Urteil des VG Gießen vom 08.05.2008

VG Gießen: stadt, unternehmen, subjektives recht, verordnung, eugh, kommission, genehmigungsverfahren, bahnhof, verkehr, friedhof

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Gericht:
VG Gießen 6.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 E 1240/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 13 PBefG, Art 1 Abs 1 EWGV
1191/69, Art 1 Abs 5 EWGV
1191/69, § 42 Abs 2 VwGO, §
68 VwGO
Klage eines Konkurrenten gegen
Linienverkehrsgenehmigung
Leitsatz
1. Der Antrag eines Verkehrsunternehmens, das auch auf verkehrsfremden
Geschäftsfeldern tätig ist, unterfällt nicht der Teilbereichsausnahme der §§ 8 Abs 4, 13
PBefG i. V. m. Art 1 Abs 1 Unterabsatz 2 der VO (EWG) 1191/69.
2. Ein gegen die Subventionierung eines Mitbewerbers klagendes
Verkehrsunternehmen, dessen Antrag auf eigenwirtschaftliche Verkehrserbringung
nach § 13 PBefG nicht genehmigungsfähig ist, steht jedenfalls dann in keinem eine
Klagebefugnis vermittelnden konkreten Konkurrenzverhältnis zu diesem Mitbewerber,
wenn auch dessen Antrag nach § 13 PBefG nicht genehmigungsfähig ist.
Tenor
1. Ziffer 1 des Bescheides des Regierungspräsidiums C-Stadt
vom 07.05.2007 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der
Klägerin haben die Klägerin zu 2/3 und der Beklagte zu 1. zu
1/3 zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1. haben die
Klägerin und der Beklagte zu 1. zu je 1/2 zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. hat die
Klägerin zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen haben die
Klägerin zu 2/3 und die Beigeladene zu 1/3 zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der
Beteiligten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung
nach Maßgabe der Kostenfestsetzung vorläufig
vollstreckbar.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Gegenstand des Verfahrens ist die Erteilung einer Genehmigung für die
Einrichtung und den Betrieb eines Linienverkehrs mit Kraftfahrzeugen für das
Linienbündel C-Stadt, bestehend aus den Linien 1 (C-Stadt/Lützellinden -
G/Allendorf - G/Klein-Linden - C-Stadt - C-Stadt/Rödgen), 2 (C-Stadt/Europaviertel -
C-Stadt/Bahnhof), 3 (C-Stadt/Schwarzacker - C-Stadt/Friedhof), 5 (C-Stadt/Wieseck
- C-Stadt/Bahnhof), 6 (C-Stadt/Berliner Platz - C-Stadt/Schiffenberg), 7 (C-
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- C-Stadt/Bahnhof), 6 (C-Stadt/Berliner Platz - C-Stadt/Schiffenberg), 7 (C-
Stadt/Philosophenwald - C-Stadt/Evangelisches Krankenhaus), AST 9 (C-
Stadt/Alfred-Bock-Straße - C-Stadt/Marktplatz), 10 (C-Stadt/Rathenaustraße - C-
Stadt/Bahnhof), 12 (C-Stadt/ Sandfeldschule - C-Stadt/Gewerbegebiet West), 13
(C-Stadt/Dialysezentrum - C-Stadt/Friedhof), 15 (C-Stadt/Wieseck - C-
Stadt/Bahnhof).
Die Beigeladene, eine zu 100 % im Eigentum der Beklagten zu 2. stehende
Aktiengesellschaft, die primär in den Geschäftsfeldern Strom-, Gas-, Wärme- und
Wasserversorgung tätig ist und mit den dort erwirtschafteten Gewinnen u. a. ihren
defizitären weiteren Tätigkeitsbereich Nahverkehr subventioniert, bedient seit
Jahrzehnten den ÖPNV-Bereich C-Stadt. Am 08.11.2006 beantragte sie die
Erteilung einer Genehmigung eines eigenwirtschaftlichen Linienverkehrs sowie die
Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis betreffend die oben genannten Linien. Mit
Bescheid vom 28.11.2006 erteilte das Regierungspräsidium Gießen der
Beigeladenen die beantragte einstweilige Erlaubnis, befristet bis zum 09.06.2007.
