Urteil des VG Köln vom 02.05.2002

VG Köln: genehmigung, unterliegen, anfechtungsklage, zusammenschaltung, zugang, anwendungsbereich, hauptsache, post, begriff, telefonnetz

Verwaltungsgericht Köln, 1 K 6067/98
Datum:
02.05.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 6067/98
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit es die Beteiligten
übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.
Der Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 1998 wird insoweit
aufgehoben, als in ihm die Genehmigungspflicht des Entgelts für die
Leistung Z.2 (Verbindungen zu Ansagediensten der Klägerin)
festgestellt wird. Insoweit wird festgestellt, dass eine solche
Genehmigungspflicht nicht besteht.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu zwei Dritteln und die
Beklagte zu einem Drittel.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicher-heitsleistung in Höhe
des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der E. und als solche Eigentümerin der von
dieser aufgebauten Telekommunikationsnetze und der hierzu gehörigen technischen
Einrichtungen.
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Unter dem 17. April 1998 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Genehmigung der
Entgelte optionaler und zusätzlicher Dienstleistungen, die anlässlich des Abschlusses
von Interconnection-Verträgen vereinbart werden (unter anderem für die Leistungen O.8
- Verbindung zu T-Online, Z.1 - Verbindungen zu den Notrufabfragestellen, Z.2 -
Verbindungen zu Ansagediensten der Klägerin). Die Antragstellung erfolgte, wie in dem
Schreiben klargestellt wurde, rein vorsorglich, da die Klägerin der Auffassung war, dass
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die beantragten Entgelte nicht genehmigungspflichtig sind.
Mit weiterem Schreiben beantragte die Klägerin ferner, eine befristete Genehmigung für
bestimmte Entgelte zu erteilen, die auf einer Mischkalkulation der Leistungen DTAG -
B.1 und DTAG - O.2 basierten. Im Bezug auf die Leistungen O.1 bis O.5 und B.1/O.2
Mischkalkulation nahm sie ihren Antrag später zurück und beantragte, diesbezüglich die
insoweit erteilten vorläufigen Genehmigungen zu verlängern.
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Mit Bescheid vom 26. Juni 1998 genehmigte die Beklagte zunächst die Anwendung des
Entgelts für die Leistung B.1 auf die Leistungen O.8, Z.1 und Z.2 bis zum 31. Dezember
1999 (Ziffer. 1 des Bescheides). Die vorläufige Genehmigung für die Leistungen O.1 bis
O.5 und die Mischkalkulation B.1/O.2 wurde bis zum 1. September 1998 verlängert
(Ziffer. 3a des Bescheides). Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Leistungen
O.8, Z.1 und Z.2 seien nach § 39 1. Alternative TKG genehmigungsbedürftig. Diese -
wesentlichen - Leistungen seien vom Begriff der Gewährung des Netzzugangs umfasst;
auf die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 TKG komme es insoweit nicht an, weil § 39
TKG eine Rechtsfolgenverweisung enthalte. Die Genehmigung könne nur
einzelvertragsbezogen erteilt werden, weil eine vom Einzelvertrag unabhängige
Genehmigung in § 39 TKG nicht vorgesehen sei; insofern sei der Antrag der Klägerin
umzudeuten gewesen.
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Am 27. Juli 1998, einem Montag, hat die Klägerin Klage erhoben.
