Urteil des VG Minden vom 26.02.2008

VG Minden: verwaltungsverfahren, gebühr, begriff, rechtsschutz, vergütung, anwaltskosten, datum

Verwaltungsgericht Minden, 4 L 119/07
Datum:
26.02.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 L 119/07
Tenor:
Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
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Der unter dem 25.10.2007 gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung über den
Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom
11.10.2007 ist nach § 11 Abs. 3 Satz 2 RVG, § 165 i. V. m. § 151 VwGO zulässig,
jedoch in der Sache nicht begründet.
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Der Urkundsbeamte hat in dem angegriffenen Beschluss die dem Antragsteller vom
Antragsgegner zu erstattenden Anwaltskosten zutreffend festgesetzt.
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Im Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 164 VwGO werden auf der Grundlage der
Kostengrundentscheidung nach den §§ 154 ff. VwGO auf Antrag des obsiegenden
Beteiligten die vom Unterlegenen zu erstattenden Kosten festgesetzt. Erstattungsfähig
sind nach § 162 Abs. 1 VwGO die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Beteiligten. Der Höhe nach sind
gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO im Falle der Zuziehung eines Rechtsanwalts
Aufwendungen im Umfang der gesetzlichen Gebühren und Auslagen notwendig.
Maßstab für die Notwendigkeit der Aufwendungen sind die Vorschriften des
Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG -. Was der erstattungsberechtigte Beteiligte
dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt nach dem RVG schuldet, kann er auf den
erstattungspflichtigen Beteiligten abwälzen.
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Vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Komm., 2. Aufl. 2006, § 162 Rdnr. 63;
Kopp/Schenke, VwGO, Komm., 15. Aufl. 2007, § 162 Rdnr. 10 a.
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Nach diesen Maßstäben haben die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers für das
gerichtliche Verfahren keinen höheren als den vom Urkundsbeamten festgesetzten
Vergütungsanspruch gegen den Antragsgegner. Die allein streitige teilweise
Anrechnung der Geschäftsgebühr Nr. 2300 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG
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(Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) - VV RVG - mit einem Betrag von 104,65 EUR + 19 %
Mehrwertsteuer = insgesamt 124,53 EUR auf die Verfahrensgebühr für das
Antragsverfahren nach Nr. 3100 VV RVG ist rechtmäßig.
Nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 Sätze 1 und 3 zu Nrn. 3100 ff. VV RVG i.d.F. des Art. 20
Nr. 7 lit. d bb, dd des 2. Justizmodernisierungsgesetzes vom 22.12.2006 (BGBl. I S.
3416) wird, soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach den
Nummern 2300 bis 2303 entsteht, diese Gebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem
Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens
angerechnet; die Anrechnung erfolgt nach dem Wert des Gegenstands, der auch
Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist. Auf Grund dieser Anrechnungsvorschrift
kann ein Anwalt, der seinen Mandanten bereits wegen desselben Gegenstands im
behördlichen Verfahren vertreten hat, für die anschließende Tätigkeit im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren als Teil seiner gesetzlichen Vergütung nur eine
geminderte Verfahrensgebühr abrechnen. Hintergrund dieser Regelung ist, dass eine
bereits im außergerichtlichen Verfahren geleistete Einarbeitung des Rechtsanwalts in
die Sach- und Rechtslage dann nicht nochmals voll vergütet werden soll, wenn es im
gerichtlichen Verfahren in der Sache um denselben Gegenstand geht.
7
Vgl. VG Minden, z.B. Beschlüsse vom 25.07.2005 - 7 L 1048/04 - , vom 26.1.2007 - 11 L
615/05 - und vom 03.04.2007 - 9 L 328/06 -; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-
Rabe, RVG, Komm., 16. Aufl. 2004, 2400-2403 VV, Rdnr. 183; BT-Drs. 15/1971, S. 209.
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Die Gebühr Nr. 2300 VV RVG entstand hier wegen desselben Gegenstands.
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Dass es sich beim Verwaltungsverfahren und beim vorläufigen Rechtsschutzverfahren
(hier: einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO) kostenrechtlich um
verschiedene selbstständige Angelegenheiten i.S.d. § 17 Nr. 1 RVG handelt, ist
insoweit ohne Belang. Andernfalls würde nur ein einheitlicher Gebührenanspruch
bestehen, so dass schon deshalb die Anrechnungsregelung nicht zur Anwendung
kommen könnte. Die Anrechnungsregelung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nrn. 3100 ff.
VV RVG setzt daher gerade voraus, dass es sich um verschiedene Angelegenheiten
handelt. Sie stellt deshalb - begrifflich abweichend - darauf ab, ob "wegen desselben
Gegenstandes" bereits eine Geschäftsgebühr entstanden ist.
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Vgl. VG Minden, z.B. Beschlüsse vom 17.01.2008 - 6 L 894/06 -, vom 15.02.2005 - 9 L
677/04 -, vom 25.07.2005 - 7 L 1048/04 - und vom 03.04.2007 - 9 L 328/06 -.
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Gleichgültig ist außerdem, welcher Art das sich anschließende gerichtliche Verfahren
ist. Die Gegenstandsidentität erfordert lediglich einen inneren und äußeren
Zusammenhang zwischen dem außergerichtlichen und dem gerichtlichen Verfahren.
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Vgl. VG Minden, Beschlüsse vom 17.01.2008 - 6 L 894/06 - und vom 25.07.2005 - 7 L
1048/04 -; Gerold/Schmidt/v. Eicken/ Madert/Müller-Rabe, a.a.O., Rdnrn. 187 ff.
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Die Begrifflichkeit "wegen desselben Gegenstandes" ist mithin weiter als der Begriff
"derselben Angelegenheit" in § 16 RVG.
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Vgl. VG Minden, Beschlüsse vom 17.01.2008 - 6 L 894/06 - und vom 25.07.2005 - 7 L
1048/04 -.
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Hier besteht der erforderliche innere wie äußere Zusammenhang. Sowohl im
Verwaltungsverfahren als auch im gerichtlichen Eilverfahren verfolgte der Antragsteller
letztlich seinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung
(Bewerbungsverfahrensanspruch). Dass das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren
seinem Wesen nach nur auf eine vorläufige Sicherung des geltend gemachten
Anspruchs gerichtet sein konnte, ist dabei ohne Bedeutung.
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Vgl. VG Minden, Beschluss vom 25.07.2005 - 7 L 1048/04 - .
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Denn das vorläufige Rechtsschutzverfahren stellte sich gerade als logische Fortsetzung
der vorherigen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers dar, weil nur
im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes effektiver Rechtsschutz erreicht werden kann,
da sich in der Regel der Bewerbungsverfahrensanspruch mit der Besetzung der
begehrten Stelle erledigt. Dass ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem
Tätigwerden der Prozessbevollmächtigten im Verwaltungsverfahren und im
gerichtlichen Verfahren bestand, bedarf keiner weiteren Begründung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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