Urteil des VG Gelsenkirchen vom 18.02.2005

VG Gelsenkirchen: beförderung, voreingenommenheit, erlass, vorschlag, gespräch, zusage, zusicherung, ausschreibung, wiederholung, rechtsverletzung

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 12 L 192/05
Datum:
18.02.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 L 192/05
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragsstellerin trägt die Kosten des
Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des
Beigeladenen, die dieser selbst trägt. Der Streitwert wird auf 2500 Euro
festgesetzt.
G r ü n d e:
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Der Antrag,
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dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Stelle der
Präsidentin/des Präsidenten des Oberlandesgerichts (R 8) in Köln mit einem
Mitbewerber zu besetzen, bevor nicht der Antragsgegner über die Bewerbung der
Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung der Gerichts erneut entschieden
hat,
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hat keinen Erfolg.
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Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs.
1 Satz 1, Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
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Bei der Entscheidung, welchen von mehreren in Betracht kommenden Bewerbern eine
Beförderungsstelle übertragen wird, ist das Prinzip der Bestenauslese zu beachten. Der
Dienstherr hat Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber zu bewerten
und zu vergleichen (Art. 33 Abs. 2 GG, § 7 Abs. 1 LBG NRW, § 4 Abs. 1 Satz 1 LRiG
NRW). Ist ein Bewerber besser qualifiziert, darf er nicht übergangen werden. Bei im
Wesentlichen gleicher Qualifikation der Konkurrenten liegt die Auswahl im
pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Der einzelne Bewerber hat insoweit ein
Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Stellenbesetzung (so genannter
Bewerbungsverfahrensanspruch). Dieses Recht ist nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO
sicherungsfähig.
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Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass die Verletzung des Rechts
auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Beförderungsbegehren glaubhaft
gemacht worden ist und die Möglichkeit besteht, dass die noch zu treffende rechtmäßige
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Auswahlentscheidung tatsächlich zur Beförderung der Antragstellerin führt. Mit dem
letztgenannten Erfordernis wird zwei für den vorläufigen Rechtsschutz im
Konkurrentenstreit wesentlichen Aspekten Rechnung getragen: Zum einen besteht für
die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kein Anlass, wenn feststeht, dass die
geltend gemachte Rechtsverletzung für das Entscheidungsergebnis bedeutungslos ist,
wenn also die mit dem Hauptsacheverfahren verfolgte Wiederholung des
Stellenbesetzungsverfahrens unter Vermeidung der Rechtsverletzung zu keiner für die
Antragstellerin günstigeren Entscheidung führen kann. Zum anderen muss für den
Erlass einer einstweiligen Anordnung die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung
genügen. Dass die erneute Entscheidung des Antragsgegners (Dienstherr)
zwangsläufig oder auch nur mutmaßlich zugunsten der Antragstellerin ausfallen wird,
kann dagegen nicht verlangt werden. Es genügt vielmehr für die Wiederholung der
Auswahlentscheidung jeder Fehler im Auswahlverfahren einschließlich etwaiger Fehler
der dabei zugrunde gelegten dienstlichen Beurteilungen, der für das Auswahlergebnis
kausal gewesen sein kann; vorausgesetzt werden dabei die Berücksichtigungsfähigkeit
des Fehlers und dessen potenzielle Kausalität für das Auswahlergebnis. OVG NRW,
Beschlüsse vom 13. September 2001 - 6 B 1776/00 - und 19. Dezember 2003 - 1 B
1972/03 -.
Ein den Bewerbungsverfahrensanspruch tragender Fehler ist nicht darin zu erblicken,
dass der Antragstellerin nach ihren eigenen Angaben im Zusammenhang mit der
Besetzung anderer hochrangiger Beförderungsstellen in der Justiz von früheren
Justizministern und vom vorherigen Justizstaatssekretär die Beförderung auf die Stelle
der Präsidentin des Oberlandesgerichts Köln „zugesagt" worden sein soll. Eine solche
„Zusage" hätte nur dann rechtsrelevante Bedeutung, wenn sie die Voraussetzungen der
Zusicherung gemäß 38 VwVfG erfüllte. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Bestimmung bedarf
die Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt (hier: Ernennung zur Präsidentin des
Oberlandesgerichts) später zu erlassen, zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form.
Fehlt die Schriftform, ist die Zusage unverbindlich. Vgl. zur Anwendbarkeit des § 38
VwVfG im öffentlichen Dienstrecht und zu seinen Rechtsfolgen: Schnellenbach,
Beamtenrecht in der Praxis, 5. Auflage, Rdn. 28.
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Soweit der Antragstellerin ihre Beförderung zur Präsidentin des Oberlandesgerichts
Köln tatsächlich „versprochen" worden sein sollte, was nach dem die dienstliche
Beurteilung der Antragstellerin betreffenden Widerspruchsbescheid des Präsidenten
des Oberlandesgerichts Xxxx vom 13. Januar 2004 (S. 13) jedenfalls nicht
ausgeschlossen erscheint, könnte eine solche Zusicherung schon wegen mangelnder
Beachtung des beschriebenen Formerfordernisses einen Anspruch auf die begehrte
Beförderung nicht begründen.
