Urteil des VG Köln vom 18.07.2006

VG Köln: stichprobe, blei, amt, abwasser, leistungsklage, lwg, widerspruchsverfahren, verrechnung, vorverfahren, werk

Verwaltungsgericht Köln, 14 K 924/04
Datum:
18.07.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
14.
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 K 924/04
Tenor:
Der Festsetzungsbescheid des beklagten Amtes vom 18.06.2003 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2004 wird insoweit
aufgehoben, als er eine Abwasserabgabe für den Parameter Blei
enthält.
Das beklagte Amt wird verurteilt, an die Klägerin 95.827,72 EUR nebst
Zinsen in Höhe von 0,5 % für jeden vollen Monat seit dem 04.02.2004 zu
zahlen.
Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Amt.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für
notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleitung in Höhe von
110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einer Abwasserabgabe für das
Jahr 2001 soweit diese für den Parameter Blei erfolgt ist. Sie leitet aus ihrem Werk Nord
in Wesseling gereinigtes Abwasser in den Rhein ein (Einleitungsnummer oooooo/ooo).
Hierfür wurde ihr unter dem 18.12.1987 eine wasserrechtliche Erlaubnis erteilt, die bis
zum hier maßgeblichen Zeitraum durch 14 weitere Bescheide geändert wurde. Ein
Überwachungswert für Blei wurde nicht festgesetzt; in dem 7. Änderungsbescheid vom
16.03.1993 wurde u.a. bestimmt:
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"Die Parameter - außer pH-Wert und Temperatur - werden aus der nicht abgesetzten,
entsprechend DIN 38 402 - A 30 (Ausgabe Juli 1986) homogenisierten qualifizierten
Stichprobe bestimmt. Die qualifizierte Stichprobe umfasst mindestens fünf Stichproben,
die in einem Zeitraum von höchstens zwei Stunden im Abstand von nicht weniger als
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zwei Minuten entnommen, gemischt werden."
Mit Schreiben vom 20.11.2000 hatte die Klägerin (u.a.) erklärt, dass sie im
Veranlagungsjahr 2001 für den Parameter Blei einen Überwachungswert von 50 µg/l
einhalten werde.
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Mit Bescheid vom 18.06.2003 setzte das beklagte Amt gegenüber der Klägerin für die
Einleitung von Schmutzwasser in den Rhein aus ihrem Werk Nord in Wesseling für das
Veranlagungsjahr 2001 eine Abwasserabgabe in Höhe von insgesamt 902.963,80 EUR
fest. Nach einer Verrechnung mit Investitionskosten für die Errichtung oder Erweiterung
von Abwasserbehandlungsanlagen verblieb ein zu zahlender Betrag von 95.827,72
EUR, der der Abwasserabgabe für den Parameter Blei entspricht. Bei der Ermittlung der
Abgabe für Blei wurden Überschreitungen des erklärten Überwachungswertes am
15.01.2001 mit 69,0 µg/l und am 21.03.2001 mit 61,0 µg/l in der qualifizierten Stichprobe
zugrunde gelegt und bei der Ermittlung der Schadeinheiten berücksichtigt. Der
Berechnung der Abgabe wurde der erhöhte Wert vom 15.01.2001 zugrunde gelegt.
Unter Ansatz des vollen Abgabesatzes von 35,79 EUR pro Schadeinheit wegen der
Nicht-Einhaltung der Mindestanforderung für Blei ergab sich hieraus für diesen
Parameter der genannte Abgabebetrag.
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Gegen diesen Festsetzungsbescheid legte die Klägerin unter dem 10.07.2003
Widerspruch ein, der ausdrücklich auf die Anfechtung der Festsetzung einer Abgabe für
den Parameter Blei beschränkt wurde. Zur Begründung wurde zunächst dargelegt, dass
sich der Bleigehalt im Abwasser regelmäßig zwischen 12 und 24 µg/l bewege. Befinde
sich das Abwasser im alkalischen Bereich, setze sich Blei an der Innenseite der PE-
Ablaufleitung fest, das sich im sauren Bereich wieder löse und dabei kurzzeitig zu
erhöhten Bleikonzentrationen im Abwasser führe. Zudem sei die Probenahme
problematisch: Zwar sei die Entnahmestelle in dem Erlaubnisbescheid örtlich
annähernd festgelegt, sie ermögliche jedoch keinen Schöpfvorgang. Die Probe könne
allein aus einem Bypass entnommen werden und berücksichtige dabei nicht die
aktuellen Bedingungen in dem tiefer gelegenen Abflussrohr.
