Urteil des VG Freiburg vom 25.03.2009

VG Freiburg: genehmigung, öffentliche schule, geistig behinderter, schüler, sonderschule, ablauf der frist, behinderung, anerkennung, verbot der diskriminierung, privatschule

VG Freiburg Urteil vom 25.3.2009, 2 K 1638/08
Erweiterung der Ersatzschulgenehmigung einer Freien Waldorfschule um das Recht zur integrativen Beschulung von sonderschulpflichtigen
Kindern
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 7.8.2008 verpflichtet, dem Kläger in
Ergänzung der Genehmigung des Oberschulamts Freiburg vom 15.9.1995 eine Genehmigung zum Betrieb der Waldorfschule als Ersatzschule mit
integrativer Beschulung von bis zu vier in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtigen Kindern pro Klasse zu erteilen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt 4/5, der Kläger 1/5 der Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Erweiterung seiner Ersatzschulgenehmigung um das Recht zur integrativen Beschulung von sonderschulpflichtigen
Kindern.
2
Der Kläger, ein 1992 gegründeter und als gemeinnützig anerkannter Verein, verfolgt seit langem das Ziel, in ... eine Freie Waldorfschule zu
betreiben, in deren Klassen integrativ auch Kinder unterrichtet werden, die ansonsten in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtig
wären. Zu diesem Zweck hatte er - nach erfolglosen politischen Sondierungsgesprächen mit dem Kultusministerium - am 4.5.1995 zunächst die
Genehmigung einer „Grundschule mit besonderer pädagogischer Prägung“ beantragt, in der auf der Grundlage des Waldorflehrplans und der
Waldorfpädagogik integrativ 3 bis 4 sonderschulpflichtige Kinder pro Klasse unterrichtet werden sollten. Dieser Antrag war mit Bescheid des
Staatlichen Schulamts Freiburg vom 2.11.1995 mit der Begründung abgelehnt worden, die Schule sei ihrem Wesen nach eine Waldorfschule, die
im Hinblick auf die Lehrgegenstände, das Lehrziel und den Aufbau wesentlich von den öffentlichen Grundschulen abweiche und deshalb nur im
Rahmen der besonderen gesetzlichen Bestimmung von Waldorfschulen zu Ersatzschulen, nicht jedoch nach § 3 Abs. 1 Privatschulgesetz -
PSchG - als eigenständige Ersatzschule genehmigt werden könne. Auf das weitere Merkmal der integrativen Beschulung sei deshalb nicht mehr
einzugehen. Der Ablehnungsbescheid wurde bestandskräftig, nachdem der Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid des
Oberschulamts Freiburg vom 13.9.1996 zurückgewiesen und das im weiteren beim Verwaltungsgericht Freiburg anhängige Klageverfahren nach
Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen mit Beschluss vom 3.5.2000 - 2 K 794/00 - eingestellt worden war.
3
Mit Bescheid des Oberschulamts Freiburg vom 15.9.1995 wurde dem Kläger die Errichtung und der Betrieb einer Freien Waldorfschule in ...
genehmigt. Diese Genehmigung hatte der Kläger ebenfalls am 4.5.1995 hilfsweise für den Fall beantragt, dass der Betrieb der „Grundschule mit
besonderer Prägung“ nicht genehmigt werde. Den Betrieb der Waldorfschule nahm der Kläger zum Schuljahr 1995/96 auf. Im Einvernehmen mit
der Schulverwaltung wurden dabei aufgrund einer Kooperation mit dem „...“, einer privaten Sonderschule für Geistigbehinderte mit
Waldorfpädagogik in ..., von Anfang an pro Klasse integrativ auch 3 bis 4 sonderschulpflichtige Schüler unterrichtet, die dabei rechtlich einer
Außenklasse des ... angehörten. Die dorthin gewährten Zuschüsse wurden anteilig an den Kläger weitergeleitet.
4
Mit Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 17.9.1999 wurde dem Kläger mit Beginn des Schuljahrs 1999/2000 der „Schulversuch
Integratives Schulentwicklungsprojekt zur gemeinsamen schulischen Förderung von Schülern mit geistiger Behinderung und nichtbehinderten
Schülern in der Freien Waldorfschule ...“ genehmigt. Dieser wurde „zunächst begrenzt bis Ende der Mittelstufe der Schule für Geistigbehinderte,
unter Berücksichtigung der bisher erfolgten Beschulung der Kinder mit geistiger Behinderung bis Ende des Schuljahrs 2000/2001“. Die
Genehmigung des Schulversuchs „über den genannten Zeitraum hinaus“ wurde „u.a. von einer Weiterentwicklung der pädagogischen
Konzeption für den Bereich Ober- und Werkstufe der Schule für Geistigbehinderte abhängig“ gemacht. Mit der Genehmigung des
Schulentwicklungsprojekts wurden die an der Schule unterrichteten geistig behinderten Kinder und Jugendlichen Schüler der Freien
Waldorfschule des Klägers. Die Bezuschussung erfolgte auf der Grundlage einer besonders festgelegten Regelung nach Maßgabe des
Aufwands ihrer Unterrichtung an einer staatlichen Sonderschule für Geistigbehinderte.
5
Mit Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 18.7.2002 wurde die Genehmigung des Integrativen Schulentwicklungsprojekts ab dem
Schuljahr 2001/2002 auf die Klassen 7 bis 9 erweitert. Zeitlich wurde die Genehmigung zunächst auf den Zeitraum bis Ende des Schuljahres
2003/2004 begrenzt. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Schüler die Oberstufe abgeschlossen, die im Schuljahr 2001/2002 in diese eingetreten
seien.
6
Mit Bescheid des Landratsamts ... vom 30.5.2005 wurde dann die „Weiterführung des Schulversuchs für die Klassen 10 bis 12 im Bildungsgang
für Geistigbehinderte“ genehmigt. Der Schulversuch wurde „zunächst bis zum Ende des Schuljahres 2007/2008 befristet“.
7
Das Integrative Schulentwicklungsprojekt des Klägers wurde durch die Schulverwaltung begleitet. Dabei wurden unter anderem im Juni 2004,
Oktober 2005 und im Mai 2007 Evaluationsbesuche an der Schule durchgeführt. Auf der Grundlage dieser Schulbesuche teilte das
Regierungspräsidium Freiburg dem Kläger mit Schreiben vom 26.2.2008 mit, es sei deutlich geworden, dass die gemeinsame Beschulung von
geistig behinderten Kindern und Jugendlichen mit nicht behinderten Schülerinnen und Schülern in der Schule des Klägers im Grundsatz möglich
sei und durch den Kläger positiv ausgestaltet werde. Gegen eine gemeinsame Beschulung gebe es von pädagogischer Seite keine Bedenken.
8
Während eines Informationsbesuches des Kultusministers im November 2006 sprach sich dieser zwar für eine Fortführung des integrativen
Schulkonzepts aus, verwies hinsichtlich der rechtlichen Konstruktion eines solchen Modells jedoch auf die Möglichkeit einer Kooperation mit
einer Sonderschule für Geistigbehinderte, die gegebenenfalls auch vom Kläger für diese Zwecke gegründet werden könne. Die Fortführung des
Integrativen Schulentwicklungskonzepts mit den dort festgelegten Regelungen etwa zur Bezuschussung lehnte er unter Hinweis darauf ab, dass
im Schulgesetz eine solche Schulform nicht vorgesehen sei.
9
Anfragen des Klägers bei den zuständigen Landkreisen ergaben, dass im Fall des Kooperationsmodells keine zusätzlichen Leistungen für den
Schülertransport und die Bereitstellung von Integrationshelfern mehr möglich sein würden. Bemühungen des Kultusministeriums um eine
anderweitige Praxis brachten keinen Erfolg.
10 Mit zwei getrennten Schreiben vom 18.6.2008 beantragte der Kläger beim Regierungspräsidium Freiburg zum einen festzustellen, dass die
Integrative Waldorfschule ... aufgrund des erfolgreich durchgeführten Schulversuchs als Integrative Waldorfschule rechtlich anzuerkennen ist,
sowie zum anderen, den Genehmigungsbescheid des Oberschulamts Freiburg vom 15.9.1995 dahin zu ergänzen, dass die Waldorfschule ... als
Ersatzschule mit integrativer Beschulung von bis zu vier sonderschulpflichtigen Kindern pro Klasse genehmigt wird.
