Urteil des VG Münster vom 09.03.2007

VG Münster: umweltverträglichkeitsprüfung, vorprüfung, landwirtschaftliches grundstück, entlastung, behörde, einfluss, zustand, gutachter, mangel, eigentum

Verwaltungsgericht Münster, 7 K 2635/04
Datum:
09.03.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 2635/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten
der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger ist Eigentümer des ca. 1,7 ha großen Grundstücks G1. Im
Flächennutzungsplan ist das Grundstück als landwirtschaftlich genutzte Fläche
ausgewiesen. Auf dem Grundstück befindet sich auf einer ca. 50 m x 45 m großen
Fläche eine Altablagerung. Das Grundstück wird in nordöstlicher Richtung durch den
Roggenbach begrenzt; westlich grenzt das gewerblich genutzte, etwa 115 m breite G2
an; die westliche Grundstücksseite dieses Flurstücks reicht bis an die Stever, an deren
westlichem Ufer der Ortsteil Appelhülsen der beigeladenen Gemeinde liegt.
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Am 28. Oktober 1998 war es infolge extremer Niederschläge im Ortsteil Appelhülsen zu
erheblichen Ausuferungen an den Gewässern der Stever und des Brulandbaches
gekommen. Das Hochwasserereignis hatte dazu geführt, dass u. a. der Ortsteil
Appelhülsen sowie weite Teilbereiche des Baugebietes „Appelhülsen Nord I" überflutet
worden waren.
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Durch Planfeststellungsbeschluss vom 16. Juli 2004 wurde zugunsten der
Beigeladenen der Plan zur Durchführung von Hochwasserschutzmaßnahmen für den
Ortsteil Appelhülsen durch Entlastung der Stever in den Roggenbach festgestellt.
Gleichzeitig wurden die von dem Kläger erhobenen Einwendungen zurückgewiesen.
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Am 19. August 2004 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus: Für
das Vorhaben fehle es an einer Planrechtfertigung, weil bereits durchgeführte
Maßnahmen im Hinblick auf den gebotenen Hochwasserschutz ausreichend seien.
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Durch das Vorhaben würden Hochwassergefahren auf seinem Grundstück ausgelöst,
die bislang nicht zu befürchten gewesen seien. Die Einschätzung des Beklagten, durch
das planfestgestellte Vorhaben werde sich die Hochwassersituation auf seinem
Grundstück verbessern, sei unzutreffend, diese Einschätzung beruhe auf einer
Verkennung der verwendeten Grundlagendaten. Bei zutreffender Bewertung der
vorhandenen Daten habe der Beklagte davon ausgehen müssen, dass bei dem
derzeitigen Zustand nicht mit einem Hochwasser auf dem Grundstück zu rechnen sei,
während sich die Gefahr eines solchen Hochwassers nach Durchführung der
Baumaßnahmen erhöhen werde. Dies belege das von ihm eingeholte Gutachten des
Ingenieurbüros T. vom 31. Januar 2006. Die Stellungnahme des Staatlichen
Umweltamtes vom 4. August 2006 vermöge an dieser Einschätzung des Gutachters
nichts zu ändern, vielmehr werde durch diese bestätigt, dass die Sachverhaltsermittlung
des Beklagten unzureichend gewesen sei. Für das Vorhaben sei keine
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt worden. Der Beklagte habe zwar
eine Vorprüfung durchgeführt; er sei jedoch zu Unrecht von einer fehlenden UVP-Pflicht
ausgegangen. Er, der Kläger, könne sich als Drittbetroffener auch auf eine Missachtung
des UVP-Erfordernisses berufen. Das Vorhaben bewirke erhebliche Veränderungen
des natürlichen Geländes zwischen Stever und Roggenbach. Für den Fall eines
Hochwassers müsse damit gerechnet werden, dass sich die Wasserqualität des
Roggenbachs durch die Zuführung von Stever- Hochwasser deutlich verändern werde.
Das Vorhaben führe zu einer erhöhten Hochwassergefahr auf seinem Grundstück.
Durch Erkundungsbohrungen hätten die Auswirkungen des Vorhabens auf die
Altablagerungen auf seinem Grundstück untersucht werden müssen. Es sei außerdem
mit einem erheblichen Eingriff in Natur und Landschaft verbunden, es werde des
weiteren Waldbestand beseitigt.