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Die Klägerin hält die Klage für zulässig: Die Feststellung, dass auch die Entgelte für die
Leistungen O.8, Z.1 und Z.2 genehmigungspflichtig seien, sei rechtswidrig und könne
isoliert angefochten werden. Zulässig sei insoweit ein kombinierter Feststel- lungs- und
Anfechtungsantrag. Die Feststellung treffe nicht zu. Die in Rede stehenden
Verbindungsentgelte unterlägen nicht der Genehmigungspflicht nach §§ 39, 25 Abs. 1
TKG. Dies folge bereits aus dem Wortlaut des § 39 TKG, der die Regulierung der
Entgelte in der hier allein in Betracht kommenden Alternative, nämlich für die
Gewährung eines Netzzugangs nach § 35 Abs. 1 TKG, lediglich für die Einrichtung und
die Zurverfügungstellung eines Anschlusses, nicht hingegen für die
Verbindungsleistungen anordne, die über den Netzanschluss erbracht würden. Jede
andere Betrachtungsweise würde zu einer sachlich nicht gerechtfertigten und damit
unverhältnismäßigen Ausweitung der präventiven Genehmigungspflicht des § 25 Abs. 1
TKG führen, da über die Vorschrift des § 39 TKG auch grundsätzlich nicht
genehmigungspflichtige Telekommunikationsdienstleistungen der Genehmigungspflicht
unterfielen, solange sie nur über einen besonderen Netzzugang in Anspruch genommen
würden. Der Anwendungsbereich des § 39 TKG sei deshalb von vornherein nur auf
Entgelte für solche Leistungen beschränkt, die nicht
Telekommunikationsdienstleistungen darstellten. Denn nur für diese Leistungen bedürfe
es einer ergänzenden Regelung zu § 25 TKG. Für Telekommunika-
tionsdienstleistungen wie die hier streitigen Verbindungsleistungen beinhalte § 39 TKG
eine Rechtsgrundverweisung, mit der Folge, dass Telekommunika-
tionsdienstleistungen allein nach den abschließenden Bestimmungen der § 25 Abs. 1
oder § 25 Abs. 2 TKG zu beurteilen seien. Eine Rechtsfolgenverweisung stelle § 39
TKG lediglich insoweit dar, als die Vorschrift die Regulierung - anders als § 25 Abs. 1, 2
TKG - unabhängig vom Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung anordne.
Mangels Einschlägigkeit des § 25 Abs. 1 TKG - die von ihr - der Klägerin - erbrachten
Verbindungsleistungen seien kein Sprachtelefondienst, weil ihre Leistung nicht in der
Vermittlung eines Gespräches von einem Endgerät zu einem anderen Endgerät bestehe
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(vgl. § 3 Nr. 15 TKG) - unterlägen die streitigen Entgelte für Verbindungsleistungen der
Ex-post-Regulierung nach § 25 Abs. 2 TKG. Überdies stehe ihr ein Anspruch zu, dass
die beantragten Entgelte nicht einzelvertragsbezogen, sondern vom Einzelfall losgelöst
genehmigt werden.
Die Klägerin hat zunächst beantragt,
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1. den Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 1998 (AZ:: BK 4a A 1130/E 17.04.98)
insoweit teilweise aufzuheben, als in ihm die Genehmigungspflicht der Entgelte für die
Leistungen O.8, Z.1 und Z.2 festgestellt wird, und insoweit festzustellen, dass eine
solche Genehmigungspflicht nicht besteht,
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2. den Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 1998 (AZ:: BK 4a A 1130/E 17.04.98)
insoweit teilweise aufzuheben, als in ihm die Genehmigungspflicht der Entgelte für die
Leistungen O.1 bis O.5 und die Mischkalkulation B.1/O.2 festgestellt wird, und insoweit
festzustellen, dass eine solche Genehmi- gungspflicht nicht besteht,
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3. hilfsweise, die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 26. Juni
1998 zu verpflichten, die Genehmigung der Entgelte für die Leistungen O.8, Z.1 und Z.2
entsprechend dem Antrag der Klägerin nicht nur einzelvertragsbezogen zu erteilen.
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Die Beteiligten haben den Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich der Anträge 2.
und 3. insgesamt und hinsichtlich des Antrags zu 1. insoweit übereinstimmend für
erledigt erklärt, als die Genehmigungspflicht der Leistung O.8 umstritten war.
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Die Klägerin beantragt nunmehr nur noch,
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den Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 1998 insoweit aufzuheben, als in ihm die
Genehmigungspflicht der Entgelte für die Leistungen Z.1 und Z.2 festgestellt wird, und
insoweit festzustellen, dass eine solche Genehmigungspflicht nicht besteht.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie bezieht sich zunächst auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid und
verweist auf die Rechtsprechung des Gerichts und des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) zum Begriff der Entgelte für die Gewäh- rung
des Netzzugangs sowie zur Genehmigungsmöglichkeit nur für Einzelverträge. Bei den
Leistungen Z.1 und Z.2 handele es sich um Netzzugangsleistungen, weil nach ihrer
Auffassung darunter alle über das Netz erbrachten Leistungen fielen. Auch erfüllten die
Leistungen die Kriterien des unmittelbaren Zusammenhangs und der Erforderlichkeit für
die Zusammenschaltung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug ge-
nommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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In entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das Verfahren
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einzustellen, soweit die Beteiligten es übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt
erklärt haben.
Die im Übrigen noch anhängige Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und
Feststellungsklage zulässig.