11 Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg - Abteilung Schule und Bildung - vom 7.8.2008 wurde der Antrag auf Ergänzung des
Genehmigungsbescheids vom 15.9.1995 um die Genehmigung zur integrativen Beschulung von bis zu vier sonderschulpflichtigen Kindern pro
Klasse mit der Begründung abgelehnt, es bestehe weder ein Anspruch auf Überführung des Schulversuchs zur Integrativen Beschulung in die
Regelform noch sei eine solche Genehmigung bereits konkludent erteilt worden.
12 Der Kläger hat am 2.9.2008 beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben. Zur Begründung lässt er im Wesentlichen ausführen, das
Integrative Schulentwicklungsprojekt an der Schule sei in der Form eines vorläufigen Verwaltungsaktes dergestalt genehmigt worden, dass es
mit der - unbestrittenen - erfolgreichen Evaluierung des Versuchslaufs unbefristet weiterlaufe. Dies ergebe sich nicht nur aus dem
Regelungsgehalt der jeweiligen Teilgenehmigungen des Projekts, sondern auch aus dem allgemeinen Verständnis des
Schulentwicklungsprojekts unter den Beteiligten. Anders als im Bereich des staatlichen Schulwesens habe der Schulversuch nicht unter dem
Vorbehalt einer politischen Umsetzungsentscheidung gestanden, sondern ausschließlich der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit des dem
Projekt zugrunde gelegten Konzepts einer integrativen Waldorfschule gedient. So habe etwa das Staatliche Schulamt Freiburg dem Landratsamt
... mit Schreiben vom 29.7.1999 mitgeteilt, dass die Befristung des Integrativen Schulentwicklungskonzepts lediglich als Zwischenstation der
internen Konzeptbildung und nicht als Auslaufen des Modells zu verstehen und davon auszugehen sei, dass bei entsprechender pädagogisch-
konzeptioneller Weiterarbeit der Schule die vollständig ausgebaute Waldorfschule mit integrierter Förderung geistig behinderter Kinder
entstehen werde. Auch seien die erste Genehmigung vom 17.9.1999 ebenso wie die Verlängerungen des Schulentwicklungsprojekts in ihrer
Geltungsdauer stets allein unter den Vorbehalt der Weiterentwicklung der pädagogischen Konzeption bzw. einer positiven pädagogischen
Evaluation durch die Schulaufsichtsbehörde gestellt worden. Schließlich beziehe sich die Befristung der Weitergeltung der Genehmigung des
Integrativen Schulentwicklungsprojekts in dem Bescheid des Landratsamts ... vom 30.5.2006 „zunächst bis zum Ende des Schuljahres
2007/2008“ ausschließlich auf die Klassen 10 bis 12, sodass davon ausgegangen werden müsse, dass die bis dahin auch für die Klassen 1 bis 9
geltende Befristung des Schulversuchs mit Blick auf die insoweit bereits vorliegende erfolgreiche Evaluation des Schulversuchs für diese
Klassen aufgehoben worden sei. In jedem Fall aber bestehe ein Anspruch auf Genehmigung der integrativen Beschulung von bis zu vier
sonderschulpflichtigen Schülern im Rahmen des Betriebs der bestehenden Freien Waldorfschule. Dieser ergebe sich aus der Regelung der §§ 3
Abs. 2 und 5 Abs. 1 lit b), Abs. 2 des Privatschulgesetzes. Die integrative Unterrichtung von behinderten Schülern mit sonderpädagogischen
Förderbedarf gemeinsam mit Schülern der Regelschule sei ein Unterricht von Schülern unterschiedlicher Begabungsrichtungen in einem
einheitlichen Bildungsgang, der nach dem Waldorflehrplan erfolge und zu den dort festgelegten Bildungszielen führe. Der Unterricht werde
grundsätzlich von Lehrkräften mit einer abgeschlossenen fachlichen und pädagogischen Ausbildung erteilt und die Schule müsse trotz der
Abweichungen in der inneren und äußeren Gestaltung gegenüber einer entsprechenden staatlichen Schule als gleichwertig betrachtet werden.
Darauf, dass die über die beantragte Ergänzung entstehende Schule keine Entsprechung in der gesetzlichen Ausgestaltung des öffentlichen
Schulsystems des Landes finde, komme es nicht an. Denn nach Art. 7 Abs. 4 GG reiche es aus, dass die betreffende Privatschule in die von den
vorhandenen oder grundsätzlich vorgesehenen öffentlichen Schulen geprägte Gesamtkonzeption passe. Die Schüler müssten im Kern die
gleichen Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben wie im staatlichen Schulsystem und letztlich zu den staatlichen Abschlüssen geführt werden.
Dies alles werde vom Beklagten für die beantragte und erfolgreich evaluierte Konzeption des Klägers für eine integrative Waldorfschule nicht in
Frage gestellt. Bei der Anerkennung der integrativen Beschulungsform als gegenüber den staatlichen Regel- und Sonderschulen gleichwertiges
Modell sei auch das Diskriminierungsverbot nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zu beachten. Hinzukomme die Regelung des Art. 24 des - mittlerweile
ratifizierten - Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, der in Satz 2 die Vertragsstaaten zur
Gewährleistung eines „integrativen Bildungssystems auf allen Ebenen“ verpflichte. Der Ablehnungsbescheid vom 2.11.1995 könne der
Genehmigungserteilung für die Klassen 1 bis 4 nicht entgegen gehalten werden, da sich diese Ablehnung auf die Genehmigung einer
Grundschule mit besonderer pädagogischer Prägung nach § 3 Abs. 1 PSchG bezogen habe, während nunmehr die Anerkennung einer
Integrativen Waldorfschule im Rahmen des § 3 Abs. 2 PSchG beantragt werde. Ein identischer Streitgegenstand sei damit auch nicht teilweise
gegeben.
13 Der Kläger beantragt,
14
festzustellen, dass im Rahmen des Betriebs der Waldorfschule ... die integrative Beschulung von bis zu vier in einer Sonderschule für
Geistigbehinderte schulpflichtigen Kindern pro Klasse unter Zugrundelegung der Waldorfpädagogik und des Waldorflehrplans und der
Bildungsziele nach dem Lehrplan der Sonderschulen für geistig Behinderte bereits genehmigt ist,
15
hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 7.8.2008 zu
verpflichten, ihm in Ergänzung der Genehmigung des Oberschulamts Freiburg vom 15.9.1995 eine Genehmigung zum Betrieb der
Waldorfschule als Ersatzschule mit integrativer Beschulung von bis zu vier in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtigen
Kindern pro Klasse zu erteilen.
16 Der Beklage beantragt,
17
die Klage abzuweisen.