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Ebenso wenig liegt ein Verfahrensfehler vor, der seinen Grund in der Person des
amtierenden Justizministers des Landes Nordrhein-Westfalen (Justizminister) hat. Die
Antragstellerin trägt hierzu erstmals vor, der Justizminister sei als „Entscheider"
voreingenommen gewesen. Er sei schon vor der Ausschreibung der streitbefangenen
Stelle in Unkenntnis des Bewerberfeldes und in Unkenntnis der noch zu erstellenden
dienstlichen Beurteilungen der potenziellen Bewerber insofern festgelegt gewesen,
dass jedenfalls sie - die Antragstellerin - die Stelle nicht erhalten werde. Vertiefend hat
sie dazu bereits im (erledigten) einstweiligen Rechtsschutzverfahren 12 L 3137/03, auf
das sie Bezug nimmt, ausgeführt, der Justizminister habe ihr am 26. Februar 2003 - also
vor der am 1. April 2003 erfolgten Ausschreibung der Stelle - in einem etwa zwei bis drei
Minuten dauernden Gespräch erklärt, sie komme für die Position einer Präsidentin des
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Oberlandesgerichts in Köln nicht in Betracht. Als Grund habe er angegeben, sie erfülle
nicht das Anforderungsprofil. Trotz Nachfrage habe er ihr nicht erklärt, wie das
Anforderungsprofil aussehe und welche Defizite er bei ihr entdecke. Weitere Gründe
habe er mit dem Hinweis, er halte nichts von derartigen Gesprächen, nicht genannt. Er
habe ihr nur dringend davon abgeraten, sich zu bewerben.
Es kann offen bleiben, ob eine Voreingenommenheit des Justizministers in einem
Besetzungsverfahren der vorliegenden Art den Bewerbungsverfahrensanspruch
verletzen kann. Selbst wenn man die Mitwirkung des Justizministers in diesem
Besetzungsverfahren - sei es durch die verwaltungsorganisatorische Vorbereitung der
Stellenbesetzung und den Besetzungsvorschlag gegenüber der Landesregierung, sei
es durch die die Stellenbesetzung betreffende Entscheidung der Landesregierung,
welcher der Justizminister angehört (Art. 51 LVerf NRW) - als verfahrensrelevant
ansähe, wäre diese rechtlich nicht zu beanstanden. Denn eine tatsächliche
Voreingenommenheit des Justizministers gegenüber der Antragstellerin ist aus der Sicht
eines objektiven Dritten nicht festzustellen. Der aus dem vorgenannten Gespräch mit
dem Justizminister offenbar gezogene Schluss der Antragstellerin, der Ausgang des
Besetzungsverfahrens sei durch eine Voreingenommenheit des Justizministers
beeinflusst worden, ist nicht durch entsprechende Tatsachenbehauptungen
substanziiert worden. Vielmehr verdeutlicht das bisherige - vom Justizministerium
durchgeführte - Besetzungsverfahren, welches das Gericht anhand des ihm
vorliegenden Besetzungsvorganges nachzeichnen kann, dass der Justizminister und
das ihm zugeordnete Justizministerium den durch Art. 33 Abs. 2 GG
(Bestenausleseprinzip) festgelegten Rahmen für die Auswahl des bestqualifizierten
Bewerbers beachtet hat. Eine von vornherein auf eine sachwidrige oder gar willkürliche
Benachteiligung der Antragstellerin angelegte Vorgehensweise als Spiegelbild der von
ihr vorgetragenen ministeriellen Äußerungen ist nicht andeutungsweise erkennbar. Dies
kennzeichnet folgender - rechtlich nicht zu beanstandende - Ablauf des bisherigen
Besetzungsverfahrens: Der Justizminister hat das (konstitutive) Anforderungsprofil der
Antragstellerin für die Stelle der Präsidentin/des Präsidenten des Oberlandesgerichts in
Köln zutreffend nicht in Frage gestellt und demzufolge den Präsidenten des
Oberlandesgerichts Xxxx aus Anlass der Bewerbung der Antragstellerin um diese Stelle
um eine Personal- und Befähigungsnachweisung, also um eine dienstliche Beurteilung
gebeten. Die dienstliche Beurteilung der Antragstellerin erfolgte unter dem 25. August
2003. Die auf die dienstliche Beurteilung bezogene „Gegenvorstellung" der
Antragstellerin vom 1./5. September 2003 und der hierauf erfolgte Bescheid des
Präsidenten des Oberlandesgerichts Xxxx vom 15. September 2003, nach dem kein
Grund für eine Ergänzung oder Änderung der dienstlichen Beurteilung gesehen wurde,
haben Justizstaatssekretär Xxxxx veranlasst, sich am 23. Oktober 2003 in einem etwa
neunzigminütigen Gespräch vom Präsidenten des Oberlandesgerichts Xxxx die
Tatsachen vortragen zu lassen, „die Grundlage für seine über Frau Xxxxx erstellte
