich für die Eingruppierung in die Tabelle
der KostenbeitragsV (s. ausführlich OVG Schleswig-Holstein, FamRZ 2010, 406; VG Münster, Urteil vom
12. Januar 2010 – 6 K 1854/08 -, juris).
7.
VIII vorgenommen. Danach ist die tatsächliche Betreuungsleistung über Tag und Nacht auf den
Kostenbeitrag anzurechnen, wenn Leistungen über Tag und Nacht erbracht werden und sich der junge
Mensch nicht nur im Rahmen von Umgangskontakten bei einem Kostenbeitragspflichtigen aufhält. Dass
sich A im streitgegenständlichen Zeitraum für längere Zeit im Haushalt der Klägerin in A-Stadt aufgehalten
hat, hat diese nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich.
8.
Härtefallgesichtspunkten ganz oder teilweise aufzuheben. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 KostenbeitragsV liegt
eine besondere Härte im Sinne des § 92 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII vor, wenn die Unterhaltsansprüche
gleichrangig Berechtigter geschmälert würden. In solchen Fällen soll von der Heranziehung zu einem
Kostenbeitrag ganz oder teilweise abgesehen werden (§ 92 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII). Die genannte
Regelung verpflichtet den Jugendhilfeträger also, die Unterhaltsansprüche gleichrangig berechtigter
Kinder in seine Berechnungen einzustellen. Zur Beantwortung der Frage, ob und in welcher Höhe
Unterhaltsansprüche bestehen, kann sich die Beklagte an den Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der
Familiensenate in Süddeutschland (SüdL, hier in der Fassung vom 01. Januar 2008 ), die u.a. auch vom
Oberlandesgericht Zweibrücken angewendet werden, sowie der Düsseldorfer Tabelle (hier in der
Fassung vom 01. Januar 2009) orientieren (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12. März 2010 - 7 B
10085/10.OVG zu den Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des Oberlandesgerichts
Koblenz).
Die Unterhaltsvergleichsberechnung führt zu keiner Beeinträchtigung des Sohnes B durch die
Kostenbeitragszahlungen für A. Die Beklagte hat das für B gezahlte Kindergeld zu Recht (Nr. 3 SüdL; vgl.
auch BGH, FamRZ 1981, 28, 29 und OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12. März 2010 - 7 B
10085/10.OVG) nicht als Einkommen berücksichtigt. Es ist daher von einem monatlichen
Nettoarbeitseinkommen der Klägerin von 2.445,86 € auszugehen.
Als berufsbedingte Aufwendungen sind hier ausschließlich die Kosten für Fahrten zum Arbeitsplatz zu
berücksichtigen. Nach Nr. 10.2.1 SüdL kann bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte eine Pauschale
von vom Hundert des Nettoeinkommens angesetzt werden. Übersteigen die berufsbedingten
Aufwendungen die Pauschale, so sind sie im Einzelnen darzulegen. Für die notwendigen Kosten der
berufsbedingten Nutzung eines Kraftfahrzeugs kann nach Nr. 10.2.2 SüdL der nach den Sätzen des § 5 II
Nr. 2 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern,
Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen,
ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz -
JVEG) anzuwendende Betrag (derzeit 0,30 €) pro gefahrenen Kilometer angesetzt werden. Die von der
Klägerin aufgewendeten Kosten für die Fahrt zu ihrem ca. 5 km entfernten Arbeitsplatz übersteigen den
Pauschbetrag von 5 vom Hundert des Nettoeinkommens (= 122,29 €) nicht (5 x 2 km x 0,30 € = 3 € x 220
Tage/12 Monate = 55,00 €). Da die Klägerin ferner keine berufsbedingten Aufwendungen konkret
nachgewiesen hat, können neben den Fahrtkosten keine weiteren berufsbedingten Aufwendungen mehr
abgesetzt werden (vgl. VG Augsburg, Urteil vom 21. April 2009 – Au 3 K 08.498 -, juris).
Abzüglich der 122,29 € pauschaler Werbungskosten errechnet sich ein unterhaltsrechtlich bereinigtes
Nettoeinkommen in Höhe von 2.323,57 €. Dieses Einkommen führt zunächst zur Einstufung in die
Einkommensgruppe 4 (2.301 – 2.700 €) der im Jahre 2009 maßgeblichen Düsseldorfer Tabelle. Es findet
aber eine Heraufstufung um eine Gruppe in die Einkommensgruppe 5 (2.701 – 3.100 €) mit 120 % des
Mindestunterhalts statt, weil die Klägerin zwei statt drei Personen gegenüber unterhaltsverpflichtet ist (Nr.
11.2 SüdL). Dies hat zur Folge, dass die Klägerin ihrem Sohn B, die der Altersstufe 6 bis 11 Jahre
angehört, monatlich 387 € Tabellenbetrag schuldet. Gemäß § 1612 b Abs. 1 Nr. 1 BGB (i.V.m. Nr. 14
SüdL) ist für die hypothetische Vergleichsberechnung das Kindergeld zur Hälfte anzurechnen (164 €/2 =
82 €), da die Klägerin ihre Unterhaltspflicht durch Betreuung von B erfüllt. Für A, der der Altersstufe 12 bis
17 Jahre angehört, ist ein Unterhaltsbetrag von 453 € in Ansatz zu bringen. Auf diesen ist ebenfalls ein
Betrag von 82 € anzurechnen.Somit hätten B und A einen Barunterhaltsanspruch in Höhe von 305 € bzw.
371 € (387 € - 82 € für B und 453 € - 82 € für A), zusammen also 676 €.
Nach Nr. 21.2. SüdL beträgt der Selbstbehalt des Erwerbstätigen und zum Unterhalt Verpflichteten als
unterste Grenze seiner Inanspruchnahme monatlich 900 €. Bei einem Abzug des unterhaltsrechtlich
bereinigten Nettoeinkommens in Höhe von 2.323,57 € um 676 € verbleibt ein Betrag von 1.647,57 €, so
dass der Klägerin deutlich mehr als der Selbstbehalt von 900 € und ebenso mehr als der
Bedarfskontrollbetrag der Einkommensgruppe 5 der Düsseldorfer Tabelle von 1.300 € verbleibt. Eine
weitere Korrektur der – fiktiven – Unterhaltsberechnung aus Billigkeitsgesichtspunkten wäre danach nicht
gerechtfertigt. Im Hinblick auf dieses Ergebnis ist auch keine Mangelfallberechnung nach Nr. 23 SüdL
durchzuführen.
Die Klage musste nach alledem ohne Erfolg bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2
VwGO nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils gegen der Kosten
auf § 167 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung …
Richter Bender ist wegen
Abwesenheit an der Beifügung
seiner Unterschrift gehindert.
gez. Butzinger
gez. Kintz
gez. Butzinger