Urteil des VG Kassel vom 28.04.2009

VG Kassel: präsidium, vorverfahren, aufschiebende wirkung, gütliche beilegung, gerichtsakte, entlastung, unabhängigkeit, vorsitz, öffentlich, dienstverhältnis

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Gericht:
VG Kassel 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 K 691/08.KS
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 126 Abs 1 BRRG, § 43 VwGO,
§ 21e Abs 1 S 1 GVG, § 126
Abs 3 BRRG, § 21e Abs 1 S 2
GVG
(Geschäftsverteilungsplan eines Gerichts; Vorverfahren;
Feststellungsinteresse; Sachabwägung)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht
die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger gehörte dem 4. Senat des Bundessozialgerichts seit dem 01.03.1987
an und war seit dem 01.05.1996 bis zum 01.08.2008 dessen Vorsitzender.
Ausweislich des Geschäftsverteilungsplans des Bundessozialgerichts für das Jahr
2007 war der 4. Senat in diesem Jahr zuständig für Streitigkeiten aus der
allgemeinen Rentenversicherung, die bis zum 30.06.2007 bei diesem Senat
anhängig geworden waren, ferner für Streitigkeiten aufgrund der
Rechtswegzuweisung in § 17 des Anspruchs- und
Anwartschaftsüberführungsgesetzes in bestimmten Fällen sowie Streitigkeiten
aufgrund des § 5 des Zusatzversorgungssystemgleichstellungsgesetzes und
weiterer Vorschriften.
Im Jahr 2008 änderte sich die Geschäftsverteilung bezüglich des 4. Senates und
die zuvor gegebene Zuständigkeit für Streitigkeiten aus der allgemeinen
Rentenversicherung fiel insgesamt weg. Die übrigen Zuständigkeiten blieben
bestehen.
Dieser Änderung der Geschäftsverteilung war ein umfangreicher Schriftwechsel
zwischen den Berufsrichtern des 4. Senats und dem Präsidium vorausgegangen.
Unter dem 07.04.2005 (Blatt 11 f. der Gerichtsakte) teilten diese mit, die vom
Präsidium vorgesehene Absichtserklärung, eine gleichmäßige Verteilung der in der
Rentenversicherung anfallenden Aufgaben auf die Rentensenate einzuführen und
diese mit jeweils drei Berufsrichtern zu besetzen, werde vom 4. Senat geteilt. Der
4. Senat habe in den letzten 14 Jahren jeweils eine erhebliche Überlast zu
bewältigen gehabt.
Mit Schreiben vom 26.10.2005 (Blatt 13 f. der Gerichtsakte) wurde diese Bitte
wiederholt. Dort heißt es, die Streitigkeiten aus der allgemeinen
Rentenversicherung sollten grundsätzlich gleichmäßig und von Trägern
unabhängig auf die Rentensenate, also den 4., 5. und 13. Senat, verteilt werden.
Diesem Vorschlag folgte das Präsidium nicht. Hierauf wandten sich die
Berufsrichter des 4. Senats unter dem 29.11.2005 nochmals (Blatt 15 ff. der
Gerichtsakte) an das Präsidium.
Mit Schreiben vom 24.05.2007 (Blatt 19 der Gerichtsakte) teilte der Präsident des
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Mit Schreiben vom 24.05.2007 (Blatt 19 der Gerichtsakte) teilte der Präsident des
Bundessozialgerichts als Vorsitzender des Präsidiums dem Kläger mit, dass in der
Sitzung vom 24.04.2007 von Seiten des Präsidiums die Absicht geäußert worden
sei, den 4. Senat zu entlasten. Es solle die bisherige Zuständigkeit des 4. Senats
für Streitigkeiten in Angelegenheiten der allgemeinen Rentenversicherung
entfallen. Insoweit wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Der Kläger teilte unter dem 30.05.2007 dem Präsidenten des Bundessozialgerichts
hierauf mit, dass er mit diesem Vorschlag nicht einverstanden sei. Dem 4. Senat
verbleibe nur noch die Zuständigkeit im "RS"-Bereich. Hierbei handele es sich nicht
um rentenversicherungsrechtliche Streitigkeiten, sondern im Wesentlichen um
Streitigkeiten über Vorfragen. Eine Entlastung sei vor diesem Hintergrund nicht zu
erkennen. Die deutliche Mehrbelastung des 4. Senats seit dem 01.06.2006 rühre
aus der hohen Anzahl an RS-Nichtzulassungsbeschwerden betreffend Vorfragen
aus dem Bereich des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes. Durch
die beabsichtigte Regelung trete keine Änderung ein. Eine durchgreifende
Entlastung des 4. Senats könne z. B. dadurch erfolgen, dass der im letzten Jahr
neu geschaffene RS-Bereich ab 01.07.2007 wieder aufgelöst oder die RS-Sachen
gleichmäßig den drei Rentensenaten zugeordnet würden.
