Urteil des VG Gießen vom 18.08.2010

VG Gießen: widerruf, gaststätte, verwaltungsakt, toilettenanlage, vorverfahren, behörde, zukunft, spielapparat, zutritt, nutzungsänderung

1
2
Gericht:
VG Gießen 8.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 K 4083/09.GI
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 33i GewO, § 1 SpielV, § 3
SpielV, § 49 VwVfG
Widerruf einer Geeignetheitsbescheinigung
Leitsatz
1. Eine rechtswidrig erteilte sogenannte Geeignetheitsbescheinigung über den
Aufstellort von Geldspielgeräten in Gaststätten darf nicht widerrufen werden (§ 49
VwVfG), wenn sich die baulichen Gegebenheiten der Gaststätte nachträglich nicht
verändert haben.
2. Für die Frage, ob Aufstellorte der Spielautomaten in verschiedenen Gaststätten in
einem Gebäude hinreichend voneinander abgegrenzt sind, ist auf eine natürliche
Betrachtungsweise abzustellen. Entscheidend ist insoweit, ob es einem
Gaststättenbesucher ohne Weiteres möglich ist, sich von einem Geldspielgerät einer
Gaststätte zu einem Spielapparat einer anderen Gaststätte zu begeben.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 03.08.2009 und der Widerspruchsbescheid vom
19.10.2009 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch den Kläger im Vorverfahren wird für
notwendig erklärt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe
der Kostenfestsetzung abwenden, falls nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung
Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten verfügte Aufhebung zweier
Bestätigungen der Geeignetheit von Räumlichkeiten zur Aufstellung von
Geldspielgeräten. Der Kläger betreibt im Erdgeschoss des Anwesens in der D-
Straße in B-Stadt die drei Gaststättenbetriebe „E“, „F“ und „G“.
Unter dem 09.11.2007 beantragten die Eigentümer dieses Anwesens beim
Bauordnungsamt der Beklagten die Nutzungsänderung in drei Gaststätten. Im
Rahmen der Antragsprüfung beteiligte das Bauordnungsamt auch das
Gewerbeordnungsamt. Mit Bescheid vom 19.12.2007 genehmigte das
Bauordnungsamt die Nutzungsänderung in drei Gaststätten. Die positive
Stellungnahme des Gewerbeordnungsamtes band das Bauordnungsamt in seine
Entscheidung ein. Nachdem der Kläger in der Folgezeit Umbauarbeiten
durchführte, bei denen er bereits das mögliche Aufstellen von Geldspielgeräten im
Blick hatte, wurden die drei Gaststätten am 14.01.2009 vom Gewerbeaußendienst
der Beklagten überprüft. Dieser stellte fest, dass in allen drei Gaststätten der
geplante Aufstellungsort der Geldspielgeräte der Spielverordnung (SpielV)
entspreche. Das Ordnungsamt der Beklagten bestätigte deshalb mit drei
Geeignetheitsbescheinigungen vom 22.01.2009, dass die drei Gaststätten den
Vorschriften der SpielV gerecht würden. Es erteilte dem Kläger keine Auflagen. Der
3
4
5
6
Vorschriften der SpielV gerecht würden. Es erteilte dem Kläger keine Auflagen. Der
Kläger erwarb daraufhin Geldspielgeräte und stattete jede der drei Gaststätten mit
jeweils drei Geldspielgeräten aus.
Mit Bescheid vom 03.08.2009, der mit „Widerruf“ überschrieben war und auf § 49
Abs. 2 Nr. 3 HVwVfG gestützt wurde, „nahm“ die Beklagte die beiden
Geeignetheitsbescheinigungen betreffend die Gaststätten F und G „zurück“. Dies
begründete die Beklagte damit, die Besucher im Gaststättenbetrieb des Klägers
würden nicht in erster Linie zur Wahrnehmung gaststättentypischer Tätigkeiten wie
der Einnahme von Speisen und Getränken erscheinen, sondern um sich an den
Spielgeräten zu betätigen. Dies ergebe sich aus dem Betriebskonzept des Klägers.
