Urteil des VG Köln vom 10.12.2008

VG Köln: getrennt leben, aufschiebende wirkung, zuwendung, befund, eltern, hausaufgaben, form, nachhilfeunterricht, vollstreckung, aufmerksamkeit

Verwaltungsgericht Köln, 10 K 5750/07
Datum:
10.12.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 5750/07
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte
Schulamt vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d
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Der im September 1998 geborene Kläger, P. , dessen Eltern getrennt leben, wächst bei
seiner Mutter auf. Den Angaben seiner Mutter zufolge wurden bei ihm im Alter von zwei
Jahren Entwicklungsverzögerungen festgestellt. Nach einem zweijährigen Besuch des
Regelkindergartens und fortbestehenden Auffälligkeiten im motorischen, sprachlichen,
sozialen sowie emotionalen Bereich wechselte er in eine integrative Kindertagesstätte,
wo er für die Dauer von zwei weiteren Jahren in Kleingruppen intensiv gefördert wurde
sowie Sprachtherapie erhielt. Anlässlich seiner schulärztlichen
Einschulungsuntersuchung empfahl die Schulärztin im Januar 2005 eine Überprüfung
sonderpädagogischen Bedarfs. P. , dessen Erstsprache Türkisch sei, benötige zur
weiteren Entwicklung Förderung wegen erheblicher Defizite in den Bereichen Sprache,
auditiver sowie visueller Wahrnehmung, Fein- und Grobmotorik, Merkfähigkeit,
Ausdauer, Konzentration sowie psychosozialer Entwicklung. Im Sommer 2005 wurde P.
in die GGS T. Straße eingeschult, wo er im Anschluss an den Unterricht in der Offenen
Ganztagsschule betreut wurde. Im Februar 2006 beantragte die Schule die Einleitung
eines Verfahrens zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs. Zur
Begründung ist ausgeführt: P. habe große Schwierigkeiten, sich in die
Klassengemeinschaft einzufügen. Er nehme jede Gelegenheit wahr, andere Kinder zu
ärgern, zu beschimpfen und körperlich anzugreifen. Durch übersteigerte
Verhaltensweisen versuche er, die Aufmerksamkeit seiner Mitschüler auf sich zu lenken.
Er könne sich nicht an Regeln halten und seine Bedürfnisse nicht aufschieben. P.
versuche ständig, den Anforderungen auszuweichen, zeige kein Interesse am Unterricht
und müsse immer wieder neu motiviert werden. Er sei nicht fähig, Unterrichtsbeiträge zu
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liefern und an Klassengesprächen in sachgerechter Weise teilzunehmen. Auch einfache
schulische Aufgaben könne er nicht selbständig erledigen. In allen Phasen des
Unterrichts benötige er intensive Hilfestellung. Seine Schwierigkeiten beeinträchtigten
in allen Fachbereichen seinen Lernzuwachs. Auffällig seien auch
Entwicklungsverzögerungen in der Fein- und Grobmotorik. P. werde sowohl während
des Unterrichts im Rahmen der inneren Differenzierung als auch in Kleingruppen
gefördert, wobei in der Klasse zeitweise eine zusätzliche Lehrkraft oder eine
Sozialpädagogin zum Einsatz komme. Trotz spezieller Übungen zur Minderung seiner
Schwierigkeiten sei kaum ein Lernfortschritt zu beobachten. Die im Februar 2006 über
den Antrag informierte Mutter P.s sei aufgrund früherer Gespräche darauf vorbereitet
gewesen, dass ein Verfahren zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs
angestrebt werde. Das nach Einleitung des Verfahrens eingeholte schulärztliche
Gutachten kam im Mai 2006 zu dem Befund, P. leide unter einem allgemeinen
Entwicklungsrückstand um etwa zweieinhalb Jahre. Bei unruhigem,
distanzgemindertem und eigenwilligem Verhalten zeige er sich in Eins-zu-eins-
Situationen willig und konzentriert. P. benötige eine kleine Lerngruppe mit
niveaugerechten Anforderungen. Wegen motorischer und sprachlicher Defizite werde
Sport- und Sprachförderung empfohlen. Das sonderpädagogische Gutachten schloss
sich im Juni 2006 dem Befund, dass bei P. eine zweieinhalbjährige