18 Er trägt im Wesentlichen vor, das aus pädagogischer Sicht zufriedenstellende Ergebnis des Schulversuchs habe nicht zur Folge, dass hiermit
bereits das dem Schulversuch zugrunde liegende Schulentwicklungsprojekt der integrativen Beschulung endgültig genehmigt worden sei. Eine
solche endgültige Genehmigung könne auch nicht für die Klassen 1 bis 9 aus der Verlängerung des Schulversuchs in dem Bescheid des
Landratsamts ... vom 30.5.2006 für die Klassen 10 bis 12 abgeleitet werden. Die Genehmigungen des Integrativen Schulentwicklungsprojekts als
Schulversuch seien sämtlich zeitlich befristet worden, wobei der gesamte Schulversuch von Anfang stets unter dem Vorbehalt einer endgültigen
Entscheidung zur Umsetzung der Ergebnisse durch die Schulverwaltung gestanden habe. Dies ergebe sich aus dem objektiven Erklärungswert
der Genehmigungsbescheide und sei auch immer von allen Beteiligten so verstanden worden. Die mit dem Hilfsantrag verfolgte Klage auf
Erteilung einer Genehmigung zur integrativen Beschulung sei unzulässig, soweit die Genehmigung für die Klassen 1 bis 4 begehrt werde. Der
Klageerhebung stehe der Beschluss des VG Freiburg vom 3.5.2000 in der Verwaltungsrechtssache 2 K 749/00 entgegen, mit welchem das
ebenfalls auf Erteilung einer Genehmigung der integrativen Beschulung in den Klassen 1 bis 4 gerichtete Klageverfahren nach
übereinstimmender Erledigungserklärung eingestellt worden sei. Anders als der Kläger meine, sei dieses Klageverfahren nicht auf eine
Genehmigung nach § 3 Abs.1 PSchG, sondern auf eine solche nach § 3 Abs.2 PSchG bezogen gewesen und betreffe deshalb den gleichen
Streitgegenstand wie der Hilfsantrag. Soweit die mit dem Hilfsantrag verfolgte Klage auf eine integrative Beschulung der Klassen 5 bis 12 der
Waldorfschule ziele, sei diese zulässig, jedoch nicht begründet. Der geltend gemachte Anspruch auf Genehmigung einer solchen Unterrichtsform
bestehe nicht. Schulen in freier Trägerschaft könnten nach § 3 Abs.1 PSchG nur dann als Ersatzschulen genehmigt werden, wenn
entsprechende öffentliche Schulen bestünden. Dies sei weder für Schulen mit integrativer Beschulung geistig behinderter Schüler und
Schülerinnen innerhalb einer Regelschule noch für Waldorfschulen der Fall. Soweit für letztere in § 3 Abs.2 PSchG eine gesetzliche
Anerkennung als Ersatzschule gegeben sei, beziehe sich diese ausschließlich auf eine Beschulung nach dem Waldorflehrplan, der zu den dort
festgelegten Bildungszielen der Regelschule führe. Die vom Kläger gewünschte integrative Unterrichtung auch von sonderschulpflichtigen
Kindern und Jugendlichen mit einer geistigen Behinderung sei dort nicht enthalten. Die für die Anerkennung als Ersatzschule notwendige
Entsprechung der integrativen Waldorfschule mit einer öffentlichen Schule ergebe sich auch nicht daraus, dass die integrative Unterrichtung von
Schülerinnen und Schülern mit geistiger Behinderung im Rahmen von Kooperationen der Regelschule mit einer entsprechenden Sonderschule
auch im öffentlichen Schulsystem vorgesehen sei. Denn bei dieser Kooperation blieben die behinderten Kinder und Jugendlichen nach wie vor
Schüler der Sonderschule, während sie nach der vom Kläger zur Genehmigung gestellten Konzeption gemeinsam mit den übrigen Kindern und
Jugendlichen ohne Behinderung zu Schülern einer einheitlichen Schule würden, die dann an die Stelle sowohl einer allgemeinen Regelschule
als auch an die Stelle einer Sonderschule für Geistigbehinderte treten würde. Die hierin liegende Abweichung vom öffentlichen Schulsystem sei
insbesondere für das Finanzierungssystem der Privatschulen erheblich und gehe deshalb in jedem Fall über das nach § 5 Abs.2 PSchG
zulässige Maß hinaus. Anders als bei der einer Regelschule entsprechenden Waldorfschule würden private Sonderschulen nicht pro Schüler
bezuschusst, sondern einheitlich als Institution. Es sei weder möglich noch gewollt, dass ein einzelner Schüler mit einem Wechsel an eine
andere Schule einen anteiligen Zuschussbeitrag im „Rucksacksystem“ an die neue Schule mitnehme. Dieser Erwägung stehe nicht das Verbot
der Diskriminierung behinderter Schüler entgegen. Das öffentliche Schulsystem stehe als solches mit Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG in Einklang, sodass
auch die Vorgabe dieses Schulsystems für den Bereich der Privatschulen nicht gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen könne. Die
Sonderschulbedürftigkeit eines Schülers werde immer erst dann festgestellt, wenn eine Integration in die allgemeine Schule auch mit
unterstützenden anderweitigen Leistungen innerhalb des Systems nicht möglich sei. Die im öffentlichen Schulsystem bestehende Möglichkeit
eines integrativen zieldifferenten Unterrichts in der Form einer Kooperation zwischen einer allgemeinen Regelschule und einer Sonderschule sei
dem vom Kläger begehrten Modell gleichwertig. Der Kläger könne die gewollte Integration ohne Abstriche verwirklichen, indem er eine separate
private Sonderschule für geistig Behinderte gründe, die er im Schulverbund mit der Freien Waldorfschule „unter einem Dach“ führen und über die
er den integrativen Unterricht in der Form einer Kooperation organisieren können. Die hierbei mögliche Reichweite des integrativen Unterrichts
entspreche dem, was nach der Evaluation des Schulversuchs durch den Klägers sinnvoll praktiziert worden sei. Dies werde vom Kläger im
Grundsatz ebenso gesehen, der die besondere Organisationsform in der Sache nur deshalb begehre, weil er damit rechne, dass die Landkreise
in dem Fall des Betriebs einer eigenständigen Sonderschule die bisher gewährten Zuschüsse zu den Schülerfahrten sowie die im Rahmen der
Eingliederungshilfe gewährten Assistenzdienste im Unterricht kürzen bzw. streichen. Entgegen der Auffassung des Klägers könne der
Genehmigungsanspruch auch nicht aus Art. 24 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen abgeleitet werden. Denn abgesehen davon, dass dieses Übereinkommen trotz der mittlerweile erfolgten Ratifizierung keine
justiziablen Rechte einzelner begründe und die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Gewährleistung eines integrativen
Bildungssystems auf die - unstreitig gegebene - Sicherstellung des Rechts von Menschen mit Behinderungen auf den diskriminierungsfreien
Zugang zu den Bildungssystemen beschränkt sei, trage das Bildungssystem des Landes Baden-Württemberg der Verpflichtung zur
Gewährleistung eines "integrativen Bildungssystems" selbst dann ausreichend Rechnung, wenn diese nicht nur auf den Zugang, sondern auch
auf die entsprechende Ausgestaltung des Bildungswesens gerichtet sein sollte.
19 Der Kammer liegen die Akten des Regierungspräsidiums Freiburg zur Ersatzschulgenehmigung der Freien Waldorfschule ... (2 Hefte) sowie die
Akte des damaligen Oberschulamts Freiburg zur Genehmigung einer Freien Waldorf-Grundschule (1 Heft) vor. Beigezogen wurde ferner die Akte
des Verwaltungsgerichts zu dem Klageverfahren 2 K 794/00 sowie die Akte des Antragsverfahrens einer potentiellen Schülerin mit
sonderpädagogischem Förderbedarf auf Aufnahme in die Schule des Klägers (2 K 1452/08). Auf den Inhalt dieser Akten sowie auf die
Schriftsätze in der Klageakte wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
20 1. Die mit dem Hauptantrag verfolgte Feststellungsklage ist nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Eine Subsidiarität gegenüber der
Verpflichtungsklage nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO besteht nicht, da die Verpflichtung zur Erteilung eines bereits erteilten Verwaltungsakts nicht
begehrt werden kann.
21 2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Dem Kläger ist bislang keine Genehmigung erteilt worden, an der Freien Waldorfschule in ... integrativ
auch bis zu vier in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtige Kinder pro Klasse unter Zugrundelegung der Waldorfpädagogik und
des Waldorflehrplans sowie der Bildungsziele nach dem Lehrplan der Sonderschulen für Geistigbehinderte zu beschulen.
22 Eine solche Genehmigung lässt sich nicht aus der - aus der Sicht der Beteiligten unstreitig beanstandungsfreien - Durchführung des „Integrativen
Schulentwicklungsprojekts zur gemeinsamen schulischen Förderung von Schülern mit geistiger Behinderung und Nichtbehinderten in der Freien
Waldorfschule ...“ und der diesem Projekt zugrunde liegenden Genehmigungen ableiten. Entgegen der Auffassung des Kläger-Bevollmächtigten
kann weder der Genehmigung des Schulentwicklungsprojekts durch Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 17.9.1999 noch den
Bescheiden des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 18.7.2002 und des Landratsamts ... vom 30.5.2005 zur Verlängerung dieses Projekts ein
entsprechender Regelungsgehalt entnommen werden.
23 a) Die Kammer ist der Überzeugung, dass der Kläger nach den ihm bekannten oder erkennbaren maßgeblichen Gesamtumständen im Zeitpunkt
des Empfangs den Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 17.9.1999 ausschließlich so verstehen durfte und auch verstanden hat,
dass die Fortführung des in diesem Bescheid beschriebenen Schulentwicklungsprojekts nach Abschluss der Erprobungsphase noch einer
eigenständigen weiteren Genehmigung der Schulverwaltung bedarf und nicht bereits - wenn auch durch die Feststellung des pädagogischen
Erfolgs aufschiebend bedingt - endgültig genehmigt ist.
