Urteil des VG Gießen vom 25.02.2002

VG Gießen: persönliche eignung, sachverständiger, unbestimmter rechtsbegriff, einreihung, aufsichtsbehörde, kontrolle, öffentlich, landwirtschaft, rechtsgrundlage, rechtsverordnung

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Gericht:
VG Gießen 10.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 E 4274/00
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
Art 12 Abs 1 GG
(Rechtsgrundlage für die Bestellung zum
Sachverständigen)
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten, seine Bestellung zum
Sachverständigen zu verlängern.
Seit dem 5. Dezember 1991 ist der Kläger als öffentlich bestellter
Sachverständiger für die Einreihung von Fleisch in Handelsklassen und die
Gewichtsfeststellung im Sinne des § 14c Abs. 2 des Vieh- und Fleischgesetzes
tätig. Er versieht die entsprechenden Arbeiten hauptsächlich im Schlachthof G. der
E. F. GmbH & Co über die N.... mit Sitz in B. Aufgabe des Klägers ist es, die
Schlachtkörper in das Handelsklassenschema einzustufen und zu verwiegen.
Regelmäßig nahm der Kläger in der Vergangenheit erfolgreich an den
entsprechenden Fachprüfungen teil.
Neben seiner Beschäftigung als Sachverständiger betreibt der Kläger auch eigene
Landwirtschaft. Er ist verheiratet und hat zwei minderjährige Kinder.
Zuständig für die Kontrollen der Arbeitsqualität des Klägers war früher das
Hessische Landesamt für Regionalentwicklung und Landwirtschaft (HLRL) W., heute
das Regierungspräsidium G. (Abteilung V) in W. Besondere Auffälligkeiten ergaben
sich bei den durchgeführten Prüfungen zunächst nicht. Erst nach dem Wechsel des
eingesetzten Prüfers im Jahr 1995 (nunmehr war der Zeuge E. zuständig) kam es
in der Folgezeit zu wiederholten Beanstandungen des Arbeitsverhaltens des
Klägers. Dadurch begründet ermahnte das HLRL den Kläger mehrfach schriftlich,
seine Arbeitsqualität zu verbessern. Diese Ermahnungen zeigten offenbar teilweise
Erfolg, denn es kam bei den folgenden regelmäßigen Überprüfungen ausweislich
der zahlreichen Prüfprotokolle zwar immer wieder zu vereinzelten
Beanstandungen, diese konnten jedoch von dem Kontrolleur und dem Kläger vor
Ort geklärt werden. Mit Schreiben vom 19. Oktober 1998 ermahnte die Behörde
den Kläger jedoch erneut. Auch Ende des Jahres 1999 / Anfang des Jahres 2000
sprach das HLRL erheblichere Beanstandungen aus. Schließlich teilte das Amt mit
Schriftsatz vom 28. Februar 2000 dem Kläger zudem mit, bei den letzten
Kontrollen am 27. Dezember 1999, 4. Januar 2000 und am 12. Januar 2000 seien
erhebliche Mängel im Bereich der Klassifizierung ebenso wie bei den
Gewichtsfeststellungen festgestellt worden. Daher beabsichtige sie, die am 18.
November 2000 auslaufende Bestellung nicht zu verlängern. Der Kläger müsse
seiner neutralen Qualifizierungsarbeit sachgerecht nachkommen, andernfalls
könne seine Bestellung sogar widerrufen werden. Außerdem sei ein Verweis nach
der Richtlinie beabsichtigt. Zu einem Widerruf der Bestellung oder einem Verweis
kam es indes nicht.
Um sich ein eigenes Bild von der Arbeitsqualität des Klägers zu verschaffen, führte
der Leiter der Aufsichtsbehörde, der Zeuge Dr. P., am 10. Mai 2000 gemeinsam
mit einem anderen Prüfer, dem Zeugen K., die Überprüfung der
Klassifizierungsarbeiten des Klägers persönlich durch. Bei dieser Kontrolle, deren
Umstände streitig sind, wurde seitens der Bediensteten der Behörde im Protokoll
beanstandet, der Kläger habe das Gewicht der Schlachtkörper nicht sachgerecht
ermittelt.
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Mit Schreiben vom 15. August 2000 kündigte die Aufsichtsbehörde dem Kläger
daraufhin an, es werde seine Bestellung zum Sachverständigen nach dem
Auslaufen der Bestellung zum 18. November 2000 nicht mehr verlängern. Zur
Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Arbeitsweise des Klägers sei
durchgehend nicht fehlerfrei und zeige eine gewisse Nachlässigkeit. Insbesondere
sei aber die nicht sachgerechte Arbeit mit der Waage bei der Überprüfung am 10.
Mai 2000 zu beanstanden.
Hiergegen legte der Kläger am 30. August 2000 Widerspruch ein und führte zur
Begründung u.a. aus, er habe sehr wohl sachgerecht gearbeitet. Jedoch sei das
Verhältnis zwischen ihm und dem Prüfer E. belastet. Die Umstände, die zu der
Beanstandung vom 19. Oktober 1998 geführt hätten, seien unzutreffend ermittelt
worden, so hätten die Behördenmitarbeiter zu Unrecht die Beanstandungen
ausgesprochen, denn sein Verhalten bei dem Verwiegen der Schlachtkörper sei
korrekt gewesen. Aufgrund dieser fehlerhaften Tatsachenermittlung sei der
angegriffene Bescheid vom 15. August 2000 rechtswidrig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. November 2000 wies das HLRL in K., das
seinerzeit für den Erlass der Widersprüche zuständig war, den Widerspruch des
Klägers gegen den Bescheid vom 15. August 2000 zurück (Ziffer 1) und stellte
fest, dass die öffentliche Bestellung des Klägers mit dem Ablauf des 18. November
2000 zwar ende, der Kläger die Tätigkeit als Sachverständiger aber gleichwohl
fortsetzen dürfe, bis die Widerspruchsentscheidung in Bestandskraft erwachse,
höchstens jedoch bis zum 18. November 2001 (Ziffer 2). Zur Begründung führte
das HLRL aus, die Bestellung des Klägers zum Sachverständigen laufe bereits
deshalb am 18. November 2000 aus, weil dieser den notwendigen Antrag auf
Verlängerung nicht gestellt habe. Des Weiteren sei durch den Brief vom 15. August
2000 die Nichtverlängerung auch rechtzeitig angezeigt worden. Dieser Bescheid
sei zudem inhaltlich nicht zu beanstanden. Der Widerspruch des Klägers führe
daher nicht zu einer Fiktion der Verlängerung der Bestellung, sondern nur zu der
Entscheidung unter Ziffer 2. Deshalb müsse der Kläger eine Neubestellung
beantragen. Die Zustellung des Widerspruchsbescheides erfolgte am 10.