Am 22.06.2007 tagte das Präsidium des Bundessozialgerichts und behandelte
dort unter TOP 2 die Geschäftsverteilung. Der Kläger bat erneut um Entlastung,
weil, so seine Ausführungen, der 4. Senat ab dem 01.07.2007 nicht mehr in der
Lage sei, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Die im Jahr 2006 eingeleiteten
Entlastungsmaßnahmen hätten nicht gegriffen. Eine große Anzahl Verfahren aus
dem Bereich "R" und "RS" sei ein Jahr oder älter. Im Übrigen sei der Senat nicht
ausreichend besetzt. Als Vorzugsmaßnahme nannte der Kläger die Verstärkung
des 4. Senats mit einem erfahrenen Kollegen. Das Präsidium beschloss sodann
(Blatt 28 der Gerichtsakte), den 4. Senat zu entlasten. Es solle die bisherige
Zuständigkeit des 4. Senats für Streitigkeiten in Angelegenheiten der allgemeinen
Rentenversicherung für Neueingänge ab dem 22.06.2007 entfallen. Insoweit
sollten nur noch der 5. und 13. Senat zuständig sein. Die Zuständigkeit des 4.
Senats solle sich auf den ihm schon bisher zugewiesenen Bereich RS beschränken.
Im Übrigen wurden weitere Entlastungsmaßnahmen beschlossen.
Das Präsidium korrigierte in seiner Sitzung am 28.06.2007 seinen Beschluss und
legte fest, dass die Änderungen, die den 4. Senat betreffen, erst zum 01.07.2007
wirksam werden sollten.
Am gleichen Tage, also dem 28.06.2007, übersandte der Kläger dem Präsidenten
des Bundessozialgerichts eine "Gegenvorstellung" (Bl. 33 ff der Gerichtsakte). Hier
wandte er sich gegen einzelne Formulierungen im Protokoll und teilte abschließend
mit, er habe sich nicht mit dem Entzug der allgemeinen Rentenversicherung vom
4. Senat einverstanden erklärt. Die Verringerung der Belastungen des 4. Senats
habe, so der Kläger weiter, einen Entzug der Rentenversicherung nicht erfordert.
Mit Schreiben vom 24.10.2007 (Blatt 47 der Sammelakten Band 34) teilten die
Berufsrichter des 4. Senats dem Präsidenten mit, die Maßnahmen zur Entlastung
des 4. Senats, die das Präsidium zum 01.07.2007 durchgeführt habe, hätten
vollen Erfolg gehabt. Der 4. Senat sei nicht mehr belastet, als jeder der beiden
anderen Rentensenate. Weitere Maßnahmen, die das Präsidium in seinem
Absichtsbeschluss vom 26.04.2007 angedacht habe, würden zu einer erheblich
geringeren Belastung des 4. Senats im Vergleich zu den anderen Rentensenaten
führen.
In der Präsidiumssitzung am 27.11.2007 (Blatt 38 ff. der Gerichtsakte) fasste das
Präsidium des Bundessozialgerichts den Beschluss, dass beabsichtigt sei, die
Zuständigkeit des 4. Senats für Streitigkeiten in Angelegenheiten der allgemeinen
Rentenversicherung auch hinsichtlich bereits eingegangener Verfahren zum
01.01.2008 auf den 5a. Senat und 13. Senat zu übertragen.
Dies wurde dann am 05.12.2007 wie vorgesehen beschlossen.
Unter dem 05.03.2008 teilte der Kläger dem Präsidenten mit, zwecks
Aufrechterhaltung der Beschlussfähigkeit bitte er um Zuweisung eines Richters
zum 4. Senat. Erwartungsgemäß hätten die Beschlüsse des Präsidiums zur
Entlastung des 4. Senats zu einer Minderung der Arbeitsbelastung mehr als 95 %
geführt. Der Kläger nahm Bezug auf die Vorschläge zur Herbeiführung einer
gleichmäßigen Belastung der Rentensenate aus dem Jahr 2007.
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In der Präsidiumssitzung am 17.03.2008 (Blatt 56 ff. der Gerichtsakte) war die
Geschäftsbelastung des 4. Senats erneut Gegenstand von Erörterungen. Dort
heißt es, nach einem Vorschlag des Präsidenten sollten dem 4. Senat ab dem
01.08.2008 neue Rechtsgebiete zugewiesen werden, um eine ausreichende
Auslastung dieses Senats zu erreichen. Um eine Zersplitterung einheitlicher
Rechtsgebiete auf zahlreiche Senate möglichst zu vermeiden, sollten jedoch
Angelegenheiten der Rentenversicherung nicht wieder übertragen werden.
Vielmehr sollte der jetzige Bestand der Sonderzuständigkeit des 4. Senats auf die
beiden Rentensenate verteilt werden. Dieser Vorschlag wurde vom Präsidium
zustimmend zur Kenntnis genommen. Das Präsidium beschloss außerdem die
Zuweisung eines Richters zum 4. Senat, nachdem dort eine Vakanz entstanden
war.