Mit Bescheid vom 23.01.2007 verlängerte das Regierungspräsidium Gießen die
Entscheidungsfrist für den Genehmigungsantrag gemäß § 15 Abs. 1 PBefG bis
zum 07.05.2007. Am 05.04.2007 stellte auch die Klägerin einen Antrag auf
Genehmigung eines eigenwirtschaftlichen Linienverkehrs für die genannten Linien.
Mit Bescheid vom 07.05.2007 erteilte das Regierungspräsidium Gießen der
Beigeladenen die beantragte Genehmigung, befristet bis zum 14.12.2014 sowie
eine einstweilige Erlaubnis, befristet vom 10.06.2007 bis zum 09.12.2007 und
lehnte den Antrag der Klägerin ab.
Am 21.05.2007 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, die der
Beigeladenen erteilte Genehmigung sei rechtswidrig. Die §§ 8, 13 PBefG seien
schon deshalb keine Rechtsgrundlage für die Erteilung der Genehmigung an die
Beigeladene, da sie keine rechtssichere Teilbereichsausnahme von der VO (EWG)
1191/69 enthielten. Aber auch wenn man mit dem Beklagten zu 1. davon
ausgehe, die §§ 8 Abs. 4, 13 PBefG enthielten eine rechtssichere
Teilbereichsausnahme, wäre die der Beigeladenen erteilte Genehmigung
rechtswidrig, da die Beigeladene nicht teilbereichsausnahmefähig sei. Sie sei
nämlich kein Unternehmen, das ausschließlich im Stadt-, Vorort- und
Regionalverkehr tätig sei. Die Beigeladene erbringe ganz überwiegend
verkehrsfremde Leistungen. Jede „Nebentätigkeit“ eines Unternehmens, die kein
Betrieb von Stadt-, Vorort- und Regionalverkehr sei, lasse die
Teilbereichsausnahmefähigkeit entfallen, unabhängig davon, ob es sich um
Verkehrsleistungen oder verkehrsfremde Leistungen handele. Jede andere
Sichtweise sei mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Selbst wenn man von einer
Teilbereichsausnahmefähigkeit der Beigeladenen ausginge, wäre die erteilte
Genehmigung gleichwohl rechtswidrig. Denn die Genehmigung sei ohne Prüfung
erfolgt, ob die gewährten Quersubventionen in Einklang mit den vom EuGH im
„Altmark Trans“-Urteil genannten vier Kriterien stehen. Die Beigeladene benötige
für die Durchführung des Verkehrs auf den streitgegenständlichen Linien höhere
staatliche Zuschüsse als die Klägerin. Die Zuschüsse erhalte die Beigeladene als
Quersubventionen, die gegen Art. 87 Abs. 1 EGV verstießen. Aufgrund der von der
Klägerin mit Schreiben vom 18.05.2007 bei der Europäischen Kommission
eingelegten Beihilfebeschwerde gelte das Durchführungsverbot des Art. 88 Abs. 3
EGV. Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom
19.10.2006, dass beihilferechtliche Fragen im personenbeförderungsrechtlichen
Genehmigungsverfahren nicht zu prüfen seien, widerspreche den Vorgaben des
EuGH im „Altmark Trans“-Urteil. Darüber hinaus lägen bei der Beigeladenen die
Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 PBefG nicht vor. Wegen fehlender
Notifizierung bei der Europäischen Kommission drohten der Beigeladenen
Beihilferückforderungen in Millionenhöhe. Die Beigeladene dürfe schließlich auch
aus kommunalwirtschaftsrechtlichen Gründen keinen Linienverkehr mit
Kraftfahrzeugen auf den streitgegenständlichen Linien betreiben. Demgegenüber
sei der Klägerin die Genehmigung zu erteilen. Insbesondere lasse der Umstand,
dass der Gesellschafter der Klägerin, die AZ GmbH, zugleich Gesellschafter der
Werner GmbH & Co. KG und der Kreutz GmbH sei und letztere
Reiseverkehrsleistungen durchführten, ihre Teilbereichsausnahmefähigkeit
unberührt. Das in Bezug auf den mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten
vom 05.10.2007 bei Gericht anhängig gemachten Klageantrag zu 2. erforderliche
Konkurrenzverhältnis ergebe sich aus dem von ihr gestellten Antrag auf Erteilung
einer Genehmigung nach § 13 PBefG. Der Klageantrag zu 2. sei auch begründet.
