Urteil des VG Gelsenkirchen vom 22.06.2005

VG Gelsenkirchen: hund, befreiung, rasse, vorbehalt des gesetzes, auflage, öffentliche sicherheit, behörde, körperliche unversehrtheit, anfechtungsklage, amtshandlung

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 16 K 668/02
Datum:
22.06.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
16 Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 K 668/02
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit es die Beteiligten in der
Hauptsache für erledigt erklärt haben. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen. Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger 7/8 und
der Beklagte 1/8. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des auf Grund
des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der
Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger ist Eigentümer und Halter des etwa Ende 1996 geborenen Pitbull-
Mischlinghundes „Angie" und des etwa Anfang 1998 geborenen American Staffordshire-
Mischlinghundes „Kira". Er beantragte für beide Hunde jeweils eine
Hundehaltungserlaubnis nach der zum 31. Dezember 2002 außer Kraft getretenen
Landeshundeverordnung NRW - LHV NRW - sowie eine Befreiung von der Anlein- und
Maulkorbpflicht. Jeweils unter dem 16. August 2001 erteilte der Beklagte die begehrten
Bescheide. Die Hundehaltungserlaubnis für den Hund „Angie" erging unter dem
Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs und ist bis zum 31. August 2006 befristet. Weiter
enthält die Erlaubnis folgende acht als „Auflagen" bezeichnete Zusätze: aa. Bei
Wohnungswechsel ist der Hund/sind die Hunde bei der bisher zuständigen
Ordnungsbehörde abzumelden. bb. Das Abhandenkommen eines Hundes ist
unverzüglich mitzuteilen. cc. Der Tod und die Abgabe eines Hundes sind unter Angabe
des Todes- bzw. Abgabetages sowie von Name und Anschrift des neuen Halters
unverzüglich anzuzeigen. Der Erlaubnisbescheid ist der ausstellenden Behörde
zurückzugeben. dd. Die Erlaubnis ist beim Ausführen des Hundes/der Hunde
mitzuführen. ee. Der Hund/die Hunde darf/dürfen nur solchen Personen überlassen
werden, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und körperlich in der Lage sind, den
Hund/die Hunde sicher zu halten. ff. Der Hund/die Hunde müssen an einer reißfesten
Leine geführt werden, die nicht länger als 1,50 m sein darf. gg. Der Hund/die Hunde
kann/können anstelle eines „echten" Maulkorbs auch eine andere, das Beißen
verhindernde Vorrichtung, z. B. ein Kopfhalfter, tragen. Der Maulkorb oder eine andere
gleichwertige Vorrichtung müssen sachgemäß angewendet werden und auch
tatsächlich das Beißen verhindern. hh. Da die Umzäunung des Gartens teilweise eine
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Höhe hat, die vom Hund übersprungen werden kann, darf dieser nur in Begleitung einer
erwachsenen Aufsichtsperson den Garten betreten.
Für die Erteilung der Erlaubnis wurde ein Gebühr in Höhe von 180,00 DM nach
Tarifstelle 30.5. der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung - AVwGebO -
festgesetzt.
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Die Befreiung von der Anlein- und Maulkorbpflicht für den Hund „Angie" war ebenfalls
mit einem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs versehen und ist bis zum 31. August
2006 befristet. Weiter enthält der Befreiungsbescheid folgenden Zusatz: aa) „Um eine
Verlängerung dieser Genehmigung zu erlangen, müssen sie vor Ablauf der genannten
Frist die erfolgreiche Wiederholung der Verhaltensprüfung/ Begleithundeprüfung
nachweisen." Der Befreiungsbescheid enthält folgende als „Auflagen" bezeichnete
Zusätze: bb) Die Ausnahmegenehmigung ist beim Ausführen des Hundes mitzuführen.
cc) Innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile auf öffentlichen Straßen und
Plätzen sowie in öffentlichen Verkehrsmitteln darf der Hund nur angeleint geführt
werden. Für die Erteilung des Befreiungsbescheides wurde eine Verwaltungsgebühr in
Höhe von 50,00 DM nach Tarifstelle 30.5. der AVwGebO festgesetzt.
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Eine gleichlautende Hundehaltungserlaubnis wurde dem Kläger für den Hund „Kira"
erteilt, wobei für die Erteilung dieser Erlaubnis keine Gebühr festgesetzt wurde. Weiter
wurde auch eine gleichlautende Befreiung von der Anlein- und Maulkorbpflicht für den
Hund „Kira" erteilt.
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Mit Schreiben vom 4. und vom 25. September 2001 erhob der Kläger gegen alle vier
Bescheide des Beklagten Widerspruch, soweit darin Nebenbestimmungen und
Inhaltsbeschränkungen angeordnet und Gebühren festgesetzt wurden. In der weiteren
Widerspruchsbegründung vom 16. Oktober 2001 beantragte der Kläger, ihm das zu den
Akten gereichte polizeiliche Führungszeugnis zurückzugeben, ohne dass darüber ein
Vermerk in die Verfahrensakte aufgenommen werde. Der Kläger machte in der
Widerspruchsbegründung geltend, die LHV NRW sei rechtswidrig und damit nichtig. Die
Anordnung der Nebenbestimmungen sei weiter ohne die gebotene vorherige Anhörung
und ohne schriftliche eigenständige Begründung erfolgt. Die Nebenbestimmungen und
Inhaltsbestimmungen seien weiter ermessensfehlerhaft angeordnet worden. Mit
Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2002 wies der Landrat des Kreises S. die
Widersprüche des Klägers als unbegründet zurück. Die Widerspruchsbehörde führte
aus, die Bestimmungen der LHV NRW seien rechtmäßig und damit wirksam. Es sei
zulässig und geboten, die Haltererlaubnisse mit Nebenbestimmungen und
einschränkenden Auflagen zu versehen. Ermächtigungsgrundlage dafür sei § 4 Abs. 4
LHV NRW. Die Widerspruchsbehörde nahm zu den einzelnen Nebenbestimmungen
Stellung. Auf die entsprechende Begründung im Widerspruchsbescheid wird Bezug
genommen. Weiter sei es zulässig und geboten, die Befreiungen vom Leinen- und
Maulkorbzwang mit Nebenbestimmungen und einschränkenden Auflagen zu versehen.
Auch insoweit wird auf die Begründung im Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Die Widerspruchsbehörde führte weiter aus, die fehlende Anhörung nach § 28 Abs. 1
des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG - sei mit der Durchführung des
Widerspruchsverfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt. Auch die zum Teil
unterbliebene Begründung der Auflagen sei gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG mit dem
vorliegenden Widerspruchsbescheid geheilt. Abschließend wies die
Widerspruchsbehörde darauf hin, der Beklagte sei berechtigt, das polizeiliche
Führungszeugnis zu behalten. Ein Herausgabeanspruch des Klägers bestehe nicht.
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Der Kläger hat am 19. Februar 2002 Klage erhoben. Er vertieft sein Vorbringen aus dem
Verwaltungsverfahrens und macht weiter geltend, die LHV NRW sei nichtig wegen der
Anknüpfung an einzelne Hunderassen, Verstoßes gegen europarechtliche Vorschriften,
Verstoßes gegen kompetenzrechtliche Normsetzungsvorschriften und Verstoßes gegen
das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Begründung der
Nebenbestimmungen genüge nicht der Vorschrift des § 39 VwVfG. Insbesondere seien
keine Angaben zur Dauer der Befristung der angefochtenen Bescheide erfolgt. Es fände
sich keine Begründung, warum bereits in der LHV geregelte Anordnungen durch die
Nebenbestimmungen wiederholt würden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum in den
beiden Hundehaltungserlaubnissen der Maulkorb- und Anleinzwang angeordnet werde,
wenn andererseits gleichzeitig eine Befreiung erteilt wurde. Die Pflicht des Beklagten
zur Herausgabe des polizeilichen Führungszeugnisses des Klägers ergebe sich aus
einem Folgenbeseitigungsanspruch, da die LHV NRW nur die Pflicht zur Vorlage, nicht
aber ein Recht der Behörde zum Behaltendürfen eines polizeilichen
Führungszeugnisses statuiere. Eine Heilung der Ausgangsbescheide im Hinblick auf
die fehlende Anhörung des Klägers und die fehlende Begründung der
Nebenbestimmung sei nicht erfolgt. Die Anordnung der Nebenbestimmungen könne
auch nicht mit einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung begründet
werden, diese liege nicht vor. Das ergebe sich daraus, dass der Kläger gerade eine
Befreiung von der Maulkorb- und Anleinpflicht erhalten habe. Im Hinblick auf das
Inkrafttreten des Landeshundegesetzes - LHundG NRW - trägt der Kläger weiter vor, bei
den angeordneten Nebenbestimmungen handele es sich um Dauerverwaltungsakte,
daher komme es auf die Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an.