In diesem stelle die Einnahme von Getränken nur ein Nebenangebot dar. Dies
habe die Beklagte im Rahmen von vier Kontrollen im April und Mai 2009
festgestellt. Die Annahme werde auch durch persönliche Gespräche der
Mitarbeiter der Beklagten mit dem Kläger und dessen Brüdern bestätigt, in denen
diese mehrfach erwähnt hätten, die drei Betriebe würden unrentabel werden, wenn
insgesamt nur drei Geldspielgeräte aufgestellt würden. Es widerspräche aber dem
Sinn des § 1 Abs. 1 SpielV, der das Aufstellen von Geldspielgeräten in Gaststätten
nur vorsehe, wenn das Spielen lediglich Annex der im Vordergrund stehenden
Bewirtungsleistung sei und Kinder oder Jugendliche keinen oder nur
eingeschränkten Zugang hätten, wenn schon durch die Nebenleistung eines
Speisen- und Getränkeangebots die Zulässigkeit der Aufstellung von
Geldspielgeräten begründet werden könne. Ein solches Speisen- und
Getränkeangebot könne sich ohne großen Aufwand gerade in Betrieben einrichten
lassen, die der Verordnungsgeber von Geldspielgeräten habe freihalten wollen.
Weiterhin seien die gegenständlichen Betriebe räumlich nicht von dem Betrieb „E“
getrennt. Es handele sich bei dem aktuellen Konzept bei natürlicher
Betrachtungsweise um eine aus drei Räumen bestehende Spielhalle mit
Getränkeangebot. Der Name sei der einzige Unterschied zwischen den Betrieben,
die zwischenzeitlich sogar als „3 in 1 Casino“ beworben worden seien. Diese
Annahme werde auch dadurch untermauert, dass alle drei Betriebe über eine
gemeinsame Toilettenanlage verfügten und untereinander durch Türen verbunden
seien, die permanent als Durchgangsbereich geöffnet seien. Bei einer Kontrolle
am 07.04.2009 sei ein Gast in allen drei Betrieben von Raum zu Raum gewandert
und habe alle Geldspielgeräte zur gleichen Zeit bespielt. Ein weiteres Indiz für die
Einheitlichkeit des Betriebes sei es, dass jeder der drei Betriebe von dem Kläger
betrieben würde, der auch Aufsteller der Automaten sei. Die vom Gesetzgeber
definierte Höchstgrenze für Geldspielgeräte pro Gaststättenbetrieb, nämlich drei,
würde umgangen, wenn Aufstellorte als geeignet angesehen würden, die faktisch
nicht voneinander abgegrenzt seien. Die Regelungen für Spielhallen würden
leerlaufen, wenn durch Schaffung von drei miteinander verbundenen Gaststätten
mit jeweils drei Geldspielgeräten ein spielhallenähnliches Konstrukt mit neun
Geldspielgeräten geschaffen würde. Die Problematik ähnele derjenigen der
Sonderung von Spielhallen. Hier seien bei einem in mehreren Räumen aufgeteilten
Spielhallenbetrieb die einzelnen Räume nur dann selbständig erlaubnisfähig, wenn
die Betriebsräume räumlich so getrennt seien, dass bei natürlicher
Betrachtungsweise die Sonderung der einzelnen Betriebsstätten optisch in
Erscheinung trete und die Betriebsfähigkeit jeder Betriebsgaststätte nicht durch
die Schließung der anderen Betriebsstätten beeinträchtigt werde.
Eine solche Sonderung sei z. B. nicht als gegeben anzusehen bei mehreren
zusammenhängenden Spielhallen, die jeweils einen separaten Eingang hätten, von
denen jedoch drei Spielhallen einen Notausgang zu einer innenliegenden
gemeinsamen Passage hätten. Da die Notausgänge jederzeit geöffnet werden
könnten, sei hier das Fehlen einer optischen Sonderung gegeben. Das Fehlen
einer Sonderung müsse im vorliegenden Fall erst recht gegeben sein, da alle
Gaststätten durch Türen verbunden seien. Für die Auslegung des in der SpielV
enthaltenen Begriffs „Schank- und Speisewirtschaft“ könne auch nicht auf den
gleichlautenden Ausdruck im Gaststättengesetz oder der gaststättenrechtlichen
Erlaubnis zurückgegriffen werden. Die im Gaststättengesetz verankerte
Begriffsbestimmung sei im Interesse der Allgemeinheit erkennbar weit gefasst
worden, in der SpielV sei der Begriff auf Grund des Regelungszieles, die Aufstellung
von Geldspielgeräten auf bestimmte Orte zu beschränken, eng auszulegen.