November 2000.
Am 20. November 2000 hat der Kläger Klage erhoben.
Am 8. Oktober 2001 suchte der Kläger zusätzlich um gerichtlichen Eilrechtsschutz
nach. Er trug insoweit vor, er beziehe einen erheblichen Teil seines Einkommens
aus seiner freiberuflichen Tätigkeit und sei deshalb dringend zur Vermeidung von
schweren finanziellen Nöten auf die Bestellung zum Sachverständigen
angewiesen. Außer ihm seien die anderen Sachverständigen durch Rundschreiben
im Monat August 2001 (erstmals) aufgefordert worden, Anträge auf
Weiterbestellung einzureichen. Auch er habe diesen Antrag am 16. August 2001
gestellt, jedoch sei der Antrag abgelehnt worden. Mit Beschluss vom 14.
November 2001 ordnete das Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung an,
dem Kläger vorläufig die Bestellung zum Sachverständigen zu verlängern (Az. 10
G 3188/01).
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, er sei in aller Regel seinen
Verpflichtungen, die Schlachtkörper neutral zu klassifizieren und die korrekten
Gewichte zu erfassen, nachgekommen. Einzelne Fehler seien zwar vorgekommen,
doch sei er entgegen der Behauptung der Aufsichtsbehörde stets bemüht
gewesen, erkannte Probleme abzustellen. Insbesondere die ihm zur Last gelegten
Ungenauigkeiten beim Verwiegen der Schlachtkörper seien so nicht
vorgekommen. Die Schlussfolgerungen der Behörde beruhten auf unrichtigen
Sachverhaltsfeststellungen.
Der Kläger vertritt die Ansicht, die für die erstmalige Bestellung und Verlängerung
der Sachverständigen bestehenden Vorschriften seien teilweise rechtswidrig, da
sie ohne entsprechende gesetzliche Ermächtigung seine grundrechtlich
geschützten Positionen unzulässig einschränken würden.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, den Kläger erneut als Sachverständigen über die
Einreihung von Vieh und Fleisch in Handelsklassen und die Gewichtsfeststellung zu
bestellen bzw. die Bestellung des Klägers als derartiger Sachverständiger zu
verlängern.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Ansicht, die der Bestellung der Sachverständigen zugrunde
liegenden Richtlinien seien rechtmäßig und die Aufsichtsbehörde habe sie
vollumfänglich anzuwenden. Deshalb sei dem Ansinnen des Klägers
entgegenzuhalten, dass ein Anspruch auf die Erteilung oder Verlängerung der
Bestellung grundsätzlich nicht bestehe. Auch ohne die in Streit stehenden
Beanstandungen der Arbeitsweise des Klägers könne die Behörde frei
entscheiden, ob sie die Bestellung des Klägers verlängern wolle oder nicht.
Der Beklagte behauptet, der Kläger habe sich zudem durch die Vielzahl von
Einzelbeanstandungen als nicht zuverlässig erwiesen. Insbesondere sei aber bei
der Kontrolle am 10. Mai 2000 deutlich geworden, dass der Kläger den
Anforderungen an eine neutrale Gewichtsfeststellung der Schlachtkörper nicht
entsprochen habe.
Das Gericht hat die Zeugen Dr. P., E. und K. zu den Umständen und Ergebnissen
der Überprüfungen des Klägers uneidlich vernommen. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die Verhandlungsniederschrift Bezug genommen.
Gegenstand der mündlichen Verhandlung sind die Behördenakte und die Akte des
Eilverfahrens gewesen.
Entscheidungsgründe
1. Die Klage ist gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Kläger die
Verlängerung seiner bestehenden Bestellung zum Sachverständigen begehrt. Die
Bestellung zum Sachverständigen ist entgegen der Auffassung des Beklagten
nicht durch Fristablauf erloschen. Die durch die Behörde in der Vergangenheit
zunächst stillschweigend gewährten Verlängerungen der Bestellung wie die durch
die gerichtliche Eilentscheidung getroffene weitere Regelung bewirken die
ununterbrochene Wirksamkeit der Bestellung, so dass Klagegegenstand nicht die
Neubestellung, sondern nur die Verlängerung der bestehenden Bestellung sein
kann. Hierbei kommt indes keine Anfechtungsklage, sondern lediglich die
Verpflichtungsklage in Betracht.