Die Anordnung der angegriffenen Nebenbestimmungen sei nunmehr an den
Vorschriften des LHundG NRW zu messen. Auch an der Verfassungsmäßigkeit der
Vorschriften des LHundG NRW bestünden im Hinblick auf die Anknüpfung an einzelne
Hunderassen und die unterschiedliche Behandlung insbesondere im Vergleich mit der
Rasse Deutscher Schäferhund erhebliche Bedenken. Jedenfalls seien aber auch unter
Geltung des LHundG die angegriffenen Nebenbestimmungen ermessensfehlerhaft.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte die Befristungen in den beiden
Hundehaltungserlaubnissen betreffend „Angie" und „Kira" vom 16. August 2001 sowie
die Befristungen in den Befreiungsbescheiden bzgl. „Angie" und „Kira" vom 16. August
2001 aufgehoben. Weiter hat der Beklagte im Hinblick auf den nunmehr geltenden § 4
Abs. 6 LHundG NRW klargestellt, dass es ausreicht, wenn der Kläger eine Kopie der
jeweiligen Erlaubnis mit sich führt, soweit in den oben genannten
Hundehaltungserlaubnissen und Befreiungsbescheiden der Hinweis enthalten ist, dass
die jeweilige Erlaubnis beim Ausführen der Hunde mitzuführen ist.
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Daraufhin haben die Parteien übereinstimmend das Verfahren in der Hauptsache für
erledigt, soweit der Kläger seine Klage zunächst auch gegen die Befristungen in den
vier genannten Erlaubnissen gerichtet hatte und soweit er zunächst beantragt hatte, die
hier mit dd. bezeichneten „Auflagen" in den Hundehaltungserlaubnissen und hier mit bb.
bezeichneten „Auflagen" in den Befreiungsbescheiden aufzuheben. Weiter haben die
Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, soweit
der Kläger zunächst die Herausgabe des polizeilichen Führungszeugnisses begehrt
hatte, nachdem er in der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2005 Einsicht in das
genannte Führungszeugnis genommen hatte. Der Kläger beantragt nunmehr,
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1. die Haltungserlaubnisse für die Hündinnen „Angie" und „Kira" jeweils vom 16. August
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2001 und den Widerspruchsbescheid des Landrates des Kreises S1. vom 25. Januar
2002 insoweit aufzuheben, als darin jeweils a. ein Widerrufsvorbehalt, c. die Auflagen,
ff. der Hund/die Hunde müssen an einer reißfesten Leine geführt werden, die nicht
länger als 1,50 m sein darf und hh. der Hund darf nur in Begleitung einer erwachsenen
Aufsichtsperson den Garten betreten, angeordnet worden sind, 2. die Befreiungen vom
Anlein- und Maulkorbzwang für die Hündinnen „Angie" und „Kira" jeweils vom 16.
August 2001 und den Widerspruchsbescheid des Landrates des Kreises
Recklinghausen vom 25. Januar 2002 insoweit aufzuheben, als darin a. ein
Widerrufsvorbehalt angeordnet worden ist, 3. festzustellen, dass die folgenden als
„Auflagen" bezeichneten Zusätze rechtswidrig sind a. in den
Hundehaltungserlaubnissen für die Hündinnen „Angie" und „Kira" jeweils vom 16.
August 2001: aa. bei einem Wohnungswechsel ist der Hund/sind die Hunde bei der
bisher zuständigen Ordnungsbehörde abzumelden; bb. das Abhandenkommen eines
Hundes ist unverzüglich mitzuteilen; cc. der Tod und die Abgabe eines Hundes sind
unter Angabe des Todes- bzw. Abgabetages sowie von Name und Anschrift des neuen
Halters unverzüglich anzuzeigen, der Erlaubnisbescheid ist der ausstellenden Behörde
zurückzugeben; ee. der Hund/die Hunde darf/dürfen nur solchen Personen überlassen
werden, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und körperlich in der Lage sind, den
Hund/die Hunde sicher zu halten; gg. der Hund/die Hunde kann/können anstelle eines
„echten" Maulkorbes auch eine andere, das Beißen verhindernde Vorrichtung, z. B. ein
Kopfhalfter tragen, der Maulkorb oder eine andere gleichwertige Vorrichtung müssen
sachgemäß angewendet werden und auch tatsächlich das Beißen verhindern; b. in den
Befreiungen vom Anlein- und Maulkorbzwang für die Hündinnen „Angie" und „Kira"
jeweils vom 16. August 2001: aa. für die Verlängerung der Genehmigung muss der
Kläger vor Ablauf der Befristung die erfolgreiche Wiederholung der Verhaltensprüfung /
Begleithundeprüfung nachweisen; cc. innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile
auf öffentlichen Straßen und Plätzen sowie in öffentlichen Verkehrsmitteln darf der Hund
nur angeleint geführt werden,
4. die Gebührenfestsetzung in der Hundehaltungserlaubnis für die Hündin „Angie" vom
16. August 2001 in Höhe von 180,00 DM und die Gebührenfestsetzungen in den
Befreiungen von der Anlein- und Maulkorbpflicht für die Hündinnen „Angie" und „Kira"
vom 16. August 2001 über jeweils 50,00 DM aufzuheben, 5. ... 6. hilfsweise
festzustellen, dass sich aus § 3 Abs. 3, § 4 Abs. 1 Satz 1 und § 5 des
Landeshundegesetzes nicht ergibt, dass der Kläger für die Haltung seiner Hunde eine
Erlaubnis und das unangeleinte und maulkorblose Führen seiner Hunde außerhalb
befriedeten Besitztums und außerhalb geschlossener Ortschaften eine Befreiung
benötigt,
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7. hilfsweise zum Beweis der Tatsachen, dass es keine zu aggressivem Verhalten
neigende Hunderassen gibt und dass Hunde, die als Mischlinge der in § 3 Abs. 2
LHundG NRW genannten Rassen gelten, - bei abstrakter Betrachtungsweise nicht
gefährlicher sind als Hunde anderer Rassen, namentlich der Rasse Deutscher
Schäferhund, - ihnen insbesondere kein anderes genetisches Potenzial
beziehungsweise Gefährdungspotenzial innewohnte oder innewohnt, zu einem
gefährlichen Hund zu werden, als Hunden anderer vergleichbarer Rassen, namentlich
der Rasse Deutscher Schäferhund, dass auch kein größerer Verdacht oder größeres
Besorgnispotenzial gegenüber Hunden vergleichbarer, nicht aufgelisteter Rassen -
namentlich der Rasse Deutscher Schäferhund - besteht oder bestand, es handele sich
bei Mischlingshunden aus den in § 3 Abs. 2 LHundG NRW genannten Rassen um
gefährliche Hunde und dass Hunde der Rasse Deutscher Schäferhund im Verhältnis zu
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ihrer Population bei Beißvorfällen vergleichbar häufig auffällig sind wie
Mischlingshunde bzw. Kreuzungen der in § 3 Abs. 2 LHundG NRW genannten Rassen
ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte bezieht sich auf die angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend vor: Er
sei zur Anordnung einzelner Nebenbestimmungen bereits durch die LHV NRW
ermächtigt gewesen. Im Übrigen habe eine Abwägung der Interessen des Klägers mit
den öffentlichen Interessen die Beifügung der angeordneten Nebenbestimmungen
geboten. Im Hinblick auf den Anspruch auf Herausgabe des polizeilichen
Führungszeugnisses ist der Beklagte der Auffassung, die Erlangung der Kenntnis der
Daten des Klägers werde durch Herausgabe des polizeilichen Führungszeugnisses
nicht rückgängig gemacht. Das polizeiliche Führungszeugnis diene im Übrigen der
Dokumentation der Zuverlässigkeit des Klägers.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie des
Widerspruchsvorgangs des Landrats des Kreises Recklinghausen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe: Soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache
übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt, entsprechend
§ 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -.