Am 04.09.2009 erhob der Kläger per Telefax über seine Bevollmächtigten gegen
diesen Bescheid Widerspruch. Das Widerspruchsschreiben enthielt keine
Begründung. Mit Bescheid vom 19.10.2009, der dem Kläger am 20.10.2009
zuging, wies die Beklagte den Widerspruch zurück und wiederholte ihre
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
zuging, wies die Beklagte den Widerspruch zurück und wiederholte ihre
Begründung aus dem Ausgangsbescheid. Der Widerspruchsbescheid benannte in
seinem Betreff ebenfalls einen „Widerruf“ von Geeignetheitsbestätigungen.
Der Kläger hat am 19.11.2009 Klage erhoben. Er trägt vor, die Betriebe „F“ und
„G“ seien durch den Schank- und Speisebetrieb geprägt und dienten nicht
überwiegend einem anderen Zweck. Das Spielen sei nur Annex der im
Vordergrund stehenden Bewirtungsleistung. Der Kläger habe in jedem der drei
Gaststättenbetriebe unterschiedliche, sich deutlich voneinander abgrenzende
Speisen angeboten. Die gegenständlichen Betriebe „F“ und „G“ seien auch
räumlich von dem Betrieb „E“ getrennt. Das Konzept der drei Gaststätten habe
sich seit der Erteilung der Geeignetheitsbestätigungen nicht geändert. Jeder der
drei Betriebe habe eine eigene Buchhaltung. Auch das Hartgeld der einzelnen
Betriebe werde in dem jeweiligen Betrieb aufbewahrt. Die Türen, welche die
Gaststätten verbänden, würden nicht zum Durchgangsverkehr von den Gästen
genutzt, sondern stets verschlossen gehalten. Der Kläger habe sie weiterhin mit
der Aufschrift „Zutritt nur für Personal“ versehen. Die hinreichende räumliche
Abgrenzung bestünde trotz der verbindenden Türen und der gemeinsamen
Toilettenanlage. Dies sei auch weder seitens des Gewerbeordnungsamts im
Rahmen seiner Beteiligung am Baugenehmigungsverfahren noch seitens des
Gewerbeaußendienstes im Rahmen seiner Überprüfung vor der Erteilung der
Geeignetheitsbestätigung beanstandet worden.
Der Kläger vertritt die Ansicht, er genieße Bestands- und Vertrauensschutz, der
seitens der Beklagten nicht gebührend berücksichtigt worden sei. Nachdem der
Gewerbeaußendienst der Beklagten den Aufstellungsort der Geldspielgeräte
bestätigt gehabt hätte und die Geeignetheitsbestätigungen für die
Gaststättenbetriebe erteilt worden seien, habe er, der Kläger, darauf vertrauen
dürfen, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung der
Geeignetheitsbescheinigungen vorgelegen hätten. Sein Interesse am Erhalt der
eingeräumten Rechtsposition sei höher zu bewerten als das Interesse der
Beklagten an der Aufhebung der Geeignetheitsbestätigungen, denn er, der Kläger,
habe auf Grund des Vertrauens in die Bescheide erhebliche Anschaffungskosten
für den Kauf der Spielgeräte aufgewandt. Außerdem seien die
Geeignetheitsbestätigungen zum Zeitpunkt des Widerrufs bestandskräftig
gewesen. Schließlich habe die Beklagte nicht geprüft, ob die nachträgliche
Aufnahme von Auflagen als milderes Mittel ausreichend sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 03.08.2009 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 19.10.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid.