Entwicklungsverzögerung vorliege, an. In der Unterrichtsbeobachtung habe sich P. auch
nach Hilfsangeboten durch die Lehrerin nicht in der Lage gezeigt, am Unterricht
teilzunehmen und Aufgaben zu bearbeiten. Setze sich ein Lehrer neben ihn, willige er
ein, einige Aufgaben anzugehen, wobei seine Konzentrationsspanne knapp fünf
Minuten betrage. Die Teilnahme am Sportunterricht oder an einfachen Spielen sei P. nur
mit aggressiven Verhaltensweisen und nicht ohne stetiges Schlichten der Lehrperson
möglich. In der Testsituation zeige er große motorische Unruhe und lasse sich zur
Mitarbeit nur durch ständige Zuwendung und den häufigen Einschub von
Bewegungseinheiten motivieren. P. könne im Zahlenraum bis sechs Plusaufgaben
abzählend lösen. Er kenne einige Laut-Buchstabenzuordnungen, beherrsche aber die
Buchstabensynthese noch nicht. Seine auditive Wahrnehmung, der Wortschatz und das
Sprachverständnis seien nicht altersentsprechend entwickelt. Sein
Aufgabenverständnis sei stark eingeschränkt. Bei der Überprüfung seiner Intelligenz mit
dem CFT 1 habe er einen Gesamt-IQ von 70, mit dem HAWIK-III eine Gesamt-IQ von 72
erreicht. Die Überprüfungen bestätigten, dass P. weder im Lernstoff noch in sozialen
Belangen in die Klasse integriert sei. Den Leistungsunterschied zu seinen
Klassenkameraden nehme er deutlich wahr. Besonderer Förderbedarf bestehe im
sozial-emotionalen Bereich, beim Lern-und Leistungsverhalten sowie bezüglich Motorik
und Sprache. Er benötige Übung in einer Kleingruppe, um altersgerechtes
Sozialverhalten zu erwerben, Problemlösungsstrategien zu entwickeln und
selbständiger zu werden. Durch die Vermittlung von Erfolgserlebnissen bei reduzierten,
kleinschrittigen Anforderungen in einem homogeneren Lernumfeld müsse
Lernmotivation aufgebaut werden, bevor er auch in den Bereichen der Motorik, der
Wahrnehmung, der Sprache und der Kognition gefördert werden könne. Die in Betracht
kommenden Förderschulen für emotionale und soziale Entwicklung böten diese
Voraussetzungen mit größeren Lerngruppen von durchschnittlich intelligenten Schülern
nicht. Am ehesten könne die Förderschule für Lernen an der L.------straße P.s
Förderbedarf gerecht werden. Die Familienhelferin, die P.s Familie seit drei Jahren
begleite, bemühe sich, dass P. von seiner Mutter so angenommen werde, wie er sei und
er einen schulischen Förderort erhalte, dem auch seine Mutter zustimme. Die Mutter
erkenne seine Förderbedürftigkeit, auf die sie bereits in Gesprächen in der integrativen
Kindertagesstätte hingewiesen worden sei, aber nicht an. Sie habe angekündigt, dass
P. nicht mehr ihr Sohn sei und zu seinem Vater ziehen müsse, wenn er eine
Förderschule besuche. Das Schulamt teilte P.s Eltern daraufhin mit, dass das Verfahren
bis Februar 2007 ausgesetzt werde, um P. an der Regelschule weiter zu beobachten. Im
Januar 2007 berichtete die von P. besuchte Grundschule, P. erhalte an drei Tagen pro
Woche jeweils eine Stunde Einzelförderung durch eine sozialpädagogische Fachkraft
der Schule. Schwerpunkte der Förderung seien Arbeits- und Sozialverhalten,
Mathematik und Deutsch. Zusätzlich gehe er zum Sport-Förderunterricht und erhalte
eine weitere Wochenstunde Mathematik-Förderunterricht in einer Kleingruppe. Mit einer
neuen Lehrerin und 16 Schulneulingen in seiner jahrgangsübergreifend geführten
Klasse habe er zunächst sichtlich Schwierigkeiten gehabt, die sich in regellosem und
aggressivem Verhalten gezeigt hätten. Durch die in der Anfangsphase klar gesetzten
Grenzen könne er sich jetzt besser an die Klassenregeln halten. Trotzdem verlange er
nach wie vor viel Beachtung. Manchmal schaffe er es bis zu 15 Minuten, aufmerksam zu
bleiben. Seine Äußerungen bezögen sich immer öfter auf den Gegenstand des
gemeinsamen Gesprächs. Im Organisationssystem der Klasse kenne sich P. immer
noch nicht aus. Hausaufgaben würden regelmäßig vergessen. Ohne Hilfe könne und