Der Kläger beantragt,
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den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten „zum Hochwasserschutz der Ortslage
Appelhülsen durch Maßnahmen zur Entlastung der Stever in den Roggenbach durch
die Gemeinde Nottuln" vom 16. Juli 2004 aufzuheben,
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hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, im Wege der Planergänzung durch
Festsetzung geeigneter Maßnahmen sicherzustellen, dass die Hochwassergefahr auf
seinem Grundstück G1 verringert wird.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung macht er geltend: Dem Vorhaben fehle nicht die notwendige
Planrechtfertigung; mögliche Varianten seien zuvor ausreichend geprüft worden.
Schlussfolgernd aus der Variantenuntersuchung sei festgestellt worden, dass die
Maßnahmen aus Gründen des Allgemeinwohls objektiv erforderlich seien, um den
Hochwasserschutz für die Ortslage Appelhülsen sicherzustellen. Im
Planfeststellungsbeschluss sei dargelegt worden, dass sich nach der Realisierung des
Vorhabens eine Verbesserung der Hochwassersituation für das Grundstück des Klägers
ergebe. Aber selbst wenn nach Ausführung der Maßnahmen eine Überflutung des
Grundstückes bei einem Hochwasserstand, wie er in 100 Jahren einmal vorkomme
(HQ100), stattfinde, zu der es vor den Baumaßnahmen nicht gekommen wäre, müsse
diese vom Grundstückseigentümer entschädigungslos hingenommen werden. Insofern
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verweise er auf die DIN 19700, Teil 12, wonach landwirtschaftlich genutzte Grundstücke
einen Hochwasserschutzkomfort von maximal HQ5 bis HQ10 genössen. Dieser
Schutzkomfort sei für das Grundstück des Klägers bei weitem erreicht. Wenn, statistisch
betrachtet, ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück nach den Berechnungen des
Klägers einmal in 100 Jahren nur für einen kurzen Zeitraum überschwemmt werde, sei
dies dem Grundstückseigentümer zuzumuten. Eine UVP-Pflicht habe nicht bestanden,
die gemäß § 3c UVPG durchgeführte Vorprüfung habe ergeben, dass die geplanten
Maßnahmen keine erheblich nachteiligen Umweltauswirkungen auf die UVP-
Schutzgüter haben würden.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Sie ist zulässig. Der Kläger ist im Sinne des § 42 Abs. 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - klagebefugt. Als Eigentümer des an den
Roggenbach angrenzenden Grundstückes kann er geltend machen, durch den
angefochtenen Planfeststellungsbeschluss in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 des
Grundgesetzes - GG - verletzt zu sein. Es besteht die Möglichkeit, dass er durch den
angefochtenen Planfeststellungsbeschluss - als so genannter schlichter
Rechtsbetroffener - in seinem Anspruch auf die gerechte Abwägung seiner eigenen
Belange im Rahmen der Planfeststellungsentscheidung und in der Folge davon in
seinem grundrechtlich geschützten Eigentum rechtswidrig betroffen ist.
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Vgl. zur möglichen Rechtsverletzung so genannter Rechtsbetroffener: Schenk in Sieder-
Zeitler-Dahme, WHG, Stand September 2006, § 31 WHG, Rdnr. 233, 265ff. m.w.N..
17
Die Klage ist mit dem Haupt- sowie dem Hilfsantrag unbegründet.