24 Dies ergibt sich daraus, dass der Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 17.9.1999 wörtlich auf die Genehmigung der Durchführung
eines „Schulversuchs“ an der Freien Waldorfschule des Klägers gerichtet ist. Mit dieser Anknüpfung an die Regelungen des § 22 SchulG wurde
klar zum Ausdruck gebracht, dass die Ermöglichung der integrativen Beschulung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern an einer
Freien Waldorfschule vorrangig auf die pädagogische und schulorganisatorische Erprobung eines solchen Konzepts gerichtet ist und die Frage
der endgültigen Genehmigung dieser Schulform - wie auch sonst bei Schulversuchen - einer nach Beendigung des Schulversuchs zu treffenden
eigenständigen Entscheidung der Schulverwaltung vorbehalten bleibt.
25 Dem steht nicht entgegen, dass die Regelung des § 22 SchulG auf die Durchführung eines Schulversuchs an einer öffentlichen Schule im Sinne
des § 2 Abs. 1 SchulG beschränkt ist und im Bereich der Privatschulen keine unmittelbare Anwendung findet (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 SchulG).
Denn selbst wenn die Genehmigung des Schulversuchs deshalb rechtswidrig gewesen wäre, hätte dies auf die Bestimmung ihres konkreten
Regelungsgehalts keine Auswirkung, da der Rechtmäßigkeit einer Regelung allenfalls dann Bedeutung zukommen kann, wenn diese objektiv
mehrdeutig ist und Zweifel darüber bestehen, in welcher Weise der Empfänger die Regelung verstehen durfte (Kopp/Ramsauer, VwVfG
Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 35 Rn. 18 ff; Gurlit in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, § 27 III, Rn. 9 m.w.N.). Diese
Situation ist hier jedoch nicht gegeben. Im Übrigen war es weder nach der Struktur des Privatschulwesens noch nach dem Zweck des § 22
SchulG ausgeschlossen, den Kläger in entsprechender Anwendung des § 22 SchulG in den Schulversuch zur integrativen Beschulung von
geistig behinderten Kindern und Jugendlichen in Regelschulen einzubinden. Denn auch wenn Schulen in freier Trägerschaft bereits aufgrund
ihrer Privatschulfreiheit im stärkeren Maße in der Lage sind, pädagogische und organisatorische Konzepte zu erproben, als dies im Bereich des
öffentlichen Schulwesens der Fall ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.3.1994 - 1 BvR 1369/90 -, BVerfGE 90, 128 140; BVerwG, Urt. v. 13.12.2000 - 6 C
5.00 -, BVerwGE 112, 263, 268 f.), bestand hier die Besonderheit, dass die privatschulrechtliche Genehmigungsfähigkeit der vom Kläger
begehrten integrativen Beschulung von der Schulverwaltung bereits dem Grunde nach bestritten wurde, zugleich aber über den Schulversuch
eine - aus der Sicht der Schulverwaltung auch für den Fall des Klägers notwendige - politische Entscheidung zur Änderung des öffentlichen
Schulwesens vorbereitet werden sollte.
26 Für das Verständnis der Genehmigung vom 17.9.1999 als Regelung eines Schulversuchs im Sinne des § 22 SchulG spricht auch, dass es der
Kläger war, der im Vorfeld der Genehmigungserteilung aktiv die Einbeziehung der integrativen Beschulung von geistig behinderten Schülerinnen
und Schulen an seiner Waldorfschule in den zeitgleich an einigen öffentlichen Schulen des Landes durchgeführten Schulversuch betrieben
hatte. Dieses Bemühen zeigt sich in dem Antrag des damaligen Bevollmächtigten des Klägers im Jahr 1998 beim Ministerium für Kultus und
Sport auf Einrichtung eines „Modellversuchs“, in dem das Konzept der integrativen Beschulung für den Bereich der Grundschulklassen erprobt
werden sollte (vgl. den Aktenvermerk in der Akte des Oberschulamts Freiburg zur Genehmigung der Freien Waldorf-Grundschule, S.119), sowie
in der zeitgleich im Widerspruchsverfahren gegen die Ablehnung der Genehmigung einer privaten Grundschule mit integrativer Beschulung
erfolgten Berufung auf die Bestätigung des Leiters der Arbeitsgruppe zur wissenschaftlichen Begleitung der Schulversuche, Prof. Dr. ..., dass eine
Erprobung der integrativen Beschulung auch im Waldorfbereich eine wertvolle Ergänzung darstellen würde (Akte des Oberschulamts Freiburg
zur Genehmigung der Freien Waldorf-Grundschule, S. 40).
27 Für das objektive Verständnis der Genehmigung vom 17.9.1999 als isolierte Erlaubnis eines Schulversuchs ist weiter maßgeblich, dass sowohl
die damalige Kultusministerin in ihrem Schreiben vom 27.6.1994 (Behördenakte Regierungspräsidium Freiburg „Freie Waldorfschule ..., Bd. 1, S
31 ff) als auch später der Sachbearbeiter in seinem Schreiben vom 13.8.1996 (Akte des Oberschulamts Freiburg zur Genehmigung der Freien
Waldorf-Grundschule, S. 60) im Vorfeld der Genehmigung des Schulversuchs gegenüber dem Kläger betont hatten, dass die Genehmigung einer
Ersatzschule mit integrativer Beschulung aus ihrer Sicht rechtlich nicht möglich sei und deshalb einer nach Abschluss des auch im Bereich des
öffentlichen Schulwesens laufenden Schulversuchs zu treffenden politischen Grundentscheidung bedürfe.
28 Hinzu kommt schließlich, dass die Schulverwaltung den Charakter des Schulentwicklungsprojekts als „Schulversuch“ stets auch während des
Laufs dieses Projekts betont hat, ohne dass der Kläger in diesem Zusammenhang ein anderes Verständnis von der Genehmigung vorgebracht
hätte. So hat der Kläger am 29.7.2004 etwa die Fortführung des Schulentwicklungsprojekts bis zum Ende des Schuljahrs 2006/2007 „unter den
bisherigen Bedingungen“ beantragt, obwohl mit ihm im Rahmen der Evaluationsbesuche des Staatlichen Schulamts Freiburg am 20.5.2003
(Behördenakte Regierungspräsidium Freiburg „Freie Waldorfschule ..., Bd. 1, S. 215) und am 22./23.6.2004 (Behördenakte Regierungspräsidium
Freiburg „Freie Waldorfschule ..., Bd. 2, S. 4) die Problematik einer zukünftigen Organisationsform der Schule nach Auslaufen des Schulversuchs
besprochen worden war und das Protokoll zum Evaluationsbesuch am 22./23.6.2004 ausdrücklich mit dem Votum der Genehmigungsbehörde
endet: „Unter diesen Bedingungen könnten wir der letztmaligen Verlängerung als Schulversuch zustimmen. Danach muss eine dauerhafte und
organisatorisch tragfähige Form entwickelt und umgesetzt werden.“ Dem entspricht es, dass der Kläger sich in seinem eigenen
Informationsschreiben an die Mitglieder des Schulausschusses im Landtag vom 28.12.2005 über das Integrative Schulentwicklungsprojekt
(Behördenakte Regierungspräsidium Freiburg „Freie Waldorfschule ..., Allgemeines, Bd. 2, S. 67ff) zum Ziel gesetzt hat, „die integrative
Beschulung in dieser Form weiterzuführen und eine dauerhafte Genehmigung dafür zu erhalten“. Wäre der Kläger davon ausgegangen, dass
eine eigenständige Entscheidung nach Abschluss des Schulversuchs über die weitere Organisationsform der integrativen Beschulung nicht
mehr notwendig ist, da die Genehmigung vom 17.9.1999 die Fortführung des bisherigen Modells allein unter den Vorbehalt eines
pädagogischen Erfolgs des Versuchs gestellt hat, hätte er dies in irgendeiner Form besonders zum Ausdruck gebracht.