16
Die Klage ist mit den Anträgen zu 1. und 2. zulässig, aber nicht begründet. Statthafte
Klageart ist im Hinblick auf den jeweils in den beiden Erlaubnisbescheiden und den
Befreiungsbescheiden vom 16. August 2001 angeordneten Widerrufsvorbehalt sowie
die hier mit ff. und hh. bezeichneten Auflagen in den beiden Erlaubnisbescheiden vom
16. August 2001 die Anfechtungsklage. Nach neuerer Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG -, BVerwG, Urteil vom 22. November 2000 - 11 C
2/00 -, NVwZ 2001, S. 429 - 430, Juris-Dok., ist gegen belastende Nebenbestimmungen
eines Verwaltungsaktes die Anfechtungsklage gegeben. Ob diese zur isolierten
Aufhebung der Nebenbestimmung führen kann, ist eine Frage der Begründetheit und
nicht der Zulässigkeit des Anfechtungsbegehrens, sofern nicht eine isolierte
Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, a.a.O.,
Leitsatz zu 1.). Damit kommt es nicht mehr auf die früher umstrittene Frage an, ob im Fall
belastender Nebenbestimmungen eines Verwaltungsaktes das Rechtsschutzziel des
Klägers mit der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage zu erreichen ist. Die Kammer
folgt der Rechtsprechung des BVerwG, die für den Kläger im Hinblick auf den Grundsatz
der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes - GG -) zu
einer begrüßenswerten Klarheit führt. So auch VG Düsseldorf, Urteil vom 12. November
2003 - 18 K 2398/02 -; VG Köln, Urteil vom 16. Oktober 2003 - 20 K 654/02 -,
veröffentlicht im Internetportal www.nrwe.de.
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Bei sämtlichen Widerrufsvorbehalten und den genannten mit ff. und hh. bezeichneten
Auflagen handelt es sich um Nebenbestimmungen im Rechtssinn (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 3
und 4 VwVfG), die eine eigene Regelung und damit nicht bloß einen Hinweis auf die
maßgebliche Rechtslage enthalten. Eine isolierte Aufhebung ist auch nicht von
vornherein offenkundig ausgeschlossen. Das gemäß §§ 68 ff. VwGO erforderliche
Vorverfahren ist ordnungsgemäß durchgeführt. Es kann dahinstehen, ob die
Hundehaltungserlaubnis für die Hündin „Kira" und der Befreiungsbescheid für die
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Hündin „Angie" wie die beiden anderen Bescheide bereits am 19. August 2001 als
zugegangen gelten (vgl. § 41 Abs. 2 1. Halbsatz VwVfG), mit der Folge, dass der
insoweit beim Beklagten am 27. September 2001 eingegangene Widerspruch verspätet
erhoben wäre, § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Jedenfalls hat die Widerspruchsbehörde durch
eine eigene Sachentscheidung den Rechtsweg neu eröffnet, vgl. Kopp/ Schenk, VwGO,
13. Aufl. 2003, § 70, Rn. 9 m.w.N. Die Klage mit den Anträgen zu 1. und 2. ist nicht
begründet, die angefochtenen Nebenbestimmungen sind rechtmäßig und verletzten den
Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Nebenbestimmungen
beruhen auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage (1.), sind in formeller Hinsicht
rechtmäßig (2.) und auch materiell nicht zu beanstanden (3.).
(1.) Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der angefochtenen Nebenbestimmungen ist
§ 36 Abs. 1 VwVfG in Verbindung mit § 4 Abs. 4 Satz 1, 2. Halbsatz
(Widerrufsvorbehalte) bzw. 1. Halbsatz (sonstige Auflagen) LHundG NRW und in
Verbindung mit § 5 Abs. 3 Satz 4 LHundG NRW, was die Befreiungsbescheide betrifft.
Der vorliegende Rechtsstreit ist im Hinblick auf die angefochtenen Nebenbestimmungen
nach dem zum 1. Januar 2003 in Kraft getretenen LHundG NRW zu beurteilen. Das
LHundG NRW ist an die Stelle der LHV NRW getreten, auf deren Grundlage die
Nebenbestimmungen erteilt worden sind. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der
Nebenbestimmungen in den vier insoweit angefochtenen Bescheiden ist nämlich der
Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, mithin der Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung. Zwar ist nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen im Fall der hier
vorliegenden Anfechtungsklage auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung,
somit auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides abzustellen. Das gilt
jedoch nicht im Fall der Anfechtung eines Dauerverwaltungsaktes, wozu auch die
Nebenbestimmungen zu den Erlaubnissen bzw. zu den Befreiungsbescheiden zu
rechnen sind. Dabei handelt es sich um Verwaltungsakte, die auf Dauer angelegte
Rechtsverhältnisse zur Entstehung bringen und sie ständig aktualisieren. In diesem Fall
ist entsprechend der Verpflichtungssituation hinsichtlich der Beurteilung auf den
Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen.
19
Kopp/ Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 113 Rn. 43 f.
20
Die angefochtenen Nebenbestimmungen sind auch weiter wirksam und nicht nichtig.
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 3. Juli 2002,
21
BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2002 - 6 CN 8.01 - DVBl. 2002, S. 1562 ff. (Juris-Dok.), zur
niedersächsischen Verordnung über das Halten gefährlicher Tiere entschieden, dass
der Verordnungsgeber nach gegenwärtigem fachwissenschaftlichem Erkenntnisstand
nicht allein an die Zugehörigkeit eines Hundes zu einer bestimmten Rasse oder einem
bestimmten Typ anknüpfen könne, wenn er auf Grundlage des allgemeinen
Gefahrenabwehrrechts handeln wolle. Ein solches Handeln sei dem (Landes-
)Gesetzgeber vorbehalten. Diese Ausführungen dürften auch für die nordrhein-
westfälische LHV gelten und entsprechend zu deren Nichtigkeit führen. Indessen führt
die - später gerichtlich festgestellte - Nichtigkeit der zu Grunde liegenden
Ermächtigungsgrundlage nicht automatisch zur Nichtigkeit der Verwaltungsakte, die auf
ihrer Grundlage erlassen wurden.
22
Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 44, Rn. 30 mit Verweis u.a. auf BVerwG, Urteil
vom 7. Oktober 1964 - VI C 59.63, VI C 64.63 - BVerwGE 19, S. 284 ff., wo ein ohne
Ermächtigungsgrundlage erlassener VA für lediglich rechtswidrig gehalten wurde.
23
Nichtigkeit besteht nach der gesetzgeberischen Entscheidung in § 44 Abs. 1 VwVfG nur,
soweit der Verwaltungsakt an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und
dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich
ist. Es kann dahin stehen, ob die Nichtigkeit der Ermächtigungsgrundlage einen
besonders schwerwiegenden Fehler im Hinblick auf die am jeweils am 16. August 2001
zu den Bescheiden ergangenen Nebenbestimmungen darstellt, wofür nicht zuletzt der
Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -)
spricht. Jedenfalls war ein solcher Fehler aber nicht offensichtlich im Sinne von § 44
Abs. 1 VwVfG. Denn bis zu der genannten Entscheidung des BVerwG waren eine
Vielzahl erstinstanzlicher Gerichte und Obergerichte von der Wirksamkeit der
entsprechenden nach Landesrecht erlassenen Verordnungen ausgegangen, so dass
der Fehler nicht nach den im Rahmen von § 44 Abs. 1 VwVfG geltenden Maßstäben,
24
Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 44, Rn. 12,
25
für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten,
verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich war.