Mit Schriftsatz vom 12.08.2010 weist die Beklagte darauf hin, die Erteilung der
Geeignetheitsbescheinigungen sei auf Grund der Zusage des Klägers erfolgt, die
Verbindungstüren ausschließlich für das Personal zu öffnen. Nur auf dieser Basis
hätte eine räumliche Trennung der drei Betriebe angenommen und eine
Geeignetheitsbescheinigung erteilt werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte sowie auf den der Behördenakten der Beklagten (insgesamt vier
Hefter) verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen
sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist auch begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 03.08.2009 und der
Widerspruchsbescheid vom 19.10.2009 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger
in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Als Rechtsgrundlage für den Widerruf kommt vorliegend allein § 49 Abs. 2 Nr. 3
HVwVfG in Betracht. Dessen Voraussetzungen sind allerdings nicht erfüllt. Die
Beklagte wollte vorliegend einen Widerruf - und keine Rücknahme - erlassen. Zwar
18
19
20
21
Beklagte wollte vorliegend einen Widerruf - und keine Rücknahme - erlassen. Zwar
enthält der Ausgangsbescheid das Verb „zurücknehmen“. Der Bescheid ist jedoch
mit „Widerruf“ überschrieben und erkennbar auf § 49 Abs. 2 Nr. 3 HVwVfG
gestützt. Der Widerspruchsbescheid vom 19.10.2009 benennt in seinem Betreff
ebenfalls einen „Widerruf“. Zudem gaben die Beklagtenvertreter in der
mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts an, vorliegend habe ein
Widerruf ausgesprochen werden sollen. Ein Widerruf sei gemeint gewesen.
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 49 Abs. 2 Nr. 3 HVwVfG für einen Widerruf
der Geeignetheitsbescheinigungen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt. Nach dieser
Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er
unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft
widerrufen werden, wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener
Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen und wenn ohne
den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre.
Vorliegend sind solche nachträglich eingetretenen Tatsachen nicht vorhanden. Die
fraglichen Geeignetheitsbescheinigungen waren vielmehr von Anfang an
rechtswidrig, und die baulichen Gegebenheiten der Gaststätten haben sich
insoweit nachträglich nicht verändert. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass
die Regelung des § 33 i Abs. 1 S. 1 GewO nach der das Betreiben einer Spielhalle
nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde möglich ist, unterlaufen wird, wenn
durch die Ausstattung faktisch miteinander verbundener Gaststätten mit
Geldspielgeräten ein spielhallenähnliches Konstrukt geschaffen wird, und dass die
in § 3 Abs. 1 S. 1 SpielV normierte Höchstgrenze von drei Geldspielgeräten pro
Gaststättenbetrieb umgangen würde, wenn Aufstellorte als geeignet angesehen
werden, die faktisch voneinander nicht abgegrenzt sind. Aus dem Sinn und Zweck
des § 1 SpielV, das Glückspiel nur an Orten zuzulassen, an denen das Spielen den
Hauptzweck darstellt und die deshalb besonderen Zulässigkeitsanforderungen
unterliegen, sowie an Orten, an denen die Zulassung einer begrenzten Anzahl von
Geldspielautomaten unter Wahrung des Jugendschutzes aus anderen Gründen
vertretbar erscheint (vgl. BVerwG, B. v. 18.03.1991 – 1 B 30.91 -, GewArch 1991,
225, 226; VGH Bad.-Württ., U. v. 29.04.1997 – 14 S 1920/96 -, GewArch 1997, 294;
VG Gießen, B. v. 15.08.2008 – 8 L 1472/08 -, GewArch 2008, 448, 449; Marcks, in:
Landmann/Rohmer, GewO, Bd. II, Stand: April 2008, Nr. 220, SpielV § 1, Rdnr. 2),
ergibt sich nämlich, dass bei der Frage, ob die Aufstellorte in verschiedenen
Gaststätten voneinander hinreichend abgegrenzt sind, auf eine natürliche
Betrachtungsweise abzustellen ist.