Am 13.05.2008 erhob der Kläger Klage. Er trug vor, aufgrund der Rechtsprechung
des 4. Senats habe es Spannungen zwischen ihm und der Verwaltung, also dem
Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, gegeben. Diese Spannungen
hätten sich ab 1995 aufgebaut. Dies habe dazu geführt, dass entgegen der
bekundeten Absicht des damaligen Präsidenten der 4. Senat und damit er , der
Kläger, als dessen Vorsitzender systematisch von der Rechtsprechung
ausgeschlossen worden sei, und zwar nicht nur in Bezug auf Rentensachen,
sondern von der Rechtsprechung überhaupt. Durch den zum 01.01.2008 in Kraft
getretenen Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2008 sei dem 4. Senat sehenden
Auges und ohne sachlichen Grund sein bisheriges Aufgabengebiet, die
Rentenversicherung, für die er seit Gründung des BSG zuständig gewesen sei,
entzogen worden. Seitdem sei ihm nur noch die bisherige Sonderzuständigkeit für
Randbereiche (RS-Verfahren) verblieben. Nennenswerte
Rechtsprechungstätigkeiten fielen nach Art und Umfang nicht mehr an. Von den
534 Revisionen, die am 31.12.2007 beim BSG anhängig gewesen seien, seien dem
4. Senat lediglich fünf Revisionen zur Entscheidung zugeordnet worden, von den
752 Nichtzulassungsbeschwerden 55. Im März 2008 seien beim 4. Senat noch 39
Beschwerden anhängig gewesen, jetzt seien es noch 15. Seit dem 01.01.2008 sei
damit der 4. Senat praktisch arbeitslos gestellt. Die Streitigkeiten nach den neu
geschaffenen RS-Gebieten nähmen ständig ab. Es gebe einfach nichts mehr zu
tun.
Der Kläger beantragte zunächst,
den Geschäftsverteilungsplan des Bundessozialgerichts, ergangen aufgrund
der Präsidiumsbeschlüsse vom 17.03.2008 und 28.03.2008 und wirksam ab dem
01.04.2008 aufzuheben,
hilfsweise,
festzustellen, dass der im Hauptantrag aufgeführte Geschäftsverteilungsplan mit
Wirkung zum 01.04.2008 rechtswidrig ist.
Die Beklagte hat zunächst beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trug vor, der Hauptantrag sei bereits nicht statthaft, da der
Geschäftsverteilungsplan kein Verwaltungsakt sei. Er könne daher vom
Verwaltungsgericht auch nicht aufgehoben werden. Der Hilfsantrag sei unzulässig,
weil das Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei. Bei der Klage eines Richters
gegen ihn betreffende Regelungen des Geschäftsverteilungsplans handle es sich
um eine Klage aus dem Dienstverhältnis, so dass ein Vorverfahren hätte
durchgeführt werden müssen. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet. Die
Berufsrichter des 4. Senats hätten selbst eine Entlastung gefordert.
Anhaltspunkte, dass die Beschlüsse des Präsidiums auf Willkür beruhten, gebe es
nicht. Die Geschäftsentwicklung und der Bestand an Verfahren seien grundsätzlich
geeignete Grundlagen für die bei der Erstellung des Geschäftsverteilungsplans
vorzunehmende Prognose der Geschäftsentwicklung. Jedoch gebe die weitere
Geschäftsentwicklung im Jahr 2008 Anlass zu einer Änderung des
Geschäftsverteilungsplans.
Nach Klageerhebung tagte das Präsidium am 23.06.2008 erneut und befasste sich
mit der erheblich zurückgegangenen Geschäftsbelastung des 4. Senats. Es wurde
ein Konzept des Präsidenten diskutiert, nachdem der Kläger den mittlerweile frei
gewordenen Vorsitz im 2. Senat (zuständig für Unfallversicherung) übernehmen
könne. Der 4. Senat solle seine bisherige Zuständigkeit (RS-Streitigkeiten)
verlieren, als neues Rechtsgebiet solle ihm die Grundsicherung für
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verlieren, als neues Rechtsgebiet solle ihm die Grundsicherung für
Arbeitssuchende zugewiesen werden. In dieser Präsidiumssitzung nahm auch der
Kläger Stellung zu den Vorschlägen und gab an, er würde am liebsten weiter
Sachen aus der Rentenversicherung bearbeiten, sei aber auch bereit, den Vorsitz
des Unfallsenats zu übernehmen, da dies von den aufgezeigten Alternativen die
reizvollste Aufgabe sei.
Am 17.08.2008 verabschiedete das Präsidium eine neue Geschäftsverteilung für
den Zeitraum ab dem 01.08.2008. Danach übernimmt der Kläger ab diesem
Zeitpunkt den Vorsitz des für Streitigkeiten aus der gesetzlichen
Unfallversicherung zuständigen 2. Senats.
Auch nach Änderung der Geschäftsverteilung hält der Kläger an seiner Klage fest.
Er trägt nunmehr vor, es läge ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse vor. Dies
ergebe sich aus der ungewöhnlichen Vorgehensweise des Präsidiums, ihn gegen
seinen Willen einen anderen Senat zuzuteilen. Ein solches Verfahren sei ersichtlich
bei dem BSG noch nicht praktiziert worden und stelle eine ausdrückliche
Diskriminierung des Vorsitzenden dar, gegen deren Wiederholung er, der Kläger,
Schutz begehrt. Er habe ausdrücklich bei der Anhörung in der Präsidiumssitzung
darum gebeten, ihm Arbeit zu geben und gebeten, ihn in seinen letzten
viereinhalb Richterjahren weiter in Angelegenheiten der Rentenversicherung
entscheiden zu lassen. Die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig.