26
Die Nebenbestimmungen gelten gemeinsam mit den Erlaubnis- und
Befreiungsbescheiden, mit denen sie erlassen worden sind, fort. Die lediglich
rechtswidrigen, jedoch wirksamen und nicht nichtigen Hundehaltungserlaubnisse für die
Hunde „Angie" und „Kira" gelten nach der Übergangsvorschrift des § 21 Abs. 1 LHundG
NRW als Erlaubnisse nach § 4 Abs. 1 LHundG NRW fort. Gleiches gilt für die nach § 6
Abs. 4 LHV NRW erteilten Ausnahmegenehmigungen, soweit sie die Befreiung von der
Maulkorbpflicht zulassen, § 21 Abs. 2 LHundG NRW. Nach Sinn und Zweck des § 21
LHundG ist davon auszugehen, dass auch die Befreiungen von der Anleinpflicht als
Befreiungen nach nunmehr § 5 Abs. 3 Satz 1 LHundG NRW fortgelten. In der
Übergangsvorschrift des § 21 Abs. 2 LHundG NRW ist zwar von einer Fortgeltung von
ebenfalls nach § 6 Abs. 4 LHV NRW erteilten Befreiungen von der Anleinpflicht nicht die
Rede, dennoch ist von einer Fortgeltung der beiden Befreiungsbescheide unter
Einschluss der Befreiung von den Anleinpflicht auszugehen. Es ist nämlich kein
sachlicher Grund ersichtlich, der es nach dem gesetzgeberischen Willen rechtfertigen
würde, Befreiungen von der Maulkorbpflicht fortgelten zu lassen, auf die selbe Vorschrift
gestützte Befreiungen von der Anleinpflicht aber von dieser Fortgeltung auszunehmen.
Die Verwaltungsvorschriften zum LHundG NRW - VV LHundG NRW - führen
entsprechend in Nr. 21 Abs. 3 aus: „Nach § 21 Abs. 2 Satz 1 gelten Entscheidungen
nach § 6 Abs. 4 LHV NRW zur Befreiung von der Anlein- und/ oder Maulkorbpflicht als
Befreiung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 fort, ... . Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der
Vorschrift und der Intention des Gesetzgebers, eine weitgehende Kontinuität im Vollzug
zu schaffen....".
27
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des LHundG NRW, hier in erster
Linie des § 4 Abs. 4 LHundG NRW, bestehen nicht, so dass eine Vorlage des LHundG
NRW an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG nicht in Betracht kommt.
Zunächst ist die Einschätzung des Gesetzgebers von Hunden als gefährlich auf Grund
ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Rassen nicht zu beanstanden. Diese
Einschätzungsmöglichkeit des Gesetzgebers beruht auf seiner Kompetenz,
Maßnahmen der Gefahrenvorsorge zu ergreifen.
28
Vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Urteil vom 16. März 2004 - 1 BvR 1778/01 -,
29
NVwZ 2004, S. 216 - 226 (Juris-Dok.); BVerwG, Beschluss vom 10. November 2004 - 6
BN 3/04 -. (Juris-Dok.); Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen -
OVG NRW -, Beschlüsse vom 3. November 2004 - 5 A 4614/03 -, 20. Oktober 2004 - 5 A
16/04 und vom 5. März 2004 - 5 B 2640/03 -, NVwZ-RR 2004, S. 489 - 490 (Juris-Dok.),
Bayerischer VGH, Entscheidung vom 15. Juli 2004 - Vf.1-VII-03 -, NVwZ-RR 2005, S.
176 - 181 (Juris-Dok.); VG Düsseldorf, Urteile vom 12. November 2003 - 18 K 2419/01
und 2398/02; VG Köln, Urteil vom 16. Oktober 2003 - 20 K 654/02 - letztgenannte drei
Entscheidungen veröffentlicht im Internetportal www.nrwe.de.
Die Gefährlichkeit eines Hundes kann - neben anderen Faktoren - durch rassebedingte
Anlagen jedenfalls mitverursacht sein, so dass der Gesetzgeber, wenn er tatsächliche
Anhaltspunkte für eine auch rassebedingte Gefährlichkeit hat, seine für notwendig
erachteten Eingriffsnormen typisierend an die Zugehörigkeit eines Hundes zu seiner
bestimmten Rasse anknüpfen kann. Bestimmte Hunderassen können, genetisch
bedingt, wenn auch möglicherweise nur im Zusammenwirken mit anderen Faktoren,
eher gefährlich sein als andere Rassen. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit eines
Schadenseintritts („Gefahr") im Bereich der Hundehaltung von einer Vielzahl von
Faktoren abhängt, wie etwa Zuchtmerkmalen des Hundes, Erziehung, Ausbildung und
Haltung des Hundes, situationsbedingten Einflüssen und nicht zuletzt der
Zuverlässigkeit und Sachkunde des Hundehalters, ist der Gesetzgeber auch bei einer
gewissen Unsicherheit über die Gefahrenursachen befugt, die von ihm für notwendig
erachteten Eingriffsbefugnisse der Verwaltung in Anknüpfung an die wenigstens als
mitursächlich erkannte Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen schaffen. Der zu
fordernde Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist dabei um so stärker
herabgesetzt, als - wie hier - hochrangige Rechtsgüter wie Leben und körperliche
Unversehrtheit von Menschen auf dem Spiel stehen. Das Bundesverfassungsgericht hat
in seinem Beschluss vom 16. März 2004, a.a.O., bereits zu dem Problem, dass einzelne
Hunderassen, wie insbesondere die Rassen der beiden hier in Streit stehenden Hunde,
tatsächlich im Hinblick auf angeborene Verhaltensbereitschaften ein Potenzial zur
Erzeugung gefährlicher Hunde darstellen, ausführlich Stellung genommen. Das Gericht
hat in der mündlichen Verhandlung auf die dortigen Ausführungen einschließlich der
tatsächlichen Feststellungen und einschließlich der Maßgaben an den (jeweiligen)
Gesetzgeber, die weitere Entwicklung zu beobachten, Bezug genommen.
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Aber auch unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz sind
die Vorschriften des LHundG NRW nicht zu beanstanden. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs.
1 GG ist nicht darin zu sehen, dass der Gesetzgeber Hunde anderer Rassen, wie etwa
den Deutschen Schäferhund, nicht von vornherein, d.h. mit Erlass des LHundG NRW
als Hund im Sinne von § 3 Abs. 2 oder § 10 Abs. 1 LHundG NRW mit den sich
anschließenden, gesetzlich gewollten Folgen ansieht. Die auch die rechtssetzende
Gewalt bindende Vorschrift des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt keine schematische, sondern
eine angemessene Gleichbehandlung. Gleiches ist gleich und Verschiedenes nach
seiner Eigenart zu behandeln. Unterscheidungen dürfen nur nach sachlichen
Gesichtspunkten vorgenommen werden. Dabei belässt der Gleichheitssatz des
Grundgesetzes dem Gesetzgeber grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum.
Der Gesetzgeber kann unter mehreren in der Sache konkurrierenden rechtspolitischen
Gesichtspunkten wählen.
31
BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 1953, Az.: 1 BvR 323/51, 1 BvR 195/51, 1 BvR
138/52, 1 BvR 283/52, 1 BvR 319/52 - BVerfGE 3, 182 -.
32
Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung
gleichartiger Sachverhalte durch den Gesetzgeber des LHundG NRW nicht feststellen.
Im Hinblick auf die Aufnahme bestimmter Hunderassen in die Vorschriften der §§ 3 Abs.