Da die Verlängerung einer Beihilfe notifizierungspflichtig sei, eine Notifizierung aber
noch nicht erfolgt sei, sei die Beihilfegewährung an die Beigeladene rechtswidrig.
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Im Übrigen regt die Klägerin an, die Frage, ob die Rechtmäßigkeit der
Quersubventionierung Gegenstand eines personenbeförderungsrechtlichen
Genehmigungsverfahrens sein müsse, dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen.
Die Klägerin beantragt,
1. den Bescheid des Regierungspräsidiums C-Stadt vom 07.05.2007
aufzuheben und den Beklagten zu 1. zu verpflichten, der Klägerin
gemäß §§ 2, 9, 42 PBefG die Genehmigung für die Einrichtung und den
Betrieb eines eigenwirtschaftlichen Linienverkehrs mit Kraftfahrzeugen
für die Linien 1, 2, 3, 5, 6, 7, AST 9, 10, 12, 13 und 15 (Linienbündel C-
Stadt) zu erteilen,
2. die Beklagte zu 2. zu verurteilen, bis zu einer Entscheidung der
Europäischen Kommission über die Vereinbarkeit von
Quersubventionen zugunsten der Beigeladenen im
Beihilfebeschwerdeverfahren 2007/4466, SG (2007) A/3889/3 keine
Quersubventionen an das Geschäftsfeld Nahverkehr der Beigeladenen
zu leisten oder zu dulden.
Der Beklagte zu 1. beantragt,
den Klageantrag zu 1. abzuweisen.
Es sei unschädlich, dass die Beigeladene neben Verkehrsdienstleistungen auch
Versorgungsdienstleistungen anbiete, da es bei der Bewertung der VO (EWG)
1191/69 nur auf verkehrsdienstliche Aspekte ankomme. Aus
kompetenzrechtlichen Gründen könne die auf Art. 75, 94 EGV gestützte VO (EWG)
1191/69 zur Harmonisierung von Verkehrsvorschriften keine Regelungen über die
Zulässigkeit von verkehrsfremden geschäftlichen Betätigungen eines
Unternehmens enthalten. Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass die VO
(EWG) 1191/69 nicht den Wettbewerb zwischen verschiedenen
Verkehrsunternehmen im Nahverkehrsbereich regele und auch nicht zum Ziel
habe, den Wettbewerb zwischen diesen Verkehrsunternehmen einzuführen oder zu
verbessern. Diese Auslegung könne insbesondere auf die zweite
Begründungserwägung der VO (EWG) 1191/69 gestützt werden.
Die Beklagte zu 2. beantragt,
den Klageantrag zu 2. abzuweisen.
Der Klageantrag zu 2. sei unzulässig. Die Klageänderung sei nicht sachdienlich. Da
die Klägerin erreichen wolle, dass die Beigeladene dem Geschäftsfeld Nahverkehr
keine Mittel aus anderen Geschäftsfeldern zukommen lasse, biete es sich an,
gegen die Beigeladene selbst vorzugehen. Darüber hinaus sei das einzig
statthafte Verfahren zur Feststellung der Rechtmäßigkeit von Beihilfen im Bereich
des öffentlichen Personennahverkehrs das Beihilfebeschwerdeverfahren nach Art.
87 ff. EGV. Jedenfalls sei das bereits anhängige Beihilfebeschwerdeverfahren der
einfachere Weg zur Überprüfung der von der Klägerin beanstandeten internen
Verrechnungen der Beigeladenen.
