Urteil des VG Gelsenkirchen vom 24.01.2008

VG Gelsenkirchen: verwaltung, vergnügungssteuer, stadt, steuersatz, europäischer gerichtshof, europäische union, eugh, abgabe, gerät, satzung

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 2 K 1261/06
Datum:
24.01.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 1261/06
Schlagworte:
Verbrauchssteuerrichtlinie, Sprachvergleich
Normen:
EU-Richtlinie 92/12/EWG Art. 3 Abs. 3; GG Art. 105 Abs. 2a
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig
vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
des jeweils vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der
Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung einer Vergnügungssteuer für die Monate
Januar bis Mai 2006.
2
Die Klägerin betrieb im Jahre 2006 an mehreren Standorten in Gelsenkirchen jeweils
Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit (Geldspielgeräte).
3
Für den Standort I. T. , D. Str. 299, errechnete die Klägerin für die dort vorhandenen zwei
Geldspielgeräte mit Vergnügungssteuerklärung
4
für Januar 2006 eine Steuer von 241,99 Euro
5
für Februar 2006 eine Steuer von 282,09 Euro
6
für April 2006 eine Steuer von 408,32 Euro
7
für Mai 2006 eine Steuer von 49,80 Euro
8
Für den Standort T1. , G. Str. 205, errechnete die Klägerin für die dort vorhandenen zwei
Geldspielgeräte mit Vergnügungssteuerklärung
9
für Januar 2006 eine Steuer von 97,51 Euro
10
für Februar 2006 eine Steuer von 81,92 Euro
11
für März 2006 eine Steuer von 203,69 Euro
12
für April 2006 eine Steuer von 161,04 Euro
13
für Mai 2006 eine Steuer von 298,61 Euro
14
Für den Standort T2. , T3. . 42, errechnete die Klägerin für die dort vorhandenen vier (ab
März zwei) Geldspielgeräte mit Vergnügungssteuerklärung
15
für Januar 2006 eine Steuer von 253,32 Euro
16
für Februar 2006 eine Steuer von 268,22 Euro
17
für März 2006 eine Steuer von 127,75 Euro
18
für Mai 2006 eine Steuer von 429,98 Euro
19
Für den Standort S. , S1. 2, errechnete die Klägerin für die dort vorhandenen vier (ab
März zwei) Geldspielgeräte mit Vergnügungssteuerklärung
20
für Januar 2006 eine Steuer von 320,82 Euro
21
für Februar 2006 eine Steuer von 205,09 Euro
22
für März 2006 eine Steuer von 147,71 Euro
23
für Mai 2006 eine Steuer von 210,73 Euro
24
Für den Standort P. -J. , V.-----------platz 7, errechnete die Klägerin für die dort
vorhandenen zwei Geldspielgeräte mit Vergnügungssteuerklärung
25
für Januar 2006 eine Steuer von 84,79 Euro
26
für Februar 2006 eine Steuer von 251,86 Euro
27
für März 2006 eine Steuer von 298,68 Euro
28
für April 2006 eine Steuer von 78,14 Euro
29
für Mai 2006 eine Steuer von 248,09 Euro
30
Für den Standort P1. , B. . 25, errechnete die Klägerin für das dort vorhandene
Geldspielgerät mit Vergnügungssteuerklärung
31
für Januar 2006 eine Steuer von 14,24 Euro,
32
Für den Standort M. , I1. . 23, errechnete die Klägerin für die dort vorhandenen sechs (ab
Februar vier) Geldspielgeräte mit Vergnügungssteuerklärung
33
für Januar 2006 eine Steuer von 239,50 Euro
34
für Februar 2006 eine Steuer von 260,13 Euro
35
für März 2006 eine Steuer von 279,26 Euro
36
für Mai 2006 eine Steuer von 396,54 Euro
37
Für den Standort L. , I2. Str. 110, errechnete die Klägerin für die dort vorhandenen zwei
(ab Februar vier) Geldspielgeräte mit Vergnügungssteuerklärung
38
für Januar 2006 eine Steuer von 70,95 Euro
39
für Februar 2006 eine Steuer von 387,14 Euro
40
für März 2006 eine Steuer von 289,21 Euro
41
für April 2006 eine Steuer von 235,83 Euro
42
für Mai 2006 eine Steuer von 379,29 Euro
43
Für den Standort I3. , N. . 6, errechnete die Klägerin für die dort vorhandenen zwei
Geldspielgeräte mit Vergnügungssteuerklärung
44
für Januar 2006 eine Steuer von 129,41 Euro
45
für Februar 2006 eine Steuer von 166,91 Euro
46
für März 2006 eine Steuer von 177,28 Euro
47
für April 2006 eine Steuer von 202,75 Euro
48
für Mai 2006 eine Steuer von 292,74 Euro
49
Für den Standort E. , N. . 4, errechnete die Klägerin für die dort vorhandenen zwei
Geldspielgeräte mit Vergnügungssteuerklärung
50
für Januar 2006 eine Steuer von 71,33 Euro
51
für Februar 2006 eine Steuer von 72,85 Euro
52
für März 2006 eine Steuer von 72,25 Euro
53
für April 2006 eine Steuer von 44,43 Euro
54
für Mai 2006 eine Steuer von 33,45 Euro
55
Für den Standort D1. , M1.----gasse 7, errechnete die Klägerin für die dort vorhandenen
vier (ab Februar zwei) Geldspielgeräte mit Vergnügungssteuerklärung
56
für Januar 2006 eine Steuer von 39,10 Euro
57
für März 2006 eine Steuer von 162,10 Euro
58
für Mai 2006 eine Steuer von 170,99 Euro
59
Für den Standort C. , C1. . 15a, errechnete die Klägerin für die dort vorhandenen zwei
(ab Februar vier) Geldspielgeräte mit Vergnügungssteuerklärung
60
für Januar 2006 eine Steuer von 37,80 Euro
61
für Februar 2006 eine Steuer von 360,44 Euro
62
für März 2006 eine Steuer von 195,38 Euro
63
für April 2006 eine Steuer von 177,73 Euro
64
für Mai 2006 eine Steuer von 101,09 Euro
65
Für den Standort W. H. , I4. . 72, errechnete die Klägerin für das dort vorhandene
Geldspielgerät mit Vergnügungssteuerklärung
66
für Februar 2006 eine Steuer von 51,53 Euro
67
für März 2006 eine Steuer von 39,81 Euro
68
für Mai 2006 eine Steuer von 19,38 Euro
69
Für den Standort I. L1. , L2. -T4. -Str. 106, errechnete die Klägerin für das dort
vorhandene Geldspielgerät mit Vergnügungssteuerklärung
70
für Februar 2006 eine Steuer von 19,87 Euro
71
für März 2006 eine Steuer von 6,86 Euro
72
für Mai 2006 eine Steuer von 13,50 Euro
73
Für den Standort A. I5. , I2. Str. 188, errechnete die Klägerin für das dort vorhandene
Geldspielgerät mit Vergnügungssteuerklärung
74
für März 2006 eine Steuer von -11,69 Euro
75
für April 2006 eine Steuer von 47,84 Euro
76
für Mai 2006 eine Steuer von 33,56 Euro
77
Für den Standort N1. , De-la-D2. -Str. 25, errechnete die Klägerin für die zwei dort
vorhandenen Geldspielgeräte mit Vergnügungssteuerklärung
78
für März 2006 eine Steuer von 83,76 Euro
79
für April 2006 eine Steuer von 59,40 Euro
80
für Mai 2006 eine Steuer von 65,49 Euro
81
Gegen die vom 00.00.000 datierenden Vergnügungssteuererhebungen für Januar 2006
legte die Klägerin am 9. Februar 2006 Widerspruch ein.