2 und 10 Abs. 1 LHundG NRW mit im wesentlichen gleichen Folgen einerseits und die
Nichtaufnahme anderer Hunderassen wie etwa den Deutschen Schäferhund
andererseits liegen sachliche Gründe vor, die den Gesetzgeber zum Erlass der vom
Kläger angegriffenen Regelungen des LHundG NRW berechtigten. Zunächst ist dem
Gesetzgeber im Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes ein materieller
Prognosespielraum eingeräumt, von dem er in zutreffender Weise Gebrauch gemacht
hat. Die Aufnahme bestimmter Hunderassen in das LHundG NRW geht dabei zurück auf
die gewonnenen Erfahrungen der Anwendung der Regelungen der LHV NRW. Im
Vergleich zur LHV NRW hat der Gesetzgeber des LHundG NRW die als gefährlich
geltenden Hunderassen deutlich reduziert. Die Aufnahme der derzeit in § 3 Abs. 2 und §
10 Abs. 1 LHundG geregelten Hunderassen geht u.a. zurück auf Beratungen der
Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) sowie
verschiedener Arbeitskreise der IMK aus dem zweiten Halbjahr des Jahres 2001. Im
Rahmen einer vorliegenden Ungleichbehandlung ist auch deren Grad zu
berücksichtigen. Ist dieser gering, so ist andererseits der gesetzgeberische Spielraum
weiter zu sehen. Das ist hier der Fall. Den als gefährlich eingestuften Hunden von der
Größe her vergleichbare Hunde, wie der Deutsche Schäferhund fallen wegen ihrer
Größe regelmäßig unter die Vorschrift des § 11 LHundG NRW. Damit besteht für solche
„großen Hunde" dann zwar keine Erlaubnispflicht (§ 4 Abs. 1 LHundG NRW) mit dem
Erfordernis des Nachweises eines besonderen privaten Interesses an der Hundehaltung
(§ 4 Abs. 2 LHundG NRW). Bestimmte Haltungsvoraussetzungen, wie die formale
Kennzeichnung des Hundes, der Nachweis des Abschlusses einer
Haftpflichtversicherung und insbesondere der Nachweis der Zuverlässigkeit und der
Sachkunde des Hundehalters, gelten jedoch auch für die Haltung großer Hunde. Mit
letztgenannter Anforderung ist der Gesetzgeber auch der verbreiteten Forderung von
Kritikern hundehaltungsrechtlicher Regelungen nachgekommen, hinsichtlich von
Hunden ausgehender Gefahren, sei in erster Linie auf die Halter von Hunden und erst in
zweiter Linie auf die Tiere selbst abzustellen. Bei Ungleichbehandlung verschiedener
Hunderassen durfte der Gesetzgeber auch Gesichtspunkte der Praktikabilität und
Verwaltungseffizienz berücksichtigen, ohne dass solche Gesichtspunkte allein
entscheidende Kriterien für die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung sein dürfen.
Nicht jede in der Theorie wünschenswerte Lösung ist praktisch zu verwirklichen. Das
gilt in besonderem Maße im Hinblick auf die Hunderasse „Deutscher Schäferhund", von
der laut Berichtsbogen des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen - MUNLV - im Jahre 1993 über
35.000 Hunde nebst mehr als 17.000 Mischlingen gegenüber gut 21.000 sämtlichen
nach dem LHundG NRW als gefährlich geltenden Hunden registriert waren. Weiter
durfte der Gesetzgeber auch die Akzeptanz von Hunderassen in der Bevölkerung
berücksichtigen, was namentlich für die Rasse „Deutscher Schäferhund" gilt. Auf Grund
der weiten Verbreitung von Hunden der letztgenannten Rasse - in Nordrhein-Westfalen
besteht ein Verhältnis von einem Schäferhund bzw. Schäferhundmischling zu ca. 330
Personen - ist das von ihnen ausgehende Gefährdungspotenzial aus der Sicht des
Gesetzgebers eher beherrschbar. Durch die geringere subjektive Bedrohung neigt der
einzelne bei einer Begegnung mit einem Schäferhund möglicher Weise zu einer
besonnereren Reaktion, sei es aus selbst gewonnener Erfahrung im Umgang mit
Hunden dieser Rasse, sei es auch aus subjektiven, jedoch objektiv nicht
nachvollziehbaren Gründen. Schließlich steht dem Gesetzgeber bei der Einschätzung
der Gefahrenprognose auch ein zeitlicher Spielraum zu, um die Richtigkeit seiner
33
Entscheidung im Hinblick auf die Anknüpfung der Gefährlichkeit an einzelne
Hunderassen und im Hinblick auf die erfolgte Auswahl bestimmter Hunderassen zu
überprüfen. Eine solche zeitliche Prärogative muss vor dem Hintergrund bislang noch
bestehenden erheblicher Unsicherheit im Umgang mit verschiedenen Hunderassen
bestehen. Wo eine derartige Unsicherheit wegen der andererseits gefährdeten
Rechtsgüter von überragendem Gewicht das Tätigwerden des Gesetzgebers gebietet,
sind diesem in zeitlicher Hinsicht Pflichten zur Selbstkontrolle auferlegt. Die danach zu
bestimmende Frist muss einerseits dem Umstand der Unsicherheit gesetzgeberischer
Erkenntnis Rechnung tragen und darf andererseits nicht so knapp bemessen sein, dass
eine tatsächliche Selbstkontrolle mangels neuer Erkenntnisse sinnlos oder gar
unmöglich wäre. Diesen Anforderungen ist der Landesgesetzgeber durch die in § 22
LHundG NRW vorgesehene Verpflichtung, nach einem Erfahrungszeitraum von fünf
Jahren die Auswirkungen des LHundG NRW zu überprüfen, nachgekommen.
Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber diesen selbst auferlegten Verpflichtungen
nicht nachkommen wollte, bestehen nicht. Ein von den Prozessbevollmächtigten des
Klägers vorgelegtes Schreiben des MUNLV vom 3. Dezember 2002, in dem die
Veranlassung einer Studie zum Beißverhalten von Hunden für nicht notwendig erachtet
wird, betrifft noch die Rechtslage unter Geltung der LHV NRW. Inzwischen ist vom
MUNLV ein Berichtsbogen für das Jahr 2003 mit Beißvorfällen und sonstigen Vorfällen
von Hunden, differenziert nach einzelnen Hunderassen im Sinne von § 3 Abs. 2, § 3
Abs.3, § 10 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 LHundG NRW herausgegeben worden. Ob es im
Rahmen der nach § 22 LHundG bestehenden Verpflichtungen am Ende des auferlegten
Fünfjahreszeitraums ausreichen wird, diese jährlichen Berichtsbögen auszuwerten,
braucht derzeit nicht abschließend festgestellt zu werden. Möglicher Weise sind auch
weitere Kriterien in die Untersuchungen einzubeziehen, wie etwa die Qualität der
Beißvorfälle, d.h. etwa das Beißverhalten und die herbeigeführte Schadensfolge sowie
die im Einzelfall bestimmenden gefahrauslösenden Faktoren, also etwa die Eigenarten
des jeweiligen Hundes, die Zuverlässigkeit des Halters, das Verhalten des Opfers und
etwaige Besonderheiten der jeweiligen Situation. Jedenfalls sind angesichts dieses
dem Gesetzgeber innerhalb vernünftiger Grenzen eingeräumten zeitlichen
Prognosespielraums einzelne Erhebungen und Stellungnahmen für die Frage der
Verfassungsmäßigkeit unerheblich, wenn auch der Gesetzgeber diese bei der
anstehenden Überprüfung des von ihm verantworteten Gesetzes ggf.
mitzuberücksichtigen haben wird. Das gilt auch für den Fall, dass sich aus
zwischenzeitlich vorgelegten Statistiken, wie - nach der Behauptung des Klägers - etwa
aus einer Erhebung des Deutschen Städtetages in den Jahren 1991 bis 1995, ergeben
sollte, dass Hunde bestimmter nicht unter die §§ 3 oder 10 LHundG NRW fallender
Rassen überproportional häufig an Beißvorfällen beteiligt sind. Es sei an dieser Stelle
indessen darauf hingewiesen, dass nach dem Berichtsbogen des MUNLV für das Jahr
2003 von den 10.089 nach § 3 Abs. 2 LHundG NRW registrierten Hunden 50
Beißvorfälle gegenüber Menschen (0,50 %) und 145 gegenüber Tieren (1,44 %)
ausgingen. Die entsprechend von Hunden etwa der Rasse Deutscher Schäferhund
ausgehenden Vorfälle betrugen demgegenüber nur 0,33 % und 0,68 %. Danach musste
das Gericht dem hilfsweise gestellten Beweisantrag des Klägers nicht nachgehen. Die
vom Kläger unter Beweis gestellten Tatsachen sind im vorliegenden Verfahren nicht
erheblich. Die behauptete Tatsache, dass es keine zu aggressivem Verhalten
neigenden Hunderassen gibt, ist nicht erheblich, weil die beiden Hunde des Klägers als
Pitbull- Mischling und als American-Staffordshire-Terrier-Mischling von Rassen mit
solchen Eigenschaften abstammen, die im Zusammenwirken mit anderen Faktoren
Regelungen des (Ordnungs-)Gesetzgebers rechtfertigen, wobei dem Gesetzgeber die
Pflicht auferlegt ist, die weitere Entwicklung zu beobachten und der Landesgesetzgeber
dieser Verpflichtung durch die Aufnahme des § 22 LHundG NRW bereits
nachgekommen ist. Die behaupteten Tatsachen zu Fragen der Vergleichbarkeit von
Mischlingen im Sinne des § 3 Abs. 2 LHundG NRW mit sonstigen Hunderassen,
namentlich der Rasse Deutscher Schäferhund, sind nicht erheblich, weil der
Gesetzgeber auf Grund des ihm zur Verfügung stehenden zeitlichen
Prognosespielraums auch hier die Entwicklung der Erkenntnisse zu einzelnen
Hunderassen vor einer Neubewertung seines Gesetzes abzuwarten berechtigt ist. (2.)