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Der Kläger hat nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses
des Planfeststellungsbeschlusses vom 16. Juli 2004 keinen Anspruch auf dessen mit
dem Hauptantrag begehrte Aufhebung, der Planfeststellungsbeschluss ist rechtmäßig
und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er kann
auch nicht - bezogen auf die insoweit maßgebliche Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt
der mündlichen Verhandlung - mit Erfolg einen Anspruch auf die hilfsweise begehrte
Planergänzung geltend machen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage für den Planfeststellungsbeschluss sind § 31 des
Wasserhaushaltsgesetzes - WHG - in Verbindung mit den §§ 100 bis 104, 107, 152 und
153 des Wassergesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Landeswassergesetzes -
LWG -) sowie den §§ 72 ff. des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-
Westfalen - VwVfG NRW -. Nach § 31 Abs. 2 WHG bedarf die Herstellung, Beseitigung
oder wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer (Gewässerausbau)
der Planfeststellung. Deich- und Dammbauten, die den Hochwasserabfluss
beeinflussen, stehen dem Gewässerausbau gleich. Das Planfeststellungsverfahren für
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einen Gewässerausbau, für den nach dem Gesetz zur Umweltverträglichkeitsprüfung
eine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht (UVP-
pflichtiger Gewässerausbau), muss den Anforderungen des Gesetzes über die
Umweltverträglichkeitsprüfung entsprechen.
Eine Rechtsverletzung des Klägers kann sich nicht daraus ergeben, dass der Beklagte
eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt hat. Der Beklagte ist nach der
Vorprüfung im Einzelfall zu Recht davon ausgegangen, dass eine
Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchzuführen war.
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Nach Nummer 13 der Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung in
der Fassung der Bekanntmachung vom 5. September 2001 (BGBl. I 2351) in der
Fassung des Gesetzes vom 18. Juni 2002 (BGBl. I 1914, 2711) - UVPG - besteht bei
wasserwirtschaftlichen Vorhaben mit Benutzung oder Ausbau eines Gewässers in der
vom Beklagten durchgeführten Art eine UVP-Pflicht nach Maßgabe des Landesrechtes
(s. Anlage 1, Nrn. 13.6./13.13./13.16). Das nordrhein-westfälische Landesrecht enthält
zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt zwar entsprechende Regelungen; ob diese
aber mit Blick auf die in § 6 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung im
Lande Nordrhein-Westfalen vom 29. April 1992 (GV NRW 175/SGV NRW 2129),
geändert durch Gesetz vom 4. Mai 2004 (GV NRW 250), - UVPG NRW - normierten
Übergangsvorschriften Anwendung finden, kann im Ergebnis dahinstehen, da in diesen
Fällen sowohl gemäß § 25 Abs. 5 Satz 2 UVPG i.V.m. § 3d UVPG als auch nach § 1
UVPG NRW i.V.m. der Anlage 1 (Nrn. 6.a)/Nr. 11/Nr. 14) die
Umweltverträglichkeitsprüfung nach Vorprüfung des Einzelfalls durchzuführen ist.
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Nach § 3 c Satz 1 UVPG ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn
das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger
Prüfung erhebliche Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 zu berücksichtigen
sind. Danach bedarf es einer wertenden Beurteilung der zuständigen Behörde, die
Vorprüfung hat zudem nur auf Grund einer überschlägigen Prüfung zu erfolgen. Eine ins
Detail gehende Untersuchung (insbesondere durch Sachverständigengutachten etc.),
ob erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen tatsächlich vorliegen, soll erst mit der
eigentlichen Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen werden (s. hierzu
Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 14/4599 Seite 95). Inzwischen hat der
Gesetzgeber in der für den vorliegenden Fall allerdings noch nicht anwendbaren
Fassung des § 3 a UVPG vom 9. Dezember 2006 (BGBl. I 2819) ausdrücklich einen nur
eingeschränkt durch das Gericht überprüfbaren Beurteilungsspielraum der Behörde
geregelt; nach dieser Fassung ist die Einschätzung der zuständigen Behörde in einem
gerichtlichen Verfahren betreffend die Entscheidung über die Zulässigkeit des
Vorhabens nur darauf zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben
von § 3 c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist.
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Der Beklagte hat eine den Vorgaben des § 3 c UVPG entsprechende Vorprüfung im
Einzelfall durchgeführt und ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, erhebliche
Umwelteinwirkungen seien nicht zu erwarten. Zwar hat er die Vorprüfung nicht im
Einzelnen dokumentiert. Der Beklagte verfügte aber mit Blick auf das „Grobkonzept
Entlastung Stever/Roggenbach" des Ingenieurbüros I. vom 18. März 2002, das eine
detaillierte Beschreibung des Vorhabens, insbesondere hinsichtlich des Ausmaßes, der
Gestaltung der Hochwasserführung und der durchzuführenden Bauarbeiten, enthält,
sowie verschiedene zuvor ebenfalls von dem Gutachter gefertigte Vorhabensentwürfe
(wie bspw. die Anlage 5.1. „Entlastung Stever/Roggenbach-Entwurf" vom 26. Oktober
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2001) über eine hinreichende Beurteilungsgrundlage, um als fachkompetente und
ortskundige Behörde im Rahmen einer allgemeinen Vorprüfung die
Umweltauswirkungen beurteilen zu können.