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Bei dem Bescheid vom 26. Juni 1998 handelt es sich zunächst auch um einen mit der
Anfechtungsklage angreifbaren Verwaltungsakt. Zwar enthält dieser keine
ausdrückliche tenormäßig festgelegte Feststellungsregelung. Seine schriftlichen
Ausführungen enthalten aber in Abschnitt II. 1. a) "Genehmigungspflicht der Entgelte"
die ausdrückliche Feststellung, dass es sich auch bei den Entgelten Z.1 und Z.2 um
Leistungsentgelte für die Gewährung eines besonderen Netzzugangs handelt, die der
Genehmigung gemäß §§ 39, 25 Abs. 1 TKG unterliegen. Vor dem Hintergrund, dass der
Bescheid vom 26. Juni 1998 zudem mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist, ist
diese Feststellung auch als verbindliche Regelung anzusehen. Die Anfechtung ist als
isolierte Anfechtungsklage ausnahmsweise zulässig, weil der Bescheid vom 26. Juni
1998 mit seiner inzident erfolgten Feststellung, dass die genannten Entgelte der Ex-
ante-Regulierung nach dem TKG unterliegen, angesichts des gegenteiligen
Rechtsstandpunktes der Klägerin eine eigenständige Beschwer enthält.
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Die neben dem Anfechtungsantrag erhobene Feststellungsklage ist gleichfalls zulässig.
Sie ist gegenüber der isolierten Anfechtung des feststellenden Bescheides vom 26. Juni
1998 nicht subsidiär (vgl. § 43 Abs. 2 VwGO), weil die Klägerin ihr mit dem
Feststellungsantrag verfolgtes Ziel nicht ebenso mit der isolierten Anfechtungsklage
erreichen kann. Dies folgt aus der nur beschränkten Reichweite der materiellen
Rechtskraft eines auf eine Anfechtungsklage hin ergehenden Ur- teils,
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vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 17. Januar 1972 - 1 C 33.68 -,
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) 39, 247; Clausing, in:
Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Januar 2001, § 121 Rdnr. 50, 59 ff.,
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die lediglich die Rechtsbehauptung der Klägerin umfasst, durch die angefochtene
Genehmigung in ihren Rechten verletzt zu sein. Die strittige Frage, ob die Entgelte der
Vorabgenehmigung unterliegen, wäre dagegen nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts nicht Gegenstand der materiellen Rechtskraft eines nur auf
eine Anfechtungsklage hin ergehenden Urteils.
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Die Klägerin ist mit ihrem Begehren aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen
Umfang erfolgreich. Die Feststellung ist rechtmäßig, weil die genannten
Verbindungsentgelte der Genehmigungspflicht nach §§ 39, 25 Abs. 1 TKG unterliegen
(a). Dagegen sind die Voraussetzungen für eine Genehmigungspflicht der
Verbindungsleistung Z. 2 nicht gegeben (b). Insoweit war der Bescheid aufzuheben und
die begehrte Feststellung auszusprechen.
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Zur Frage der Auslegung des Begriffs der "Entgelte für die Gewährung eines
Netzzugangs" und damit der Ex-ante-Genehmigungspflicht nach der 1. Alt. des § 39
TKG hat das Gericht im Urteil vom 6. April 2000 im Verfahren 1 K 7606/97 ausgeführt:
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"Eine vor allem am Sinn und Zweck der Ex-ante-Entgeltregulierung orientierte
Auslegung der Verweisungsvorschrift des § 39 TKG ergibt, dass § 39 TKG die Geltung
der Entgeltregulierungsvorschriften in denjenigen Bereichen, in denen - wie hier im
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Festnetzbereich - die ehemalige Monopolstellung der Klägerin fortwirkt, für alle
Leistungen anordnet, die wesentlich sind für die Gewährung eines (besonderen)
Netzzugangs nach § 35 TKG. ... Sinn und Zweck der Vorabentgeltregulierung gebieten
es, die Vorschrift des § 39 TKG dahingehend auszulegen, dass sie die Geltung der
Entgeltgenehmigungsvorschriften für Netzzugänge und Zusammenschaltungen in
denjenigen Bereichen anordnet, in denen das ehemalige Monopol der Klägerin fortwirkt.
In denjenigen Bereichen, in denen eine Fortwirkung des ehemaligen Monopols der
Klägerin dagegen nicht anzunehmen ist, unterliegen Entgelte im Zusammenhang mit
der Gewährung eines besonderen Netzzugangs oder einer
Zusammenschaltungsanordnung - wie der fehlende Verweis in § 39 TKG auf die §§ 25
Abs. 2, 30 Abs. 2 TKG belegt - keiner Entgeltregulierung,
vgl. BeckTKG/Piepenbrock, § 39 Rdnr. 7.