82
Gegen die vom 00.00.000 datierenden Vergnügungssteuererhebungen für Februar 2006
legte die Klägerin am 6. März 2006 Widerspruch ein.
83
Gegen die vom 00.00.0000 datierenden Vergnügungssteuererhebungen für März 2006
legte die Klägerin am 5. April 2006 Widerspruch ein.
84
Gegen die vom 00.00.0000 datierenden Vergnügungssteuererhebungen für April 2006
legte die Klägerin unter dem 2. Mai 2006 Widerspruch ein.
85
Gegen die vom 00.00.0000 datierenden Vergnügungssteuererhebungen für Mai 2006
legte die Klägerin unter dem 1. Juni 2006 Widerspruch ein.
86
Mit Widerspruchsbescheiden vom 00.00.0000 (Vergnügungssteuererhebungen Januar
und Februar 2006), vom 00.00.000 (Vergnügungssteuerhebung März 2006) und vom
00.00.0000 (Vergnügungsteuererhebungen April 2006) wies der Beklagte Widersprüche
zurück.
87
Am 24. April 2006 hat die Klägerin zunächst gegen die Vergnügungssteuererhebungen
für Januar bis März 2006 Klage erhoben und diese Klage am 12. Juni 2006 auf die
Vergnügungsteuerhebungen für April und Mai 2006 erweitert.
88
Zur Begründung legt die Klägerin im Einzelnen dar, weshalb die
Vergnügungssteuersatzung der Stadt H1. keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für
die hier streitige Steuererhebung darstelle.
89
Die Klägerin beantragt,
90
die Vergnügungssteuerfestsetzungen für die Monate Januar bis Mai 2006 in der Gestalt
der Widerspruchsbescheide des Beklagten vom 00.00.0000, vom 00.00.000 und vom
00.00.0000 aufzuheben.
91
Der Beklagte beantragt,
92
die Klage abzuweisen.
93
Durch Beschluss vom 5. Dezember 2007 hat die Kammer den Rechtsstreit auf den
Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
94
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
95
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
96
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
97
Die Vergnügungssteuerfestsetzungen für die Monate Januar bis Mai 2006 in der Gestalt
der jeweils zugehörigen Widerspruchsbescheide (soweit ergangen) sind rechtmäßig
und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
98
Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung der Vergnügungssteuer ist die Satzung über
die Erhebung von Vergnügungssteuer in der Stadt H1. vom 19. Dezember 2002 in der
durch Art. 2 der 1. Änderungssatzung erfolgten Neufassung, diese zuletzt geändert
durch Art. 2 der 2. Änderungssatzung vom 20. September 2006.
99
Die Erhebung einer Vergnügungssteuer für Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit
verstößt weder gegen Europarecht (1) noch ergeben sich verfassungsrechtliche
Bedenken (2), noch Bedenken im Hinblick auf sonstiges höherrangiges Recht (3).
100
(1)
101
Die Vergnügungssteuer auf Apparate mit Gewinnmöglichkeit verstößt nicht gegen
Europarecht. Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG in der Fassung der Richtlinie
91/680/EWG vom 16. Dezember 1991 (Abl.EG Nr. L 376 S. 1) - Richtlinie 77/388 -
verbietet den Mitgliedstaaten neben der Umsatzsteuer weitere Steuern, Abgaben und
Gebühren beizubehalten oder einzuführen, die den Charakter von Umsatzsteuern
haben.
102
Bei der Prüfung, ob eine Steuer den Charakter einer Umsatzsteuer hat, ist entscheidend,
ob die Abgabe geeignet ist, den Waren- und Dienstleistungsverkehr in einer mit der
Mehrwertsteuer vergleichbaren Weise zu belasten und ob sie deren wesentliche
Merkmale aufweist. Dies ist dann der Fall, wenn sie allgemeinen Charakter hat,
proportional zum Preis der Dienstleistungen ist, auf jeder Stufe der Erzeugung und des
Vertriebs erhoben wird und sich auf den Mehrwert der Dienstleistungen bezieht.
Dagegen steht Art. 33 Richtlinie 77/388 nicht der Einführung einer Steuer entgegen, die
eines der wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer nicht aufweist.
103
Vgl. Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 03. Oktober 2006 - C-475/03 -; EuGH,
Urteil vom 17. September 1997 - C-130/96 -.