Der Klageantrag zu 2. sei auch unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch
gegen die Beklagte zu 2. auf ein bestimmtes Verhalten als Gesellschafterin der
Beigeladenen. Sie mache geltend, in ihren Wettbewerbsrechten aus Art. 12 GG
und Art. 3 GG dadurch beeinträchtigt zu sein, dass die Beigeladene auf eine
bestimmte Art und Weise wirtschafte. Also stehe die Beigeladene und nicht die
Beklagte zu 2. in einem Wettbewerbsverhältnis mit der Klägerin.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Genehmigungsantrag der Beigeladenen sei eigenwirtschaftlich, weil sie den
Aufwand der Verkehrsleistungen durch die in § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG genannten
Einkünfte decken könne. Die Beigeladene sei auch teilbereichsausnahmefähig, weil
sie Verkehrsleistungen ausschließlich im Nahverkehr erbringe. Tätigkeiten
außerhalb des Verkehrsbereichs seien unschädlich. Die VO (EWG) 1191/69 gelte
nur für Verkehrsunternehmen und Verkehrsdienste. Der an der Rechtsetzung im
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nur für Verkehrsunternehmen und Verkehrsdienste. Der an der Rechtsetzung im
Ministerrat der EWG beteiligte Bundesverkehrsminister und der Bundesrat seien
nämlich in zeitlicher Nähe zur Entstehung der VO (EWG) 1191/69 bei Erlass der -
bundesdeutschen - Verordnung zur Festlegung des Anwendungsbereichs der VO
(EWG) 1191/69 davon ausgegangen, dass sich die Ausschließlichkeit nur auf
verschiedene Formen von Verkehrsdiensten beziehe, außerverkehrliche
Tätigkeiten deshalb die Teilbereichsausnahmefähigkeit von Unternehmen nicht in
Frage stellten. Der Genehmigungsantrag der Klägerin sei dagegen nicht
eigenwirtschaftlich, da sie die in Streit stehenden Linienverkehre überhaupt nur
erbringen könne, wenn sie dafür erhebliche öffentliche Zuschüsse erhalte. Die
Klägerin sei auch nicht teilbereichsausnahmefähig. Denn zwei mit der Klägerin
konzernverbundene Gesellschaften führten überregionalen Reiseverkehr durch.
Die Klageerweiterung bezüglich der Beklagten zu 2. sei nicht sachdienlich.
Die bei dem Klageantrag zu 1. maßgebliche Rechtsfrage, ob bei der Entscheidung
über die Erteilung einer Genehmigung nach § 13 PBefG berücksichtigt werden
müsse, wenn ein Konkurrent verbotene staatliche Beihilfen erhalte, bilde nicht den
Gegenstand des Klageantrags zu 2. Der Klageantrag zu 2. sei auch unbegründet,
weil die von der Klägerin ausschließlich angeführte Anspruchsgrundlage des Art. 88
Abs. 3 EGV voraussetze, dass eine Beihilfe neu eingeführt oder umgestaltet
worden sei. Daran fehle es hier aber.
Mit Bescheid vom 07.12.2007 verlängerte das Regierungspräsidium Gießen die der
Beigeladenen erteilte einstweilige Erlaubnis bis zum 08.06.2008. Gegen diesen
Bescheid hat die Klägerin am 07.01.2008 bei dem erkennenden Gericht Klage
erhoben (Az.: 6 K 30/08.GI), die mit Urteil vom 08.05.2008 abgewiesen worden ist.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen auf
den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens (3 Bände) sowie des
Verfahrens 6 K 30/08.GI und den Behördenvorgang des Beklagten zu 1. (3 Hefter).
Entscheidungsgründe
Die Klage hat nur in dem aus dem Tenor der Entscheidung ersichtlichen Umfang
Erfolg. Sie ist im Übrigen teilweise unzulässig und teilweise unbegründet.
Der Zulässigkeit der Klage gegen den Beklagten zu 1. steht nicht entgegen, dass
das gemäß § 55 Satz 1 PBefG erforderliche Vorverfahren nach § 68 VwGO nicht
durchgeführt worden ist und die Klägerin entsprechend der insoweit
unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Bescheid des
Regierungspräsidiums C-Stadt vom 07.05.2007 unmittelbar Klage erhoben hat.
Denn der Beklagte zu 1. hat sich in der Sache eingelassen und seinen
Klageabweisungsantrag nicht hierauf gestützt.
Ziffer 1 des Bescheides des Regierungspräsidiums C-Stadt vom 07.05.2007 ist
rechtswidrig und deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zu Unrecht hat
das Regierungspräsidium Gießen der Beigeladenen gemäß §§ 2, 9, 42 PBefG die
Genehmigung für die Einrichtung und den Betrieb eines eigenwirtschaftlichen
Linienverkehrs mit Kraftfahrzeugen (§§ 8 Abs. 4, 13 PBefG) für den Stadtverkehr C-
Stadt erteilt.