Die durch den Beklagten vorgenommene Bewertung der Umweltverträglichkeit des
Vorhabens ist vor dem Hintergrund der nur eingeschränkten gerichtlichen
Überprüfbarkeit im Ergebnis sachgerecht. Denn die Voraussetzungen des § 3 c Abs. 1
Satz 1 UVPG, dass das Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben
kann, sind nicht erfüllt.
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Der Begriff der "Umwelt" im Sinne des UVPG erfasst die unmittelbaren und mittelbaren
Auswirkungen eines Vorhabens auf Menschen, Tiere und Pflanzen, Boden und Wasser,
Luft, Klima und Landschaft, Kulturgüter und sonstige Sachgüter sowie die
Wechselwirkungen zwischen diesen Schutzgütern (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG).
Nachteilige Umweltauswirkungen sind alle negativen Veränderungen der menschlichen
Gesundheit oder der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit
einzelner Bestandteile der Umwelt oder der Umwelt insgesamt, die von einem Vorhaben
verursacht werden können (vgl. Nr. 4.1. des „Leitfadens zur Vorprüfung des Einzelfalls
im Rahmen der Feststellung der UVP-Pflicht von Projekten" des Bundesministeriums für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 14. August 2003). Nach Nr. 3 der
Kriterien für die Vorprüfung des Einzelfalls (Anlage 2 zum UVPG) sind die möglichen
erheblichen Auswirkungen eines Vorhabens anhand der unter Nr. 1 der Anlage 2
genannten Merkmale des Vorhabens und der unter Nr. 2 aufgeführten, den Standort des
Vorhabens betreffenden Kriterien zu beurteilen.
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Danach ist nicht anzunehmen, dass das nicht in einem besonders schutzwürdigen
Gebiet liegende Vorhaben unter Zugrundelegung dieses Maßstabes erhebliche
nachteilige Umweltauswirkungen haben wird. Aus dem Landschaftspflegerischen
Begleitplan des Ingenieurbüros I. vom 15. September 2002, der sich mit den möglichen
Auswirkungen des Vorhabens auf die im UVPG genannten Schutzgüter detailliert und
entsprechend den oben aufgezeigten Kriterien auseinandergesetzt hat, ergibt sich
plausibel, dass nachteilige Umweltauswirkungen nicht zu erwarten sind. Der Gutachter
hat im Einzelnen das Ausmaß der Auswirkungen, ihrer Schwere und Komplexität, ihrer
Wahrscheinlichkeit, Dauer sowie Häufigkeit aufgezeigt und ist auf dieser Grundlage
nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, die Umsetzung der
Hochwasserschutzmaßnahmen führe lediglich zu geringen Beeinträchtigungen; die
Maßnahmen bewirkten im Gegenteil sogar teilweise eine deutliche Verbesserung der
ökologischen Funktionserfüllung der Gewässer. Gerade auch zu der vom Kläger
befürchteten Beeinträchtigung der Wasserqualität des Roggenbachs durch die
Zuführung von Stever-Hochwasser hat der Gutachter dargelegt, es werde nur bei sehr
seltenen Extremereignissen zu Ausuferungen am Roggenbach kommen, bei denen
Nährstoffe aus den angrenzenden Ackerflächen ins Gewässer gespült werden könnten;
zum anderen werde dieser zusätzliche Nährstoffeintrag durch einen geringeren Eintrag
entlang der Stever kompensiert. Diese und die weiteren schlüssigen Bewertungen sind
durch die lediglich pauschalen Behauptungen des Klägers, es seien bei Umsetzung der
Maßnahmen erhebliche Umwelteinwirkungen zu befürchten, nicht in Frage gestellt.
