Urteil des VG Minden vom 27.08.2003

VG Minden: aufschiebende wirkung, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, vorläufiger rechtsschutz, stadt, petition, schule, verwaltungsakt, vollziehung, ausnahmefall, klageart

Verwaltungsgericht Minden, 4 L 649/03
Datum:
27.08.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 L 649/03
Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt. 2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des
Verfahrens. 3. Der Streitwert wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
1
I.
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Die am ............1951 geborene Antragstellerin ist Gesamtschuldirektorin und war bis zum
31.12.2002 an die Universität C. abgeordnet. Mit Verfügung vom 12.12.2002 teilte die
Bezirksregierung E. der Antragstellerin mit, dass sie ab dem 01.01.2003 an der
Gesamtschule C1. /X. als Studiendirektorin zur Koordination des
Fremdsprachenbereichs eingesetzt werde.
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Seit dem 30.12.2002 ist die Antragstellerin dienstunfähig erkrankt.
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Mit Schreiben vom 09.04.2003 bat die Bezirksregierung E. die Antragstellerin, einen
vom Gesundheitsamt der Stadt C. noch zu bestimmenden Termin zwecks amtsärztlicher
Untersuchung wahrzunehmen. In dem Untersuchungsauftrag an das Gesundheitsamt
vom 09.04.2003 heißt es u. a.:
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"Bereits mit anliegendem Attest von Frau Dr. B. vom 02.12.02 wurde bescheinigt, dass
Frau Dr. F. der Tätigkeit an einer Schule nicht gewachsen sein wird. Ich weise darauf
hin, dass sich Frau Dr. F. wegen einer Tätigkeit außerhalb einer Schule an den
Petitionsausschuss des Landstags gewandt hat. In dieser Petition sind keine
gesundheitlichen Einschränkungen angeführt."
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Der Personalrat für Pädagoginnen und Pädagogen an Gesamtschulen hatte von der
beabsichtigten amtsärztlichen Untersuchung am 03.04.2003 Kenntnis genommen.
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Die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin erklärten daraufhin unter dem
18.06.2003 gegenüber der Bezirksregierung, das Schreiben an das Gesundheitsamt der
Stadt C. verstoße gegen § 29 Abs. 1 Satz 1 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-
Westfalen (DSG NRW), da in diesem Schreiben unzulässigerweise von der Anrufung
des Petitionsausschusses und davon Mitteilung gemacht worden sei, dass die
Antragstellerin in ihrer Petition nicht auf gesundheitliche Einschränkungen hingewiesen
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habe. Dieser datenschutzrechtliche Verstoß sei so gravierend, dass der
Gutachtenauftrag im vollem Umfang zurückgezogen werden müsse.
Unter dem 30.06.2003 teilte die Bezirksregierung dem Gesundheitsamt der Stadt C. mit,
die im Schreiben vom 09.04.2003 mit den Sätzen "Ich weise daraufhin, dass sich Frau
Dr. F. wegen einer Tätigkeit außerhalb einer Schule an den Petitionsausschuss des
Landtages gewandt hat. In dieser Petition sind keine gesundheitlichen
Einschränkungen angeführt." gegebene Information bei der Erstellung des Gutachtens
nicht zu verwenden.
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Die Antragstellerin hat daraufhin am 01.07.2003 den vorliegenden Antrag auf
Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt und zugleich im Verfahren 4 K
4795/03 Klage erhoben.
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Sie trägt u. a. vor, der im Schreiben der Bezirksregierung vom 09.04.2003 an das
Gesundheitsamt der Stadt C. liegende Verstoß gegen datenschutzrechtliche
Bestimmungen könne nicht dadurch bereinigt werden, dass die Bezirksregierung dem
Gesundheitsamt lediglich mitteile, die beanstandeten Sätze sollten nicht zur Kenntnis
genommen werden. Erforderlich sei eine Zurücknahme des Gutachten - auftrags. Mit
den beanstandeten Sätzen werde der zuständige Amtsarzt nämlich "befangen"
gemacht.
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Die Antragstellerin beantragt,
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dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO
aufzugeben, den Auftrag zur amtsärztlichen Untersuchung der Antragstellerin vom
09.04.2003 bis zur Klärung in der Hauptsache zurückzunehmen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akten und
die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners verwiesen.
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II.
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Der Antrag der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
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Er ist gemäß § 123 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) unzulässig, da die
Antragstellerin sich in der Sache gegen einen sie belastenden Verwaltungsakt wendet.
Die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung eines Beamten gemäß § 45 Abs. 1
Satz 3 des Landesbeamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LBG) ist nach
langjähriger Rechtssprechung des erkennenden Gerichts und auch des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ein Verwaltungsakt gemäß
§ 35 VwVfG NRW.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.12.2000 - 6 B 1579/00 - n.v.; VG Minden, Beschluss
vom 02.10.2001 - 4 L 782/01 -; Beschluss vom 24.06.1998 - 4 L 1894/97 -; Beschluss
vom 17.11.1997 - 4 L 1689/97 -; Beschluss vom 18.08.1997 - 4 L 1160/97 -, sämtlich
n.v.; a.A. für einen Ruhestandsbeamten BVerwG, Beschluss vom 19.06.2000 - 1 DB
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13/00 -, NVwZ 2001, 436.
Damit ist für das gerichtliche Hauptsacheverfahren eine Anfechtungsklage die statthafte
Klageart. Vorläufiger Rechtsschutz ist demzufolge nicht nach § 123 VwGO, sondern
nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft (§ 123 Abs. 5 VwGO).
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Bei Auslegung des Antrags vom 01.07.2003 als Antrag auf Anordnung bzw.
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs der Antragstellerin
wäre dieser ebenfalls unzulässig. Die Antragstellerin hat nämlich Widerspruch gegen
die an sie mit Schreiben vom, 09.04.2003 gerichtete Aufforderung, sich einer
amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, erhoben, da das Schreiben ihrer
Prozessbevollmächtigten vom 18.06.2003 aus der Sicht eines objektiven
Durchschnittsbetrachters als Widerspruch anzusehen ist. Dieser Widerspruch hat
gegenüber der Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung aufschiebende Wirkung
mit der Folge, dass die Antragstellerin, solange diese aufschiebende Wirkung besteht,
der Aufforderung nicht nachkommen muss und somit ein Rechtsschutzbedürfnis für
einstweiligen Rechtsschutz nicht besteht.
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Ein Ausnahmefall des § 80 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor und der Antragsgegner hat auch
nicht gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO hinsichtlich seiner Aufforderung vom 09.04.2003
die sofortige Vollziehung angeordnet.
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Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 3 GKG.
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