29 Dem - wie dargestellt - eindeutigen übereinstimmenden Verständnis vom Regelungsgehalt der Schulversuchsgenehmigung vom 17.9.1999 steht
nicht entgegen, dass - worauf der Kläger-Bevollmächtigte hinweist - das Staatliche Schulamt dem Landratsamt ... mit Schreiben vom 29.7.1999,
also noch vor der Genehmigungserteilung, mitgeteilt hat, dass die Befristung des Integrativen Schulentwicklungskonzepts „lediglich als
Zwischenstation der internen Konzeptbildung und nicht als Auslaufen des Modells zu verstehen und davon auszugehen (sei), dass bei
entsprechender pädagogisch-konzeptioneller Weiterarbeit der Schule die vollständig ausgebaute Waldorfschule mit integrierter Förderung
geistig behinderter Kinder entstehen“ werde. Denn abgesehen davon, dass diese - auch dem Kläger zur Kenntnis gegebene - Einschätzung das
tatsächliche Verständnis der Beteiligten von der später getroffenen Regelung offensichtlich nicht beeinflusst hat, ist mit dieser Mitteilung inhaltlich
noch keine Aussage darüber getroffen worden, in welcher konkreten Organisationsform diese integrative Förderung behinderter Kinder an der
Waldorfschule dann tatsächlich erfolgen werden wird.
30 b) Lässt sich dem Bescheid des Staatlichen Schulamts vom 17.9.1999 keine durch den pädagogischen Erfolg des Projekts aufschiebend
bedingte Genehmigung der dem Schulentwicklungsprojekt zugrunde liegenden integrativen Schul- und Unterrichtsform entnehmen, so gilt dies
auch für die Verlängerung des Projekts in den Bescheiden des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 18.7.2002 und des Landratsamts ... vom
30.5.2005.
31 Der Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 18.7.2002 knüpfte - nach Ablauf der Frist und Vorlage der Weiterentwicklung des
Konzepts des Klägers - an die inhaltliche und zeitliche Begrenzung der Schulversuchsgenehmigung vom 17.9.1999 an und erstreckte die
Weitergeltung des Schulversuchs zur integrativen Beschulung der entsprechend herangewachsenen Schüler auf den weiteren Bereich der
Oberstufe des Bildungsgangs der Sonderschule bzw. der Klassenstufen 7 bis 9 an der Freien Waldorfschule. Dabei wurde durch den gleichzeitig
erfolgten Hinweis auf die Weitergeltung der Genehmigung vom 17.9.1999 hinreichend deutlich gemacht, dass mit der Erweiterung des
Schulentwicklungsprojekts keine endgültige Genehmigung der bereits in einem ersten Durchlauf erprobten Integrativen Beschulung in den
Klassen 1 bis 6 verbunden sein sollte, dass aber im Rahmen des Schulversuchs weiterhin in jeweils neu beginnenden Klassen auch Schüler mit
besonderem Förderbedarf in einer Sonderschule für Geistigbehinderte aufgenommen und integrativ beschult werden können.
32 Gleiches gilt für die ausdrücklich als „Weitergenehmigung des Schulversuchs“ bezeichnete Erstreckung der Genehmigung des
Schulentwicklungsprojekts auch auf die der Werkstufe an einer Sonderschule für Geistigbehinderte entsprechenden Klassen 10 bis 12 in dem
Bescheid des Landratsamts ... vom 30.5.2005. Soweit hier der Schulversuch ohne Differenzierung „zunächst bis zum Ende des Schuljahrs
2007/2008 befristet“ wird, ist dies nach den Umständen des gesamten Schulversuchs dahin zu verstehen, dass nach dem Ablauf der Frist ein
Neuaufnahmestopp in der 1. Klassenstufe eintreten und das Schulentwicklungsprojekt - jedenfalls dann, wenn die Fortführung nicht genehmigt
wird - über die Weiterführung der integrativen Beschulung (allein) der bereits aufgenommenen Schülerinnen und Schüler mit geistiger
Behinderung auslaufen soll. Die gegenteilige Auffassung des Kläger-Bevollmächtigten, der aus der missverständlichen, weil möglicherweise auf
einen vollständigen und abrupten Abbruch der integrativen Beschulung insgesamt gerichteten Befristung ableitet, dass diese allein auf die
notwendige Erprobung des integrativen Unterrichts in der Werkstufe bezogen sein könne und im Übrigen (konkludent) eine endgültige
Genehmigung enthalte, teilt die Kammer daher nicht. Dabei zeigen insbesondere die vielfältigen politischen Bemühungen um eine Verlängerung
des Projekts, dass auch der Kläger die letzte Verlängerungsentscheidung nicht im Sinne einer Erteilung der Ersatzschulgenehmigung zur
integrativen Beschulung in den Klassenstufen 1 bis 9 verstanden hat.
II.
33 Der nach Abweisung des Hauptantrags zum Tragen kommende Hilfsantrag des Klägers auf Verpflichtung zur Erteilung der
Ersatzschulgenehmigung zur integrativen Beschulung von geistig behinderten Kindern hat Erfolg.
34 1. Die Klage ist in der Form einer Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zulässig.
35 Eines Widerspruchsverfahrens als Vorverfahren vor Erhebung der Klage bedurfte es gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 6a Satz 1
AGVwGO a.F. (nunmehr: § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO idF. v. 14.10.2008, GBl S. 343) nicht, da die beantragte Ersatzschulgenehmigung durch das
Regierungspräsidium abgelehnt worden ist.
36 Entgegen der Auffassung des Beklagten steht der Zulässigkeit der Klage auch nicht teilweise entgegen, dass das Staatliche Schulamt bereits mit
Bescheid vom 2.11.1995 einen Antrag des Klägers auf Genehmigung der Errichtung und des Betriebs einer Grundschule abgelehnt hat, an der
auf der Grundlage des Waldorflehrplans und unter Anwendung der Waldorfpädagogik integrativ auch geistig behinderte Kinder unterrichtet
werden sollten. Denn die Klage ist nicht auf diesen Antrag und die bestandskräftige Ablehnungsentscheidung vom 2.11.1995 bezogen, sondern
auf den neuen Antrag des Klägers vom 18.6.2008 auf Genehmigung zur integrativen Beschulung von geistig behinderten Kindern und
Jugendlichen in der vorhandenen Freien Waldorfschule. Mit dem Einwand des Beklagten zur Bestandskraft des Ablehnungsbescheids vom
2.11.1995 ist der Streitgegenstand dieser Klage (nur) insoweit betroffen, als der Beklagte dem neuen Genehmigungsantrag des Klägers eine aus
seiner Sicht bestehende Bindungswirkung der ersten Ablehnungsentscheidung entgegenhält. Da nach den Darlegungen des Klägers jedenfalls
die zur Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 42 Abs. 2 VwGO notwendige hinreichende Möglichkeit besteht, dass dieser Einwand zu
Unrecht erhoben wird und dem Kläger der Anspruch auf die begehrte Ersatzschulgenehmigung im vollen Umfang zusteht, bleibt die mit einer
solchen Bindungswirkung der Ablehnungsentscheidung vom 2.11.1995 verbundene Problematik der materiellen Rechtmäßigkeit der
Ablehnungsentscheidung vom 7.8.2008 der Prüfung der Begründetheit der Klage vorbehalten.
37 Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das nach Ablehnung des Genehmigungsantrags vom 4.5.1995 vom Kläger anhängig
gemachte Klageverfahren nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg
vom 3.5.2000 - 2 K 794/00 - eingestellt worden ist. Denn mit der in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 2 VwGO erfolgenden Einstellung
eines Verfahrens wird keine der materiellen Rechtskraft fähige Entscheidung des Gerichts über den anhängigen Streitgegenstand getroffen, die
einen Rechtsstreit in gleicher Sache unzulässig machen würde. Die vom Beklagten für seine Auffassung zitierte Kommentarstelle ergibt nichts
anderes.
38 Entgegen der Anregung des Beklagten sieht die Kammer nach Ermessen von dem Erlass eines Zwischenurteils nach § 109 VwGO zur (Teil-
)Zulässigkeit des Hilfsantrags des Klägers ab. Denn abgesehen davon, dass die vom Kläger aufgeworfene Problematik der Zulässigkeit der
Verpflichtungsklage keine besonderen, in einer weiteren Instanz klärungsbedürftigen Rechtsfragen aufwirft, brächte ein solches Urteil weder eine
Beschleunigung des Verfahrens noch die Möglichkeit einer vereinfachenden Abschichtung von Streitfragen mit sich. Das Gericht wäre auch nach
einer Zuführung der vom Beklagten aufgeworfenen Zulässigkeitsfrage in einen Zwischenstreit nicht von der Aufgabe enthoben, den Rechtsstreit
im Übrigen, d.h. hinsichtlich des Hauptantrags und des Hilfsantrags in Bezug auf die Klassen 5 bis 12, auch inhaltlich zu entscheiden. Dabei
konnte der Beklagte auch inhaltlich zur Klage Stellung nehmen, ohne einen möglicherweise berechtigten Einwand zu ihrer Unzulässigkeit zu
verlieren. Die Rechtsprechung zur Entbehrlichkeit eines Vorverfahrens bei inhaltlicher Einlassung des auch für das Widerspruchsverfahren
zuständigen Beklagten im Prozess ist auf die hier gegebene Konstellation nicht übertragbar.