Es liege ein Ermessensfehlgebrauch vor. Die vollziehende Gewalt, der die
Rechtsprechung des 4. Senats nicht gefallen habe, habe ihr Ziel erreicht. Die
Rechtsprechung in Bezug auf Rentenangelegenheiten habe sich im Sinne der
Wünsche der vollziehenden Gewalt inzwischen geändert.
Hinsichtlich der Frage eines Vorverfahrens vertritt der Kläger die Auffassung, ein
solches sei nicht erforderlich. Vorsorglich wurde von ihm dennoch mit Schriftsatz
vom 24.07.2008 Widerspruch eingelegt.
Der Kläger beantragt nunmehr,
festzustellen, dass der Geschäftsverteilungsplan des Bundessozialgerichts für
den Zeitraum 01.04. bis 31.07.2008 rechtswidrig gewesen ist.
Die Beklagte beantragt auch weiterhin,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, der Feststellungsantrag sei unzulässig, weil es an einem
Feststellungsinteresse fehle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
ausweislich der Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gemachten Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Zutreffend hat der Kläger als Beklagten die Bundesrepublik Deutschland als
Rechtsträger des Bundessozialgerichts und nicht das Präsidium benannt (ebenso
bereits BVerwG, Urt. v. 28.11.1975, Az.: VII C 47.73, BVerwGE 50, 11 ff, jedoch
ohne Begründung; ferner VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.10.2005, Az.: 4 S
1830/05, NJW 2006, 2424 f; OVG Hamburg, Beschl. v. 19.09.1986, Az.: Bs V
144/86, NJW 1987, 1215 ff). Die gegenteilige Auffassung (z.B. Hess. VGH, Beschl.
v. 29.12.1981, Az.: 1 TG 45/81, DRiZ 1984, 62; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v.
03.12.2007, Az.: 10 B 11104/07, DRiZ 2008, 93 ff) verkennt, dass das Präsidium
zwar in richterlicher Unabhängigkeit, aber nicht als eigene Rechtspersönlichkeit
handelt. Nähme man letzteres an, müssten auch Verfahrenskosten von dem
Präsidium getragen werden, was in Ermangelung einer Rechtsfähigkeit dann die
jeweiligen Mitglieder träfe. Dass der Bundesrepublik als Beklagte die
"Verfügungsbefugnis" über die Beschlüsse des Präsidiums des BSG deshalb fehlt,
weil diese in richterlicher Unabhängigkeit gefasst werden, steht dem nicht
entgegen: Wie sich aus § 106 VwGO gibt, kennt die VwGO selbst Fälle, in denen ein
prozessual Vertretungsberechtigter nicht über den Prozessgegenstand verfügen
kann, so dass dieser Umstand nicht gegen die Beklagteneigenschaft der
Bundesrepublik Deutschland in Streitigkeiten um Präsidiumsbeschluss von
Bundesrichtern spricht.
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig, weil zum einen das
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Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig, weil zum einen das
erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt wurde und zum anderen kein
Feststellungsinteresse gegeben ist.
Die Notwendigkeit eines Vorverfahrens ergibt sich aus § 126 Absätze 1 und 3
BRRG. Danach muss bei Klagen von Beamten aus dem Beamtenverhältnis vor
Klageerhebung ein Widerspruchsverfahren durchgeführt werden; dies gilt auch bei
Leistungs- und Feststellungsklagen. Gemäß § 71 DRiG a.F. gilt diese Vorschrift
auch für Richter im Bundesdienst, so dass auch bei Klagen aus dem
Richterverhältnis ein Vorverfahren vor Klageerhebung erforderlich ist. Diese zum
Zeitpunkt der Klageerhebung geltende Rechtslage besteht im Übrigen auch nach
der Verkündung des Beamtenstatusgesetzes fort. Die entsprechende Regelung
findet sich nunmehr in § 54 Abs. 2 BeamtStG, auf den § 71 DRiG n.F. verweist.
Eine Streitigkeit aus dem Beamten- bzw. Richterverhältnis i.S.d. § 126 Abs. 1 BRRG
liegt vor, wenn der geltend gemachte Anspruch seinen Rechtsgrund im
Dienstverhältnis findet, also auf Dienstrecht im weiteren Sinne gestützt wird und in
Bezug zu einem konkreten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis steht (vgl.
Hirschenauer, Die Besonderheiten des Vorverfahrens in beamtenrechtlichen
Streitigkeiten, Berlin, 2001, S. 95 m.w.N. zur Rspr.).
Dies ist vorliegend der Fall, denn die in einem Geschäftsverteilungsplan
vorgenommene Geschäftsverteilung wirkt auf die persönliche Rechtsstellung jedes
einzelnen betroffenen Richters ein, indem sie seine öffentlich-rechtlichen, aus dem
Richterverhältnis herrührenden Dienstverpflichtungen konkretisiert. Der geforderte
Bezug zu dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis ist damit gegeben und § 126
Abs. 1 BRRG anwendbar (ebenso OVG Berlin, Urt. v. 16.08.1983, Az.: 4 B 8.83,; VG
Weimar, Beschl. v. 23.06.2003, Az.: 4 E 206/03.WE, offen gelassen von VG
Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2007, Az.: 13 K 3238/06).