Beurteilung vom 25.08.2003 waren", und diesen zu der dienstlichen Beurteilung im
Übrigen zu befragen (Vermerk vom 20. November 2003). Für Justizstaatssekretär Xxxxx
„sind keine Fragen unbeantwortet geblieben", und er konnte aufgrund dieser Tatsachen
„die Wertungen in der Beurteilung vom 25.08.2003 nachvollziehen". Auf der Grundlage
der dienstlichen Beurteilungen der Antragstellerin und des Beigeladenen hat der
Justizminister - konsequent - einen Qualifikationsvorsprung des Beigeladenen
gegenüber der Antragstellerin angenommen und demzufolge den Vorschlag erarbeitet,
„den Präsidenten des Landesjustizprüfungsamtes Xxxxx unter Berufung in das
Richterverhältnis auf Lebenszeit zum Präsidenten des Oberlandesgerichts (BesGr. R 8)
in Köln zu ernennen und ihm die Stelle Xxxxx zu übertragen". Daraufhin ist der
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(beabsichtigte) Vorschlag sowohl dem Vorsitzenden des Präsidialrats für die ordentliche
Gerichtsbarkeit (u.a. mit den Personal- und Befähigungsnachweisungen der Bewerber)
mit der Bitte um Stellungnahme als auch dem Innenministerium (mit
Hauptpersonalakten des Beigeladenen) und dem Finanzministerium des Landes
Nordrhein-Westfalen übersandt worden. Erst nachdem der Präsidialrat für die
ordentliche Gerichtsbarkeit am 17. November 2003 den Beschluss gefasst hatte, dass er
gegen den beabsichtigten Vorschlag keine Einwendungen erhebe, und das
Innenministerium (14. November 2003) sowie das Finanzministerium (13. November
2003) des Landes Nordrhein- Westfalen dem Personalvorschlag zugestimmt hatten, hat
das Justizministerium der Antragstellerin unter dem 21. November 2003 mitgeteilt, dass
beabsichtigt sei, die Stelle des Präsidenten/der Präsidentin des Oberlandesgerichts in
Köln dem Mitbewerber zu übertragen. Auch in dem anschließenden einstweiligen
Anordnungsverfahren (12 L 3137/03), das die vorläufige Untersagung der Besetzung
der Stelle des Präsidenten/ der Präsidentin des Oberlandesgerichts in Köln mit dem
Beigeladenen zum Gegenstand hatte, sind keine Anhaltspunkte sichtbar geworden, die
auf eine Voreingenommenheit des Justizministers gegenüber der Antragstellerin
schließen ließen. Der Justizminister hat sich in jenem Verwaltungsstreitverfahren durch
seine Prozessvertreter im Gegenteil in mehreren Erörterungen unter Leitung des
Vorsitzenden des beschließenden Gerichts um eine gütliche und auch für die
Antragstellerin vertretbare Einigung bemüht.
Der Anspruch der Antragstellerin auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die
Beförderung ist auch im Übrigen nicht durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung
zu sichern, weil die dienstliche Beurteilung der Antragstellerin rechtmäßig ist und damit
der Auswahlentscheidung nicht die Grundlage entzogen ist. Das Gericht hat ausweislich
des am 17. Dezember 2004 verkündeten Urteils im korrespondierenden
Beurteilungsstreitverfahren 12 K 1040/04 im Ergebnis keinen Anlass zur Beanstandung
der dienstlichen Beurteilung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Xxxx vom 25.
August 2003 gesehen. Das Gericht hält auch in Würdigung der Gründe des - das
vorgenannte Urteil betreffenden - Antrages auf Zulassung der Berufung, welche die
Antragstellerin zum Gegenstand des vorliegenden vorläufigen Rechtsschutzantrages
gemacht hat, an seiner Rechtsauffassung zur Rechtmäßigkeit der dienstlichen
Beurteilung fest.
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Da die dienstliche Beurteilung das vorrangig bedeutsame Erkenntnismittel für die am
Bestenausleseprinzip (Art. 33 Abs. 2 GG) auszurichtende Beförderungsentscheidung ist,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2002 - 2 BvQ 25/02 -, ZBR 2002, 395 (396); BVerwG,
Urteil vom 27. Februar 2003 - 2 C 16/02 -, NVwZ 2003, 1397 f.,
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weist hiernach der Beigeladene aufgrund seiner dienstlichen Beurteilung vom 16. Juni
2003 einen Qualifikationsvorsprung gegenüber der Antragstellerin im Hinblick auf die
Besetzung der streitbefangenen Stelle auf. (wird ausgeführt).
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG, wobei in diesem
vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Hälfte des Auffangstreitwertes zugrunde zu legen
ist.
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