104
Die in der Stadt H1. erhobene Vergnügungssteuer für Apparate mit Gewinnmöglichkeit
hat nicht den Charakter einer Umsatzsteuer. Die Vergnügungssteuer erfüllt lediglich das
Merkmal der Proportionalität, da sie mit einem bestimmten Prozentsatz an das
Einspielergebnis gekoppelt ist.
105
Die übrigen wesentlichen Merkmale der Umsatzsteuer sind hingegen nicht erfüllt.
106
Insbesondere ist die Vergnügungssteuer keine Steuer, die allgemein für alle sich auf
Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte gilt; sie wird nur für das
Halten von Spielapparaten (mit Gewinnmöglichkeit) erhoben. Die Vergnügungssteuer
wird zudem nur auf einer Stufe erhoben und belastet nicht den Mehrwert, sondern den
gesamten Wert der Dienstleistung; ein Abzug von Vorsteuern ist nicht gegeben.
Vgl. zu einer vergleichbaren Satzungsregelung Oberverwaltungsgericht für das Land
Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 6. März 2007 - 14 A 608/05 -, KStZ 2007,
S. 94 ff. (S. 95); nunmehr auch Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (Nds. OVG),
Beschluss vom 22. März 2007 - 9 ME 84/07 -, NVwZ-RR 2007, S. 551 ff. (S. 552).
107
Entgegen der Auffassung der Klägerseite steht auch die Richtlinie 92/12/EWG des
Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 25. Februar 1992 über das allgemeine
System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren
(Amtsblatt Nr. L 076 vom 23. März 1992, S. 1 ff.) der hier interessierenden Besteuerung
nicht entgegen.
108
Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 92/12/EWG legt in der berichtigten Fassung (Amtsblatt L 17
vom 25. Januar 1995, S. 20) fest, dass die Mitgliedstaaten Steuern auf andere Waren als
Mineralöle, Alkohol und alkoholische Getränke und Tabakwaren einführen oder
beibehalten können, sofern diese Steuern im Handelsverkehr zwischen Mitgliedstaaten
keine mit dem Grenzübertritt verbundenen Formalitäten nach sich ziehen. Unter der
gleichen Voraussetzung ist es den Mitgliedstaaten ebenfalls weiterhin freigestellt,
Steuern auf Dienstleistungen, auch im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen
Waren, zu erheben, sofern es sich nicht um umsatzbezogene Steuern handelt.
109
Es liegt auf der Hand, dass sich die hier interessierende Besteuerung - zumindest der
reinen Wortbedeutung nach - auf den Umsatz des Automatenaufstellers "bezieht", da
die Steuer - ebenso wie die Umsatzsteuer selbst - in Form eines Prozentsatzes auf den
dem Automatenaufsteller verbleibenden Kasseninhalt erhoben wird.
110
Die deutsche Fassung gibt allerdings den Regelungsinhalt von Art. 3 Abs. 3 der
Richtlinie 92/12/EWG nur unzureichend wieder. Der Regelungsgehalt von Art. 3 Abs. 3
der Richtlinie 92/12/EWG entspricht insoweit vielmehr dem des Relativsatzes "die nicht
den Charakter von Umsatzsteuern haben" in Art. 33 der sechsten Richtlinie
77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften
der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern.
111
Die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung von Gemeinschaftsrecht verbietet es,
eine Sprachfassung für sich alleine zu betrachten, und zwingt dazu, die Vorschrift unter
Berücksichtigung ihrer Fassungen in den anderen Amtssprachen auszulegen.
112
Vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 12. Juli 1979 (1. Kammer) - Rechtssache 9-79 -, EUR-Lex-
Dokument 61979J0009; EuGH, Urteil vom 17. Oktober 1996 (5. Kammer) - Rechtssache
C-64/95 -, EUR-Lex-Dokument 61995J0064; EuGH, Urteil vom 27. Februar 1997 -
Rechtssache C-177/95 -, EUR-Lex-Dokument 61995J0177.
113
Ein sprachlicher Vergleich zwischen den beiden hier maßgeblichen Wendungen in Art.
3 Abs. 3 der Richtlinie 92/12/EWG ("sofern es sich nicht um umsatzbezogene Steuern
handelt") und in Art. 33 der sechsten Richtlinie 77/388/EWG ("die nicht den Charakter
von Umsatzsteuern haben") zeigt Folgendes:
114
Französisch:
115
Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 92/12/EWG:
116
n'ayant pas le caractère de taxes sur le chiffre d'affaires
117
Art. 33 der sechsten Richtlinie 77/388/EWG :
118
n'ayant pas le caractère de taxes sur le chiffre d'affaires
119
Englisch:
120
Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 92/12/EWG:
121
which cannot be characterized as turnover taxes
122
Art. 33 der sechsten Richtlinie 77/388/EWG :
123
which cannot be characterized as turnover taxes
124
Italienisch:
125
Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 92/12/EWG:
126
che non abbiano il carattere di tasse sulla cifra d'affari
127
Art. 33 der sechsten Richtlinie 77/388/EWG :
128
che non abbia il carattere di imposta sulla cifra d'affari
129
Spanisch:
130
Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 92/12/EWG:
131
que no tengan el carácter de impuestos sobre el volumen de negocios
132
Art. 33 der sechsten Richtlinie 77/388/EWG :
133
que no tenga carácter de impuesto sobre el volumen de negocios
134
Portugiesisch:
135
Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 92/12/EWG:
136
que não tenham o carácter de imposto sobre o volume de negócios
137
Art. 33 der sechsten Richtlinie 77/388/EWG :
138
que não tenham a natureza de impostos sobre o volume de negócios
139
Niederländisch:
140
Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 92/12/EWG:
141
die geen omzetbelastingen zijn
142
Art. 33 der sechsten Richtlinie 77/388/EWG :
143
die niet het karakter van omzetbelasting bezitten
144
Dänisch:
145
Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 92/12/EWG:
146
saafremt disse ikke har karakter af omsaetingsafgifter
147
Art. 33 der sechsten Richtlinie 77/388/EWG :
148
der ikke har karakter af omsaetningsafgift.