Das Gericht erkennt in dem Schreiben vom 15. August 2000 an den Kläger zwar
auch einen Verwaltungsakt nach § 35 S. 1 HessVwVfG, der, trotz der fehlenden
Rechtsmittelbelehrung, durch Widerspruch angegriffen werden konnte, was der
Kläger auch getan hat. Im vorliegenden Fall kann jedoch dahingestellt bleiben, ob
das Schreiben vom 15. August 2000 rechtswidrig ist. Denn der Kläger kann hierauf
sein Klagebegehren nicht (mehr) erfolgreich stützen. Allein die Aufhebung des
Schreibens des HLRL würde bei Anwendung der Richtlinien vom 12. Dezember
1994 nicht dazu führen, dass der Kläger eine Verlängerung seiner Bestellung zum
Sachverständigen beanspruchen könnte oder diese automatisch eintreten würde.
Demnach ist die Klage als Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und
auch im Übrigen zulässig. Sowohl die erstmalige Erteilung als auch die
(ausdrückliche) Verlängerung der Bestellung zum Sachverständigen für die
Einreihung von Fleisch in Handelsklassen und die Gewichtsfeststellung (im
Weiteren: Sachverständigen) stellen Verwaltungsakte im Sinne von § 35 S. 1
Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz (HessVwVfG) dar.
Ein Vorverfahren, gerichtet auf die Beseitigung der Wirkungen des Schreibens vom
15. August 2000 (§ 68 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO) blieb erfolglos. Sofern davon
ausgegangen werden muss, dass der Kläger nunmehr etwas anderes begehrt als
zu Beginn seines Widerspruchsverfahrens, nämlich nicht mehr die Aufhebung des
Schreibens vom 31. Mai 2000 und des Widerspruchsbescheides, sondern die
Verlängerung der Bestellung, kann die Zulässigkeit der Änderung nach § 91 Abs. 1
und 2 VwGO festgestellt werden, da diese sachdienlich ist. Eine
Teilklagerücknahme ist darin nicht zu erkennen, da die Formulierung des
Klageantrags in der Klageschrift zu Ziffer 1 den Antrag zu Ziffer 2 mitumfasste.
Des Weiteren ist auch für den Fall, dass der Verpflichtungsantrag einen formell
ordnungsgemäßen Antrag des Klägers bei der Behörde auf Verlängerung der
Bestellung voraussetzen würde, ein Vorverfahren zwar trotz des Antrags des
Klägers vom 26. August 2001 nicht durchgeführt worden, doch liegen insoweit die
Voraussetzungen des § 75 VwGO vor.
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2. Die Klage ist auch begründet.
Die Weigerung des Beklagten, die Verlängerung der Bestellung des Klägers zum
Sachverständigen zu erteilen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen
Rechten, da diesem ein entsprechender Rechtsanspruch zusteht. (§ 113 Abs. 5 S.
1 VwGO)
a) Eine gültige Rechtsgrundlage für eine Beschränkung der Gewährung einer
Bestellung zum Sachverständigen oder einer entsprechenden Verlängerung liegt
nicht vor.
§ 14c Abs. 1 des (Bundes-) Gesetzes über den Verkehr mit Vieh- und Fleisch
(Vieh- und Fleischgesetz) vom 21. März 1977 (BGBl. I S. 477) eröffnet die
Möglichkeit, durch Rechtsverordnung der Bundesregierung Vorschriften über die
Erfassung von Fleisch in Handelsklassen und das Gewicht zu erlassen. Im
Einzelnen dürfen demnach Inhaber von Schlachtbetrieben verpflichtet werden, das
Fleisch unmittelbar nach der Schlachtung in gesetzliche Handelsklassen einreihen
und entsprechend kennzeichnen sowie das Gewicht des Fleisches feststellen zu
lassen. Zudem dürfen im Wege einer Verordnung Vorschriften über das Wie der
Gewichtsfeststellung gemacht und bestimmt werden, dass dem Verkäufer des
Schlachtviehs die Ergebnisse der Feststellungen mitgeteilt werden müssen. § 14c
Abs. 2 S. 1 Vieh- und Fleischgesetz bestimmt sodann, dass die Einreihung in
Handelsklassen und die Gewichtsfeststellung von der nach Landesrecht
zuständigen Behörde oder durch einen von dieser Behörde hierfür öffentlich
bestellten Sachverständigen vorzunehmen ist. Für die Bestellung gilt nach § 14c
Abs. 2 S. 2 Vieh- und Fleischgesetz § 36 der Gewerbeordnung entsprechend.
Von dieser Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung hat der
Verordnungsgeber mit der Verordnung über Preismeldungen für Schlachtvieh und
Schlachtkörper außerhalb von notierungspflichtigen Märkten (4. ViehFlGDV) vom
23. Juni 1994 (BGBl. I 1994, S. 1302) weitgehend Gebrauch gemacht. In dieser
Verordnung ist in § 9 folgendes geregelt:
"(1) Die Inhaber von Betrieben müssen, soweit sie auf Grund dieser Verordnung
Preise unter Angabe einer gesetzlichen Handelsklasse für Fleisch zu melden
haben,
1. die Schlachtkörper, Hälften oder Viertel der ihnen angelieferten Schweine,
Rinder, Kälber oder Schafe entsprechend den Vorschriften über die gesetzlichen
Handelsklassen für Fleisch in Handelsklassen einreihen und kennzeichnen oder
etikettieren lassen. Die Kennzeichnung oder Etikettierung ist unmittelbar nach der
Schlachtung - im Anschluss an die Fleischbeschau vor Beginn des Kühlprozesses -
vorzunehmen,
2. das Schlachtgewicht der Schlachtkörper oder Hälften von Schweinen, Rindern,
Kälbern oder Schafen unmittelbar nach der Schlachtung oder, falls das
Schlachtvieh geschlachtet angeliefert wird, unmittelbar nach Anlieferung
feststellen lassen,
3. dem Verkäufer des Schlachtviehs die Handelsklasse, in die das Fleisch
eingereiht worden ist, und das festgestellte Schlachtgewicht mitteilen und
4. sicherstellen, dass die für eine ordnungsgemäße Handelsklasseneinreihung
und Gewichtsfeststellung erforderlichen Bedingungen baulicher und technischer
Art im Schlachtbetrieb gegeben sind.