Die Nebenbestimmungen sind in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Zwar ist der
Kläger vor Erlass der Erlaubnisse und Befreiungsbescheide mit den ihn belastenden
Nebenbestimmungen nicht in einer § 28 Abs. 1 VwVfG entsprechenden Weise angehört
worden. Eine solche Anhörung wäre im Hinblick auf die belastenden
Nebenbestimmungen, die einer Anfechtung mit der Anfechtungsklage zugänglich sind,
auch notwendig gewesen, vgl. Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 28, Rn. 26.
Indessen ist der Anhörungsmangel mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens
im Sinne von § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt worden. Dem kann der Kläger nicht
entgegenhalten, eine solche Heilung liege nicht vor, weil dann eine
Kostenentscheidung nach § 80 Abs. 1 Satz 2 VwVfG hätte ergehen müssen. Abgesehen
davon, dass der Anwendungsbereich des § 80 Abs. 1 Satz 2 VwVfG nicht eröffnet sein
dürfte, weil der Widerspruch des Klägers nicht bloß wegen der Unbeachtlichkeitsregel
des § 45 VwVfG erfolglos blieb, tritt die Unbeachtlichkeitsfolge des § 45 Abs. 1 VwVfG
unbeschadet einer möglicher Weise unrichtigen Kostenentscheidung im Sinne von § 80
Abs. 1 VwVfG ein. Soweit der Kläger rügt, es mangele im Hinblick auf die
Nebenbestimmungen bereits in formeller Hinsicht an der nach § 39 VwVfG
erforderlichen Begründung, ist - sofern sich eine Begründung nach § 39 Abs. 2 Nr. 2
VwVfG wegen Offenkundigkeit der Gründe nicht von vornherein erübrigte -, OVG NRW,
Beschluss vom 3. November 2004 - 5 A 4614/03 -, auch diese jedenfalls im
Widerspruchsbescheid nachgeholt worden, so dass ein solcher Fehler nach § 45 Abs. 1
Nr. 2 VwVfG ebenfalls unbeachtlich bliebe.
(3.) Die den Erlaubnis- und Befreiungsbescheiden beigefügten Widerrufsvorbehalte sind
auch inhaltlich rechtmäßig. Nach § 4 Abs. 4 Satz 1, 2. Halbsatz LHundG NRW soll die
Erlaubnis für die Haltung eines gefährlichen Hundes und in Verbindung mit der
Vorschrift des § 5 Abs. 3 Satz 4 LHundG NRW auch der in § 5 Abs. 3 LHundG genannte
Befreiungsbescheid unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilt werden. Durch die
gesetzliche Soll-Regelung ist dem Beklagten im Hinblick auf die Beifügung eines
Widerrufsvorbehaltes zu den genannten Bescheiden kein Ermessensspielraum
eingeräumt. Die Hundehaltungserlaubnis ist nur dann ohne Widerrufsvorbehalt zu
erteilen, wenn ein atypischer Fall vorliegt. Die Widerspruchsbehörde hat im
Widerspruchsbescheid ausgeführt, durch die Aufnahme des Widerrufsvorbehalts solle
dem Erlaubnisinhaber verdeutlicht werden, dass er kein Vertrauen auf den Fortbestand
der Erlaubnis haben könne. Bei dieser Begründung handelt es sich indessen nicht um
Darlegungen zur Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, der die Erteilung einer
Hundehaltungserlaubnis ohne einen Widerrufsvorbehalt rechtfertigte. Solche
Erwägungen sind - anders als Erwägungen zur Ausübung des Ermessens jedenfalls
dann nicht erforderlich, wenn die Behörde gerade vom Vorliegen eines typischen Falles
ausgeht, der keine von der gesetzlichen Regelaussage abweichende Rechtsfolge
rechtfertigt. Es entspricht gerade dem Wesen einer „Soll"- Vorschrift, der
gesetzesanwendenden Behörde für den gesetzlichen Regelfall eine Erleichterung
dadurch zu verschaffen, dass sie anders als bei Ermessensvorschriften im Fall des
Vorliegens der Regel von umfangreichen Darlegungen dazu befreit ist, ob nicht ein von
der Regel abweichender Fall vorliegt. Entgegen der Entscheidung des VG Düsseldorf,
34
a.a.O., ist der Widerrufsvorbehalt auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sich aus seiner
Formulierung ergäbe, dass er frei widerruflich sei. Ein im Verwaltungsakt selbst
vorbehaltener Widerruf darf aus Gründen des Vertrauensschutzes nur aus Gründen
erfolgen, die im Rahmen der Zwecke liegen, auf Grund derer der Grundverwaltungsakt
erlassen worden ist. Davon gehen etwa auch die VV LHundG NRW in Nr. 4.4.1. Abs. 3
aus. Aus der Formulierung „unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs" ergibt sich
noch nicht, dass der Beklagte etwa entgegen den ihn bindenden VV LHundG NRW die
Haltungserlaubnisse und Befreiungsbescheide für frei, d.h. ohne das Vorliegen von
Widerrufsgründen für widerrufbar hält. Mag die Formulierung „jederzeit" im Hinblick auf
die Anforderungen an die Ausübung des Widerrufs auch ungeschickt sein, so ist im
Zusammenspiel mit der im Widerspruchsbescheid gegebenen Begründung, der Kläger
solle kein Vertrauen auf den Fortbestand der Erlaubnis herleiten können, deutlich, dass
mit der Formulierung „jederzeit" dem Wortsinn entsprechend ein zeitliches und nicht ein
konditionales Element angesprochen ist.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. November 2004 - 5 A 4614/03 -.
35
Die Verpflichtung, den jeweiligen Hund an einer maximal 1,5 Meter langen, reißfesten
Leine zu führen (Auflage ff.), ist inhaltlich rechtmäßig. Nach § 4 Abs. 4 Satz 1, 1. HS
LHundG NRW kann die Hundehaltungserlaubnis u.a. mit Auflagen versehen werden.
Dabei gilt es zunächst klarzustellen, dass die Anordnung der Anleinpflicht im
vorliegenden Fall zur Zeit nur gilt, soweit bestimmte Örtlichkeiten in den
Befreiungsbescheiden vom 16. August 2001 von der Befreiung von der Anleinpflicht
ausgenommen sind. Die Widerspruchsbehörde hat zur Begründung der Beifügung der
o.g. Verpflichtung ausgeführt, durch die genannte Auflage könnten die von Hunden
ausgehenden Gefahren für die Gesundheit und das Leben von Menschen und das
subjektive Sicherheitsgefühl vieler Menschen erheblich verstärkt werden. Das Risiko
spontaner und unkontrollierbarer Aggressionen werde vermindert. Diese Erwägungen
sind im Hinblick auf die von gefährlichen Hunden ausgehenden Gefahren nicht zu
beanstanden. Durch die angeordnete Maximallänge der Leine von 1,50 Meter wird
diesen Situationen hinreichend Rechnung getragen. Die Auflage entspricht dem Zweck
des LHundG NRW, wie er insbesondere in § 5 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW zum
Ausdruck kommt und konkretisiert diese Vorschrift lediglich. So auch OVG NRW,
Beschluss vom 3. November 2004 - 5 A 4614/03 - und VG Köln, a.a.O.; anderer Ansicht
ist das VG Düsseldorf, a.a.O..