149
Dieser - nicht abschließende Sprachvergleich - zeigt schon, dass Art. 3 Abs. 3 der
Richtlinie 92/12/EWG nicht ein neues Steuerverbot aufstellt, sondern das vorhandene
Steuerverbot aus Art. 33 der sechsten Richtlinie 77/388/EWG aufgreift und im Rahmen
des Regelungsbereiches von Art. 3 der Richtlinie 92/12/EWG umsetzt. Dies hat zur
Folge, dass die o.a. Ausführungen zu Art. 33 der sechsten Richtlinie 77/388/EWG auch
im Rahmen des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 92/12/EWG maßgeblich sind.
150
Das Gericht sieht sich nicht in der Pflicht, für diese Auslegung von Art. 3 Abs. 3 der
Richtlinie 92/12/EWG den Europäischen Gerichtshof anzurufen. Gemäß Art. 234 des
Vertrages über die Europäische Union entscheidet der Europäische Gerichtshof im
Wege der Vorabentscheidung u.a. über die Gültigkeit und die Auslegung der
Handlungen der Organe der Gemeinschaft und der Europäischen Zentralbank (Abs. 1
Buchst. b)). Wird eine derartige Frage dem Gericht eines Mitgliedsstaates gestellt und
hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich,
so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen (Abs. 2). Wird eine
derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht
gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des
innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist diese Gericht zur Anrufung
des Gerichtshofes verpflichtet (Abs. 3). Da ein Fall des Absatzes 3 ersichtlich nicht
vorliegt, verbleibt es bei der gerichtlichen Vorlageberechtigung des Absatzes 2. Im
Rahmen dieser Regelung ist eine über den Wortlaut der Vorschrift hinaus gehende
Vorlageverpflichtung nur dann anzunehmen, wenn das Gericht eines Mitgliedsstaates
eine Regelung des Gemeinschaftsrechts für ungültig hält.
151
Vgl. EuGH, Urteil vom 22. Oktober 1987 - Rechtssache 314/85 -, EUR-Lex-Dokument
61985J0314; Schwarze in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Baden-Baden 2000, Art.
234 EGV, Rn 47.
152
Für ungültig hält das erkennende Gericht Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 92/12/EWG nicht.
Im Übrigen geht der Europäische Gerichtshof selbst davon aus, dass Art. 3 Abs. 3 der
Richtlinie 92/12/EWG und Art. 33 der Richtlinie 77/388/ EWG - soweit es hier von
153
Interesse ist - einheitlich auszulegen sind. Nicht anders ist zu erklären, dass der
Europäische Gerichtshof zur Auslegung von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 92/12/EWG auf
Entscheidungen Bezug nimmt, die zu Art. 33 der Richtlinie 77/388/EWG ergangen sind.
Vgl. z.B. den Verweis in EuGH, Urteil vom 10. März 2005 - Rechtssache C-491/03 -,
Juris-Dokument, Rn. 29 auf: EuGH, Urteil vom 3. März 1988 - Rechtssache 252/86 -,
Juris-Dokument.
154
(2)
155
Die Vergnügungssteuer unterliegt auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Art.
105 Abs. 2a GG steht einer Vergnügungssteuer auf Geldspielautomaten ebenso wenig
entgegen wie der in Art. 3 GG normierte Gleichheitsgrundsatz, die in Art. 12 Abs. 1 GG
geschützte Berufsfreiheit, der Schutz des Eigentums nach Art. 14 GG sowie
Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeit.
156
Örtliche Aufwandsteuern wie die hier von der Stadt H1. erhobene Spielautomatensteuer,
die traditionell beim Automatenaufsteller, der sie im Rahmen seiner Kalkulation auf die
Spieler abwälzt, erhoben wird, sind im Grundgesetz einschließlich der Befugnis des
Normgebers, diese Steuern fortzuentwickeln und mit ihnen Lenkungszwecke zu
verbinden, vorausgesetzt, vgl. Art. 105 Abs. 2a GG.
157
Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 1. März 1997 - 2 BvR 1599/89;
2 BvR 1714/92; 2 BvR 1508/95 -, NVwZ 1997, S. 573 ff.; BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998
- 2 BvR 1991, 2004/95 -, BVerfGE 98, S. 106 ff. (S. 117 f.); BVerfG, Beschluss vom 3.
Mai 2001 - 1 BvR 624/00 -, NVwZ 2001, S. 1264 f.
158
Der Satzungsgeber, der nach dem Wortlaut der Satzung die Steuererhebung an das
"Halten" der Geldspielgeräte anknüpft, hat damit nicht die verfassungsrechtliche
Zielsetzung, den Aufwand des Vergnügungssuchenden zu besteuern, verfehlt. Da die
Spielautomatensteuer traditionell beim Automatenaufsteller erhoben wird, darf sich der
Satzungsgeber auch an dieser Tradition orientieren. Es würde dieser Tradition
zuwiderlaufen, den Automatenaufsteller, der das Gerät zum Spiel anbietet, aus dem
Blick zu nehmen und bei der Beschreibung des Steuergegenstandes wieder auf den
Vergnügungssuchenden selbst abzustellen, der das Gerät zum Spiel nutzt. Das Halten
eines solchen Gerätes geschieht allein zum Zweck der Benutzung, da es ansonsten
schon aus wirtschaftlichen Gründen entfernt wird. Dass der Satzungsgeber den Begriff
des Haltens nur in diesem Sinne verstanden haben kann, liegt auf der Hand.
159
Die Vergnügungssteuer auf Geldspielautomaten ist nicht gleichartig mit der insoweit
allein in Betracht kommenden Umsatzsteuer. Das in Art. 105 Abs. 2a GG normierte
Gleichartigkeitsverbot erfasst nicht die herkömmlichen Verbrauchs- und
Aufwandsteuern, selbst wenn diese dieselbe Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit
ausschöpfen wie Bundessteuern.