27
Der Planfeststellungsbeschluss ist auch in materieller Hinsicht nicht zu bemängeln. Er
widerspricht - bezogen auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt seines Erlasses -
weder zwingenden rechtlichen Vorgaben noch liegen erhebliche Abwägungsmängel
vor.
28
Das Gericht prüft Abwägungsvorgang und -ergebnis nur auf solche Fehler, die im
Rahmen der Gewichtung eigener Belange des Klägers relevant werden. Nur insoweit
kann der Kläger die Verletzung eigener Rechte geltend machen. Eine objektive
Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses unter jedem denkbaren rechtlichen
Gesichtspunkt nach Art einer mittelbaren Subjektivierung auch rein öffentlicher Belange
über das Eigentumsrecht des Art. 14 GG kommt nur bei enteignender oder
enteignungsgleicher Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses in Betracht.
29
Vgl. hierzu Zeitler in Sieder-Zeitler-Dahme, § 31 WHG Rdnr. 276, 277 unter Hinweis auf
die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes.
30
Die geplante Maßnahme belastet das Eigentum des Klägers nicht in einer - hier allein in
Betracht kommenden - enteignungsgleichen Weise. Die konkret zu erwartenden
tatsächlichen Auswirkungen auf das Grundstück erreichen noch nicht ein schweres und
unerträgliches, das Eigentum gleichsam aushöhlendes Ausmaß. Das im Außenbereich
gelegene und nach dem Flächennutzungsplan nur landwirtschaftlich nutzbare
Grundstück des Klägers grenzt zwar direkt an den Roggenbach, der im Falle eines
Hochwassers der Stever Entlastung bringen soll und deshalb auch auf das Grundstück
des Klägers ausufern kann. Auf der Grundlage der Prognoseberechnungen des
Beklagten wird das Grundstück bei einem seltener als 50-jährlichen Ereignis jedoch
maximal nur etwa zur Hälfte seiner Gesamtfläche überflutet werden und das
Hochwasser nach wenigen Stunden wieder abfließen. Eine unerträgliche
Beeinträchtigung des Grundstücks - etwa bei seiner weiteren landwirtschaftlichen
Nutzung oder auch hinsichtlich seines Wertes - ist mit Blick auf diese zeitlich und
flächenmäßig noch untergeordnete Dimension nicht zu erkennen.
31
Die gerichtliche Prüfung beschränkt sich deshalb darauf, ob Belange des Klägers bei
der Planfeststellung gewahrt wurden bzw. abwägungsfehlerfrei überwunden werden
konnten. Dem Abwägungsgebot wurde dann ausreichend Rechnung getragen, wenn
überhaupt eine Abwägung stattgefunden hat, die entsprechenden
entscheidungserheblichen Belange eingestellt und nicht in ihrer objektiven Bedeutung
verkannt wurden und der Ausgleich der betroffenen Belange mit anderen Belangen in
einer Weise vorgenommen wurde, die nicht außer Verhältnis zur objektiven
Gewichtigkeit steht. Im Ergebnis darf der Inhalt des Plans dem objektiven Gewicht des
betroffenen Belangs auch unter Einbeziehung aller sich ernsthaft anbietenden
Planungsalternativen nicht widersprechen. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird
das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Planfeststellungsbehörde in der
Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit
notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Die darin liegende
Bewertung der privaten und öffentlichen Belange und ihrer Gewichtung im Verhältnis
untereinander macht das Wesen der Planung als einer im Kern politischen und als
solcher nur auf die Einhaltung des rechtlichen Rahmens gerichtlich überprüfbaren
Entscheidung aus.
32
Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1996 - 4 A 27.95 - NVwZ 1996, 1011ff.
33
Nach § 75 Abs. 1 a VwVfG NRW sind Mängel bei der Abwägung der von dem Vorhaben
berührten öffentlichen und privaten Belange zudem nur dann erheblich, wenn sie auf
das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind.
34
Die an diesen Grundsätzen und am Maßstab der §§ 31 WHG, 107 und 100 LWG zu
messende Planungsentscheidung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
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Für das Eingreifen zwingender Versagungsgründe bestehen keine Anhaltspunkte.