36
Die Anordnung der Begleitung der Hunde im Garten des Klägers durch eine
erwachsene Aufsichtsperson (Auflage hh.) ist ebenfalls in inhaltlicher Hinsicht
rechtmäßig. Die Begründung für die Erteilung dieser Auflage wird durch die
Formulierung der Auflage selbst gegeben, indem auf die geringe Höhe der Umzäunung
des Gartens des Klägers hingewiesen wird. Diese Umzäunung könnte von den Hunden
„Angie" und „Kira" des Klägers übersprungen werden. Die Anordnung der Auflage dient
der Sicherstellung der Einhaltung der Pflichten aus § 5 Abs. 1 LHundG NRW.
37
Soweit der Kläger mit seinem Antrag zu 3. die Feststellung begehrt, dass die hier mit
aa., bb., cc., ee., und gg. bezeichneten „Auflagen" in den Hundehaltungserlaubnissen
und die mit aa. und cc. bezeichneten „Auflagen" in den Befreiungsbescheiden
rechtswidrig sind, ist die Klage zulässig, aber nicht begründet. Bei den genannten
„Auflagen" handelt es sich nicht um Auflagen im Rechtssinn (vgl. § 36 VwVfG), sondern
lediglich um Hinweise auf die Rechtslage im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung. Die in den Auflagen aa., bb. und cc. der Erlaubnisbescheide
38
angeordneten Mitteilungspflichten ergeben sich nunmehr aus der Vorschrift des § 8 Abs.
1 LHundG NRW. Die Auflage ee. aus den Erlaubnisbescheiden über die Möglichkeit der
Überlassung der Hunde an andere Personen entspricht § 5 Abs. 4 Satz 2 LHundG. Die
Regelung über die Maulkorbpflicht (Auflage gg.) aus den Erlaubnisbescheiden ergibt
sich aus § 5 Abs. 2 Satz 3 LHundG NRW. Der Verweis auf die Ablegung einer
Verhaltensprüfung/ Begleithundeprüfung in den als Auflage aa. bezeichneten
Regelungen der Befreiungsbescheide ergibt sich aus § 5 Abs. 3 Abs. 3 LHundG in
Verbindung mit § 3 der Durchführungsverordnung zum LHundG NRW - DVO LHundG
NRW -. Die Einschränkung in den Befreiungsbescheiden, dass die Hunde innerhalb im
Zusammenhang bebauter Ortsteile auf öffentlichen Straßen und Plätzen sowie in
öffentlichen Verkehrsmitteln nur angeleint geführt werden dürfen, ergibt sich aus § 5
Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 LHundG, wonach die Befreiung nach § 5
Abs. 3 LHundG NRW für die in § 2 Abs. 2 LHundG genannten Bereiche nicht erteilt
werden kann. Mangels Regelungswirkung der danach nur als Hinweise zu
beurteilenden Zusätze in den vier Bescheiden wäre eine gegenüber der
Feststellungsklage grundsätzlich vorrangig zu erhebende Anfechtungsklage nicht
statthaft. Der Kläger hat diesem Umstand Rechnung getragen, indem er den zunächst
angekündigten Anfechtungsantrag insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 22.
Juni 2005 in einen Feststellungsantrag umgestellt hat. Soweit darin eine Klageänderung
zu sehen ist, ist diese jedenfalls wegen Sachdienlichkeit zulässig, § 91 Abs. 1 VwGO.
Die Klage ist indessen nicht begründet. Das Feststellungsbegehren des Klägers greift
nicht durch, weil wegen der Rechtmäßigkeit der genannten Hinweise das von ihm
angegriffene Rechtsverhältnis besteht. Die angegriffenen Hinweise sind lediglich
Wiederholungen der sich bereits aus dem LHundG NRW ergebenden Verpflichtungen.
Die Vorschriften des LHundG NRW sind aber - wie bereits dargelegt - nicht zu
beanstanden.
Die Klage ist mit ihrem Antrag zu 4. als Anfechtungsklage zulässig, aber nicht
begründet. In Streit stehen Gebühren für die Erteilung der Hundehaltungserlaubnis für
den Hund „Angie" in Höhe von 180,- DM (92,03 Euro) sowie Gebühren von jeweils 50,-
DM (25,56 Euro) für die Befreiungsbescheide jeweils für die Hunde „Angie" und „Kira".
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der
Gebührenfestsetzungen ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, mithin der
Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids. Dies ergibt sich aus den
allgemeinen, für die Anfechtungsklage geltenden prozessualen Grundsätzen. Zu
keinem anderen Ergebnis führt das dem zu beurteilenden Rechtsverhältnis zu Grunde
liegende materielle Rechtsverhältnis. Bei der Gebührenfestsetzung, die als
Gegenleistung für eine Amtshandlung erfolgt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gebührengesetzes
für das Land Nordrhein-Westfalen - GebG - für den Fall der Verwaltungsgebühren) und
die der Entstehung der Kostenschuld nach § 11 GebG folgt, handelt es sich nicht um
einen Dauerverwaltungsakt, der einen anderen Beurteilungszeitpunkt nahe legte.
Anderer Ansicht VG Köln, a.a.O., mit der Begründung, eine rechtswidrige Gebühr
müsste sofort erneut erhoben werden, wenn diese Erhebung nunmehr rechtmäßig
geworden wäre.
39
Die Gebührenfestsetzung ist zunächst nicht deshalb rechtswidrig, weil wegen der
angenommenen Nichtigkeit der LHV NRW keine Pflicht des Klägers bestand, für das
Halten seiner Hunde eine Erlaubnis und für ihr maulkorbloses und unangeleintes
Führen eine Befreiung einzuholen. Gebührenauslösender Tatbestand ist nicht die
abstrakt-gesetzlich bestehende Erlaubnispflicht (bzw. gerade nicht bestehende
Erlaubnispflicht), sondern eine besondere öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit
40
(Amtshandlung) nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GebG. Bei der vom späteren Gebührenschuldner
veranlassten Leistung handelt es sich um die von der Verwaltung zu treffende
Entscheidung (AVwVGebG NRW zu 1.1.1.). Das ist im vorliegenden Fall die
Entscheidung über die Anträge des Klägers auf und dann maßgeblich die Erteilung von
Hundehaltungserlaubnissen bzw. Befreiungen. Weiter ist die Gebührenfestsetzung nicht
deshalb rechtswidrig, weil die nach der LHV NRW erteilten Erlaubnisse bzw.
Befreiungen wegen Fehlens einer Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig - nicht aber
nichtig - waren. Zwar entsteht die Gebührenschuld nur bei einer rechtmäßigen
Amtshandlung. Im vorliegenden Fall waren die erteilten Erlaubnisse und Befreiungen
zunächst deshalb rechtswidrig, weil sie auf einer nichtigen Ermächtigungsgrundlage
beruhten. Wird jedoch eine rechtwidrige Amtshandlung, die - wie hier - nicht nichtig ist,
später bestandskräftig, fällt die Gebühr an. Die Gebühr fällt nur dann nicht an, wenn die
nicht bestandskräftige, rechtswidrige Entscheidung von der Behörde oder dem Gericht
später aufgehoben wird; außerdem dürfte eine Gebührenentscheidung in Kenntnis der
Rechtswidrigkeit nicht mehr ergehen. Susenberger, Gebührengesetz für das Land NRW,
Kommentar, Wiesbaden 2000, Erläuterungen zu § 1, Nr. 13; Schlabach,
Verwaltungskostenrecht, Stand: 30. Lieferung, August 2004; Kommentar zu § 1
VwKostG, Rn. 14. Eine Aufhebung der im maßgeblichen Zeitpunkt der
Widerspruchsentscheidung rechtswidrigen Bescheide ist indessen nicht erfolgt. Die
Bescheide sind in dem Umfang, auf den sich die Entstehung der Gebühr erstreckt, nicht
angefochten worden, sondern nur, soweit sie belastende Nebenbestimmungen
enthalten. Damit ist die Festsetzung der Gebühr dem Grunde nach nicht zu
beanstanden, die sonstigen Voraussetzungen nach dem GebG liegen vor. Ein in
derartigen Fällen der Bestandskraft eines rechtswidrigen Grundverwaltungsaktes in
Betracht zu ziehendes Absehen von der Gebührenerhebung nach § 14 Abs. 2 GebG, so
VG Köln, a.a.O., scheidet vorliegend deshalb aus, weil die Rechtswidrigkeit nicht
offenkundig war, was ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 14 Abs. 2 GebG ist.