160
Vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Mai 1962 - 1 BvL 21/58 -, BVerfGE 14, S. 76 ff.; BVerfG,
Beschluss vom 1. März 1997 - 2 BvR 1599/89; 2 BvR 1714/92; 2 BvR 1508/95 -, NVwZ
1997, S. 573 ff.
161
Der vom Satzungsgeber mit der Steuererhebung verbundene Lenkungszweck der
Eindämmung der Spielsucht entspricht bundesrechtlichen Zielsetzungen. Nach dem
162
gegenwärtigen Stand der Forschung steht fest, dass Glücksspiele und Wetten zu
krankhaftem Suchtverhalten führen können. Die Vermeidung und Abwehr von
Suchtgefahren ist ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel, da Spielsucht zu
schwerwiegenden Folgen nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für ihre
Familien und für die Gemeinschaft führen kann. Bei weitem die meisten Spieler mit
problematischem oder pathologischem Spielverhalten spielen nach derzeitigem
Erkenntnisstand gerade an Automaten, die nach der Gewerbeordnung betrieben werden
dürfen.
Vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 -, BVerfGE 115, S. 276 ff.
163
Die Regelungen über die behördliche Erlaubnis für Glücksspiele, vgl. §§ 33c ff. GewO,
und die Strafbewehrung unerlaubter Glücksspiele, vgl. §§ 284 ff. StGB, dienen
demgemäss u.a. dem Zweck, eine übermäßige Anregung der Nachfrage nach
Glücksspielen und eine Ausnutzung des natürlichen Spieltriebs zu privaten oder
gewerblichen Gewinnzwecken zu verhindern.
164
Vgl. BT-Drucks. 13/8587, S. 67.
165
Die hier streitgegenständliche Spielautomatensteuer kann der Automatenaufsteller auch
im Rahmen seiner Kalkulation trotz der Vorgaben z.B. der Spieleverordnung, auf die
Spieler abwälzen,
166
vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 10. Mai 1962 - 1 BvL 31/58 -, BVerfGE 14, S. 76 ff.;
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. April 2005 - 10 C 8/04 -, NVwZ
2005, S. 1322 ff. m.w.N,
167
da Anhaltspunkte für eine erdrosselnde Wirkung der Steuer nicht ersichtlich sind.
Erdrosselnd ist die hier interessierende Spielautomatensteuer erst dann, wenn allein sie
- und nicht andere, insbesondere wirtschaftliche Gründe im Satzungsgebiet - dazu führt,
dass ein durchschnittlicher Automatenbetreiber in der Automatenaufstellung nicht mehr
die wirtschaftliche Grundlage seiner Lebensführung finden kann.
168
St.R. vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 1. April 1971 - 1 BvL 22/67 -, BVerfGE 31, S. 8 ff.;
BVerwG, Urteil vom 13. April 2005 - 10 C 6.05 -, BVerwG 123, S. 218 ff.
169
Schon aus der früher geltenden pauschalen Besteuerung in Höhe von 200,00 Euro pro
Spielgerät mit Gewinnmöglichkeit in Spielhallen und 68,- Euro in Gaststätten lässt sich
eine erdrosselnde Wirkung in diesem Sinne nicht ableiten. Selbst einer pauschalen
Besteuerung von Geldapparaten mit Gewinnmöglichkeit mit 600,00 DM (= 306,78 Euro)
pro Monat und Gerät kommt grundsätzlich keine erdrosselnde Wirkung zu.
170
Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Dezember 1999 - 11 CN 1/99 -, BVerwGE 110, S. 237 ff.
171
Auf dem Gebiet der Stadt H1. haben Ermittlungen zum Gerätebestand ergeben, dass in
der Zeit von 2003 bis zum Stichtag 2. November 2005 die Anzahl der Geldspielgeräte
mit Gewinnmöglichkeit in Spielhallen von 683 auf 602 zurückgegangen ist, um dann in
dem Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 30. Juni 2006 wieder auf 672 anzuwachsen.
In den gleichen Zeiträumen ging der Gerätebestand an sonstigen Aufstellorten von 484
zunächst auf 368 zurück, um bis zum 1. Januar 2006 noch weiter auf 359 Geräte zu
sinken. Am 30. Juni 2007 konnte wieder ein leichter Anstieg auf 361 Geräte verzeichnet
172
werden.
Vgl. Beschlussvorlage 04-09/2048 vom 17. November 2005, S. 5; Sachstandsbericht
04-09/3085 vom 11. August 2006, S. 3.
173
Eine über den Lenkungszweck hinausgehende Erdrosselung ist aus diesen Zahlen
nicht abzulesen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von Klägerseite
geäußerten Auffassung, allein solche Zahlen seien nicht aussagekräftig, da der
Satzungsgeber auch die wirtschaftliche Situation der Automatenaufsteller habe näher in
den Blick nehmen müssen, namentlich das durch die Wiedererhebung der
Umsatzsteuer abschmelzende Finanzpolster sowie die Ausgabenseite, die nicht zuletzt
durch längerfristige Verträge geprägt sei. Der Satzungsgeber hat diese Belange der
Automatenaufsteller in hinreichendem Maße berücksichtigt. In der vorerwähnten
Beschlussvorlage vom 17. November 2005 wird (S. 3 oben) ausgeführt, auf welcher
Basis die Vorschläge der Verwaltung basieren; diese beruhen insbesondere auch auf
den Gesprächen mit Automatenaufstellern und Verbandsvertretern. Darüber hinaus
wurde in der Sitzung des Haupt-, Finanz-, Beteiligungs- und Personalausschusses vom
8. Dezember 2005 dem Geschäftsführer einer Automatenaufstellerin einstimmig ein
Rederecht eingeräumt. Dieser Geschäftsführer hat die wirtschaftlichen Einflüsse der
Besteuerungshöhe aus unternehmerischer Sicht dargestellt. Daran schloss sich die
Diskussion im Ausschuss an.