wolle er nicht arbeiten. Inzwischen habe P. das Prinzip der Anlauttabelle verstanden. Er
lautiere nur mit Einzelbetreuung. Der Leselernprozess habe bei P. noch nicht
eingesetzt. Beim Abschreiben verstehe er das Geschriebene nicht, es handele sich um
eine rein motorische Übung. P. könne bis 20 zählen, ohne dass ihm Zahlbeziehung und
Zahlbedeutung klar seien. Einfache Additionsaufgaben löse er mit dem Rechenschieber
richtig. Insgesamt habe P. trotz intensiver und individueller Förderung nur kleine
Lernfortschritte machen können und werde von fast allen anderen Kindern der Klasse
inzwischen überholt. Die umfängliche Einzelförderung im letzten halben Jahr könne an
einer Regelschule in dieser Form nicht dauerhaft aufrecht erhalten werden. Der
derzeitige Lern- und Leistungsstand zeige deutliche Entwicklungsrückstände bei P. . Er
brauche, um in seinem Lernprozess voranzuschreiten, individuelle und kleinschrittige
Lernbegleitung und Hilfe in seinem emotionalen Entwicklungsprozess. In seinem
Interesse werde dringend gebeten, die umgehende Förderung an einer Förderschule mit
den Förderschwerpunkten Lernen/emotionale und soziale Entwicklung einzuleiten.
Mit Bescheid vom 20.03.2007 entschied das beklagte Schulamt, dass für P.
sonderpädagogischer Förderbedarf mit dem Förderschwerpunkt Lernen bestehe und er
am Unterricht der Förderschule für Lernen teilnehme. Zur Begründung ist ausgeführt, P.
zeige laut Gutachten und Bericht einen erhöhten Förderbedarf im Bereich Lernen mit
den entsprechenden Folgewirkungen im sozialen Miteinander. Er brauche eine
individuelle und kleinschrittige Lernbegleitung.
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Gegen diesen Bescheid legte P.s Mutter Widerspruch ein. Sie trug zur Begründung vor,
P. sei nicht behindert, sondern nur langsam. Daraufhin lud das beklagte Schulamt P.s
Eltern zu einem Gespräch ein, das P.s Mutter wahrnahm. Eine einvernehmliche Lösung
konnte nicht erreicht werden. Im Juni 2007 erklärte sich P.s Mutter über ihre
Prozessbevollmächtigte bereit, P. nach den Ferien in die Förderschule für Lernen M.-----
-----straße zu schicken. Sie wolle jedoch einige Stunden am Unterricht der Schule
teilnehmen, um zu sehen, ob es ihrem Sohn in der Schule gut gehe und er gefördert
werde. Daher bitte sie, den Sofortvollzug der behördlichen Entscheidung zunächst nicht
anzuordnen. Hiermit erklärte sich das beklagte Schulamt einverstanden. Im August 2007
ordnete das beklagte Schulamt die sofortige Vollziehung des Bescheids vom
20.03.2007 mit der Begründung an, P.s Mutter habe sich an ihren eigenen Vorschlag
nicht gehalten. Es bestehe jedoch die Notwendigkeit einer zeitnah zum
Schuljahresbeginn einsetzenden sonderpädagogischen Förderung P.s . Seit dem
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14.08.2007 besucht P. die Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen an der M.----------
straße . Den Antrag von P.s Mutter, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs
gegen den Bescheid des beklagten Schulamts vom 20.03.2007 wiederherzustellen,
lehnte die Kammer mit Beschluss vom 10.09.2007 - 10 L 1224/07 - ab. Die dagegen
erhobene Beschwerde wies das OVG NRW mit Beschluss vom 18.10.2007 - 19 B
1043/07 - zurück.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2007 wies die Bezirksregierung Köln den
Widerspruch von P.s Mutter zurück. Der Bescheid wurde am 27.11.2007 zugestellt.
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P.s Mutter hat am 21.12.2007 Klage erhoben.
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Zur Klagebegründung vertritt sie die Auffassung, die Voraussetzungen einer
Lernbehinderung lägen bei P. nicht vor. Die vermeintlichen Defizite P.s hätten ihr früher,
mindestens ein Jahr vor Zuweisung auf die Förderschule, mitgeteilt werden müssen.