Insbesondere war der Planfeststellungsbeschluss nicht nach § 31 Abs. 5 Satz 3 WHG
zu versagen, weil von dem Ausbau eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit,
insbesondere eine erhebliche und dauerhafte, nicht ausgleichbare Erhöhung der
Hochwassergefahr oder eine Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen zu erwarten wäre.
Ziel der festgestellten dem Gemeinwohl dienenden Maßnahme ist gerade die
Verringerung der Hochwassergefährdung des gefährdeten Ortsteils Appelhülsen. Es ist
entgegen der Auffassung des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass natürliche
Rückhalteflächen verloren gingen.
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Auch die erforderliche - der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegende
- Planrechtfertigung ist gegeben. Die Planfeststellung ist dann gerechtfertigt, wenn die
Maßnahme nach Maßgabe der wasserrechtlichen Ziele objektiv erforderlich ist.
Erforderlich in diesem Sinne ist eine Maßnahme aber nicht erst dann, wenn sie
unabdingbar oder unausweichlich ist, sondern schon dann, wenn sie gemessen an den
fachplanerischen Zielen des Wasserrechts objektiv und vernünftigerweise geboten ist.
37
Vgl. hierzu Schenk in Sieder-Zeitler-Dahme, § 31 WHG Rdnr. 209, 212 m.w.N..
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Gemessen daran fehlt es weder in tatsächlicher noch prognostischer Hinsicht an einem
hinreichenden Bedarf für die Durchführung der Maßnahme. Die Beigeladene hat sich
aufgrund des im Oktober 1998 infolge von Niederschlägen aufgetretenen
Hochwasserereignisses im Ortsteil Appelhülsen, bei dem es zu erheblichen Schäden
gekommen ist, zur Errichtung einer Hochwasserschutzmaßnahme veranlasst gesehen.
Ein derartiges Niederschlagswasserereignis kann sich zudem jederzeit wiederholen.
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Der Abwägungsvorgang weist keine Fehler auf, die auf das Ergebnis von Einfluss
gewesen wären. Im Planfeststellungsbeschluss entscheidet die Behörde gem. § 74 Abs.
2 Sätze 1 und 2 VwVfG NRW über die Einwendungen, über die bei der Erörterung vor
der Anhörungsbehörde keine Einigung erzielt worden ist. Sie hat dem Träger des
Vorhabens Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen
aufzuerlegen, die zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger
Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind. Danach ist ein Abwägungsausfall nicht
festzustellen. Der Beklagte hat im Planfeststellungsbeschluss über die vom Kläger
aufrecht erhaltenen Einwendungen entschieden; zudem hat er der Beigeladenen durch
Nebenbestimmungen die notwendigen Auflagen über Vorkehrungen und Unterhaltung
der Anlagen erteilt.
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Ein Abwägungsfehler lässt sich in Bezug auf die vom Kläger angeführten Belange nicht
feststellen. Der Beklagte hat dargelegt, auf welche Materialien er bei seiner Abwägung
zurückgegriffen hat. Auch die Entscheidung für die festgestellte
Hochwasserschutzmaßnahme lässt mit Blick auf die Belange des Klägers
Abwägungsmängel nicht erkennen. Dem Gebot, alternative Planungen in tatsächlicher
Hinsicht zu prüfen und das Ergebnis bewertend in die Abwägung einzustellen,
41
vgl. hierzu Schenk in Siedler-Zeitler-Dahme, § 31 WHG Rdnr. 232 m.w.N.,
42
ist der Beklagte nachgekommen.