174
Vgl. Niederschrift über die Sitzung des Haupt-, Finanz-, Beteiligungs- und
Personalausschusses vom 8. Dezember 2005, S. 14 ff.
175
Eine andere Sichtweise mag für den Fall gerechtfertigt sein, dass aus der Entwicklung
des Gerätebestandes in der Vergangenheit schon der Verdacht einer erdrosselnden
Wirkung der Steuer - bei sonst gleichbleibenden Rahmenbedingungen - gerechtfertigt
gewesen wäre und der Satzungsgeber gleichwohl eine Besteuerung gewählt hätte, die
eine im Wesentlichen unveränderte Steuerlast bedeutet hätte. Von einer solchen
Ausgangssituation kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein.
176
Die hier streitgegenständliche Steuer wird zudem sowohl Art. 12 Abs. 1 GG, wonach
alle Deutschen das Recht haben, u.a. ihren Beruf frei zu wählen, als auch Art. 14 Abs. 1
u. 2. GG, wonach das Eigentum gewährleistet und dessen Inhalt und Schranken durch
die Gesetze bestimmt werden, gerecht, da sie - wie dargelegt - keine erdrosselnde
Wirkung hat.
177
Vgl. zum Erfordernis der erdrosselnden Wirkung insoweit z.B. BVerfG, Beschluss vom 1.
April 1971 - 1 BvL 22/67 -, BVerfGE 31, S. 8 ff.; BVerfG, Urteil vom 8. April 1997 - 1 BvR
48/94 -, BVerfGE 95, S. 267 ff.; BVerfG, Beschluss vom 18. Januar 2006 - 2 BvR
2194/99 -, BVerfGE 115, S. 97 ff.
178
Soweit auch unterhalb der Ebene der erdrosselnden Wirkung der verfassungsrechtliche
Schutz des Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 GG als Gebot einer verhältnismäßigen Inhalts- und
Schrankenbestimmung eingreift,
179
vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 18. Januar 2006 - 2 BvR 2194/99 -, BVerfGE 115, S.
97 ff.,
180
hält die Kammer gleichwohl bei der Spielautomatensteuer die Grenze zur
181
unverhältnismäßigen und daher unzulässigen Inhaltsbestimmung erst für überschritten,
wenn diese Steuer erdrosselnde Wirkung hat: Diese Grenzziehung beruht auf der
besonderen Bedeutung, welche dem Lenkungszweck der Spielautomatensteuer bei der
Bekämpfung krankhaften Suchtverhaltens zukommt.
Schließlich verstößt die in Art. 2 der Änderungssatzung vom 20. September 2006
rückwirkend zum 1. Januar 2006 erfolgte Änderung der Vergnügungssteuersatzung vom
19. Dezember 2002 in der Fassung der Änderungssatzung vom 21. Dezember 2005
nicht gegen das aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende
rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebot.
182
Den Steuerpflichtigen kommt dieser rechtsstaatlich zu beachtende Vertrauensschutz
gegenüber der Rückwirkung eines Steuergesetzes dann nicht zu, wenn die
Steuerpflichtigen im maßgeblichen Erhebungszeitraum, auf den der Eintritt der
Rechtswirkung vom Gesetz zurückbezogen wird, mit der getroffenen Regelung rechnen
mussten. Gerade die rechtsstaatliche Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen
und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die das Grundgesetz in weitgehendem
Umfange verwirklicht, führt notwendig dazu, dass der Gesetzgeber Verhältnisse, die er
oder die Verwaltung gesetzlich geregelt glaubten, auf Grund gerichtlicher Entscheidung
dann aber nicht oder anders als angenommen geregelt finden. Die Rechtsstaatlichkeit
kann in einer solchen Situation den Gesetzgeber zu rückwirkenden Regelungen
veranlassen.
183
Vgl. z.B. Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 17. April 1973 - 7 C 23.72 -,
KStZ 1973, S. 219 f.; BVerwG, Beschluss vom 22. November 1996 - 8 B 221/96 -, Juris-
Dokument; jew. m.w.N.
184
Der Satzungsgeber sah sich zu der hier interessierenden 2. Änderungssatzung durch
die Erfahrungen einer anderen Kommune veranlasst. Diese Kommune hatte eine
Definition des Begriffes "Einspielergebnis" gefunden, die - wie die nachfolgenden
Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Düsseldorf und des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen auch bestätigt haben - rechtlichen Bedenken nicht
(mehr) begegnete. Eine Änderung der Erhebungspraxis war mit dieser Änderung der
Formulierung im Übrigen nicht verbunden.
185
Vgl. Beschlussvorlage 04-09/3092 vom 15. August 2006, S. 2; dazu OVG NRW, Urteil
vom 6. März 2007 - 14 A 608/05 -, KStZ 2007, S. 94 ff. (S. 95);
186
(3)
187
Die Vergnügungssteuersatzung der Stadt H1. ist im hier interessierenden Umfang auch
mit den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen
vereinbar.
188
Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 KAG können Gemeinden Steuern erheben. Dies muss
aufgrund einer Satzung geschehen, § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG. Dies ist hier der Fall. Nach §
2 Abs. 1 Satz 2 KAG muss die Satzung den Kreis der Abgabeschuldner, den die
Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab und den Satz der Abgabe sowie den
Zeitpunkt ihrer Fälligkeit angeben.
189
Der Steuertatbestand ergibt sich hier aus § 1 Nr. 6 VStS. Danach unterliegt im Gebiet
190
der Stadt H1. das Halten von Spiel-, Musik-, Geschicklichkeits-, Unterhaltungs- oder
ähnlichen Apparaten, insbesondere auch von Personalcomputern, die überwiegend
zum individuellen Spielen oder zum gemeinsamen Spielen in Netzwerken oder über
das Internet verwendet werden, in Spielhallen oder ähnlichen Unternehmen (a) bzw.
Gastwirtschaften, Beherbergungsbetrieben, Vereins-, Kantinen- oder ähnlichen Räumen
sowie an anderen für jeden zugänglichen Orten (b) der Besteuerung. Steuerschuldner
ist gem. § 3 Satz 3 VStS ist in den Fällen des § 1 Nr. 6 VStS der Halter der Apparate
(Aufsteller) als Veranstalter. Der Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuer ergibt sich aus § 12
VStS.