Dann hätte sie P. Nachhilfeunterricht geben lassen. Je länger P. die Förderschule
besuche, umso erheblicher würden seine Defizite. Durch den Besuch der Förderschule
werde P. stigmatisiert und infolge eines reduzierten Lehrplans der Möglichkeit beraubt,
künftig Anschluss in der Regelschule zu finden. Wäre ihr Gelegenheit zur zeitweisen
Teilnahme am Förderunterricht gegeben worden, hätten bei ihr und P. Widerstände
gegen diese Schulform abgebaut werden können.
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Für den Kläger wird beantragt,
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den Bescheid des beklagten Schulamtes vom 20.03.2007 und den
Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Köln vom 20.11.2007 aufzuheben.
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Das beklagte Schulamt beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Es tritt dem klägerischen Vorbringen entgegen.
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In dem im Januar 2008 erteilten Halbjahreszeugnis der Förderschule für Lernen ist
ausgeführt, P. sei ein freundlicher und hilfsbereiter Junge, der offensichtlich gern zur
Schule komme. Er habe sich schnell in die neue Klassengemeinschaft eingefügt und
Konfliktsituationen, teilweise mit Hilfe der Lehrerin, durch Gespräche lösen können. Er
bemühe sich um Einhaltung der Klassenregeln und um sachbezogene Beiträge, sei
aber zeitweise leicht ablenkbar. Die Hausaufgaben habe er meist pünktlich erledigt. Es
sei ihm oft schwer gefallen, seine Unterrichtsmaterialien ordnungsgemäß einzusetzen.
P.s Konzentrationsspanne sei stark stimmungsabhängig gewesen. Bei schriftlichen
Arbeiten habe er Selbständigkeit gewonnen, jedoch benötige er häufige Zuwendung
und Unterstützung durch die Lehrerin. P. verfüge noch über einen zu geringen
Wortschatz; dies erschwere es ihm, sich im Unterricht treffend auszudrücken. Seine
Fähigkeiten im Lesen habe er verbessern können. Er habe aber Schwierigkeiten, den
Inhalt eines Textes wiederzugeben. Kurze Texte könne er mit wenigen Fehlern
abschreiben. Geübte Sätze könne er noch nicht auswendig ohne größere Fehlerzahl
schreiben. Beim freien Schreiben gelinge es ihm, kleine, zusammenhängende Sätze
aufzuschreiben. In Mathematik könne P. im erarbeiteten Zahlenraum bis 20 die meisten
Plus- und Minusaufgaben mit konkretem Anschauungsmaterial lösen. Die
Zehnerüberschreitung bereite ihm noch Schwierigkeiten. Neue Aufgabenarten gelängen
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nur nach zusätzlichen Übungen. Im Sportunterricht zeige er recht häufig ein
unsportliches Verhalten, weil er es nicht ertragen könne, beim Spiel zu verlieren. Im
gleichzeitig erstellten Zwischenbericht der Schule ist ergänzend ausgeführt, P.s Haltung
zur Schule sei stark geprägt von der ablehnenden Einstellung seiner Mutter. Immer
wieder äußere er, dass in dieser Schule alles toll sei oder dies die beste Schule der
Welt sei, während er von einer "Behindertenschule und Sonderschule für Doofe"
spreche, wenn ihn die Mutter zur Schule gebracht habe. Die Elternarbeit mit seiner
Mutter entwickele sich zunehmend kooperativ. Ihre ablehnende Haltung gegenüber dem
System Förderschule äußere sie jedoch bei jeder Gelegenheit und gebe sie in Form von
Schuldzuweisung zum Teil direkt an P. weiter. Was P.s Lernentwicklungsstand
anbelange, stelle der Förderschwerpunkt Lernen zur Zeit den richtigen Förderbedarf für
P. dar. Der Lernstandsbericht seiner Klassenlehrerin von November 2008 deckt sich im
Wesentlichen mit den schulischen Einschätzungen zum Jahresbeginn. Ergänzend ist
ausgeführt, P. könne inzwischen kleine unbekannte Texte langsam vorlesen und den
Inhalt wiedergeben. Er verfüge über Ansätze der orthographischen
Rechtschreibstrategie. Beim Rechnen im Zahlenraum bis 100 brauche er viel Zeit und
Anschauungsmaterial. Einige Reihen des kleinen Einmaleins habe er kennen gelernt.