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Darüberhinaus entsprächen die Probenahmen vom 15.01.2001 und 21.03.2001 weder
dem Erlaubnisbescheid noch der Abwasserverordnung, da keine qualifizierte
Stichprobe vorliege. Nach den protokollierten Zeitabläufen hätten nicht jeweils fünf
Proben im Abstand von jeweils mindestens zwei Minuten entnommen werden können,
da die gesamten Probenahmen lediglich zehn bzw.zwölf Minuten gedauert hätten. Um
die für die verschiedenen Analysen insgesamt zu gewinnenden Abwassermengen von
10 l bzw. 25 l zu erreichen, habe das benutzte Einliter-Gefäß entsprechend häufig gefüllt
werden müssen. Die verkürzte Dauer der Probenahmen benachteilige sie, die Klägerin,
da bei einer längeren Zeitdauer weniger Blei gemessen worden wäre, weil die
verstärkte Ablösung jeweils nur sehr kurzzeitig auftrete.
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Im Übrigen habe wegen der dargestellten Problematik am 15.01.2001 auch kein
Probenahmegefäß aus PE verwendet werden dürfen.
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Schließlich werde ein Antrag auf Billigkeitserlass gestellt, da das Problem des PE-
Rohrs bisher nicht bekannt gewesen sei, so dass sie, die Klägerin, hierauf nicht habe
früher reagieren können.
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Nachdem das Staatliche Umweltamt Köln gegenüber dem beklagten Amt die
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Ordnungsgemäßheit der Probenahme und der anschließenden Analytik bestätigt hatte,
wurde der Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 14.01.2004 als unbegründet
zurückgewiesen.
Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, dass die Probenahmen am
15.01.2001 und 21.03.2001 korrekt erfolgt seien. Dies ergebe sich bereits aus den
Probenahmeprotokollen, die als öffentliche Urkunden den vollen Beweis der darin
bezeugten Tatsachen begründeten und bei richtiger Würdigung auch die Aussage
enthielten, dass die Messung jeweils fehlerfrei erfolgt sei. Das Widerspruchsvorbringen
sei nicht geeignet, den Gegenbeweis gegenüber diesen Entnahmeprotokollen zu
erbringen. Die Probeentnahmestelle sei in der wasserrechtlichen Erlaubnis vom
18.12.1987 verbindlich festgelegt worden und die Klägerin habe dieser Festlegung
bislang nie widersprochen. Die Entnahme des Abwassers aus einem Bypass sei als
ortsfeste Probenahmeeinrichtung im Sinne der einschlägigen DIN 38402-A 11 auch
ohne weiteres zulässig. Nach Nr. 6.2 dieser DIN sei es zudem erlaubt, ein Gefäß aus
PE bei der Probenahme zu verwenden. Zudem sei auch eine qualifizierte Stichprobe
gezogen worden. Der Rückschluss der Klägerin, aus der Dauer der Probenahmen
ergebe sich die Fehlerhaftigkeit des Vorgangs, treffe nicht zu. Nach Nr. 4.2.2 der DIN
38402-A 11 werde die Stichprobe im Sinne dieser Norm als "eine oder mehrere
Einzelproben zur Beurteilung eines momentanen Zustandes" definiert. Demnach sei es
zulässig und richtig, dass eine Stichprobe aus mehreren hintereinander geschöpften
Einzelproben bestehen könne. Demzufolge seien bei den fraglichen Probenahmen
jeweils am freien Austritt der Bypassleitung mehrere Einzelproben hintereinander für
jeweils eine der fünf Stichproben entnommen und im Homogenisierungsgefäß
gesammelt worden. Schließlich sei die Einleitung der erhöhten Bleikonzentration im
Abwasser der Klägerin auch zurechenbar, da es insoweit allein auf die Verursachung
der Gewässerbelastung ohne Rücksicht auf deren Vermeidbarkeit ankomme.