Den Maßstab (Einspielergebnis) und den Satz der Abgabe (14 vom Hundert) enthält § 6
VStS.
191
Bei der Ausgestaltung des Abgabemaßstabes eröffnet die dem gemeindlichen
Satzungsgeber zuwachsende Besteuerungsgewalt diesem einen weitreichenden
Spielraum zur Ausgestaltung, Veränderung oder auch Fortentwicklung der Steuer.
192
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 03. Mai 2001 - 1 BvR 624/00 -, a.a.O.
193
Im Falle einer gerichtlichen Überprüfung hat das Gericht nur die Einhaltung der
äußersten Grenzen nachzuprüfen, nicht aber, ob der Gesetzgeber im Einzelfall die
jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat.
194
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 01. April 1971 - 1 BvL 22/67 -, a.a.O. (S. 25f.)
195
Der Gestaltungsspielraum entbindet aber nicht von der Notwendigkeit, dass der
Steuermaßstab grundsätzlich geeignet sein muss, den zu besteuernden
Vergnügungsaufwand zumindest entfernt abzubilden. Der Maßstab muss zumindest
einen lockeren Bezug zum eigentlich Steuergut, dem Vergnügungsaufwand des
Spielers, aufweisen.
196
Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. April 2005 - 10 C 5.04 -, Juris-Dokument.
197
Einspielergebnis ist hier der Betrag der elektronisch gezählten Bruttokasse. Dieser
errechnet sich aus der elektronisch gezählten Kasse zuzüglich Röhrenentnahme (sog.
Fehlbetrag), abzüglich Röhrenauffüllung, Falschgeld, Prüftestgeld und Fehlgeld, § 6
Abs. 2 VStS.
198
Gegen eine Regelung dieser Art bestehen rechtliche Bedenken nicht.
199
Vgl. zu einer vergleichbaren Satzungsregelung Oberverwaltungsgericht für das Land
Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 6. März 2007 - 14 A 608/05 -, KStZ 2007,
S. 94 ff. (S. 95).
200
Auch der Steuersatz von 14 vom Hundert des Einspielergebnis hält entgegen der - in
der mündlichen Verhandlung in Ansehung der Kammerurteile vom 29. November 2007
(u.a. Az.: 2 K 2199/06) weiter vertieften - Auffassung der Klägerseite einer rechtlichen
Überprüfung stand.
201
Im Hinblick auf den Steuersatz hat der Satzungsgeber die Aufgabe, die tatsächlichen
Grundlagen der Besteuerung sorgfältig zu ermitteln und unter Beachtung der
202
Bruttoeinnahmen und Abwägung der Interessen aller Betroffenen angemessene
Steuersätze zu finden.
Vgl. z.B. Sächsisches Oberverwaltungsgericht (SächsOVG), Beschluss vom 19.
Dezember 2006 - 5 B 242/06 -, NVwZ-RR 2007, S. 553.
203
Die Verwaltung hatte in ihrer Beschlussvorlage vom 17. November 2005 (Az.: 04-
09/2048) zunächst auf der Grundlage eigener Ermittlungen bei Automatenaufstellern
vorgeschlagen, die Besteuerung von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit
anhand des Einspielergebnisses durchzuführen. Einspielergebnis sei der Gesamtbetrag
der eingesetzten Spielbeträge abzüglich der ausgezahlten Gewinne. Pro Apparat und
Monat sollten 12 vom Hundert des Einspielergebnisses als Steuer abgeführt werden.
Dadurch bliebe das Gesamtaufkommen der Steuer in etwa gleich. Hinsichtlich eines
Steuersatzes von 14 vom Hundert wurde darauf hingewiesen, dass mit weiteren
erheblichen Anfechtungen und erneuten Versuchen zum Nachweis einer
Erdrosselungswirkung zu rechnen sei.
204
In seiner Sitzung vom 8. Dezember 2005 gab der Haupt-, Finanz-, Beteiligungs- und
Personalausschuss keine Beschlussempfehlung ab. Im Rahmen der Beratung, die sich
an die vorerwähnte Darstellung der wirtschaftlichen Einflüsse der Besteuerungshöhe
aus unternehmerischer Sicht durch einen Automatenaufsteller anschloss, vertrat
insbesondere die CDU einen Steuersatz von 14 vom Hundert. Man müsse die Situation
der Automatenaufsteller berücksichtigen, dürfe jedoch die Situation der Stadt H1. nicht
außer Acht lassen. Eine Anhebung des Steuersatzes auf 14 vom Hundert sei
erforderlich, um nicht einen Verlust von 350.000,00 Euro hinzunehmen. Eine
Erdrosselungswirkung werde nicht gesehen. Mittlerweile gebe es eine Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofes, wonach die Erhebung der Umsatzsteuer auf
Geldspielautomaten mit dem geltenden EU-Recht zur Zeit nicht vereinbar sei. Vor
diesem Hintergrund trete eine deutliche Entlastung der Automatenaufsteller ein.
Verwaltungsseitig solle geklärt werden, wie es aussehe, wenn sich die Rechtsprechung
in diesem Bereich ändere. Die Verwaltung sagte die Vorbereitung einer Einschätzung
der Rechtssituation bei einem Steuersatz von 14 vom Hundert für die nächste
Ratssitzung zu.