Bei Sachaufgaben habe er viel Mühe, die Sachverhalte zu erfassen und in
Rechenaufgaben umzusetzen.
Den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat die Kammer mit Beschluss vom
07.02.2008 abgelehnt. Die dagegen erhobene Beschwerde hat das OVG NRW mit
Beschluss vom 27.10.2008 zurückgewiesen.
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P.s Lehrerin ist in der mündlichen Verhandlung angehört worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Akten und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge in diesem Verfahren sowie in dem
Verfahren 10 L 1224/07 Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe Die Klage bleibt ohne Erfolg.
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Unabhängig von den sich im Zusammenhang mit der Vertretung des Klägers allein
durch seine Mutter stellenden Fragen ist die Klage jedenfalls nicht begründet, weil der
Bescheid des beklagten Schulamtes vom 20.03.2007 und der Widerspruchsbescheid
der Bezirksregierung Köln vom 20.11.2007 rechtmäßig sind und den Kläger nicht in
seinen Rechten verletzen, § 113 Abs.1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -.
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Die in dem Bescheid vom 20.03.2007 getroffene Entscheidung, dass für P.
sonderpädagogischer Förderbedarf mit dem Förderschwerpunkt Lernen besteht und er
die Förderschule für Lernen besucht, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Seine
Rechtsgrundlage findet der Bescheid in § 19 Schulgesetz - SchulG - in Verbindung mit
der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die
Schule für Kranke vom 29.04.2005 - AO-SF -. Danach werden Schüler, die wegen
körperlicher, seelischer oder geistiger Behinderung oder wegen erheblicher
Beeinträchtigung des Lernvermögens nicht am Unterricht an einer allgemeinbildenden
Schule teilnehmen können, ihrem individuellen Förderbedarf entsprechend
sonderpädagogisch gefördert. Orte der sonderpädagogischen Förderung sind unter
anderem die allgemeine Schule und die Förderschulen.
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Die Entscheidung des beklagten Schulamts, die in verfahrensrechtlicher Hinsicht keinen
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Bedenken unterliegt, erweist sich auch materiellrechtlich als fehlerfrei. Aufgrund des
schulärztlichen und des sonderpädagogischen Gutachtens, der Stellungnahmen der
von P. zunächst besuchten Gemeinschaftsgrundschule sowie der im Januar, November
und Dezember 2008 geäußerten Einschätzungen seiner jetzigen Klassenlehrerin ist
davon auszugehen, dass P. sonderpädagogische Förderung benötigt, weil er einen
gravierenden Entwicklungsrückstand in mehreren Bereichen aufweist, von denen die
des Lernens sowie der sozialen und emotionalen Entwicklung am vordringlichsten der
Förderung bedürfen. Dass das beklagte Schulamt dabei den Förderschwerpunkt Lernen
und die Förderschule für Lernen als Förderort festgelegt hat, ist vor dem Hintergrund der
genannten Gutachten und Berichte gleichfalls nicht zu beanstanden. P.s Lern- und
Leistungsausfälle sind umfassend und langanhaltend; sie werden durch einen
Rückstand vor allem der kognitiven Funktionen, wie die Ergebnisse der mit P.
durchgeführten Tests bestätigen, und auch der sprachlichen Entwicklung verstärkt. P.