39 2. Die Klage ist begründet. Der Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 7.8.2008, mit welchem der Antrag des Klägers vom 18.6.2008
auf Ergänzung der Ersatzschulgenehmigung vom 15.9.1995 um die Genehmigung zur integrativen Beschulung von bis zu vier
sonderschulpflichtigen Kindern pro Klasse abgelehnt worden war, ist rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1
VwGO).
40 Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung zum Betrieb der Freien Waldorfschule Emmendingen als Ersatzschule mit
integrativer Beschulung von bis zu vier in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtigen Kindern pro Klasse. Dieser Anspruch lässt
sich zwar nicht aus dem Privatschulgesetz des Landes Baden-Württemberg ableiten (hierzu zu a), er ergibt sich jedoch unmittelbar aus Art. 7
Abs. 4 GG (hierzu zu b). Der Genehmigungsanspruch umfasst dabei auch eine integrative Beschulung in den Klassen 1 bis 4; diesem stehen
weder die besonderen Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 5 GG noch die Bindungswirkung der bestandskräftigen Ablehnung der
Genehmigung einer integrativen Grundschule mit Waldorfpädagogik vom 2.11.1995 entgegen (hierzu zu c).
41 a) Nach § 5 Abs. 1 des Privatschulgesetzes des Landes Baden-Württemberg setzt die Erteilung der Genehmigung zur Errichtung und zum
Betrieb einer Schule in freier Trägerschaft, an der Kinder und Jugendliche ihre Schulpflicht erfüllen können, voraus, dass diese eine Ersatzschule
im Sinne des § 3 PSchG darstellt. Abgesehen von der - hier nicht einschlägigen - Möglichkeit nach § 3 Abs. 2 Satz 2 PSchG, dass diese durch
Rechtsverordnung der Landesregierung zu einer Ersatzschule erklärt wird, ist diese Genehmigungsvoraussetzung nur dann erfüllt, wenn im
Lande entsprechende öffentliche Schulen bestehen (§ 3 Abs. 1 PSchG) oder wenn es sich bei der Schule um eine Freie Waldorfschule im Sinne
der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG handelt.
42 Die vom Kläger zur Genehmigungserteilung gestellte Schulform einer Freien Waldorfschule, an der in den Klassen 1 bis 12 gemeinsam mit den
übrigen Schülerinnen und Schülern jeweils auch bis zu vier Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden, die nach §§ 15 Abs. 1, 82 Abs. 1
SchulG zur Erfüllung ihrer Schulpflicht zum Besuch einer Sonderschule für Geistigbehinderte verpflichtet sind, ist weder in der einen noch in der
anderen Form eine Ersatzschule im Sinne dieser Regelung.
43 Dies ergibt sich hinsichtlich der Regelung des § 3 Abs. 1 PSchG daraus, dass nach der Gliederung des öffentlichen Schulwesens in Baden-
Württemberg (§§ 3 bis 15 SchG) eine dieser Schule entsprechende öffentliche Schule bereits nach ihrer Schulart weder tatsächlich besteht noch
grundsätzlich vorgesehen ist (zum Begriff der regelschulakzessorischen Schule nach § 3 Abs. 1 vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.2.1991 - 9 S
2315/89 -, VBlBW 1992, 226). Immerhin soll die zur Genehmigung gestellte Schule insgesamt weiterhin in der Form einer Freien Waldorfschule
geführt werden, an der Schüler in einem - im öffentlichen Schulwesen nicht vorgesehenen - einheitlichen Bildungsgang von Klasse 1 bis Klasse
12 unterrichtet werden und für die der Gesetzgeber deshalb in § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG eine besondere Anerkennung als Ersatzschule
ausgesprochen hat. Vor allem aber ist im Bereich des öffentlichen Schulwesens keine Schule vorgesehen, an der Kinder- und Jugendliche, die
aufgrund ihres sonderpädagogischen Förderbedarfs in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtig sind, als eigene Schüler
gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern unterrichtet werden, für die ein solcher Förderbedarf nicht besteht. Die nach § 15 Abs. 5 und 6
SchulG gegebenen Möglichkeiten eines Unterrichts etwa für sonderschulpflichtige Kinder mit geistiger Behinderung auch an allgemeinen
Schulen ist auf Kooperationen dieser Schulen mit der entsprechenden Sonderschule beschränkt, ohne dass die sonderschulpflichtigen und die
übrigen Schülerinnen und Schülern rechtlich Schüler einer gemeinsamen Klasse und Schule würden. Die nach § 107 Abs. 1 Satz 1 SchulG als
Schulen besonderer Art geführten öffentlichen Gesamtschulen sind zwar für die Klassenstufen 5 bis 10 von einer Gliederung nach Schularten
befreit, doch ist dies auf den Bereich der Haupt- und Realschulen sowie der Gymnasien beschränkt und erfasst gerade nicht die Beschulung von
sonderschulpflichtigen Kindern. Die in § 15 Abs. 1 Satz 1 und 4 SchulG gegebene Möglichkeit der Beschulung behinderter Schüler in
allgemeinen Schulen setzt voraus, dass diese, und sei es mit besonderer Unterstützung, dem jeweiligen Bildungsgang an der allgemeinen
Schule folgen können, erfasst also ebenfalls nicht die Schülerinnen und Schüler, deren Förderbedarf gerade einen eigenen Bildungsgang
erfordert und die deshalb im Rahmen eines gemeinsamen Unterrichts mit Schülerinnen und Schülern ohne Förderbedarf zieldifferent unterrichtet
werden müssten.
44 Die Ersatzschuleigenschaft der vom Kläger begehrten integrativen Waldorfschule ergibt sich auch nicht aus der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1
PSchG. Zwar ist die vom Kläger bisher betriebene Schule unstreitig eine Freie Waldorfschule, die - entsprechend § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG - in
einem einheitlichen Bildungsgang von Klasse 1 bis Klasse 12 Schüler unterschiedlicher Begabungsrichtungen nach dem Waldorflehrplan
(Pädagogik Rudolf Steiner) zu den dort festgelegten Bildungszielen führt und auch in ihrer Klasse 13 auf der Klasse 12 der Waldorfschule
aufbauend auf die Hochschulreife vorbereitet. Auch werden im Rahmen der vom Kläger geplanten integrativen Unterrichtung von geistig
behinderten Schülerinnen und Schülern „von Klasse 1 bis Klasse 12 Schüler unterschiedlicher Begabungsrichtungen“ unterrichtet. Weiter kann
zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf (zumindest auch) zu den allgemeinen
(anthroposophischen) Bildungszielen der Waldorfpädagogik geführt werden. Allerdings erfordert die gesetzliche Bestimmung der Freien
Waldorfschulen zu Ersatzschulen zusätzlich, dass die Schülerinnen und Schüler „in einem einheitlichen Bildungsgang“ „nach dem
Waldorflehrplan (Pädagogik Rudolf Steiner)“ unterrichtet werden. Dies ist bei den Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem
Förderbedarf in einer Sonderschule für Geistigbehinderte nicht in der gebotenen Form der Fall. Denn die Bezugnahme auf den „einheitlichen
Bildungsgang“ und den „Waldorflehrplan“ in § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG ist allein auf den Bereich beschränkt, in dem die Freien Waldorfschulen an
die Stelle der allgemeinen Regelschulen treten. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Regelung und ihrem hieraus erklärbaren
Zweck.