Statthafte Klageart ist nach gefestigter Rechtsprechung (vgl. BVerfG, Beschl. v.
03.12.1990, Az.: 2 BvR 785/90, 2 BvR 1536/90, DRiZ 1991,100 ff) die
Feststellungsklage nach § 43 VwGO. Eine (grundsätzlich vorrangige)
Anfechtungsklage kommt nicht in Betracht, denn bei dem streitgegenständlichen
Geschäftsverteilungsplan handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35
S. 1 VwVfG, sondern um einen Rechtsakt eigener Art. Ein Verwaltungsakt scheidet
schon deshalb aus, weil es sich nicht um eine Regelung eines Einzelfalls durch eine
Behörde handelt. Im Übrigen ist eine Anfechtungsklage auch deshalb nicht
sachgerecht, weil im Falle einer Stattgabe der Geschäftsverteilungsplan durch das
Verwaltungsgericht aufgehoben würde mit der Folge, dass dann für das Gericht
überhaupt kein Geschäftsverteilungsplan existierte. Dies wäre im Interesse einer
geordneten Rechtspflege schwer erträglich (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.11.1975, Az.:
VII C 47.73, BVerwGE 50, 11; VG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2007, a.a.O.).
Auch für die danach statthafte Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO ist nach §
126 Abs. 3 BRRG die Durchführung eines Vorverfahrens erforderlich (vgl. VG
Weimar, Beschl. v. 23.06.2003, a.a.O.; offen gelassen von VG Düsseldorf, Urt. v.
30.07.2007, a.a.O.). Dies ist aber unstreitig nicht erfolgt. Vielmehr hat der Kläger
nach der Beschlussfassung des Präsidiums am 17.03.2008 diesem gegenüber
keine Einwände vorgebracht, sondern - ohne Widerspruch einzulegen - sogleich
Klage erhoben. Diese war damit zum Zeitpunkt der Klageerhebung unzulässig.
Aus dem vom Kläger in diesem Zusammenhang zitierten Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 28.11.1975 (a.a.O.) folgt nichts Gegenteiliges:
Soweit dabei auf Rn. 32 des Urteilsumdrucks verwiesen wird, wird verkannt, dass
es in dieser Urteilspassage nicht um die Frage der Notwendigkeit eines
Vorverfahrens, sondern darum geht, welche Klageart statthaft ist. Das
Bundesverwaltungsgericht führt aus, dass auch die grundsätzlich mit Widerspruch
und Anfechtungsklage verbundene aufschiebende Wirkung dagegen spreche,
einen Geschäftsverteilungsplan als Verwaltungsakt anzusehen. Dass ein
Vorverfahren nicht erforderlich sei, wird in diesem Urteil an keiner Stelle
ausgesprochen. Dies war auch deshalb nicht erforderlich, weil in dem dort zur
Entscheidung stehenden Sachverhalt zweifelsfrei ein Vorverfahren durchgeführt
wurde, wie sich aus dem Tatbestand (Rn. 2) ergibt. Der dortige Kläger hatte gegen
den Geschäftsverteilungsbeschluss beim Präsidium das "zulässige Rechtsmittel"
eingelegt und erst nachdem das Präsidium (irrigerweise) mitgeteilt hatte, der
Beschluss sei unanfechtbar, Klage erhoben.
Die Widerspruchseinlegung nach Klageerhebung durch den Schriftsatz vom
24.07.2008 führt nicht dazu, dass die Klage nunmehr zulässig geworden ist und
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24.07.2008 führt nicht dazu, dass die Klage nunmehr zulässig geworden ist und
das Gericht das Verfahren bis zur Entscheidung über den Widerspruch aussetzen
müsste. Entgegen der Rechtsauffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers
kann ein Widerspruchsverfahren in Klagen nach § 126 BRRG nicht nachgeholt
werden.
Nach der älteren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - entwickelt zu
der Problematik der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen des
Beamten gegenüber seinem Dienstherrn (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.07.1977, Az.:
II B 36.76, Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 66; BVerwG, Urt. v. 10.04.1997, Az.: 2 C
38/95, ZBR 1998, 46 f) - ist der Beamte bei Feststellungs- und Leistungsklagen
verpflichtet, sich vor Klageerhebung an den Dienstherrn zu wenden und einen
förmlichen Antrag zu stellen. Gegen die Ablehnung dieses Antrages muss
Widerspruch eingelegt werden, und erst gegen den Widerspruchsbescheid kann
Klage erhoben werden. Antrag und Widerspruch können nicht nachgeholt werden.
Gegen diese Rechtsprechung ist Kritik geäußert worden, weil dieses mehrstufige
Verfahren als zu umständlich angesehen wurde (vgl. Hirschenauer, a.a.O., S. 117).