(2) Die Einreihung in Handelsklassen und die Gewichtsfeststellung sind von der
nach Landesrecht zuständigen Behörde oder durch von dieser Behörde hierfür
öffentlich bestellte Sachverständige vorzunehmen."
Mit der Richtlinie über die neutrale Einreihung von Fleisch in Handelsklassen und
Gewichtsfeststellung vom 12. Dezember 1994 (Staatsanzeiger 1995, S. 29) hat
das für das Land Hessen zuständige Fachministerium für Landesentwicklung pp.
aufgrund der genannten bundesgesetzlichen Bestimmungen entsprechende
Regelungen für die Bestellung von Sachverständigen getroffen. Diese lauten
auszugsweise:
"2. Voraussetzungen für die Bestellung
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Als Sachverständige/Sachverständiger i.S. dieser Richtlinie kann öffentlich bestellt
werden
2.1 wer die persönliche Eignung und die erforderliche Sachkunde besitzt.
...
2.8 Auf die öffentliche Bestellung besteht kein Rechtsanspruch.
...
4. Dauer der öffentliche Bestellung
4.1 Die öffentliche Bestellung erfolgt für die Dauer von drei Jahren. Sie gilt für ein
Jahr als verlängert, sofern nicht ein Antrag nach Tz. 4.2 gestellt oder die
Nichtverlängerung der Bestellung durch die zuständige Behörde drei Monate
vorher schriftlich angekündigt wurde.
4.2 Die Bestellung kann für jeweils drei weitere Jahre verlängert werden, sofern die
oder der Sachverständige dies spätestens drei Monate vor Ablauf der Bestellung
schriftlich bei der zuständigen Behörde beantragt und das Vorliegen der
Voraussetzungen nach Tzn. 2.1 bis 2.5 sowie die Teilnahme an den
Fortbildungslehrgängen nach Tz. 5.4 nachweist.
Auf die Verlängerung der Bestellung besteht kein Rechtsanspruch."
Zunächst kann festgestellt werden, dass früher das Hessische Landesamt für
Regionalentwicklung und Landwirtschaft (im Weiteren: HLRL) und heute das
Regierungspräsidium G. zuständige Behörde im Sinne der dargestellten Normen
war bzw. ist (Art. 1 § 3 Abs. 1 und 2, Art. 13 § 5 Abs. 2 Nr. 7a LFN-Reformgesetz
vom 22.12.2000, GVBl. I S. 588).
Das Gericht ist indes zu der Überzeugung gelangt, dass die vorliegende Richtlinie
vom 12. Dezember 1994 den Kläger in seinen grundrechtlich geschützten Rechten
verletzt, soweit sie berufsregelnden Charakter hat, so dass die darauf gestützte
Entscheidung der Behörde, die begehrte Bestellung nicht zu verlängern, nicht auf
einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage beruht.
Denn die rechtliche Prüfung der Regelungen der hier einschlägigen Bestimmungen
der Richtlinien vom 12. Dezember 1994 ergibt, dass angesichts der in der
Vergangenheit tatsächlich praktizierten Auslegung der Vorschriften durch die
Behörde die pauschale Annahme, es existiere kein Anspruch auf eine
Verlängerung der Bestellung, nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG sowie nicht mit Art. 3
Abs. 1 GG vereinbar ist. Bei dieser Sachlage fällt eine vorzunehmende
Folgenabwägung zugunsten des Klägers aus.
Der Schutzbereich der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst nicht nur
gesetzliche Regelungen, die final durch Verbote oder Gebote die Wahl oder
Ausübung eines Berufs regeln. Er ist nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts vielmehr auch berührt, soweit gesetzliche Regelungen
faktische Wirkungen haben, wenn ein enger Zusammenhang mit der
Berufstätigkeit besteht und diese Vorschriften objektiv eine berufsregelnde
Tendenz besitzen (vgl. BVerfG vom 30.10.1961 - 1 BvR 833/59 -, BVerfGE 13, 181;
vom 17.04.2000 - 1 BvR 1538/98 -, NVwZ 2000, 1033). Dies gilt insbesondere
dann, wenn der Betroffene den Beruf bereits ausübt. Denn der Gesetzgeber hat zu
beachten, dass die Fixierung von Berufsbildern und das Aufstellen von
Zulassungsvoraussetzungen einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG
geschützte Berufsfreiheit bedeuten und dass deshalb seine Regelungen
verhältnismäßig, d.h. geeignet und erforderlich sein müssen, um überragende
Gemeinwohlinteressen zu sichern, und dass sie keine übermäßige, unzumutbare
Belastung enthalten dürfen; außerdem gebietet der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit Vertrauensschutz für die bereits im Beruf Tätigen (BVerfG
vom 05.05.1987 - 1 BvL 16/82 u.a. -, BVerfGE 75, 246, 266 f.). Allgemein ist hierbei
zu beachten, dass Personen die Berufsausübung entsprechend ihrer bisherigen
Berechtigung weiter ermöglicht werden muss, wenn sie sich durch ihre bisherige
Berufstätigkeit einen Besitzstand geschaffen haben, deren Erhalt für sie von
erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist (vgl. BVerfG vom 28.11.1984 - 1 BvL
13/81 -, BVerfGE 68, 272, 284; vom 27.10.1998 - 1 BvR 1108/97 u.a. -, BVerfGE 98,
265, 309 f.).