43
Die Entscheidung für die festgestellte Variante ist inhaltlich nicht zu beanstanden, auch
wenn die vom Kläger im Einwendungsverfahren - mit Blick auf die bereits durchgeführte
erste Maßnahme „Trennung der Wasserscheide Nonnenbach-Stever" - angeführte
Nullvariante oder die Varianten der Eindeichung der Stever oder der Rückhaltung im
Oberlauf der Stever ihn weniger belastet hätten. Es ist Aufgabe der
Planfeststellungsbehörde, sich selbst auf der Grundlage der jeweiligen Vor- und
Nachteile ein wertendes Gesamturteil zu bilden. Der Beklagte hat plausibel ausgeführt,
warum eine Nullvariante nicht ausreiche, da durch die erste Maßnahme nur ein
unkontrolliertes Abschlagen von Hochwasser aus dem Nonnenbach in die Stever
unterbunden werde, noch nicht jedoch die zum Schutze der bebauten Ortsteile
notwendige Entlastung der Stever erfolgt sei. Nachvollziehbar hat er auch dargelegt,
dass die Eindeichung der Stever als Alternative nicht in Betracht komme, weil diese
Variante die Inanspruchnahme des linksseitig der Stever gelegenen Retentionsraumes
außerhalb der bebauten Flächen ausschließe und gegen das in § 32 WHG verankerte
Gebot auf Erhalt von Retentionsraum verstieße. Der Beklagte hat ferner schlüssig
ausgeführt, dass die Rückhaltung im Oberlauf der Stever mangels ausreichenden
Rückhalteraumes keine wirksame Lösung darstellen könne.
44
Es liegt auch nicht deshalb ein Abwägungsmangel vor, weil der Beklagte in seinen
Berechnungen möglicherweise unzutreffend davon ausgegangen ist, dass mit der
Realisierung der planfestgestellten Maßnahme die bei einem HQ100 überschwemmte
Fläche des Grundstücks des Klägers kleiner wäre als im Ist-Zustand vor Durchführung
der Maßnahme. Den Berechnungen des Beklagten hält der Kläger bzw. der Gutachter in
dem Gutachten des Ingenieurbüros T. vom 26. Januar 2006 entgegen, für den Ist-
Zustand sei in der hydraulischen Berechnung und in der Darstellung im Querprofil für
das linke Vorland nur eine Breite von 11 m berücksichtigt worden, in der Darstellung im
Lageplan sei der berechnete Wasserspiegel dann aber 285 m weit ins Gelände bis auf
das klägerische Grundstück projiziert worden, ohne nachzuweisen, ob das Hochwasser
über die höher gelegene Grundstückszufahrt B. (G1.) überhaupt bis auf das klägerische
Grundstück laufen könne. Sollte der Beklagte bei diesen Berechnungen tatsächlich von
einer unrichtigen Höhe der Zufahrt ausgegangen sein, hat dieser Fehler im
Abwägungsvorgang nicht zu einem fehlerhaften Abwägungsergebnis geführt. Bei der
Frage, ob ein Abwägungsmangel vorliegt, ist zwischen Abwägungsvorgang und
Abwägungsergebnis zu unterscheiden. Mit dem Abwägungsvorgang wird die
planerische Abwägungsentscheidung als Handlung des planenden Organs bezeichnet,
mit Abwägungsergebnis der Plan als fertigendes Regelwerk. Ein verfassungsrechtlicher
Rang kommt in erster Linie dem auf das Abwägungsergebnis bezogenen
Abwägungsgebot zu. Zwar dürfte davon auszugehen sein, dass das
Abwägungsergebnis nicht fehlerhaft sein kann, wenn der Abwägungsvorgang fehlerfrei
ist, sofern sich beide auf denselben Vorgang beziehen,
45
vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 21. August 1981 - 4 C 57.80 - BVerwGE, 33,40;
Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Auflage, § 74 Rdnr. 53, 54,
46
umgekehrt wirkt sich aber nicht jeder Fehler im Abwägungsvorgang automatisch auf das
Abwägungsergebnis aus. So dürfte es auch hier liegen. Im Rahmen seiner Abwägung
war der Beklagte betreffend das Grundstück des Klägers zu dem Ergebnis gelangt, dass
nach Durchführung der Maßnahme bei einem HQ100-Ereignis von einer
Überschwemmung des klägerischen Grundstücks von wenigen Stunden auszugehen
ist. Dieses Prognoseergebnis hat auch der Kläger nicht angezweifelt.
47
Selbst wenn dem Beklagten aber wegen fehlerhafter Beurteilung der
Hochwassergefährdungssituation vor Durchführung der Maßnahme ein Fehler im
Abwägungsvorgang unterlaufen sein und dieser im Planfeststellungsbeschluss zu einer
fehlerhaften Feststellung bezüglich des Ist-Zustandes der Hochwassergefahr geführt
haben sollte, ist dieser Mangel nicht, wie gemäß § 75 Abs. 1a VwVfG NRW erforderlich,
auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. Um einen solchen Einfluss
anzunehmen, reicht die nicht weiter substantiierte, rein abstrakte Möglichkeit, dass ohne
den Fehler anders abgewogen worden wäre, nicht aus.