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Über den gestellten Billigkeitserlass, der für die Rechtmäßigkeit des
Festsetzungsbescheides ohne Bedeutung sei, werde durch gesonderten Bescheid
entschieden.
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Am 04.02.2004 hat die Klägerin Klage erhoben.
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Sie wiederholt und vertieft zunächst das Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.
Darüberhinaus wird nunmehr bestritten, dass die bei der Abfüllung der Sammelproben
auf die einzelnen Flaschen notwendige Homogenisierung der Sammelproben erfolgt sei
und bei der Untersuchung der Abwasserteilproben auf den Parameter Blei das
zutreffende Analyseverfahren angewandt worden sei. Zudem habe bei der Berechnung
der Abgabe nicht der Wert vom 15.01.2001 berücksichtigt werden dürfen, da dieser nach
der 4 aus 5-Regelung als eingehalten gelte. Schließlich wird gerügt, dass eine
Verrechnung zumindest mit dem für den Parameter Blei ohne Überschreitung der
Überwachungswerte zu ermittelnden Betrag unterblieben ist.
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Die Klägerin beantragt,
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1. den Festsetzungsbescheid des beklagten Amtes vom 18.06.2003 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 14.01.2004 insoweit aufzuheben, als er eine
Abwasserabgabe für den Parameter Blei enthält,
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2.
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3. das beklagte Amt zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 95.827,72 EUR
nebst Zinsen in Höhe von 0,5 % für jeden vollen Monat seit Rechtshängigkeit zu zahlen
18
sowie
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4. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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5.
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Das beklagte Amt beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Es wiederholt und vertieft das gesamte Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und
tritt der Behauptung der Klägerin entgegen, die Homogenisierung der Abwasserprobe
und die nachfolgenden Analysen seien nicht normgerecht erfolgt. Zur Frage der
qualifizierten Stichprobe vertritt das Amt die Auffassung, wie die Probe zu nehmen sei,
ergebe sich nicht aus der Abwasser-VO, sondern aus der darin in Bezug genommenen
DIN 38402-A 11, die mehrere Schöpfvorgänge zur Gewinnung einer Stichprobe
ermögliche. Jedenfalls aber seien auch bei insoweit anderer Ansicht die Regelungen
der Abwasser-VO in sich widersprüchlich, so dass eine an Sinn und Zweck der
Regelung orientierte Auslegung angezeigt sei, die ebenfalls zu dem Ergebnis führe,
dass eine Stichprobe auch durch mehrere Schöpfvorgänge gewonnen werden könne.
Auch sei der am 15.01.2001 festgestellte höhere Wert ungeachtet der 4 aus 5- Regelung
bei der Berechnung zu berücksichtigen. Schließlich scheide eine Verrechnung bei dem
Parameter Blei schon deshalb aus, weil ohne die Überschreitungen der
Überwachungswerte überhaupt keine Abwasserabgabe für diesen Parameter
angefallen wäre.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den
Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge des beklagten Amtes
Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
26
Die Klage ist insgesamt zulässig und begründet.
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I. Der Bescheid des beklagten Amtes vom 18.06.2003 über die Festsetzung eines
Abwasserabgabe für die Einleitung von Schmutzwasser aus dem Werk Nord der
Klägerin in Wesseling in den Rhein für das Veranlagungsjahr 2001 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 14.01.2004 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die
Klägerin dadurch in ihren Rechten, als darin eine Abgabe für den Parameter Blei
enthalten ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die in dem Festsetzungsbescheid des beklagten Amtes vom 18.06.2003 gemäß §§ 4
und 6 des Abwasserabgabengesetzes (AbwAG) in der im hier maßgeblichen
Veranlagungsjahr 2001 anzuwendenden Fassung der Bekanntmachung vom
03.11.1994 (BGBl. I, S. 3370), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom
25.08.1998 (BGBl. I. S. 2455) enthaltene Heranziehung zu einer Abwasserabgabe für
den Parameter Blei ist rechtswidrig, weil die insoweit allein zur Abgabepflicht führenden
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-vermeintlichen- Überschreitungen des nach § 6 Abs. 1 AbwAG erklärten
Überwachungswertes am 15.01. bzw. 21.03.2001 wegen fehlerhafter Probenahmen
nicht berücksichtigt werden können.