45 Die gesetzliche Erklärung der Freien Waldorfschulen zu Ersatzschulen wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Privatschulgesetzes vom
13.11.1995 (GBl. S. 764) in das Privatschulgesetz eingefügt. Dabei sollten - wie die Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung (LT-
Drs. 11/6523, S. 8) zeigt, „die Freien Waldorfschulen, die nach der (…) Rechtsverordnung der Landesregierung vom 13. November 1973 zu
Ersatzschulen erklärt wurden, (…) nun kraft Gesetzes Ersatzschulen werden“. Von dieser Rechtsverordnung der Landesregierung über die
Freien Waldorfschulen vom 13.11.1973 (GBl. 454) waren jedoch allein die Waldorfschulen erfasst, die an die Stelle der allgemeinen
Regelschulen treten. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Klammerzusatz zur Überschrift der Rechtsverordnung (Einheitliche Volks- und Höhere
Schulen), sondern auch aus dem Verständnis der Landesregierung zum Ersatzschulcharakter der Freien Waldorfschulen, wie es in ihrer
Einlassung in dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu den Schulbaukosten (1 BvR 1369/90, vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.3.1994,
BVerfGE 90, 128, 135) zu Tage tritt und nach dem Freie Waldorfschulen aufgrund ihrer Verschiedenartigkeit zu den öffentlichen Schulen allein
durch die Erklärung in der Rechtsverordnung, nicht jedoch aus eigenem Recht zu Ersatzschulen werden.
46 Entgegen der Auffassung des Kläger-Bevollmächtigten kann die gesetzliche Erklärung der Waldorfschulen zu Ersatzschulen nicht im Wege der
verfassungskonformen Auslegung dahin erweitert werden, dass hiervon auch die integrative Beschulungsmöglichkeit von sonderschulpflichtigen
Kindern an der Schule des Klägers erfasst wird.
47 Dem steht bereits der Wortlaut der Regelung entgegen. Denn auch wenn - trotz der in den höheren Klassen unzweifelhaft gegebenen und auch
notwendigen Differenzierungen - unterstellt wird, dass die geistig behinderten Schülerinnen und Schüler noch in einem hinreichend
„einheitlichen Bildungsgang“ unterrichtet werden, ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung festzuhalten, dass der Unterricht dieser
Schülergruppe in Ermangelung spezifischer Vorgaben im aktuellen Waldorflehrplan zumindest auch wesentlich auf der Grundlage des
Lehrplans an Sonderschulen für Geistigbehinderte erfolgt und deshalb das entsprechende Tatbestandsmerkmal des Unterrichts nach dem
Waldorflehrplan selbst dann nicht erfüllt wäre, wenn die Möglichkeit einer Weiterentwicklung dieses Lehrplans über den Bereich der allgemeinen
Regelschulen hinaus anerkannt würde.
48 Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang, dass der Waldorflehrplan - nach Aussagen der Vertreterin der Schule des Klägers sowie des
Vorstandsmitglieds des Bundes der Freien Waldorfschulen e.V., Dr. H., in der mündlichen Verhandlung - im Grundansatz inhaltlich für die
Bedürfnisse eines jeden einzelnen Kindes offen ist und deshalb auch in die Richtung der integrativen Unterrichtung von geistig behinderten
Schülerinnen und Schülern weiterentwickelt werden kann. Denn mit der Anerkennung einer solchen jeweils individuell möglichen
Fortentwicklung oder Anpassung des Waldorflehrplans würde die Reichweite der gesetzlichen Erklärung einer Freien Waldorfschule zu einer
Ersatzschule im Sinne des Privatschulgesetzes letztlich allein in die individuelle Bestimmungsmacht der Freien Waldorfschule gelegt und
jegliche Konturen verlieren. Dies wäre mit dem - die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung begrenzenden (vgl. BVerfG, Beschl. v.
14.5.1985, - 2 BvR 397 - 399/82 -, BVerfGE 70, 35, 63 f m.w.N.) - erkennbaren gesetzgeberischen Ziel der nur beschränkten Einbeziehung von
Freien Waldorfschulen in den Anwendungsbereich des Privatschulgesetzes nicht mehr zu vereinbaren.
49 Hiervon abgesehen ist eine erweiternde verfassungskonforme Auslegung des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG auch nicht erforderlich. Denn die in Art. 7
Abs. 4 GG verbürgte Privatschulfreiheit wird hinreichend dadurch gewährleistet, dass dem freien Schulträger bei Vorliegen der dort genannten
Voraussetzungen ein Anspruch auf Genehmigung der Errichtung und des Betriebs einer Ersatzschule unmittelbar über Art. 7 Abs. 4 Satz 2 und 3
GG eingeräumt ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.11.1969 - 1 BvL 24/64 -, BVerfGE 27, 195, 200; BVerwG, Urt. v. 13.12.2000 - 6 C 5.00 -, BVerwGE
112, 263, 266; Beschl. v. 10.9.1990 - 7 B 119.90 -, Buchholz 11 Art. 7 Abs. 4 GG Nr. 34 S. 27; Badura in Maunz/Dürig, Kommentar zum
Grundgesetz, (Stand Oktober 2008), Art. 7 Rn. 111; Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 1 Schulrecht, 4. Aufl. 2006, S. 254 Rn. 952 f.).
Damit kann auch bei einer unzureichenden Ausgestaltung des Genehmigungsanspruchs durch den Landesgesetzgeber kein
grundrechtswidriger Zustand eintreten.
50 Angesichts der gegebenen gesetzlichen Fixierung der Erklärung Freier Waldorfschulen zu Ersatzschulen auf den Bereich der allgemeinen
Regelschulen bedurfte es keiner weiteren - vom Kläger-Bevollmächtigten hilfsweise angeregten - Beweiserhebung zu der Frage, ob die
integrative Beschulung von behinderten Schülerinnen und Schülern an Waldorfschulen zu den im Waldorflehrplan Rudolf Steiners festgelegten
Bildungszielen gehört. Hinzu kommt, dass dem Klageantrag des Klägers - wie im Folgenden darzustellen ist - unabhängig davon entsprochen
wird, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG erfüllt sind.
51 b) Der Betrieb der Freien Waldorfschule ... mit integrativer Beschulung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern entspricht den
Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 GG, sodass sich der Anspruch auf Erteilung einer staatlichen Genehmigung dieses Betriebs
unmittelbar aus dieser Norm ergibt.
52 aa) Entgegen der Auffassung des Beklagten unterfällt die vom Kläger zur Genehmigung gestellte Form der Freien Waldorfschule mit integrativer
Unterrichtung von geistig behinderten Kindern und Jugendlichen als Ersatzschule der Regelung des Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG. Die Schule wird
auch in dieser Form als „Ersatz für eine öffentliche Schule“ errichtet und betrieben. Insoweit kommt es, anders als nach der Regelung des § 3
Abs. 1 PSchG, nicht darauf an, ob die zur Genehmigung gestellte Privatschule einem im Landesschulrecht vorgesehenen Schultyp entspricht.
Maßgeblich ist vielmehr, dass die Privatschule „nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck als Ersatz für eine in dem Land
vorhandene oder grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule dienen soll“ (BVerfG, Beschl. v. 14.11.1969, a.a.O.; Beschl. v. 9.3.1994, - 1 BvR
1369/90 -, BVerfGE 90, 128, 139; BVerwG, Urt. v. 13.12.2000, a.a.O., 266 f.).
53 Zwar wird die grundrechtliche Gewährleistung der Privatschulfreiheit über das Merkmal des „Ersatzes für eine öffentliche Schule“ insoweit der
Ausgestaltung durch das Landesrecht überantwortet, als dieses über die Regelung des öffentlichen Schulwesens den Bereich festlegt, dem die
Privatschulen in ihrer Ersatzfunktion entsprechen müssen (kritisch hierzu Rennert, Entwicklungen in der Rechtsprechung zum Schulrecht, DVBl.