In einer neueren Entscheidung (BVerwG, Urt. v. 28.06.2001, Az.: 2 C 48/00, ZBR
2002, 93 f) hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass zwar ein formeller
Antrag nun nicht (mehr) als erforderlich angesehen wird, doch auch gegen
Handlungen des Dienstherrn, die nicht Verwaltungsakte sind, Widerspruch erhoben
werden müsse.
Aber auch nach dieser neueren Auffassung ist eine Nachholung des Vorverfahrens
nicht möglich. Grund hierfür ist, dass der Dienstherr vor der Anrufung des Gerichts
zunächst die Gelegenheit erhalten soll, sich mit der Angelegenheit zu befassen,
um ggf. eine gütliche Beilegung der Streits zu ermöglichen (vgl. v.
Roetteken/Rothländer, Hessisches Bedienstetenrecht, Loseblatt, Stand: Mai 2006,
§ 182 HBG Rn. 40).Außerdem handelt es sich bei Streitigkeiten des Beamten mit
seinem Dienstherrn um verwaltungsinterne Streitigkeiten die - soweit vermeidbar -
nicht öffentlich ausgetragen werden sollen. Anders als bei Widerspruchsverfahren
in sonstigen Rechtsgebieten, in denen eine Nachholung des Vorverfahrens
überwiegend als zulässt angesehen wird, kommt im Beamten- bzw.
Richterverhältnis der gütlichen Beilegung eines Streits und dem Gebot interner
Streitschlichtung größere Bedeutung zu, da Dienstherr und Beamter bzw. Richter
auf Dauer miteinander auskommen müssen. Dieser Zweck des
Widerspruchsverfahrens würde verfehlt, wenn ein Vorverfahren nach Klagerhebung
nachgeholt werden könnte.
Da die Beklagte auch nicht auf die Durchführung des Widerspruchsverfahrens
verzichtet, sondern dessen Fehlen sogar ausdrücklich gerügt hat, ist die Klage
schon deshalb als unzulässig abzuweisen.
Die Klage ist ferner deshalb unzulässig, weil auch das für das die
Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse nicht vorliegt.
Dabei kommt es entgegen der Auffassung des Klägers auf den Zeitpunkt der
gerichtlichen Entscheidung und nicht auf den Zeitpunkt der Klageerhebung an (vgl.
z.B. Kopp/Schenke, VwGO, 15. A., § 43 Rn 23 m.w.N.). Denn das sich im
Rechtschutzinteresse manifestierende Rechtschutzbedürfnis kann nicht durch die
Klageerhebung selbst, sondern nur durch die beantragte gerichtliche Entscheidung
gewahrt werden. Ist die mit der Klage ursprünglich angegriffene Maßnahme
während des Klageverfahrens weggefallen, kann ein Rechtschutzinteresse an der
Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme nur angenommen werden, wenn
trotz des Wegfalls des ursprünglichen Klagegegenstandes eine dadurch
verursachte persönliche Rechtsbeeinträchtigung des Klägers fortwirkt. Ansonsten
würde es sich um eine im deutschen Verwaltungsrecht nicht statthafte
Popularklage handeln.
Bei gerichtlichen Geschäftsverteilungsplänen besteht die Besonderheit, dass sie
regelmäßig höchstens für ein Jahr Geltung beanspruchen, wie sich aus § 21e Abs.
1 S. 1 und 2 GVG ergibt. Ist die Gültigkeitsdauer eines Geschäftsverteilungsplans
am Jahresende abgelaufen, so bleibt für die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit im
Regelfall kein Raum. Ein berechtigtes Interesse an einer Feststellung hinsichtlich
eines abgelaufenen Geschäftsverteilungsplans besteht nur dann, wenn diese
frühere Regelung noch Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Richters haben
kann (so ausdrücklich BVerwG, Beschl. v. 14.04.1986, Az.: 2 CB 54/84, DÖD 1986,
218 f).
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Dies ist auch im Falle des Klägers nicht anders. Der Kläger wendet sich gegen den
Präsidiumsbeschluss vom 17.03.2008, mit dem die seit dem 01.01.2008 geltende
Geschäftsverteilung, die für den 4. Senat nur noch eingeschränkte
Zuständigkeiten vorsah, aufrechterhalten wurde. Mittlerweile gehört der Kläger
jedoch diesem Senat nicht mehr an, sondern hat seit dem 01.08.2008 den Vorsitz
im 2. Senat übernommen. Gegen den Geschäftsverteilungsbeschluss vom
17.08.2008, mit dem dies beschlossen wurde, hat er ebenso wenig Einwände
erhoben, wie gegen den zwischenzeitlich beschlossenen Geschäftsverteilungsplan
für das Jahr 2009, so dass er von dem Geschäftsanfall im 4. Senat und die
Verteilung der Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung aktuell nicht
betroffen ist.
Von der Rechtsprechung ist bei Klagen gegen vorjährige
Geschäftsverteilungspläne von Gerichten ein Feststellungsinteresse bisher
lediglich in zwei Fällen anerkannt worden.