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Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juni 1997 - 4 A 3.95 -, NVwZ- RR 1998, 292, 295, vom 28.
Februar 1996 a.a.O., und vom 21. August 1981 a.a.O..
49
Vielmehr muss die konkrete Möglichkeit bestehen, dass die Planfeststellungsbehörde
ohne den Mangel - hier also, ohne zu übersehen, dass die Zufahrt Einfluss auf das
Abflussverhalten des Stever-Hochwassers gehabt hätte und eine Hochwassergefahr für
das Grundstück des Klägers im Ist-Zustand deshalb nicht gegeben gewesen wäre - eine
andere planerische Entscheidung getroffen hätte. Das ist dann der Fall, wenn sich
anhand der Planungsunterlagen oder sonst erkennbarer oder nahe liegender Umstände
ergibt, dass sich ohne den Mangel - im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des
Planfeststellungsbeschlusses - ein anderes Abwägungsergebnis abgezeichnet hätte.
50
Vgl. BVerwG, Urteile vom 12. April 2000 - 11 A 24.98 -, vom 21. März 1996 - 4 C 19.94 -
NVwZ 1996, 1016, 1019, und vom 28. Februar 1996, a.a.O..
51
Anhaltspunkte hierfür sind nicht gegeben. Anhand aller aus den Planungsunterlagen
und auch sonst erkennbaren Umstände ergibt sich im Gegenteil der Eindruck, dass der
Beklagte auch für diesen Fall an der Planung unverändert festgehalten und im Interesse
des als vorrangig erachteten Vorhabens des Hochwasserschutzes eine größere
Überschwemmungsgefahr für das klägerische Grundstück als vor der Durchführung der
Maßnahme selbst sogar die Verursachung einer vorher nicht vorhandenen
Überschwemmungsgefahr für dieses Grundstück, in Kauf genommen hätte. Denn er hat
schon im Verlaufe des Planungsverfahrens, z. B. im am 28. November 2003
durchgeführten Erörterungstermin, auf die DIN 19700, Teil 12, hingewiesen, wonach
landwirtschaftlich genutzte Grundstücke einen Hochwasserschutzkomfort von maximal
HQ5 bis HQ10 genießen und deutlich gemacht, dass auf dem Hintergrund des
offensichtlichen Erreichens dieses Schutzkomforts im Falle der Umsetzung der
Maßnahme, der Kläger die bei einem HQ50-Ereignis mögliche Ausuferung des
Roggenbachs auf sein landwirtschaftlich genutztes Grundstück hinzunehmen habe. Er
hat ferner unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er die vom Kläger zu
erwartenden Nachteile im Vergleich zu den erheblichen Vorteilen, die die Allgemeinheit
im Falle der Umsetzung der Maßnahmen habe, als geringfügig ansehe. So heißt es im
Planfeststellungsbeschluss u. a., wenn bei einem 50-jährigen Hochwasser ein
landwirtschaftliches Grundstück teilweise überschwemmt werde, so handele es sich
hierbei um eine geringe Beeinträchtigung, die wegen der berechtigten Interessen der
Allgemeinheit an der Maßnahme zumutbar und für die der Kläger auch nicht zu
entschädigen sei. Mit Blick auf diese im Planfeststellungsverfahren angestellten
Erwägungen des Beklagten, insbesondere auf die Bewertungen betreffend das
klägerische Grundstück sowie die Gewichtungen der Belange des Klägers einerseits
und der der Allgemeinheit andererseits, war mit einer anderweitigen Entscheidung des
Beklagten nicht zu rechnen.
52
Aus den vorstehenden Feststellungen ergibt sich, dass der Kläger auch mit dem
hilfsweise gestellten Antrag auf Planergänzung nicht durchdringen kann.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO; die
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, die
Beigeladene hat sich mangels Stellung eines Antrages nicht dem Risiko der
Kostentragungspflicht ausgesetzt. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11,
711 der Zivilprozessordnung - ZPO -.
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