Da der von der Klägerin für das Veranlagungsjahr 2001 erklärte Überwachungswert von
50 µg/l für den Parameter Blei dem in der Anlage zu § 3 AbwAG festgelegten
Schwellenwert entspricht, bei dessen Einhaltung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 AbwAG eine
Abwasserabgabe nicht zu entrichten ist, kann das beklagte Amt bei
Nichtberücksichtigung der Ergebnisse der Probenahmen vom 15.01.2001 und
21.03.2001 gegen die Klägerin eine Abgabe für den Parameter Blei nicht erheben.
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Nach § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG wird die Zahl der Schadeinheiten erhöht, wenn die
Überwachung durch staatliche oder staatlich anerkannte Stellen i.S.d. Satzes 1 ergibt,
dass ein der Abgabenberechnung zugrunde zu legender Überwachungswert im
Veranlagungszeitraum nicht eingehalten ist und auch nicht als eingehalten gilt. Gemäß
§ 4 Abs. 2 Satz 3 AbwAG richtet sich die Erhöhung nach dem Vomhundertsatz, um den
der höchste gemessene Einzelwert den Überwachungswert überschreitet. Wird der
Überwachungswert einmal nicht eingehalten, so bestimmt sich die Erhöhung nach der
Hälfte des Vomhundertsatzes, wird der Überwachungswert mehrfach nicht eingehalten,
nach dem vollen Vomhundertsatz (§ 4 Abs. 2 Satz 4 AbwAG).
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Vorliegend ist der Überwachungswert für den Parameter Blei im gesamten
Veranlagungsjahr 2001 eingehalten worden. Die von dem Staatlichen Umweltamt Köln
(StUAK) angenommene zweimalige Überschreitung des Überwachungswertes für Blei
kann das beklagte Amt bei der Ermittlung der Abgabenhöhe nicht zugrunde legen, weil
insoweit keine ordnungsgemäßen qualifizierten Stichproben des Abwassers gezogen
worden sind.
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Zwar sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die
Probenahmeprotokolle des StUAK vom 15.01. und 21.03.2001 als öffentliche Urkunden
i.S.d. § 98 VwGO i.V.m. §§ 415 Abs. 1, 418 Abs. 1 ZPO anzusehen, welche bei richtiger
Würdigung auch die Aussage enthalten, dass die Messungen fehlerfrei erfolgt seien, da
die Protokollierung von Messungen und Messergebnissen nur dann einen
nachvollziehbaren Sinn hat, wenn zugleich die Ordnungsgemäßheit der Probenahmen
bescheinigt wird. Dies hat zur Folge, dass der Inhalt der Urkunden den vollen Beweis für
die darin bezeugten (durch Auslegung ermittelten) Tatsachen begründet (§ 98 VwGO
i.V.m. § 418 Abs. 1 ZPO). Gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 418 Abs. 2 ZPO ist allerdings der
Gegenbeweis zulässig, der aber nur dann erbracht ist, wenn das Gericht vom Gegenteil
des Urkundsinhalts voll überzeugt ist. Die bloße Möglichkeit eines anderen
Geschehensablaufs i.S.d. Vorhandenseins von (auch ernstlichen) Zweifeln an der
Richtigkeit der urkundlichen Feststellungen genügt nicht.
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Vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 15.1.2002 - 9 C 4.01 -, DVBl. 2002, S. 487 (491); OVG
NRW, Beschluss vom 9.8.2002 - 9 B 911/02 - S. 4 BA.
