Urteil des VG Minden vom 13.10.2004

VG Minden: kritik, verfügung, mobbing, behörde, vollstreckung, petition, schüler, amtsführung, gefahr, eltern

Verwaltungsgericht Minden, 4 K 3022/01
Datum:
13.10.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 3022/01
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land
vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
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Der am 00.00.0000 geborene Kläger steht seit 1976 als Studienrat im Schuldienst des
beklagten Landes und unterrichtete bis zum Ende des Schuljahres 2003/2004 am S. -C.
-Gymnasium in C1. .
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Mit Bescheid vom 00.00.2001 ordnete die Bezirksregierung E. eine amtsärztliche
Untersuchung des Klägers an, da Zweifel an der Dienstfähigkeit des Klägers bestünden.
Den Widerspruch des Klägers hiergegen wies die Bezirksregierung E. mit
Widerspruchsbescheid vom 00.00.2001 zurück mit der Begründung, aufgrund der über
mehrere Jahre festzustellenden, krankhafte Züge aufweisenden Reaktionen des
Klägers auf sachlich begründete Kritik der Schulaufsicht, einhergehend mit dem
pathologisch anmutenden Zwang, sachgerechten Anordnungen der Schulaufsicht
permanent mit Uneinsichtigkeit und mangelnder Bereitschaft zur Kooperation zu
begegnen, bestünden Zweifel über seine Gesundheit und damit über seine
Dienstfähigkeit. Ihm fehle offensichtlich krankheitsbedingt die Fähigkeit, mit der
Schulaufsicht zu kooperieren, seine Vorgesetzten i.S.d. § 58 LBG zu beraten und zu
unterstützen, die von ihnen erlassenen Anordnungen auszuführen und ihre allgemeinen
Richtlinien zu befolgen. Nach alledem bestünde der Eindruck, dass der Kläger den ihm
in seinem konkreten Amt obliegenden Dienstpflichten nicht mehr gewachsen sei. Die
Prüfung seiner Dienstfähigkeit durch eine amtsärztliche Begutachtung sei die geeignete,
angemessene und überdies erforderliche Maßnahme, um die bestehenden Zweifel über
seine Dienstfähigkeit auszuräumen. Im September 2002 kam der Amtsarzt des Kreises
M1. zu dem Ergebnis, dass der Kläger uneingeschränkt dienstfähig sei.
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Bereits am 30.11.2001 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Seinen Antrag auf
Gewährung vorläufigen Rechtschutzes hat die Kammer mit Beschluss vom 26.04.2002 -
4 L 983/01 - abgelehnt. Den Antrag des Klägers auf Zulassung der Beschwerde hat das
OVG NRW mit Beschluss vom 00.00.2002 - - als unzulässig abgelehnt.
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Der Kläger beantragt nunmehr
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festzustellen, dass der Bescheid der Bezirksregierung E. vom 00.00.2001 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E. vom 00.00.2001 rechtswidrig war.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der Akte 4 L 983/01 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des
Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, aber unbegründet.
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Die Verfügung vom 00.00.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
00.00.2001 ist rechtmäßig gewesen, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.
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Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bestehen keine
Bedenken. Der Personalrat ist gemäß § 75 Nr. 6 LPVG NW am 23.08. und 06.09.2001
gehört worden; die fehlende Anhörung des Klägers gem. § 28 VwVfG ist im
durchgeführten Widerspruchsverfahren gemäß § 45 Abs. 2 VwVfG mit heilender
Wirkung nachgeholt worden.
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Auch materiell ist die Verfügung der Bezirksregierung E. vom 00.00.2001, mit der die
amtsärztliche Untersuchung des Klägers angeordnet worden war, nicht zu beanstanden.
Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 LBG ist der Beamte, wenn Zweifel über seine
Dienstunfähigkeit bestehen, verpflichtet, sich nach Weisung des Dienstvorgesetzten
ärztlich untersuchen und, falls ein Amtsarzt dies für erforderlich hält, auch beobachten
zu lassen. Diese Vorschrift wird ihrem Sinn und Zweck entsprechend allgemein dahin
ausgelegt, dass die Verpflichtung eines Beamten, sich ärztlich untersuchen zu lassen,
nicht nur bei Zweifeln an der Dienstunfähigkeit des Beamten, sondern auch dann
besteht, wenn die Behörde Zweifel an der Dienstfähigkeit des Beamten hat. Die
Vorschrift kommt deshalb nicht nur in den Fällen zur Anwendung, in denen der Beamte
seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand beantragt hat, weil er sich für
dienstunfähig hält, sondern auch in den Fällen, in denen - wie hier - die Behörde von
dem Beamten nicht geteilte Zweifel an dessen Dienstfähigkeit hat.
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Vgl. OVG NW, Beschluss vom 6.12.1991 - 6 B 2791/91 - n.v.