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Das Bundesverfassungsgerichts vertritt in ständiger Rechtsprechung weiter die
Ansicht, der Gesetzgeber habe in grundlegenden normativen Bereichen,
namentlich im Bereich der Grundrechtsausübung, alle wesentlichen
Entscheidungen selbst zu treffen (vgl. nur: BVerfG vom 06.12.1972 - 1 BvR 230/70
u.a. -, BVerfGE 38,165, 192 f.; vom 14.07.1998 - 1 BvR 1640/97 -, NJW 1998, 2515,
2520; Hess.VGH vom 27.09.1995 - 1 UE 3026/94 -, NVwZ-RR 1996, 654).
Verwaltungsvorschriften sind indes nicht geeignet für eine Beschränkung des
Berufsgrundrechts, da ihnen keine Rechtsnormqualität zukommt (BVerwG vom
01.06.1995 - 2 C 16.94 -, BVerwGE 98, 324, 327). Die Bestellung von
Sachverständigen berührt die durch Art. 12 GG garantierte Berufsfreiheit, so dass
deren Regelung einer normativen Grundlage bedarf, die dem Gesetzesvorbehalt
des Art. 20 Abs. 3 GG genügt. Die durch § 14 c Abs. 1 Vieh- und Fleischgesetz
vorgesehene entsprechende Anwendung des § 36 GewO lässt ebenfalls nur den
Schluss zu, dass eine Rechtsverordnung für die notwendigen Regelungen
erforderlich ist. Die die Auswahl und Bestellung derzeit regelnden Richtlinien des
Hessischen Ministeriums für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten
und Naturschutz vom 12. Dezember 1994 genügen als Verwaltungsvorschriften
den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts nicht und entsprechen zudem den
zuvor dargestellten materiellen Anforderungen nicht.
Die objektiv berufsregelnde Tendenz der hier streitigen Regelungen ist
offensichtlich. Zumindest Ziffer 4.2 der Richtlinie vom 12. Dezember 1994 ist
daher in der konkreten Ausprägung nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, soweit
sie der jeweiligen Aufsichtsbehörde die freie Entscheidung einräumt, die Bestellung
eines Sachverständigen nicht zu verlängern. Ob die Richtlinien auch hinreichend
dafür sind, einer die erstmalige Bestellung zum Sachverständigen begehrenden
Person diese zu verweigern, ist ebenso kritisch zu würdigen, doch hier nicht
Gegenstand der gerichtlichen Prüfung.
b) Gleichwohl lässt die Kammer die derzeitige Verwaltungspraxis für eine
Übergangszeit, die mit drei Jahren angesetzt werden kann, grundsätzlich
unbeanstandet. Denn die weitere Gültigkeit der Vorschriften der Richtlinie vom 12.
Dezember 1994 hält die Kammer auch unter Berücksichtigung des Umstandes,
dass eine gesetzliche Regelung für die Bewerbung, Auswahl und Bestellung von
Sachverständigen für die Einreihung von Fleisch in Handelsklassen und die
Gewichtsfeststellung zu Gunsten der beteiligten Kreise für zwingend erforderlich.
Der Beklagte hat zwar nicht dargelegt, sich um eine gesetzliche Absicherung der
Bestellung zu bemühen. Gleichwohl erachtet die Kammer es noch für vertretbar,
die besagten Richtlinien für eine kurze Übergangszeit weiter anzuwenden. Würde
anders verfahren, entstünden schwerwiegende Beeinträchtigungen des
grundsätzlich bewährten Sachverständigenwesens im hier relevanten Bereich der
Vieh- und Fleischwirtschaft. Diese Beeinträchtigungen würden zudem auch die
Berufsanwärter und die eine Bestellung begehrenden Personen treffen.
c) Daraus folgt, dass die Richtlinien zwar in ihrer Gesamtheit für die genannte
Übergangszeit noch als gültig angesehen werden können. Jedoch kann sich dies
wegen des Widerspruchs gegen verfassungsrechtliche Anforderungen nicht auf die
Bestimmung der Richtlinie beziehen, wonach das freie Ermessen der Behörde, ob
eine Bestellung verlängert wird, bestehen soll. Vielmehr muss insoweit von einer
den Kern des Grundrechts in nicht mehr zulässiger Art verletzender
Grundrechtsbeeinträchtigung gesprochen werden. Das Gericht erachtet die
Vorschrift, auf die Verlängerung der Bestellung zum Sachverständigen bestehe
kein Rechtsanspruch, damit als unbeachtlich. Vielmehr muss die Behörde diese
Verlängerung aussprechen, wenn der jeweilige Sachverständige die Verlängerung
formgerecht beantragt und die Voraussetzung der Bestellung gegeben sind.
d) Im vorliegenden Fall steht dem Kläger ein Anspruch auf Verlängerung zu, da er
sowohl einen Antrag gestellt hat und nach den Feststellungen des Gerichts auch
die weiteren Voraussetzungen der Sachkunde und der persönlichen Eignung
erfüllt.
Dabei steht auch nach Auffassung des Antragsgegners nicht in Zweifel, dass der
Kläger die nach Ziffer 2.1 der Richtlinie erforderliche Sachkunde besitzt. Streitig ist
allein, ob der Kläger die nach Ziffer 2.1 erforderliche persönliche Eignung für eine
Bestellung als öffentlicher Sachverständiger aufweist. Das Merkmal der
persönlichen Eignung ist als unbestimmter Rechtsbegriff zu qualifizieren und damit
einer Auslegung zugänglich. In Abgrenzung zu Ziffer 2.2 der Richtlinie, in der die
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einer Auslegung zugänglich. In Abgrenzung zu Ziffer 2.2 der Richtlinie, in der die
Gewähr der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit als zwingende Voraussetzung für
die Bestellung aufgeführt ist, und den Ziffern 2.4 und 2.5, die auf geordnete
wirtschaftliche Verhältnisse und einen polizeilichen Leumund abstellen, können
damit nur andere, in der Person des die Bestellung begehrenden jeweiligen
Antragstellers bestehende Tatsachen gemeint sein.