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Vorliegend steht jedoch in tatsächlicher Hinsicht unzweifelhaft fest, fest, dass die
qualifizierten Stichprobenahmen am 15.01.2001 und 21.03.2001 durch Mitarbeiter des
StUAK nicht ordnungsgemäß erfolgt sind. Nach dem eigenen Vortrag des beklagten
Amtes, das wiederum auf Bestätigungen des StUAK beruht, wurden die qualifizierten
Stichproben hier jeweils so genommen, dass jede der erforderlichen 5 Stichproben
durch jeweils mehrere Schöpfvorgänge gewonnen wurde. Nur so konnten mit dem
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verwendeten Einliter-Schöpfgerät in den protokollierten Zeiträumen bei Einhaltung von
mindestens 2 Minuten zwischen den 5 Stichproben die erforderlichen Gesamtmengen
des Abwassers entnommen werden.
Diese Art der Probenahme erfüllt jedoch nicht die Voraussetzungen, die § 2 Nr. 3 i.V.m.
Nr. 1 der Verordnung über Anforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer
vom 21.03.1997 (Abwasserverordnung - AbwV) in der Fassung der 2.
Änderungsverordnung vom 22.12.1998 und die DIN 38402-11 (Ausgabe Dezember
1995), die mit der am 01.06.2000 in Kraft getretenen 3. Änderungsverordnung vom
29.05.2000 in die Anlage zur AbwV aufgenommen worden ist, an das Vorliegen einer
qualifizierten Stichprobe stellen. Zu den nach diesen Vorgaben an eine "qualifizierte
Stichprobe" zu stellenden Anforderungen hat die erkennende Kammer in mehreren
Urteilen vom 07.12.2004 (14 K 9354/02 u. a.) ausgeführt:
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"Gemäß § 2 Nr. 3 AbwV - ... - ist unter einer qualifizierten Stichprobe eine Mischprobe
aus mindestens fünf Stichproben, die in einem Zeitraum von höchstens zwei Stunden im
Abstand von nicht weniger als zwei Minuten entnommen und gemischt werden, zu
verstehen. Nach § 2 Nr. 1 AbwV ist eine Stichprobe eine einmalige Probenahme aus
einem Abwasserstrom. Das daraus folgende wesentliche Merkmal der qualifizierten
Stichprobe als Mischung aus mindestens fünf - im Abstand von nicht weniger als zwei
Minuten durchgeführten - einmaligen Probenahmen i.S.v. Schöpfvorgängen aus einem
Abwasserstrom ergibt sich ebenfalls aus Ziff. 4.2 der DIN 38402- A11: Nach der
Anmerkung zu Ziff. 4.2.4 a.E. ist eine bei der behördlichen Einleiterüberwachung
eingesetzte besondere Form der Durchschnittsprobe die "qualifizierte Stichprobe",
worunter eine Sammelprobe aus mindestens 5 Stichproben verstanden wird, die im
Abstand von nicht weniger als 2 min und über eine Zeitspanne von höchstens 2 h
entnommen werden. Gemäß Ziff. 4.2.3 ist eine Sammelprobe i.S.d. DIN aber eine aus
mehreren Einzelproben vereinigte Probe, wobei nach Ziff. 4.2.1 unter einer Einzelprobe
i.S.d. DIN eine durch einmalige Entnahme (meist durch Schöpfen) gewonnene Probe zu
verstehen ist. Dem widerspricht - anders als der Beklagte und der Zeuge Buch meinen -
auch nicht, dass gemäß Ziff. 4.2.2 eine Stichprobe i.S.d. DIN definiert wird als eine oder
mehrere Einzelproben zur Beurteilung eines momentanen Zustandes. Denn im Fall der
qualifizierten Stichprobe i.S.d. § 2 Nr. 3 AbwV können die dafür zu nehmenden
einzelnen Stichproben - aufgrund der insoweit höher und damit vorrangigen
Stichprobendefinition in § 2 Nr. 1 AbwV - jeweils nur als eine Einzelprobe i.S.d. Ziff.