Die Voraussetzungen für die Erteilung einer eigenwirtschaftlichen Genehmigung
nach § 13 PBefG für die streitgegenständlichen Linien an die Beigeladene liegen
gemäß der hier vorrangig anzuwendenden VO (EWG) 1191/69 nicht vor. Zwar hält
die Kammer an ihrer Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 12.06.2007, Az.: 6 E 49/06,
Juris) fest, dass der bundesdeutsche Gesetzgeber von der in Art. 1 Abs. 1
Unterabsatz 2 der VO (EWG) 1191/69 den einzelnen Mitgliedstaaten eingeräumten
Möglichkeit, Unternehmen, deren Tätigkeit ausschließlich auf den Betrieb von
Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdiensten beschränkt ist, vom
Anwendungsbereich dieser Verordnung auszunehmen, in einer den Vorgaben des
EuGH (vgl. Urteil vom 24.07.2003 - Rs. C-280/00 - „Altmark-Trans“, NJW 2003,
2515) entsprechenden Weise durch die Regelung der §§ 8 Abs. 4, 13 PBefG
Gebrauch gemacht hat (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 19.10.2006, 3 C 33.05). Der
Genehmigungsantrag der Beigeladenen ist aber nicht teilbereichsausnahmefähig.
Der hier streitgegenständliche Verkehr fällt in den Anwendungsbereich der VO
(EWG) 1191/69, weil die Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung
Verkehrsdienste auf dem Gebiet des Straßenverkehrs betrifft und die Beigeladene
ein Verkehrsunternehmen ist, da sie auch Linienverkehr mit Bussen betreibt (Art.
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ein Verkehrsunternehmen ist, da sie auch Linienverkehr mit Bussen betreibt (Art.
1 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Verordnung).
Die Beigeladene ist aber nicht gemäß Art. 1 Abs. 1 Unterabsatz 2 VO (EWG)
1191/69 (teil-)bereichsausnahmefähig, weil sie kein Unternehmen ist, dessen
Tätigkeit ausschließlich auf den Betrieb von Stadt-, Vorort- und
Regionalverkehrsdiensten beschränkt ist (vgl. dazu VG Gießen, Urteil vom
12.06.2007, Az.: 6 E 49/06, Juris). Vielmehr ist sie nicht nur in dem Geschäftsfeld
Verkehr, sondern auch in anderen - versorgungsbezogenen - Geschäftsfeldern
tätig.
Ohne Erfolg berufen sich der Beklagte zu 1. und die Beigeladene insoweit darauf,
die VO (EWG) 1191/69 und damit auch die Ausschließlichkeitsregelung in deren
Art. 1 Abs. 1 Unterabsatz 2 beziehe sich allein auf die Regelung des Verkehrs und
nicht auch auf andere Bereiche. Dem Wortlaut der VO (EWG) 1191/69 lässt sich
diese einschränkende Interpretation nicht entnehmen. Zwar weist die Beigeladene
zutreffend darauf hin, dass der Unterabsatz 2 von Art. 1 Abs. 1 der VO (EWG)
1191/69 im Zusammenhang mit dessen Unterabsatz 1 steht. Der Unterabsatz 1
umfasst aber - unstreitig - nicht lediglich reine Verkehrsunternehmen, sondern
auch solche Unternehmen, die außer auf dem Gebiet des Verkehrs noch auf
verkehrsfremden Geschäftsfeldern tätig sind. Dem entsprechend ist in Art. 1 Abs.