Die von der Behörde vertretene Ansicht, unter dieses Merkmal der persönlichen
Eignung seien Begriffe wie Zuverlässigkeit, Genauigkeit und Korrektheit bezogen
auf die jeweilige Tätigkeit zu subsumieren, ist nicht zu beanstanden. Für eine im
Bereich des Lebensmittelrechts und der wirtschaftlichen Kontrolle der äußeren
Bedingungen wie auch der Qualitätsklassifizierung evident wichtige Position
zwischen Viehverkäufer und Schlachtbetrieb mit gleichzeitigen öffentlich-
rechtlichen Aufgaben (Erfassung und Statistik) ist es ohne Zweifel von
entscheidender Bedeutung, dass die handelnden Personen exakt arbeiten und die
ständige Bemühung erkennen lassen, Fehler zu vermeiden oder erkannte Fehler
unverzüglich abzustellen. Daher ist die Annahme der Behörde, ein
Sachverständiger weise (nicht mehr) die erforderliche persönliche Eignung auf,
wenn er diesen genannten Pflichten nicht entspricht, zutreffend. Stellt sich ein
entsprechendes Fehlverhalten eines Sachverständigen heraus, so kann es
zulässig und im Einzelfall zur Vermeidung von Nachteilen für einen Teil der von der
Tätigkeit des Sachverständigen betroffenen Geschäftspartner auch erforderlich
sein, die Verlängerung der Bestellung nicht zu erteilen oder, was die Richtlinie vom
12. Dezember 1994 ebenfalls vorsieht, diese sogar zu widerrufen.
Ein für die Annahme der Nichteignung relevantes Fehlverhalten des Klägers hat die
Kammer indes nicht feststellen können.
Ausweislich der in der Behördenakte dokumentierten Prüfungsprotokolle sind über
die Jahre hinweg bei der Arbeit des Klägers Mängel festgestellt worden, wobei
möglicherweise für die Bediensteten des HLRL nicht immer die Bereitschaft des
Klägers zu erkennen war, beanstandende Fehlerpunkte unverzüglich abzustellen.
Allerdings ist den vorgelegten Unterlagen gerade nicht zu entnehmen, dass diese
Beanstandungen des Verhaltens und der Arbeitsorganisation des Klägers oder gar
in der Verwendung der gestellten Techniken (siehe die Problematik der nicht
klebenden Klebeetiketten) die Annahme berechtigten, der Kläger sei persönlich
unzuverlässig. Bei der Mehrzahl der Feststellungen dürfte es sich um im
Alltagsgeschäft vorkommende und nicht auf grobe Pflichtverletzungen
zurückzuführende Nachlässigkeiten handeln. Entsprechend führten diese auch
nicht zu weitergehenden Konsequenzen.
Auch die hier relevanten Überprüfungen des Klägers (Kontrollen vom 27.
Dezember 1999, 12. Januar 2000 und - insbesondere - vom 10. Mai 2000) führen
nach Ansicht der Kammer nicht zu der tragfähigen Feststellung, der Kläger sei
unzuverlässig. Bei der ersten der genannten Überprüfungen wurden die fehlerhafte
Etikettierung und unkorrekte Klassifizierung und bei der am 12. Januar 2000
Gewichtsdifferenzen beanstandet. Zur Versagung der weiteren Bestellung führte
indes im Ergebnis die Kontrolle am 10. Mai 2000. Nach Ansicht der Behörde waren
dabei derartig gravierende Beanstandungen im Bereich der Wiegetätigkeit des
Klägers zu verzeichnen, dass daraus die Folge des Schreibens vom 15. August
2000 gezogen wurde. In diesem Schreiben stellte die Behörde als tragendes
Argument für eine Versagung der Verlängerung der Bestellung des Klägers
dementsprechend auf dessen Verhalten beim Verwiegen der Schlachtkörper ab.
Dieser Punkt muss daher als für die Entscheidung der Aufsichtsbehörde von
wesentlicher oder gar ausschlaggebender Bedeutung erkannt werden. Andere
Gesichtspunkte für die Entscheidung hat auch die Widerspruchsbehörde ihrer
Entscheidung zunächst nicht zugrunde gelegt, denn sie hat den Widerspruch des
Klägers aus formellen Gründen und nicht inhaltlich zurückgewiesen.
Das Ergebnis der Beweisaufnahme trägt indes das von der Behörde
vorgenommene Ergebnis nicht. Aus den Angaben der Zeugen konnte die Kammer
nicht feststellen, dass der Kläger am 10. Mai 2000 unsachgerecht gearbeitet und
damit in Kauf genommen hat, falsche Wiegeergebnisse in die entsprechende Datei
einzugeben. Die Zeugen Dr. P. und K. haben zunächst übereinstimmend erklärt,
dass nicht der Kläger selbst, sondern ein Mitarbeiter des Schlachtbetriebes die
Tierkörper auf die Wiegevorrichtung, den Wiegebalken, schob. Dieser Mitarbeiter
habe von sich aus das Gewicht der Schlachtkörper ermittelt und dieses Gewicht
auf den Hälften notiert. Diesen Sachverhalt bestreitet auch der Kläger nicht. Er
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auf den Hälften notiert. Diesen Sachverhalt bestreitet auch der Kläger nicht. Er
gibt diesbezüglich jedoch an, diese Gewichtsangaben dienten lediglich der
späteren internen Systematik und Logistik des Schlachtbetriebes, würden von ihm
jedoch weder beachtet noch seiner Arbeit zugrunde gelegt. Ohne die Mithilfe des
Arbeiters des Schlachtbetriebes sei es auch kaum möglich, innerhalb der zur
Verfügung stehenden Zeit die Qualifizierungs- und Verwiegetätigkeit
durchzuführen. Die Gewichte der Schlachtkörper ermittele er jedoch stets selbst.