kann an der allgemeinen Schule - auch mit zusätzlichem Nachhilfeunterricht - nicht
hinreichend gefördert werden, weil sein Bedarf an individueller Zuwendung in einer
kleinen Gruppe, kleinschrittiger und veranschaulichender Lernbegleitung in einem
homogenen Lernumfeld sowie Aufbau von Motivation durch Vermittlung von
Erfolgserlebnissen dauerhaft und nachhaltig nur an der Förderschule für Lernen
erfüllbar ist. Der Leistungsunterschied zu seinen Klassenkameraden war bis zum Ende
des Schulbesuch an der Regelschule trotz intensiver Förderung immer weiter
angewachsen. Seine zwischenzeitliche Entwicklung an der Förderschule für Lernen
bestätigt den Befund des an diesem Förderort zu deckenden Förderbedarfs. Nach der
überzeugenden Auskunft seiner Klassenlehrerin in der mündlichen Verhandlung zeigt
er in seiner jetzigen, aus elf Schülern bestehenden Lerngruppe im Vergleich zu seinen
Mitschülern, die ebenfalls sonderpädagogischen Förderbedarf im Bereich des Lernens
haben, durchschnittliche Leistungen. Nach wie vor bestehen augenscheinliche Defizite
in den Bereichen der Ausdauer und Aufmerksamkeit, die P. nach Schilderung seiner
Klassenlehrerin je nach Interesse im optimalen Fall bis zu 20 Minuten aufbringen kann,
sowie der Fähigkeit zu sachbezogenen Unterrichtsbeiträgen. Gleichzeitig ist entgegen
der Behauptung seiner Mutter erkennbar, dass die Förderung an der jetzt besuchten
Schule greift und P. hiervon deutlich profitiert. Während sich unter den an der
Regelschule herrschenden Bedingungen trotz intensiver Bemühungen kaum
Lernzuwachs zeigte, hat P. seit Sommer 2007 beachtliche Lernfortschritte erzielt. Dies
zeigt sich exemplarisch etwa daran, dass an der Förderschule der Leselernprozess bei
P. eingesetzt hat, er inzwischen unbekannte Texte langsam vorlesen sowie deren Inhalt
wiedergeben kann, über Ansätze einer orthographischen Rechtschreibstrategie verfügt,
zwischenzeitlich - mit Anschauungsmaterial - im Zahlenraum bis 100 rechnet und einige
Reihen des Einmaleins kennengelernt hat. Sein grundlegendes, bereits vor der
Einschulung während des Besuchs der integrativen Kindertagesstätte aufgetretenes
Problem der mangelnden Lernbereitschaft ist noch nicht behoben, jedoch begegnet ihm
die Förderschule mit ihren Mitteln wirksam. Dadurch, dass P. an seinem jetzigen Lernort
erstmals die Erfahrung macht, sozial wie auch leistungsmäßig in eine Lerngruppe
integriert zu sein und Erfolge zu erzielen, hat er seine Lernhaltung verbessern und so
die beschriebenen Lernfortschritte erzielen können. Gleichzeitig haben sich die
offensichtlich auch auf schulischer Überforderung und negativer Selbstwahrnehmung
beruhenden Defizite im emotionalen Bereich und im Sozialverhalten verringert.
Allerdings hat P.s Klassenlehrerin in der mündlichen Verhandlung nochmals betont,
dass P.s Haltung nach wie vor stark vom Verhalten seiner Mutter abhängt. Dass P. nach
dem Bericht der Klassenlehrerin von seiner Mutter in der Schule mitunter so
herabwürdigend behandelt wird, dass die Klassenlehrerin in einem Fall eine
Benachrichtigung des Jugendamtes für erforderlich gehalten hat, P.s Mutter in der
mündlichen Verhandlung dagegen bekundet hat, sie habe inzwischen den Kontakt zu
der bisherigen Familienhelferin abgebrochen, lässt es als umso dringlicher erscheinen,
dass P. in der von ihm besuchten Schule eine individuelle, bestärkende und
verlässliche pädagogische Zuwendung erhält. Es ist die Aufgabe von P.s Mutter, das
von ihr beanspruchte alleinige Sorgerecht verantwortlich zu P.s Wohl auszuüben und
seine Entwicklung durch Kooperation mit der Förderschule zu unterstützen.
Nicht nachvollziehbar ist der Vortrag, P.s Mutter sei nicht rechtzeitig über P.s
Schwierigkeiten informiert worden. Das Gegenteil ist der Fall. Diesbezügliche
Gespräche sind mit P.s Mutter in der integrativen Kindertagesstätte und in der
Gemeinschaftsgrundschule vor der Beantragung einer Verfahrenseinleitung und damit
mehr als ein Jahr vor der Entscheidung des Schulamtes geführt worden. Auch durch die
bei der Einschulungsuntersuchung im Januar 2005 geäußerte ärztliche Einschätzung
sind ihr P.s Probleme deutlich gemacht geworden. Soweit der Vortrag aus dem
einstweiligen Rechtsschutzverfahren aufrecht erhalten wird, P.s Mutter sei im Vorfeld
des Schulwechsels keine Gelegenheit zur zeitweisen Unterrichtshospitation in der
Förderschule gegeben worden, nimmt die Kammer auf die Ausführungen in ihrem
Beschluss vom 10.09.2007 - 10 L1224/07 - und in dem Beschluss des OVG NRW vom
18.10.2007 - 19 B 1659/07 - Bezug.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr.11, 711
ZPO.
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