5 Unterabsatz 2 der VO (EWG) 1191/69 festgelegt, dass, wenn ein
Verkehrsunternehmen außer auf dem Gebiet der Verkehrsdienste, für die
Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes gelten, noch in anderen Bereichen tätig
ist, die Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes in
einem gesonderten Unternehmensbereich zu erbringen sind, der bestimmte
Anforderungen erfüllen muss. Auch daraus folgt, dass vom Regelungsbereich der
VO (EWG) 1191/69 auch Unternehmen erfasst sind, die wie die Beigeladene auch
auf verkehrsfremden Geschäftsfeldern tätig sind. Ferner ist, wie sich insbesondere
aus den beiden ersten Absätzen der Begründungserwägungen der VO (EWG)
1191/69 ergibt, Ziel dieser Verordnung u. a. die Sicherstellung von Wettbewerb im
Verkehr. Hierfür ist unerheblich, ob es zu einer Verfälschung des Wettbewerbs im
Personennahverkehr dadurch kommen kann, dass der Unternehmer noch
überregionalen Reiseverkehr oder dass er verkehrsfremde Geschäftsfelder
betreibt. Der Wettbewerb wird nämlich unabhängig davon beeinträchtigt, ob ein
Unternehmen neben der Betätigung im defizitären Nahverkehrsbereich auf
Gewinne abwerfenden verkehrsfremden Geschäftsfeldern oder in dem ebenfalls
Gewinne abwerfenden Bereich des überregionalen Verkehrs tätig ist. In Anbetracht
des Wortlauts und des Zwecks der VO (EWG) 1191/69 kann auch aus der
Formulierung der - bundesdeutschen - Verordnung zur Festlegung des
Anwendungsbereichs der VO (EWG) 1191/69 in der Fassung der Verordnung (EWG)
Nr. 1893/91 im Straßenverkehr vom 31.07.1992 (BGBl. I 1992, 1442) keine
abweichende Auslegung hergeleitet werden. Schließlich stehen dem vorgenannten
Verständnis des Art. 1 Abs. 1 Unterabsatz 2 VO (EWG) 1191/69 auch keine
kompetenzrechtlichen Überlegungen entgegen, da Anknüpfungspunkt der
Regelung die Erbringung von Verkehrsleistungen ist und die anderen Materien nur
„mittelbar“ betroffen werden.
Die Klägerin hat aber trotz der Rechtswidrigkeit der der Beigeladenen erteilten
Genehmigung keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zu 1. zur Erteilung
einer Genehmigung für die Einrichtung und den Betrieb eines eigenwirtschaftlichen
Linienverkehrs mit Kraftfahrzeugen gemäß § 13 PBefG für das Linienbündel C-
Stadt an sich (§ 113 Abs. 5 VwGO). Nur ein solcher Anspruch steht hier in Streit,
auch wenn im Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom
30.04.2008 von § 13 a PBefG die Rede ist.
Die begehrte Verpflichtung scheitert daran, dass die Klägerin schon nach ihrem
eigenen Vortrag nicht zur Erbringung eines eigenwirtschaftlichen Verkehrs in der
Lage ist. Sie ist nämlich auf die Gewährung von Zuschüssen seitens der Beklagten
zu 2. angewiesen. Zuschüsse als solche stünden zwar nach der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19.10.2006, Az.: 3 C 33.05)
grundsätzlich der Bejahung der Eigenwirtschaftlichkeit nicht entgegen. Die
Beklagte zu 2. hat aber die von ihr begehrten Zuschüsse der Klägerin nicht
zugesagt, so dass die Finanzierung der Verkehrsleistung offensichtlich nicht
gesichert und die Klägerin nicht leistungsfähig im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 2
PBefG ist. Folgerichtig führt die Klägerin im Schriftsatz ihrer
Prozessbevollmächtigten vom 30.04.2008 selbst aus, dass damit die
Voraussetzungen von § 13 PBefG nicht vorliegen. Die Verneinung eines
Genehmigungsanspruchs der Klägerin widerspricht auch nicht den Grundsätzen
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Genehmigungsanspruchs der Klägerin widerspricht auch nicht den Grundsätzen
eines rechtsstaatlichen Verfahrens. Denn diese werden durch die Aufhebung der
der Beigeladenen erteilten Genehmigung gesichert, führen aber nicht zu einem
Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer Genehmigung nach § 13 PBefG ohne
Beachtung der Voraussetzungen des Personenbeförderungsgesetzes.
Hinsichtlich des Klageantrages zu 2., die Beklagte zu 2. zu verurteilen, bis zu einer
Entscheidung der Europäischen Kommission über die Vereinbarkeit von
Quersubventionen zugunsten der Beigeladenen im Beihilfebeschwerdeverfahren
2007/4466, SG (2007) A/3889/3 keine Quersubventionen an das Geschäftsfeld
Nahverkehr der Beigeladenen zu leisten oder zu dulden, ist die Klage unzulässig.
Zwar ist die Klageänderung sachdienlich, weil zusammenhängende Rechtsfragen
zu beurteilen sind. Auch ist die Beklagte zu 2. zu Recht Adressatin dieser Klage
und nicht die Beigeladene. Von dem Vortrag der Klägerin ausgehend, dass es sich
bei der Quersubventionierung um unzulässige staatliche Beihilfen handelt, können
diese Beihilfen nämlich nur von der Beklagten zu 2. als öffentlicher Körperschaft
gewährt worden sein. Dann muss aber auch die Beklagte zu 2. als Beihilfengeberin
Adressatin der Klage sein können und nicht die Beigeladene als
Beihilfenempfängerin verklagt werden.