Da er tatsächlich, so wie von den Kontrolleuren beanstandet, das Hauptdisplay der
Waage nicht gut einsehen könne, stehe ihm dafür ein zweites, mobiles Display zur
Verfügung, welches er für seine Arbeit nutze.
In diesem entscheidenden Punkt konnten die Angaben der Zeugen das Gericht
nicht davon überzeugen, der Kläger habe an diesem Tag sachwidrig gearbeitet.
Der Zeuge Dr. P. gab hierzu an, nach seiner Erinnerung sei nur eine Anzeige für
die Waage vorhanden gewesen, nämlich die im Bereich des Mitarbeiters des
Schlachtbetriebes. Der Kläger habe diese Anzeige von seiner Arbeitsposition aus
nicht gut einsehen können.
Der Zeuge K. erklärte, es habe ihn, der sonst in anderen örtlichen Bereichen die
Schlachtbetriebe kontrolliert habe, erstaunt, dass der Kläger die Gewichte der
Schlachtkörper noch manuell in den Computer habe eingeben müssen. Die ihm
bekannten Betriebe seien bei der Übernahme der Daten moderner ausgestattet.
Weiter gab der Zeuge an, er habe den Eindruck gewonnen, der Kläger habe die
Gewichte der Schlachtkörper in einer gewissen Zahl von Fällen nicht selbst
ermittelt, sondern lediglich die Angaben des Mitarbeiters des Schlachtbetriebes
übernommen. Ab und an habe sich der Kläger aber auch nach der Anzeige der
Waage umgedreht. Alles sei recht rasch gegangen, nach etwa 30 Minuten seien
die 80 Schweine verwogen und klassifiziert gewesen. Der Zeuge Dr. P. und er
hätten etwas abseits gestanden und weder in das Geschehen eingegriffen noch
Fragen gestellt. Nach der Verwiegung bzw. Klassifizierung der Schweine sei mit
dem Kläger allerdings nur über die Klassifizierung - die nicht zu beanstanden
gewesen sei - und nicht über die Verwiegetätigkeit gesprochen worden. Das
Protokoll der Kontrolle sei später von ihm selbst gefertigt worden.
Aus diesen Aussagen hat das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen können,
der Kläger habe tatsächlich in einer Vielzahl von Fällen nur die Gewichtsangaben
des Mitarbeiters des Schlachtbetriebes ohne eigene Feststellungen übernommen.
Denn der Kläger hat diesbezüglich die entsprechenden Angaben der Zeugen durch
seine plausiblen Erläuterungen und die Vorlage von Lichtbildern mehr als
entkräftet. Hiernach erachtet die Kammer es für erwiesen, dass der Kläger bei der
Feststellung der Gewichte der Schlachtkörper sich eines zweiten, von den Zeugen
aus nicht mehr ermittelbaren Gründen nicht bemerkten Anzeigegeräts bediente.
Die Behauptung des Klägers wird im Ergebnis auch durch die Aussage des Zeugen
E. gestützt, der zu dem Komplex der Verwiegung und der technischen
Ausgestaltung nämlich erklärte, es sei tatsächlich in der ganzen Zeit ein zweites
Display vorhanden gewesen. Zwar gab der Zeuge auf die Nachfrage nach dem
Bildschirm der Waage zunächst an, es sei damals nur ein Display vorhanden
gewesen. Auf Vorhalt der vom Kläger vorgelegten Bilder räumte der Zeuge indes
ein, das zweite Anzeigegerät sei zwar vorhanden gewesen, es habe aber nicht so
gestanden, wie auf dem Lichtbild zu sehen sei. Wie das Display aber gestanden
habe, vermochte der Zeuge dem Gericht nicht darzustellen.
Die Angaben der Zeugen sind demnach nicht geeignet, eine Unzuverlässigkeit des
Klägers im Bereich der Verwiegung der Schlachtkörper nachzuweisen. Hierbei ist
das Gericht zunächst davon überzeugt, dass der Kläger tatsächlich, so wie von ihm
angegeben, über die Möglichkeit verfügt, über ein zweites Anzeigegerät die
Ergebnisse der Verwiegung der Schlachtkörper auch von seinem Arbeitsplatz aus
abzulesen und in die Tastatur einzugeben. Die beiden Zeugen Dr. P. und K., die
nur einmal die Arbeitsstelle und die Arbeitsweise des Klägers kontrolliert haben,
standen möglicherweise zu ungünstig, um dieses zweite Display zu erkennen. Da
sie jedoch über diesen Punkt mit dem Kläger nicht an Ort und Stelle gesprochen
haben, konnte sich ihr möglicher Irrtum daher auch nicht rechtzeitig aufklären
lassen.
Ebenso haben sich die bei den Kontrollen am 27. Dezember 1999 und am 12.
Januar 2000 festgestellten Mängel im Arbeitsverhalten des Klägers für die Kammer
nicht bestätigt. Der Zeuge E. sagte diesbezüglich aus, er habe bei seinen
Kontrollen, die er ab dem Jahr 1995 durchgeführt habe, Wert auf ordnungsgemäße
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Kontrollen, die er ab dem Jahr 1995 durchgeführt habe, Wert auf ordnungsgemäße
Protokollierungen der Vorgänge auf Seiten des Sachverständigen und eine
korrekte Verwiegung gelegt. Diesbezüglich habe er häufiger Fehler bei dem Kläger
feststellen müssen und deshalb den Schlachtbetrieb mehrfach aufgefordert, die
Übernahme der Wiegedaten zu automatisieren. Dies sei aber nicht freiwillig erfolgt
und es bestehe keine Möglichkeit, die automatische Erfassung zu erzwingen. Bei
seiner Kontrolle am 12. Januar 2000 habe er bei einer Nachverwiegung der bereits
fertig verwogenen Schlachtkörper Abweichungen pro Tier von 500 g bis 2 kg zu
Gunsten des Schlachtbetriebes feststellen müssen. Wegen des Ergebnisses der
Nachverwiegung, bei der er auch das Taragewicht berücksichtigt habe, sei er
erregt gewesen, so dass er nicht mehr mit dem Kläger über diesen Vorfall habe
sprechen wollen. Die Ergebnisse seiner Untersuchungen habe er sich stets auf
Zettel notiert und diese dann später in die maschinenschriftlich erstellten
Protokolle übertragen. Danach habe er seine Notizen vernichtet.