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Für den Erlass einer Anordnung nach § 45 Abs. 1 Satz 3 LBG reicht es aus, wenn
Umstände vorliegen, aus denen sich Zweifel an der Dienstfähigkeit oder
Dienstunfähigkeit eines Beamten ergeben können. Ob diese Zweifel berechtigt oder
begründet sind, soll gerade durch die Untersuchung festgestellt werden. Die
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verwaltungsgerichtliche Überprüfung einer Anordnung nach § 45 Abs. 1 Satz 3 LBG
kann sich daher regelmäßig nicht darauf erstrecken, den Berechtigungsgrad
behördlicher Zweifel zu ergründen. Das würde die Gefahr einer Vorwegnahme des
ärztlichen Untersuchungsergebnisses beinhalten. Die Verwaltungsgerichte sind darauf
beschränkt zu prüfen, ob die Anordnung der ärztlichen Untersuchung nicht
ermessensfehlerhaft und insbesondere willkürlich ist.
Vgl. OVG NW, Beschluss vom 6.12.1991 - 6 B 2791/91 - und vom 15.11.1990 - 6 A
1230/90 -, n.v.
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Allerdings gelten für die Anordnung einer psychiatrischen Untersuchung - wie hier -
strengere Voraussetzungen. Eine solche Anordnung des Dienstvorgesetzten ist nur
dann fürsorgepflichtgemäß und damit ermessensgerecht, wenn gewichtige Gründe
hierfür vorliegen bzw. wenn deutliche Anhaltspunkte für eine im geistigen, nervlichen
oder seelischen Bereich begründete Dienstunfähigkeit des Beamten sprechen.
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Vgl. OVG NW, Urteil vom 18.1.1994 - 6 A 2652/92 -, n.v.
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Im vorliegenden Fall lagen ausreichende Gründe für die Anordnung einer ärztlichen
(psychiatrischen) Untersuchung des Klägers vor. Aus den Verwaltungsvorgängen und
den Personalakten des Klägers ergibt sich, dass der Kläger seit 1998 auf begründete
fachliche Kritik an seiner Amtsführung seitens der Schulleitung, der Schulaufsicht und
auch der Eltern seiner Schüler ständig vollkommen überzogen und unangemessen
reagierte (vgl. u.a. seine Dienstaufsichtsbeschwerden vom 15.08.1998 und 17.01.2000,
seine Petition vom 08.03.2000 mit einem gleichzeitigen "vertraulichen
Informationsschreiben", sein Schreiben vom 29.11.1998 an Frau OStDin I. , seine
"Dienstaufsichtsbeschwerde" vom 07.02.2001 über Frau B. ) und dabei der Schulleitung
und der Schulaufsicht wiederholt Mobbing und Rachegelüste unterstellte. Diese
Auffälligkeiten ließen auf eine psychische Disposition des Klägers schließen, die
unmittelbar Auswirkungen auf die Dienstfähigkeit des Klägers hätte haben können. Dies
konnte nur durch eine amtsärztliche Untersuchung (gegebenenfalls durch eine
psychiatrische Zusatzbegutachtung) abgeklärt werden. Es war deshalb nach Ansicht der
Kammer nicht ermessensfehlerhaft, eine amtsärztliche Untersuchung des Klägers
anzuordnen. Dies hat das OLG Hamm in seiner Entscheidung vom 00.00.2003 in dem
vom Kläger in diesem Zusammenhang geführten Amtshaftungsprozess - - genauso
gesehen:
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"Aus den eigenen Eingaben und Stellungnahmen des Klägers, die zu seinen
Personalakten gelangt sind, erschließt sich, dass sich der Kläger ab etwa Ende
1997/Anfang 1998 ungerecht behandelt fühlte, die fachliche Kritik an seinem Unterricht
für nicht veranlasst und für falsch hielt, seinen Vorgesetzten Inkompetenz und
sachfremde Motive vorwarf und - wie er selbst betonte - zu einer Änderung seines
Unterrichtsverhaltens keine Veranlassung sah. Die Eingaben sind in einem zunehmend
unfreundlicher werdenden Ton gehalten. Es findet sich eine Dienstaufsichtsbeschwerde
gegen eine Grundschullehrerin, die Kritik an der Notengebung des Klägers gegenüber
ihrer Tochter geäußert hatte. Es wird der Vorwurf erhoben, seine Vorgesetzten betrieben
gegenüber dem Kläger "Mobbing", und es wird die Vermutung geäußert, man wolle
seine Beförderung hintertreiben. Ein solches Verhalten kann auch aus Sicht des Senats
als Ausdruck einer möglicherweise bestehenden Persönlichkeitsveränderung
interpretiert werden, wie sie sich gelegentlich bei Personen findet, die sich wegen eines
oder mehrerer konkreter Vorgänge - vielleicht zu Recht - ungerecht behandelt fühlen,
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diesen Konflikt nicht bewältigen und in der sich verfestigenden Vorstellung leben,
generell und immer benachteiligt zu werden. Ob eine solche Einstellung schon
Krankheitswert hat oder noch dem normalen Verhaltensbereich zugeordnet werden
muss, war dabei gerade die Frage, die nur im Rahmen einer ärztlichen Untersuchung
sicher geklärt werden konnte."
Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 11, 711 ZPO.
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