4.2.2 Satz 2 1. Alt. i.V.m. Ziff. 4.2.1 Satz 2 der DIN 38402-A11 angesehen werden.
Darüber hinaus spricht gegen die Auffassung des Beklagten und des StUAK - bei einer
qualifizierten Stichprobenahme i.S.d. § 2 Nr. 3 AbwV könne eine Stichprobe auch aus
mehreren Einzelproben (= Schöpfvorgängen) i.S.d. Ziff. 4.2.2 Satz 2 2. Alt. i.V.m. Ziff.
4.2.1 Satz 2 der DIN 38402-A11 bestehen -, dass eine solche Stichprobe nicht mehr -
wie in Ziff. 4.2.2 Satz 2 vorgesehen - geeignet ist, einen "momentanen" Zustand zu
beurteilen. Zwischen den einzelnen Schöpfvorgängen innerhalb einer derartigen
Stichprobenahme läge nämlich immer ein - wenn auch bloß kurzer - zeitlicher Abstand,
der allerdings dem Charakter der Stichprobe als einer "Momentaufnahme"
entgegenstehen würde. Dessen ungeachtet spricht gegen die Ansicht des Beklagten
und des StUAK, mehrere Einzelproben i.S.v. Schöpfvorgängen zu einer Stichprobe
zusammenzufassen, dass Ziff. 4.2.2 Satz 2 2. Alt. der DIN 38402-A11 die zweite Art der
Stichprobe lediglich als "mehrere Einzelproben" und nicht - wie Ziff. 4.2.3 Satz 2 die
Sammelprobe - als eine "aus mehreren Einzelproben vereinigte Probe" (Hervorhebung
durch das Gericht) definiert. Schließlich würde es bei Unterstellung der Auffassung des
Beklagten und des StUAK als richtig auch nur noch von bloßen Zufälligkeiten - wie etwa
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der für die qualifizierte Stichprobe insgesamt benötigten Abwassermenge, dem
Fassungsvermögen des eingesetzten Probenahmegerätes und der eigenen
Entscheidung des Probenehmers vor Ort - abhängen, wieviele und welche
Schöpfvorgänge als eine Stichprobe anzusehen sind."
Die Kammer hält auch nach erneuter Überprüfung an dieser Auffassung fest. Der
Vortrag des beklagten Amtes nach Erlass des zitierten Urteils kann nicht zu einer
anderen Betrachtung führen. Zunächst kann es keinem Zweifel unterliegen, dass § 2 Nr.
3 AbwV unter der Überschrift "Begriffsbestimmungen" auch eine Aussage dazu trifft, wie
die qualifizierte Stichprobe zu ziehen ist, denn der Wortlaut enthält klare
Handlungsanweisungen. Soweit das beklagte Amt die AbwV durch den Verweis auf die
DIN 38402-A 11 für in sich widersprüchlich hält, vermag die Kammer dem nicht zu
folgen. Der Ansicht, eine an Sinn und Zweck der Regelungen orientierte Auslegung
müsse zu dem Ergebnis führen, dass eine qualifizierte Stichprobe auch durch einzelne
Stichproben, die aus jeweils mehreren Schöpfvorgängen bestehen, gewonnen werden
könne, steht bereits der eindeutige Wortlaut des § 2 Nr. 3 AbwV entgegen, der einer
Auslegung nach anderen Kriterien enge Grenzen setzt. Zudem sind allenfalls die
Regelungen der DIN 38402-A 11 selbst unter Ziff. 4.2 "Probenahmearten" in sich
widersprüchlich, weil dort der Begriff der "Stichprobe" nicht einheitlich verwandt wird.
Indes lässt sich auch dieser (vermeintliche) Widerspruch schon nach der DIN selbst
ausräumen, so dass es nicht darauf ankommt, dass ansonsten der Regelung der AbwV
als der höherrangigen Rechtsquelle ohnehin der Vorrang einzuräumen wäre. In der DIN
wird nämlich die qualifizierte Stichprobe als Sonderform der "Sammelprobe" dargestellt,
die ihrerseits als eine aus mehreren Einzelproben vereinigte Probe definiert wird. Nach
allgemeinen Grundsätzen gehen aber speziellere Regelungen den allgemeinen vor, so
dass sich auf diesem Weg auch die DIN 38402-A 11 in Übereinstimmung mit der AbwV
bringen lässt. Schließlich kann die Einbeziehung von DIN-Normen in der Anlage zu § 4
AbwV auch dahingehend ausgelegt werden, dass die Bezugnahme nur insoweit erfolgt,
als die AbwV selbst hierzu keine Regelungen enthält.