Auch in diesem Fall der angeblichen Häufung von Wiegefehlern am 12. Januar 2000
konnte die Aussage des Zeugen E. das Gericht nicht von einem Fehlverhalten des
Klägers überzeugen. Denn zu Recht beanstandet der Kläger hier, dass das
entsprechende Protokoll der Nachverwiegung nicht im Original vorhanden ist. Auch
die Umstände des Falles sprechen gegen eine korrekt verlaufene Nachprüfung. In
diesem Zusammenhang erstaunt es, dass der Zeuge, der nach seinen Angaben
großen Wert auf die ordnungsgemäße Führung von Protokollen legt, diese selbst
nicht in der gleichen Art und Weise erstellte. Insbesondere kann nicht
nachvollzogen werden, warum der Zeuge bei der Prüfung am 12. Januar 2000 die
technisch vorhandenen Möglichkeiten der Dokumentation der Nachverwiegung
nicht genutzt hat. Die Feststellung der angeblichen Abweichungen der Ergebnisse
der Verwiegung von den Istgewichten der Schlachtkörper leidet des Weiteren auch
an dem Mangel, dass der Zeuge die Prüfung allein vorgenommen hat und weder
den Kläger zur Mitarbeit aufforderte noch mit diesem die Ergebnisse sachgerecht
besprach. In diesem Zusammenhang ist auch festzustellen, dass der Zeuge E. die
von ihm ermittelten Abweichungen je Schlachttier mit 500 g bis 2000 g bezifferte,
die nachträglich von ihm gefertigte Aufstellung vom 12. Januar 2000 (Bl. 272 der
Behördenakte) aber nur Differenzen von 200 g bis 800 g vermerkt, jedoch
zuzüglich der angenommenen Verdunstungsverluste.
Im Kern zunächst zutreffend sind indes die Beanstandungen des Zeugen E.
bezüglich der bei den Kontrollen am 27. Dezember 1999 und am 04. Januar 2000
festgestellten Mängeln der Klebeetiketten. Hierbei ist jedoch dem Kläger kein
Vorwurf dahingehend zu machen, dass er verantwortlich sei für die Beschaffenheit
der Etiketten. Zu seinen Pflichten zählt aber, im Fall einer positiven Kenntnis dieser
unzureichenden Beschaffenheit, statt den Etiketten (wieder) die Methode der
Stempelung anzuwenden. Dem Kläger ist es in der Folgezeit aber erkennbar
gelungen, diesen Fehler abzustellen, denn in den späteren Prüfprotokollen findet
sich kein Hinweis mehr auf nicht haftende Etiketten oder daraufhin unterbliebene
Stempelungen.
e) Daraus folgt, dass der Kläger (weiter) als zuverlässig anzusehen ist. Die
Weigerung des Beklagten, dem Kläger eine Verlängerung seiner Bestellung zu
erteilen, verstößt angesichts des Ergebnisses der Beweisaufnahme gegen das in
Art. 12 Abs. 1 GG enthaltene Recht auf freie Berufsausübung. Der Kläger war über
viele Jahre hinweg als Sachverständiger tätig und hat darauf seine Existenz
weitgehend aufgebaut. Hierdurch ist ein Vertrauenstatbestand auf Fortdauer der
Bestellung als Sachverständiger aufgebaut worden, der auch schützenswert ist.
Da die Ablehnung der weiteren Bestellung des Klägers zum Sachverständigen
daher nicht mit den rechtlichen Anforderungen in Einklang zu bringen ist, ist die
begehrte Verpflichtung des Beklagten auf Verlängerung der Bestellung
auszusprechen. Hierbei geht die Kammer davon aus, dass - wie dargestellt - die
Richtlinie für eine Übergangszeit noch als wirksam angesehen werden muss, da
ansonsten jede Möglichkeit entfiele, dem gesetzlichen Auftrag zur
ordnungsgemäßen Klassifizierung von Fleisch nachzukommen. Die Alternative, die
Feststellung des Gewichts der Schlachtkörper und die Klassifizierung durch die
zuständige Behörde selbst vornehmen zu lassen, existiert allenfalls theoretisch.
Daher wird der Kläger die Verlängerung für drei Jahre in entsprechender
Anwendung der Ziffer 4.2 begehren können.
Die Sache ist auch spruchreif i.S.d. § 113 Abs. 5 VwGO, da die anderen
Voraussetzungen für die Verlängerung der Bestellung des Klägers zum
Sachverständigen wie festgestellt vorliegen. Der Kläger hat den nunmehr
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Sachverständigen wie festgestellt vorliegen. Der Kläger hat den nunmehr
geforderten schriftlichen Antrag auf Verlängerung der Bestellung gestellt und seine
Sachkunde steht außer Streit. Dass der Kläger an dem letzten angebotenen
Fortbildungslehrgang nicht teilgenommen hat, soll ihm - nach der Erklärung des
Beklagten - nicht zum Nachteil gereichen.
3. Als unterliegender Beteiligter hat der Beklagte gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die
Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit
beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.