Für den Jugendschutz und das Interesse der Gesellschaft an einer Eindämmung
des Glücksspiels ist es unerheblich, ob die Gaststätten mit den jeweiligen
Automaten über eine eigene Buchhaltung und ein eigenes Speisenangebot
verfügen, und ob das Hartgeld der Betriebe separat aufbewahrt wird. Entscheidend
ist vielmehr, ob es einem durchschnittlichen Gaststättenbesucher möglich ist, sich
von einem Geldspielgerät dieser Gaststätte zu einem Spielapparat einer anderen
Gaststätte zu begeben, bzw. ob ein solches „Wandern“ von einem Geldspielgerät
zum nächsten auch durch verschiedene Gaststätten hindurch ohne formelles
Verlassen einer der Gaststätten möglich ist (vgl. BVerwG, U. v. 27.03.1990 – 1 C
47.88 -, GewArch 1990, 244, 245; VG Gießen, B. v. 01.07.2010 – 8 L 1716/10 -, S. 3
BA). Vorliegend ist ein solches „Wandern“ möglich. Selbst wenn die Türen, welche
die Gaststätten „E“, „F“ und „G“ miteinander verbinden, vom Kläger stets
verschlossen gehalten werden und mit der Aufschrift „Zutritt nur für Personal“
versehen sind, besteht für jeden – ggf. auch jugendlichen Gast – die Möglichkeit,
über den Flur, der die drei Gaststätten mit der Toilettenanlage verbindet, von einer
Gaststätte in die andere zu gelangen und sich an den verschiedenen Automaten
zu betätigen. Diese Möglichkeit ist allerdings nicht nachträglich eingetreten,
sondern besteht auf Grund der Bauweise des Anwesens in der Kirchstraße 1 in B-
Stadt offensichtlich bereits seit dem Entstehen der drei Gaststätten.
Die Aufhebung der Geeignetheitsbescheinigungen konnte vorliegend auch nicht
auf § 48 HVwVfG gestützt werden. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt,
auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für
die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 48 Abs. 1 S. 1
HVwVfG). Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich
erheblichen Vorteil begründet (begünstigender Verwaltungsakt), darf allerdings nur
unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden (vgl. §
48 Abs. 1 S. 2 HVwVfG). Die erteilten Geeignetheitsbescheinigungen sind solche
begünstigenden Verwaltungsakte und auch - wie oben erörtert - rechtswidrig.
22
23
24
25
26
27
28
29
Vorliegend kann die Entscheidung der Behörde dennoch nicht auf § 48 HVwVfG
gestützt werden. So hat die Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf
Nachfrage noch einmal ausdrücklich erklärt, vorliegend habe ein Widerruf
ausgesprochen werden sollen. Überdies wäre eine Entscheidung nach § 48
HVwVfG jedenfalls ermessensfehlerhaft. Denn auf
Vertrauensschutzgesichtspunkte geht die Beklagte in den angefochtenen
Bescheiden im Hinblick auf eine nach § 48 HVwVfG zu treffende Abwägung
jedenfalls nicht hinreichend ein. Ebenfalls nicht hinreichend erwogen unter
Verhältnismäßigkeitsaspekten wird vorliegend die Frage, ob nicht auch eine
entsprechende Auflage hinsichtlich des Verschlossenhaltens der Türen
ausreichend gewesen wäre, wobei seitens der Beklagten auch die Frage hätte
erwogen werden müssen, ob nicht für jede der Gaststätten insoweit auch eine
eigenständige Toilettenanlage vorhanden sein müsste.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, da sie unterlegen ist (vgl. §
154 Abs. 1 VwGO).
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch den Kläger im Vorverfahren war für
notwendig zu erklären. Vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen
Partei im Zeitpunkt der Bestellung durfte die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten
schon im Vorverfahren für notwendig erachtet werden (vgl. § 162 Abs. 2 S. 2
VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §
167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Das Gericht orientiert sich hierbei an dem Streitwert für eine Gewerbeuntersagung.
Ist das ausgeübte Gewerbe betroffen, beträgt der Streitwert nach Nr. 54.2.1 des
Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit aus dem Jahre 2004
mindestens 15.000,00 EUR.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.