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Können mithin die Probenahmen vom 15.01.2001 und 21.03.2001 aus den dargestellten
Gründen bei der Festsetzung der Abwasserabgabe für das Veranlagungsjahr 2001 nicht
berücksichtigt werden, kommt es auf die weiteren von der Klägerin gerügten Umstände
nicht mehr an. II. Die Klage mit dem Antrag zu Ziffer 2) auf Rückzahlung der bereits
gezahlten Abwasserabgabe für den Parameter Blei ist ebenfalls zulässig und
begründet. Der in der mündlichen Verhandlung zusätzlich gestellte Antrag auf
Rückzahlung der bereits entrichteten Abgabe stellt sich als zulässige Klageerweiterung
dar.
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Richtige Klageart ist hier die allgemeine Leistungsklage, weil § 218 der
Abgabenordnung (AO), der die Festsetzung von Erstattungsansprüchen durch
Verwaltungsakt erfordert, in § 85 des Wassergesetzes für das Land Nordrhein-
Westfalen (Landeswassergesetz) -LWG-, der für die Heranziehung zur
Abwasserabgabe Teile der AO für anwendbar erklärt, nicht in Bezug genommen worden
ist. Diese allgemeine Leistungsklage ist auch zutreffend gegen das beklagte Amt
gerichtet worden. Zwar findet die in § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 5 Abs. 2 Satz 1 AG
VwGO NRW eröffnete Möglichkeit, eine Klage unmittelbar gegen die Behörde zu
richten, auf diese Klageart keine Anwendung. Dies gilt indes nicht, wenn das
Leistungsbegehren -wie hier- lediglich als Annex zu einer Anfechtungsklage verfolgt
wird.
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So Gerhardt in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO,
Loseblattsammlung, Stand: Oktober 2005, § 113 Rdn. 59.
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Die prozessuale Zulässigkeit der Verbindung des Leistungsbegehrens mit der
Anfechtungsklage ergibt sich aus § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
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Materielle Rechtsgrundlage für den Rückzahlungsanspruch ist der allgemeine öffentlich-
rechtliche Erstattungsanspruch, da auch § 37 Abs. 2 AO, der eine spezialgesetzliche
Ausformung dieses Rechtsinstitutes beinhaltet, in § 85 LWG nicht in Bezug genommen
worden ist. Nachdem der Festsetzungsbescheid des beklagten Amtes vom 18.06.2003
hinsichtlich der Abgabe für den Parameter Blei aufgehoben worden ist und damit als
Rechtsgrund für die bereits geleistete Zahlung nicht mehr in Betracht kommt, liegen die
Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs vor. Insoweit werden
von dem beklagten Amt auch keine Einwände erhoben.
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Der Anspruch auf Verzinsung des Rückzahlungsbetrages ergibt sich aus § 85 Nr. 1 i
LWG i. V. m. §§ 236, 238 AO. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs.
2 Satz 2 VwGO.
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Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten für das Vorverfahren war für notwendig
zu erklären, weil es - vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten zum Zeitpunkt der
Bestellung des Bevollmächtigten aus betrachtet - der Klägerin wegen der Spezialität der
Sachmaterie sowie der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des vorliegenden
Verfahrens nicht zumutbar war, das Widerspruchsverfahren selbst zu betreiben.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §
709 ZPO. Bei der hier gegebenen Verbindung von Anfechtungs- und allgemeiner
Leistungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO erfasst § 167 Abs. 2 VwGO das
gesamte Urteil, da die Vollstreckbarkeit des Leistungstenors zwingend von der
(endgültigen) Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes abhängt.
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Vgl. Pietzner in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a. a. O., § 167 Rdn. 134.
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