Ein Feststellungsinteresse wurde in dem Fall anerkannt, dass der mittlerweile
abgelaufene Geschäftsverteilungsplan noch für ein etwaiges Disziplinarverfahren
gegen einen Richter von Bedeutung ist. Es ist in einer solchen Fallgestaltung dem
Richter nicht zuzumuten, erst in einem Disziplinarverfahren klären zu lassen, ob
der Geschäftsverteilungsplan rechtswidrig war (BVerwG, Urt. v. 28.11.1975, a.a.O.;
BVerfG, Beschl. v. 03.12.1990, a.a.O.).
Ein Feststellungsinteresse wurde ferner bei Vorliegen einer Wiederholungsgefahr
angenommen, und zwar dann, wenn der jeweilige jährliche
Geschäftsverteilungsplan identische Regelungen fortschreibt und diese nach dem
klägerischen Vortrag rechtswidrig sein sollen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.12.1990,
a.a.O.).
Beide Sachverhalte liegen hier nicht vor. Der Kläger ist den Festsetzungen des
Geschäftsverteilungsplans nachgekommen, so dass weitere Auswirkungen nicht zu
befürchten sind. Eine Wiederholungsgefahr ist ebenfalls nicht ersichtlich.
Auch aus dem Gesichtspunkt der Rehabilitation kann der Kläger kein
Feststellungsinteresse herleiten. Ein Rehabilitationsinteresse, das in § 43 VwGO
ebenso wie in § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO definiert wird, ist dann gegeben, wenn der
Adressat einer behördlichen Maßnahme durch die Maßnahme selbst, die
Begründung oder die Umstände des Zustandekommens noch im Zeitpunkt der
gerichtlichen Entscheidung in seiner Menschenwürde, seinem Persönlichkeitsrecht
oder in seinem beruflichen oder gesellschaftlichen Ansehen objektiv erheblich
beeinträchtigt ist und die abträglichen Nachwirkungen nur durch eine gerichtliche
Sachentscheidung ausgeglichen werden können (vgl. VGH Mannheim, Urt. v.
08.05.1989, Az.: 1 S 722/88, NVwZ 1990, 378 f; Posser/Wolff, VwGO, Kommentar,
2008, § 43 Rn. 87, beide m.w.N.). Die Rechtswidrigkeit einer Maßnahme als solche
hat grundsätzlich keinen diskriminierenden Charakter, hinzu kommen muss
vielmehr, dass mit der behördlichen Maßnahme ein persönlicher Vorwurf oder ein
Makel verbunden ist. Dabei kommt es auf die objektive Sachlage an, so dass der
Umstand, dass sich ein Adressat lediglich durch eine Maßnahme diskriminiert
fühlt, nicht für ein Rehabilitationsinteresse ausreicht (vgl. BVerwG, Beschl. v.
04.03.1976, Az.: I WB 54.74, BVerwGE 54, 134, S. 138; VGH Mannheim, Urt. v.
08.05.1989, a.a.O.).
Der Präsidiumsbeschluss vom 17.03.2008 enthält weder hinsichtlich seines
Regelungsgehalts noch hinsichtlich der äußeren Umstände einen Vorwurf
gegenüber dem Kläger. Er enthält auch keine Bestimmungen, die ihn in seiner
beruflichen Position oder privat beeinträchtigen könnten. Die Aufrechterhaltung
der zuvor beschlossenen Aufgabenverteilung ebenso wie die Zuweisung eines
weiteren Richters sind objektiv neutrale Maßnahmen, die vom Regelungsgehalt her
mit keiner Missbilligung verbunden sind. Auch die Umstände der Änderung der
Geschäftsverteilung ab dem 01.01.2008 lassen aus objektiver Sicht keine
diskriminierenden Vorwürfe gegenüber dem Kläger erkennen, denn die Änderung
der Geschäftsverteilung wurde stets mit der zweifelsfrei gegebenen hohen
Belastung des 4. Senats begründet.
Die Klage ist darüber hinaus auch unbegründet, denn der streitige
Geschäftsverteilungsplan erweist sich als rechtmäßig.
Maßstab für die vom Kläger angegriffene Präsidiumsentscheidung ist § 21e GVG.
Danach bestimmt das Präsidium u.a. die Besetzung der Spruchkörper, regelt die
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Danach bestimmt das Präsidium u.a. die Besetzung der Spruchkörper, regelt die
Vertretung und verteilt die Geschäfte.
Die organisationsrechtlichen Verteilungsentscheidungen hinsichtlich der
Bearbeitung von Rechtsfällen sind den Richtern zur Selbstverwaltung übertragen
und werden in richterlicher Unabhängigkeit der Richterschaft - repräsentiert durch
das Präsidium - getroffen. Dem Präsidium kommt bei seinen Entscheidungen ein
weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zu, der erst überschritten ist, wenn
die den Entscheidungen zu Grunde liegenden Erwägungen so fehlsam sind, dass
sie vernünftigerweise keine Grundlage für derartige Maßnahmen abgeben können
und damit die Grenzen richterlicher Unabhängigkeit nicht mehr gewahrt sind.