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Hiervon ausgehend sind die hier in Rede stehenden Verbindungsentgelte nach §§ 39,
25 Abs. 1 TKG genehmigungsbedürftig. Sie sind Funktionen des Festnetzes der
Klägerin. Für das Angebot von Festnetztelefonieleistungen für die Öffentlichkeit verfügte
die Klägerin über eine Monopolstellung, die sich nach Einschätzung des Gesetzgebers -
wie die Aufnahme der Übertragungswege der Lizenzklasse 3 in § 25 Abs. 1 TKG belegt
- auch nur allmählich abschwächen wird. Die Regulierung gerade der
Verbindungsentgelte ist wesentlich für die Herstellung eines durch die
Entgeltregulierung bezweckten funktionierenden Wettbewerbs, weil Wettbewerber der
Klägerin nur dann Endkundenprodukte zu konkurrenzfähigen Preisen anbieten können,
wenn sie ihrerseits als Nutzer von besonderen Netzzugängen Zugang zu
Festnetzleistungen zu angemessenen, d.h. den Anforderungen von § 24 TKG
genügenden Preisen erhalten.
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Der Einwand der Klägerin, dass durch diese Auslegung des § 39 TKG der
Anwendungsbereich der Vorabentgeltgenehmigung unverhältnismäßig ausgeweitet
wird, greift nicht durch. Sachlich gerechtfertigt ist die Reichweite des
Anwendungsbereichs des § 39 TKG aufgrund der aus der ehemaligen Monopolstellung
resultierenden überragenden Marktmacht der Klägerin im Festnetzbereich. Zudem
erfährt der Anwendungsbereich der Entgeltregulierung durch die hier vertretene
Auslegung eine Einschränkung, da Zusammenschaltungsentgelte in anderen Bereichen
als dem Angebot von Übertragungswegen und Sprachtelefondiensten im Rahmen der
Lizenzklassen 3 und 4 keiner, noch nicht einmal der nachträglichen Regulierung nach
§§ 25 Abs. 2 und § 30 Abs. 2 TKG unterliegen.
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Sind somit die hier in Rede stehenden Verbindungsentgelte vom Anwendungsbereich
des § 39 TKG umfasst, so gelten für sie aufgrund der Verweisung des § 39 TKG die
Vorschriften über das Vorabentgeltregulierungsverfahren entsprechend, ohne dass es
darauf ankommt, ob auf sie die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 TKG zutreffen. Denn
die in § 39 TKG vorgenommene Verweisung beinhaltet keine Rechtsgrundverweisung
auf die Entgeltregulierungsvorschriften, sondern ist im Sinne einer
Rechtsfolgenverweisung zu verstehen. Dies folgt zunächst aus den o. g. Erwägungen
zum Sinn und Zweck der Vorabentgeltregulierung, die es gebieten, das Entgelt jeder für
die Gewährung eines besonderen Netzzugangs wesentlichen Leistung der Ex-ante-
Regulierung zu unterstellen. In der Vorschrift des § 39 TKG kann ferner auch deshalb
keine Rechtsgrundverweisung erblickt werden, weil im Falle ihrer Einordnung als
Rechtsgrundverweisung das vom Gesetz- geber mit der Streichung der Voraussetzung
der marktbeherrschenden Stellung in § 39 TKG verfolgte Ziel, die Entgeltregulierung
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auch auf Zusammenschaltungsentgelte nicht marktbeherrschender Unternehmen
auszuweiten,
vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Post und
Telekommunikation, BT-Drs. 13/4864, S. 26, 79; BeckTKG/ Piepenbrock, § 39 Rdnr. 1,
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für alle im Rahmen einer Zusammenschaltungsanordnung nach § 37 TKG erbrachten
Telekommunikationsdienstleistungen nicht realisiert werden könnte. Denn diese
Telekommunikationsdienstleistungen wären wegen des in § 25 Abs. 1 TKG genannten
Erfordernisses der Marktbeherrschung, sofern § 39 TKG - wie die Klägerin meint - als
Rechtsgrundverweisung zu charakterisieren sein sollte, nur dann
genehmigungsbedürftig, wenn sie von einem marktbeherrschenden Unternehmen
erbracht würden. Für die Einstufung des § 39 TKG als Rechtsfolgenverweisung spricht
letztlich auch der Wortlaut des § 39 TKG. Denn dass § 39 TKG die Bestimmungen der
§§ 25 Abs. 2 und 30 Abs. 2 TKG über die Ex-post-Regulierung ausdrücklich von der
Verweisung ausnimmt, macht deutlich, dass die entsprechende Anwendung der in
Bezug genommenen Entgeltregulierungsvorschriften - nicht davon abhängt, ob die
tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 oder § 25 Abs. 2 TKG vorliegen."