205
In ihrer Mitteilung vom 14. Dezember 2005 (Az.: 04-09/2157) führte die Verwaltung unter
Auswertung der bisher bekannten obergerichtlichen und höchstrichterlichen
Rechtsprechung aus, dass eine erdrosselnde Wirkung der vorgeschlagenen
Steuersätze nicht gesehen werde. Die in der Beschlussvorlage vom 17. November 2005
errechneten Durchschnittswerte von 204,00 Euro pro Gerät und Monat (bei einem
Steuersatz von 12 vom Hundert) bzw. 238,00 Euro (bei einem Steuersatz von 14 vom
Hundert) lägen noch so weit von den gerichtlich angedeuteten Grenzen entfernt, dass
eine erdrosselnde Wirkung nicht gesehen werde. Im Rahmen der Beratung im Rat der
Stadt H1. am 15. Dezember 2005 wurde bei einer Enthaltung dem Steuersatz von 14
vom Hundert einstimmig zugestimmt. Der Redebeitrag des Vertreters der CDU, welcher
auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes hinwies, stellte dabei die als
schwierig eingestufte Haushaltssituation der Stadt H1. in den Vordergrund. Andere
Redner wiesen auf einen Lenkungszweck hin.
206
Unter dem 13. Juni 2006 beantragte die CDU-Ratsfraktion (Az.: 04-09/2912), für die
Sitzung des Haupt-, Finanz-, Beteiligungs- und Personalausschusses am 7. September
2006 den Tagesordnungspunkt "Sachstandsbericht zur Entwicklung auf dem Gebiet der
207
Vergnügungssteuer 2006" auf die Tagesordnung zu setzen. Der Umstand, dass auf
Grund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes eine Erhebung von
Umsatzsteuer auf Geräteumsätze seinerzeit nicht mit dem geltenden Recht in Einklang
zu bringen gewesen sei, habe sich durch das zum 6. Mai 2006 in Kraft getretene Gesetz
zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltung geändert. Nunmehr sei die
Unterscheidung von Spielautomatenumsätzen in öffentlich rechtlichen Spielbanken und
in anderen Unternehmen beseitigt worden. Weiterhin sei der Umsatzsteuersatz von 16
vom Hundert auf 19 vom Hundert angehoben worden. Zu dem gewünschten Bericht
wurde der Verwaltung ein Fragenkatalog vorgelegt, den die Verwaltung mit der Vorlage
vom 11. August 2006 (Az.: 04-09/3085) beantwortete. Darin führte die Verwaltung u.a.
aus:
"Die eingehenden Vergnügungssteuererklärungen zeigen, dass das durchschnittliche
Einspielergebnis pro Spielapparat, welches der damaligen Einschätzung zur
Bestimmung des Steuersatzes von 14 % zugrunde lag, nur in Einzelfällen erreicht oder
überschritten wird. Von daher sieht die Verwaltung keinen Handlungsbedarf hinsichtlich
eines Absenkens des Steuersatzes, nach derzeitige Einschätzung und erst nach
Verarbeitung der diesjährigen Erklärungen bzw. der ergangenen Schätzungen können
konkrete Neuberechnungen erfolgen.
208
In Einschätzung einer ersten Tendenz deutet sich eher eine Erhöhung als ein Absenken
an.
209
Aus der Sicht der Verwaltung haben sich die Fragen der Erdrosselungswirkung und der
steuerlichen Rahmenbedingungen der Unternehmen (auch zur Umsatzsteuer)
ausgehend von den Zahlen und Belastungen der Vorjahre nicht so gravierend geändert,
dass eine Änderung zum Steuersatz notwendig wird, bzw. zu den laufenden Verfahren
ratsam erscheint."
210
In der Ratsvorlage vom 14. August 2006 (Az.: 04-09/3092), welche die
Vergnügungssteuersatzung insbesondere den Erkenntnissen aus der Rechtsprechung
anpassen sollte (s.o.), wurde seitens der Verwaltung hinsichtlich des Steuersatzes kein
Handlungsbedarf gesehen. Die Änderungsvorschläge der Verwaltung wurden seitens
des Rates der Stadt H1. in der Sitzung am 14. September 2006 bei einer Gegenstimme
angenommen.
211
Angesichts dessen ist festzuhalten, dass der Satzungsgeber sich mit der Frage des
Steuersatzes eingehend auseinandergesetzt und auch die Änderungen, die durch die
Wiedererhebung der Umsatzsteuer und deren Erhöhung auf 19 vom Hundert
eingetreten sind, erwogen hat. Es war für die diesbezügliche Abwägung nicht mehr
erforderlich, im Einzelnen die Auswirkungen der Wiedereinführung der Umsatzsteuer zu
prüfen, auch nicht vor dem Hintergrund des erhöhten Umsatzsteuersatzes. Die
ursprünglich seitens der Verwaltung vorgelegten Berechnungsmodelle (Sitzungsvorlage
04-09/2048 vom 17. November 2005) beruhen auf Erkenntnissen, die aus Zeiten der
Umsatzsteuererhebung stammen. Hierauf hat die Verwaltung in ihrem
Sachstandsbericht vom 11. August 2006 (Sitzungsvorlage 04-09/3085) sich ersichtlich
bezogen. Vor diesem Hintergrund durfte der Rat den Belangen des Haushaltes der
Stadt H1. besondere Bedeutung zumessen und deshalb an einem Steuersatz von 14
vom Hundert angesichts der bisher gewonnenen Erfahrungen festhalten.
212
Hinsichtlich der Geldspielgeräte ohne Gewinnmöglichkeit wird ergänzend darauf
213
hingewiesen, dass die Kammer sich der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts,
vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2005 - 10 CN 1/05 -, NVwZ 2006, S. 461 ff. (S.
465),
214
anschließt und die Besteuerung von Geldspielgeräten ohne Gewinnmöglichkeit nach
dem Stückzahlmaßstab für sich genommen als grundsätzlich rechtmäßige und sinnvolle
Erhebung einer Aufwandsteuer ansieht.
215
Nach alledem ist die seit 1. Januar 2006 geltende Vergnügungssteuersatzung der Stadt
H1. wirksame Ermächtigungsgrundlage für die Besteuerung von Geldspielgeräten mit
Gewinnmöglichkeit.
216
Anhaltspunkte dafür, dass die Steuerfestsetzungen selbst rechtlichen Bedenken
begegnen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
217
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
218
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m.
§§ 708 Nr. 11, 709, 711 der Zivilprozessordnung.
219
Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung folgt aus §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124
Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
220
221