Die auf die Tarifstelle 30.5 der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung - AVwGebO
- gestützten Gebührenfestsetzungen sind auch der Höhe nach richtig erfolgt. Die seit
dem 30. Mai 2001 geltende Fassung der AVwGebO sah nach den Tarifstellen 18a.1.1
für die Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 4 Abs. 1
LHV NRW eine Gebühr von 180,- DM vor, nach Tarifstelle 18a.1.5 war für die
Entscheidung über die Erteilung einer Ausnahme nach § 6 Abs. 4 Satz 1 LHV NRW
eine Gebühr von 50,- DM vorgesehen. Diese Fassung der AVwGebO und die
genannten Tarifstellen waren für die Beurteilung der Gebühren im vorliegenden
Verfahren zu Grunde zu legen. Entscheidend für die Festsetzung einer bestimmten
Gebühr unter Zuordnung der gebührenpflichtigen Amtshandlung zu einer bestimmten
Tarifstelle nach der AVwGebO ist die Entstehung der Gebühr. Diese entsteht dem
Grunde nach gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 GebG mit dem Eingang des Antrags bei der
Behörde, der Höhe nach mit Beendigung der gebührenpflichtigen Amtshandlung. Die
danach entscheidende Beendigung der gebührenpflichtigen Amtshandlung liegt im
Erlass der vier in Streit stehenden Bescheiden am 16. August 2001. Auf Grund der Höhe
der festgesetzten Gebühren, die genau den von den maßgeblichen Tarifstellen 18a
vorgesehenen Gebühren entsprechen, war erkennbar, dass die Gebühren in
Übereinstimmung mit den richtiger Weise anzuwendenden Tarifstellen 18a der
AVwGebO festgesetzt werden sollten. Die Nennung der mit Tarifstelle 30.5 insoweit
unrichtigen Ermächtigungsgrundlage führt nicht zur Rechtswidrigkeit der
Gebührenfestsetzungen, da sich die richtige und zur Verfügung stehende
Ermächtigungsgrundlage ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt.
Der weiter hilfsweise gestellte Feststellungsantrag zu 5. ist zulässig als
41
Feststellungsantrag nach § 43 Abs. 1 1. Alt. VwGO. Zwar kann der Kläger im
Feststellungswege nicht die Gültigkeit von Normen eines formellen Gesetzes
überprüfen lassen, Kopp/ Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 43, Rn. 14. Im vorliegenden
Fall begehrt der Kläger aber gerade die Feststellung des Bestehens oder
Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, nämlich das Bestehen der Verpflichtung, für
die Haltung seiner Hunde eine Erlaubnis und für das unangeleinte und maulkorblose
Führen seiner Hunde eine Befreiung einzuholen. Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar
1972 - I C 33.68 -, BVerwGE 38, S. 247 ff. zu einem ähnlich gelagerten Fall eines Streits
über eine gesetzlich angeordnete Erlaubnispflicht; BVerfG, Beschluss vom 18. Januar
2000 - 1 BvR 1329/00 und 1 BvR 1345/00 -, NVwZ 2000, S. 1407 - 1408 (Juris-Dok.).
Das erforderliche Feststellungsinteresse als jedes Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher
oder ideeller Art entfällt nicht bereits deshalb, weil dem Kläger die Genehmigungen,
deren Erfordernis er gerade angreift, auf der Grundlage der LHV NRW erteilt worden
sind und nach der Übergangsvorschrift des § 21 Abs. 1 und 2 LHundG NRW auch
weiter fortgelten. Die Bescheide sind nämlich mit belastenden Nebenbestimmungen
ergangen, wobei nach Aufhebung der Befristungen in erster Linie noch der jeweilige
Vorbehalt des Widerrufs zu nennen ist. Im Fall der möglichen Ausübung des
Widerrufsrechts durch den Beklagten ist der Kläger erneut durch das Erfordernis, eine
Erlaubnis einzuholen, beschwert. Indessen ist die von der Klägerin begehrte
Feststellung in der Sache ausgeschlossen. Die Pflicht der Klägers, für die Haltung
seiner Hunde eine Erlaubnis einzuholen, ergibt sich aus § 4 Abs. 1 LHundG NRW. Die
Verpflichtung, seine Hunde ohne das Vorliegen einer Befreiung nur angeleint und mit
Maulkorb zu führen, ergibt sich aus § 5 Abs. 2 LHundG NRW. Die Vorschriften des
LHundG NRW sind aber - wie bereits dargelegt - nicht zu beanstanden.
42
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf den §§ 154 Abs.1 und 161 Abs. 2 VwGO.
Mit den Hauptanträgen zu 1. bis 4. und dem hilfsweise geltend gemachten
Feststellungsantrag zu 5. ist der Kläger in vollem Umfang unterlegen. Was die
Erledigung des Herausgabeanspruchs auf das polizeiliche Führungszeugnis betrifft,
entspricht es billigem Ermessen, dem Kläger die Kosten des Verfahrens in voller Höhe
aufzuerlegen. Denn er verfolgt sein Begehren nicht weiter, nachdem er in der
mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2005 Einsicht genommen hat. Im Übrigen wäre
die Klage insoweit mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos geblieben, weil sich aus den
nunmehr maßgeblichen Regelungen des § 7 Abs. 3 LHundG NRW sowie § 30 Abs. 1, 5
und § 31 des Bundeszentralregistergesetzes ergibt, dass die Behörde ein
vorzulegendes Führungszeugnis jedenfalls für den Zeitraum der Wirksamkeit einer
erteilten hundehaltungsrechtlichen Erlaubnis nicht herauszugeben verpflichtet ist. Im
Hinblick auf den im Übrigen erledigten Teil des Rechtsstreits entspricht es billigem
Ermessen, den Beteiligten die Kosten des Verfahrens insoweit jeweils zur Hälfte
aufzuerlegen. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Beklagte einerseits dem
Begehren des Klägers teilweise nachgekommen ist, indem er erklärt hat, mit Blick auf
die heute geltende Rechtslage nach § 4 Abs. 6 LHundG NRW (in Verbindung mit § 5
Abs. 3 Satz 4 LHundG, soweit die Befreiungsbescheide betroffen sind) sei die
Nebenbestimmung so zu verstehen, dass es ausreicht, wenn der Kläger eine Kopie der
jeweiligen Erlaubnis mit sich führt. Andererseits hat der Beklagte dem klägerischen
Aufhebungsbegehren nicht in vollem Umfang entsprochen, sondern die angeordnete
Nebenbestimmung nur an die nunmehr maßgebliche Vorschrift des § 4 Abs. 6 LHundG
NRW angepasst. Auch was die Aufhebung der Befristungen entspricht, ist der Beklagte
dem Begehren des Klägers zwar einerseits nachgekommen. Andererseits hätte der
Beklagte in Anbetracht der erfolgten Gesetzesänderung und der damit erfolgten
43
Änderung der Ermächtigungsgrundlage für die Befristung von einer „Soll"- in eine
„Kann"-Regelung aber auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ausnahmsweise
Ermessenserwägungen nachholen können, die zu einer rechtmäßigen Befristung der
vier Erlaubnisbescheide geführt hätten. Das Gericht hat das Interesse des Klägers an
der Aufhebung der streitbefangenen Befristung sowie der Verpflichtung, die jeweilige
Erlaubnis beim Ausführen des Hundes mit sich zu führen, innerhalb der jeweils
angefochtenen Regelungen der einzelnen Bescheide mit insgesamt ¼ bewertet.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in
Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
44