Die Entscheidung, die das Präsidium getroffen hat, die Geschäfte anderes zu
verteilen, ist ohne Zweifel mit der Ermächtigungsnorm des § 21e GVG zu
vereinbaren. Denn ein Richter hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, mit
bestimmten Rechtssachen betraut oder nicht betraut zu werden. Deshalb kann in
der Aufgabenzuweisung durch das Präsidium - ohne dass besondere Umstände
hinzutreten - kein Eingriff in die persönliche Rechtstellung des Richters oder in
seine richterliche Unabhängigkeit gesehen werden.
Die Kammer vermag nicht festzustellen, dass dem angegriffenen
Geschäftsverteilungsbeschluss des Präsidiums des Bundessozialgerichts
unsachliche und nicht mehr von der Entscheidungskompetenz des § 21e GVG
gedeckte Erwägungen zu Grunde lagen.
Anlass für die zum 01.07.2008 für neue Verfahren und für die Zeit ab dem
01.01.2008 für Altverfahren wirksame Änderung der Geschäftsverteilung des 4.
Senats, die dann für die Zeit ab dem 01.04.2008 fortgeführt wurde, waren die
mehrfachen schriftlichen Äußerungen der Berufsrichter des 4 .Senats gegenüber
dem Präsidium. Dort wurde in drastischen Worten die Überlastung des 4. Senats
beklagt. Insbesondere die Formulierungen des Klägers in der Präsidiumssitzung
am 22.06.2007, der Senat sei ab dem 01.07.2007 nicht mehr in der Lage,
effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, ermächtigten das Präsidium nicht nur zu
einer Entlastung des 4. Senats, sondern begründeten sogar eine Verpflichtung.
Das Grundrechtsgebot des Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet ein Präsidium, die
Geschäfte so zu verteilen, dass Rechtsschutz in angemessener Zeit gewährt
werden kann.
Auf welche Art und Weise dies zu geschehen hatte, unterlag der
Einschätzungsprärogative des Präsidiums. Die getroffene Maßnahme, den 4.
Senat von allen Angelegenheiten der allgemeinen Rentenversicherung zu befreien,
war geeignet, das angestrebte Ziel zu erreichen und hat dieses auch erreicht: Der
Geschäftsanfall im 4. Senat ging tatsächlich erheblich zurück.
Dass sachfremde Erwägungen dazu geführt haben, dem Kläger und seinem Senat
die Zuständigkeit für die Angelegenheiten der allgemeinen Rentenversicherung zu
entziehen, ist eine durch keine hinreichenden Anhaltspunkte belegte Mutmaßung
des Klägers. Das Gericht kann nicht feststellen, dass er etwa wegen
unerwünschten Sachentscheidung "diszipliniert" werden sollte (vgl. hierzu OVG
Hamburg, Beschl. v. 19.09.1986, a.a.O.). Soweit der Kläger in diesem
Zusammenhang auf die in Fachzeitschriften veröffentlichte Kritik an
Entscheidungen des 4. Senats zum Rentenversicherungsrecht verweist, hält die
Kammer es für durch nichts belegt, dass die Mehrheit des Präsidiums dies zum
Anlass nahm, ihn nicht mehr mit Streitigkeiten aus dem Rentenversicherungsrecht
zu betrauen oder sich insoweit sogar dem Druck der Bundesregierung - wie der
Kläger meint - gebeugt hat.
Auch der Umstand, dass der 4. Senat spätestens ab April 2008 so gut wie gar
keine Verfahren mehr zu bearbeiten hatte, kann nicht auf sachfremde Erwägungen
des Präsidiums zurückgeführt werden. Zwar ist anerkannt, dass ein Verstoß gegen
das Willkürverbot auch dann vorliegt, wenn ein Richter so gut wie keine
rechtsprechende Tätigkeit mehr vornehmen kann und die Geschäftsverteilung
einer faktischen Amtsenthebung gleichkommt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v.
03.12.2007, a.a.O.).
Ein solcher Fall ist hier indes nicht gegeben. Bei seinen Entscheidungen hat sich
das Präsidium von dem Ziel leiten lassen, den 4. Senat zu entlasten. Dass dies
dann dazu führen würde, dass nur noch eine sehr geringe Anzahl an Verfahren von
dem Senat zu entscheiden war und dies vom Präsidium beabsichtigt oder
zumindest in Kauf genommen wurde, ist durch nichts belegt. Im Gegenteil: Als sich
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zumindest in Kauf genommen wurde, ist durch nichts belegt. Im Gegenteil: Als sich
nach wenigen Monaten abzeichnete, dass der 4. Senat nur unzureichend
ausgelastet war, wurde ihm eine neue Zuständigkeit zugewiesen. Dem Kläger
selbst wurde der Vorsitz des 2. Senats übertragen mit dem er augenscheinlich
hinreichend ausgelastet ist.
Der Umstand, dass er für wenige Monate seiner richterlichen Tätigkeit eine
derartige Auslastung nicht verspürte, kann jedenfalls nicht auf einen nicht mehr
von der Entscheidungskompetenz des Präsidiums gedeckten
Geschäftsverteilungsbeschluss zurückgeführt werden und ist deshalb von
vornherein nicht geeignet, ihn in seinen Rechtspositionen zu beeinträchtigen.
Als unterliegender Beteiligter hat der Kläger die Verfahrenskosten gemäß § 154
Abs. 1, VwGO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des
Urteils beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.