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Daran hält das Gericht fest. Die Entscheidung wurde durch das Oberverwaltungsgericht
für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) bestätigt und in dem die Berufung der
Klägerin zurückweisenden Beschluss - 13 A 2940/00 - wurde dargelegt:
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"Die vorgelegten Verbindungsentgelte unterliegen der Ex-ante-Regulierung. Das ergibt
sich aus § 39 Alt. 1 TKG, nach welchem für die Regulierung der Entgelte für die
Gewährung eines Netzzugangs nach § 35 u. a. der § 25 Abs. 1 entsprechend gilt.
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Der Senat versteht die Formulierung "Gewährung eines Netzzugangs nach § 35" dahin,
dass sie sowohl die für die Verbindung der Netze erforderlichen Leistungen als auch die
über das verbundene Netz typischerweise erbrachten und nennenswerten Leistungen
umfasst. Dies folgt zum einen aus dem Begriff der Gewährung, dem nach dem
Sprachgebrauch ein gewisses zeitliches Element im Sinne einer nicht nur einmaligen,
momentanen, sondern dauerhaften Leistung zukommt - Beispiele hierfür sind die
Gewährung von Versorgungsleistungen, von Asyl, von Auszeichnungen usw. -. Das
bloße Verbinden von Netzen ist eher ein einmaliger Vorgang, der nach dem üblichen
Sprachgebrauch schlicht mit Verbindung oder mit Herstellung der Verbindung von
Netzen bezeichnet würde. Zum anderen kommt einem Netzzugang ein Zweck zu,
nämlich die Ermöglichung des Zugriffs auf Funktionen des Netzes oder auf die hierüber
erbrachten Leistungen (vgl. § 3 Nr. 9 TKG). Ein Zusammenführen zweier Netze, das
diesen Zweck nicht zulässt, ist daher kein Netzzugang im Sinne des
Telekommunikationsgesetzes. Ein Netz- zugang ist folglich erst dann - erfolgreich -
gewährt, wenn mit der techni- schen Verbindung die Befugnis einhergeht, auf
Funktionen des einen und des anderen Netzes oder auf die darüber erbrachten
Telekommunikations- dienstleistungen Zugriff zu nehmen. Ein Zugang zum Netz, der
nicht auch dauerhafte Nutzung der Netzfunktionen umfasst, macht keinen Sinn. Eine
derartige Vorstellung kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.
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Für die Interpretation, dass "die Gewährung eines Netzzugangs nach § 35" neben der
Verbindungsherstellung auch den bereitgestellten Zugriff auf die Netzfunktionen und die
über das Netz erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen umfasst, spricht ferner
die Stellung des § 39 TKG im Gesetz. Dieser ist im Vierten Teil des
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Telekommunikationsgesetzes, Offener Netzzugang und Zusammenschaltungen,
angesiedelt, dem mit § 33 Abs. 1 TKG das allgemeine Diskriminierungs- und das
Missbrauchsverbot an den Marktbeherrscher voransteht. Die Pflicht des
Marktbeherrschers zur Gewährung von Netzzugang an Wettbewerber in § 35 TKG ist als
eine spezielle Ausformung des allgemeinen Diskriminierungs- und Missbrauchsverbots
zu verstehen. Zugang zum Netz ist aber dann erst effektiv und diskriminierungsfrei
gewährt, wenn er auch den Zugriff auf die Leistungen des Netzes erlaubt. Das zwingt
dazu, als Netzzugang neben der technischen Verbindung auch den Zugang zu den
Leistungen des Netzes zu verstehen."
a) Vor diesem Hintergrund unterliegen die Entgelte für die zusätzliche Verbin-
dungsleistung Z.1 der Genehmigungspflicht, weil es sich um "wesentliche" bzw.
"typischerweise erbrachte und nennenswerte Leistungen" im Rahmen der
Zusammenschaltung handelt.