Die Klägerin ist aber insoweit nicht klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO), da sie nicht in
einem eigenen subjektiven Recht verletzt sein kann. Ein solches subjektives Recht
kann sich hier nur aus einem durch Art. 3 Abs. 1, 12 GG geschützten konkreten
Konkurrenzverhältnis ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.08.1968, VII C 122.66,
BVerwGE 30, 191). Dabei reicht jedoch die bloße Eigenschaft als Mitbewerber eines
anderen Unternehmens zur Begründung des erforderlichen konkreten
Konkurrenzverhältnisses nicht aus (vgl. EuG, 1. Instanz, Beschluss vom
27.05.2004, T-358/02, EuGHE II, 2004, 1565). Vielmehr muss neben der mit jeder
finanziellen Maßnahme einhergehenden Begünstigung eines Unternehmens auch
die Stellung des Mitbewerbers in qualifizierter Weise beeinflusst werden. Das setzt
nach Auffassung der Kammer in dem hier maßgeblichen Bereich des
Linienverkehrsrechts voraus, dass die beteiligten Unternehmen in einem
konkreten Genehmigungsverfahren konkurrieren. Daran fehlt es jedoch derzeit im
Verhältnis der Klägerin zur Beigeladenen.
Im Hinblick auf die Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis nach § 20 PBefG besteht
ein schutzwürdiges Konkurrenzverhältnis schon deshalb nicht, weil die Klägerin für
das streitgegenständliche Linienbündel überhaupt keinen Antrag auf Erteilung
einer einstweiligen Erlaubnis gestellt hat. Insoweit wird auf die Ausführungen der
Kammer im Urteil vom heutigen Tag im Verfahren 6 K 30/08.GI Bezug genommen.
Aber auch aus dem von der Klägerin gestellten Antrag auf Erteilung einer
Genehmigung nach § 13 PBefG lässt sich entgegen der Auffassung der Klägerin
kein konkretes schutzwürdiges Konkurrenzverhältnis herleiten. Nachdem nämlich
die Kammer Ziffer 1 des Bescheides des Regierungspräsidiums C-Stadt vom
07.05.2007, mit der der Beigeladenen die Genehmigung nach § 13 PBefG erteilt
worden war, aufgehoben und den Antrag der Klägerin auf Verpflichtung des
Beklagten zu 1. zur Erteilung dieser Genehmigung an sie abgewiesen hat, stehen
sich die Klägerin und die Beigeladene auch in diesem Genehmigungsverfahren
nicht mehr als konkrete Konkurrenten gegenüber. Der Umstand, dass die
Entscheidung der Kammer insoweit noch nicht rechtskräftig ist, ändert daran
nichts. Die Kammer kann auch hier nur auf der Basis ihrer Rechtsansicht
entscheiden. Danach haben derzeit weder die Klägerin noch die Beigeladene nach
§ 13 PBefG genehmigungsfähige eigenwirtschaftliche Anträge gestellt mit der
Folge, dass ein schutzwürdiges Konkurrenzverhältnis zwischen der Klägerin und der
Beigeladenen nicht mehr besteht. Da ein Genehmigungsverfahren nach § 13 a
PBefG bisher nicht eingeleitet wurde, kann sich derzeit auch insoweit kein
konkretes Konkurrenzverhältnis ergeben. Im Übrigen müsste im Falle der
Durchführung eines Genehmigungsverfahrens nach § 13 a PBefG über die Vergabe
von Zuschüssen ohnehin neu entschieden werden.
Da die Frage der Prüfungspflicht der nationalen Genehmigungsbehörde in Bezug
auf die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit von staatlichen Beihilfen in Form von
Quersubventionierungen nach alledem nicht entscheidungsrelevant ist, ist diese
Frage auch nicht - wie von der Klägerin angeregt - dem EuGH unter Aussetzung
des Klageverfahrens zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V.
m. § 709 ZPO.
Die Berufung wird gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 1 und 2 Ziff. 3
VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.