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Bei der Leistung Z.1 Verbindungen zu den Notrufabfragestellen stellt die Klägerin an
den Orten der Zusammenschaltung (OdZ) vollautomatisch aufgebaute Verbindungen
aus dem Telefonnetz des Interconnectionpartners zu den zwischen den
Interconnectionpartnern und den Notrufträgern vertraglich vereinbarten
Notrufabfragestellen her. Dabei handelt es sich um eine wesentliche Leistung im
Rahmen der Gewährung des Netzzugangs, die zum Grundangebot gehört, die der
Interconnectionpartner seinerseits den Endkunden anbieten muss. Denn insofern
besteht nach § 13 TKG sogar die Verpflichtung, diese Dienstleistung den Endkunden
zur Verfügung zu stellen. Daraus erhellt, dass der Gesetzgeber das Vorhandensein
einer solchen Einrichtung als wesentlich angesehen hat. Nimmt man hinzu, dass der
aus § 13 Abs. 1 TKG verpflichtete Anbieter diese Leistung dem Endkunden zudem
unentgeltlich bereitstellen muss, so betont dies auch die Notwendigkeit einer vorab
erfolgenden Kontrolle der Entgelthöhe. Anders als dies die Klägerin mit der
Bezeichnung "Z" für Zusatzangebot zum Ausdruck bringen will, handelt es sich nach
Auffassung des Gerichts eher um einen Bestandteil des Grundangebots und damit um
eine "wesentliche" bzw. "nennenswerte und typischerweise erbrachte" Leistung im
Sinne der Rechtsprechung im Rahmen der Gewährung des Netzzugangs nach § 39 1.
Alt. TKG. Darauf dass der Interconnectionpartner diese Leistung auch ansonsten bei der
Klägerin "einkaufen" kann, kommt es angesichts der dargelegten Rechtsprechung
schon deswegen nicht an, weil die Gewährung des Netzzugangs über den reinen Akt
der Zusammenschaltung hinausgeht.
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Dass die weiteren Voraussetzungen des § 39, § 35 Abs. 1 TKG, an die das Gesetz die
Genehmigungspflicht knüpft, gegeben sind, ist unter den Beteiligten nicht umstritten und
bedarf daher keiner Darlegung.
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b) Dagegen sind die Voraussetzungen, unter denen eine Genehmigungspflicht besteht,
für die Leistung Z.2 nicht erfüllt.
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Bei der Leistung Z.2 - Verbindungen zu Ansagediensten der Klägerin - stellt die
Klägerin an den Orten der Zusammenschaltung vollautomatisch aufgebaute
Verbindungen aus dem Telefonnetz des Interconnectionpartners zum von der Klägerin
selbst angebotenen Ansagedienst unter bestimmten Nummern (beginnend mit 0115 und
0116) her. Die Leistung setzt sich aus der Verbindungsleistung und der Ansage
zusammen. Über diese Dienste sind beispielsweise im Raum Köln und Bonn folgende
Informationsdienste erreichbar: Aktuelles aus dem Gesundheitswesen, Ärztlicher
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Bereitschaftsdienst und dienstbereite Apotheken, Börse Inland und Ausland,
Informationen der E. , Klassenlotterien, Kochrezepte, Kölsch- und Literaturtelefon,
Pferdetoto und Rennsportergebnisse.
Diese Leistung ist nicht wesentlich oder nennenswert im Rahmen der
Netzzugangsgewährung. Insofern sind nicht alle Verbindungsleistungen im Rahmen der
Gewährung des Netzzugangs von der Genehmigungspflicht erfasst, wie die Beklagte
meint. Darauf, ob der Kunde die Leistung typischerweise erwartet, kommt es nicht an.
Kriterium ist vielmehr, ob ohne die betreffende Leistung die Bereitstellung des
Netzzugangs für den Interconnectionpartner wirtschaftlich sinnlos wäre. Dies kann aber
für die eine echte Zusatzleistung darstellende Verbindungsleistung Z.2 nicht festgestellt
werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 161 Abs. 2 VwGO. Soweit
das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist,
entsprach es unter den gegebenen Umständen billigem Ermessen i. S. v. § 161 Abs. 2
VwGO, die Kosten überwiegend der Klägerin aufzuerlegen, da das erledigende Ereignis
in ihrer Sphäre angefallen ist, sie sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben
hat und im Übrigen hinsichtlich der Frage der Genehmigungspflicht des Tarifs für die
Leistung O.8 vieles für eine Einstufung als wesentliche Leistung und damit für die
Bejahung der Genehmigungspflicht sprach.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 709 der
Zivilprozessordnung.
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Die Zulassung der Sprungrevision auf § 134 i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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