2001, 504, 514). Allerdings folgt aus dem hiermit umschriebenen Grundsatz der Akzessorietät der privaten Ersatzschule zum öffentlichen
Schulwesen keine zwingende Bindung an den Numerus Clausus der im öffentlichen Schulwesen anerkannten Schultypen. Entscheidend ist
nicht die äußere Form des Schulwesens; vielmehr reicht es aus, dass sich die Privatschule so in die Gesamtkonzeption des Landesgesetzgebers
einpasst, dass die in dieser Konzeption erkennbaren Zielsetzungen des Staates auch im Rahmen der mit der Genehmigung einer Ersatzschule
verbundenen Möglichkeit der Erfüllung der Schulpflicht hinreichend Beachtung finden. Dabei ist maßgeblich auf die angestrebten
Bildungsabschlüsse und die vom Landesgesetzgeber vorgegebene pädagogische Gesamtkonzeption abzustellen, die hinter der Struktur des
öffentlichen Schulwesens im Lande steht (hierzu BVerwG, Urt. v. 13.12.2000, a.a.O., 266 f.; BVerwG, Urt. v. 18.12.1996 - 6 C 6.95 -, BVerwGE
104, 1, 7 ff; zustimmend Badura, a.a.O., Rn. 115; Niehues/Rux, a.a.O., Rn. 946; Vogel, Zur Genehmigung von Ersatzschulen, DÖV 2008, 895,
898).
54 Nach diesem Maßstab stellt die vom Kläger konzipierte und zur Genehmigung gestellte Schulform der integrativen Beschulung von
sonderschulpflichtigen Schülerinnen und Schulen in den Klassen seiner Freien Waldorfschule einen „Ersatz für eine öffentliche Schule“ dar. Dies
gilt zunächst im Hinblick auf die angestrebten Bildungsabschlüsse. Sowohl die integrativ beschulten Kinder und Jugendlichen mit geistiger
Behinderung und besonderem Förderbedarf als auch die Schülerinnen und Schüler ohne eine solche Einschränkung ihrer Lern- und
Leistungsfähigkeit sollen auf der Schule des Klägers die für sie im öffentlichen Schulsystem vorgesehenen Bildungsabschlüsse erreichen. Dies
ist zwischen den Beteiligten unstreitig und vom Beklagten auch im Rahmen der Evaluation des Schulversuchs stets anerkannt worden. Darüber
hinaus entspricht die vom Kläger geplante Schulform einer „integrativen Waldorfschule“ aber auch der pädagogischen Gesamtkonzeption, wie
sie aus der Gliederung des öffentlichen Schulwesens im Schulgesetz erkennbar wird.
55 Zwar kennt das Landesrecht keine eigenständige Form der integrativen, zieldifferenten Beschulung von geistig behinderten Schülern und
Schülerinnen in allgemeinen Schulen. Vielmehr entspricht es der Konzeption des Schulgesetzes, dass die Schüler an den allgemeinen Schulen
stets zielgleich unterrichtet werden. Entsprechend werden auch behinderte Schüler in allgemeinen Schulen unterrichtet, wenn sie - und sei es mit
einer zur Verfügung stehenden ergänzenden Hilfe - dem jeweiligen gemeinsamen Bildungsgang in diesen Schulen folgen können (§ 15 Abs. 4
Satz 2 SchulG). Ist ein Schüler aufgrund seiner Behinderung und des damit verbundenen sonderpädagogischen Förderbedarfs nicht in der Lage,
das Bildungsziel eines Bildungsgangs einer allgemeinen Schule zu erreichen, wird seinem besonderen Förderbedarf im Rahmen eines eigenen
Bildungsgangs Rechnung getragen, der dann an einer spezifischen Sonderschule angeboten wird (§ 15 Abs. 1 Satz 2 SchulG). Allerdings ist der
gemeinsame Unterricht von Schülern, die aufgrund ihrer Behinderung in einem spezifischen Bildungsgang einer Sonderschule lernen müssen,
mit den Schülern und Schülerinnen, die in den allgemeinen Schulen schulpflichtig sind, nach § 15 Abs. 5 und 6 SchulG im Rahmen von
Kooperationen auch im Bereich des öffentlichen Schulwesens möglich. Soweit dies nach den (unterschiedlichen) Bildungs- und
Erziehungszielen möglich ist, sollen die allgemeinen Schulen im Schulleben und im Unterricht mit den Sonderschulen zusammenarbeiten, wobei
diese Zusammenarbeit bis hin zur Bildung von Außenklassen der Sonderschulen an den allgemeinen Schulen gehen kann.
56 Die hierin liegende grundsätzliche Akzeptanz der gemeinsamen zieldifferenten Unterrichtung von sonderschulpflichtigen geistig behinderten
Kindern und Jugendlichen mit Schülern und Schülerinnen einer allgemeinen Schule reicht aus, um die notwendige Entsprechung der vom
Kläger zur Genehmigung gestellten Konzeption der integrativen Beschulung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern an seiner
Freien Waldorfschule mit der pädagogischen Grundkonzeption des öffentlichen Schulwesens zur Förderung von behinderten Kindern zu
bejahen. Dies gilt unabhängig davon, ob die vom Kläger angestrebte Form der integrativen Beschulung in ihrem konkreten Umfang über das
hinaus geht, was auf der Grundlage des § 15 Abs. 5 und 6 SchulG im öffentlichen Schulwesen über eine Kooperation einer allgemeinen Schule
mit einer Sonderschule möglich wäre. Denn für die Frage, ob eine Privatschule auch der „pädagogischen Grundkonzeption“ des öffentlichen
Schulwesens entspricht, ist nicht erforderlich, dass die jeweiligen Konzeptionen inhaltlich oder gar in der Form ihrer konkreten organisatorischen
Umsetzung übereinstimmen; vielmehr ist insoweit ausreichend, dass das Konzept der Privatschule die pädagogische Grundkonzeption des
öffentlichen Schulwesens nicht beeinträchtigt (BVerwG, Urt. v. 18.12.1996, a.a.O., S. 8).
57 Hinzu kommt, dass die in pädagogischer Hinsicht notwendige Kompatibilität einer privaten Ersatzschule mit dem öffentlichen Schulwesen im
Bereich der Integration von behinderten Schülern in den Unterricht auch über das Verbot der Benachteiligung Behinderter in Art. 3 Abs. 3 Satz 2
GG ausgestaltet ist. Dabei geht es nicht - wie der Beklagte meint - um die Frage, ob das öffentliche Schulwesen den Anforderungen des
Benachteiligungsverbots entspricht, sondern darum, ob der Ersatzschuleigenschaft einer Privatschule entgegen gehalten werden kann, dass dort
eine nach Art und Inhalt weitergehende zieldifferente Integration von Behinderten in den allgemeinen Unterricht stattfindet, als dies nach der
Konzeption zur Beschulung behinderter Schüler mit besonderem Förderbedarf im Bereich der öffentlichen Schulen vorgesehen ist. Insoweit wirkt
Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht als Anspruchsgrundlage zur Ausgestaltung eines besonderen öffentlichen Schulsystems, sondern prägt - ebenso
wie etwa auch das Recht der Eltern nach Art. 6 Abs. 2 GG auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder sowie das Recht auf freie Entfaltung der
Persönlichkeit in Art. 2 Abs. 1 GG oder das Recht auf Religions- und Gewissensfreiheit in Art. 4 GG (hierzu BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992 - 1 BvR
167/87 -, BVerfGE 88, 40, 46 f; Beschl. v. 9.3.1994 - 1 BvR 712/88 -, BVerfGE 90, 107, 116; BVerwG, Urt. v. 19.2.1992 - 6 C 5/91 -, BVerwGE 89,
368, 369) - als Ausdruck einer verfassungsrechtlichen Wertentscheidung die konkrete Reichweite der Privatschulfreiheit nach Art. 7 Abs. 4 GG mit
(vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.10.1997 - 1 BvR 1997 -, BVerfGE 96, 288, 304). Verpflichtet dieses Benachteiligungsverbot den Staat im Bereich seines
öffentlichen Schulwesens dazu, einen behinderten Schüler an einer allgemeinen Schule zu unterrichten, wenn der hierfür benötigte personelle
und sächliche Aufwand mit vorhandenen Personal- und Sachmitteln bestritten werden kann und auch organisatorische Schwierigkeiten und
schutzwürdige Belange Dritter der integrativen Beschulung nicht entgegen stehen (BVerfG, Beschl. v. 8.10.1997, a.a.O.), so darf er die
Ersatzschuleigenschaft einer Schule in Freier Trägerschaft, an der eine integrative Beschulung von behinderten Kindern erfolgen soll, nicht allein
unter Hinweis auf die im öffentlichen Schulsystem nach Art und Maß geringeren Möglichkeiten einer solchen Beschulung verneinen.
58 Vor dem Hintergrund dieser verfassungsrechtlich ausgestalteten Reichweite der Privatschulfreiheit im Bereich der integrativen Beschulung
behinderter Schülerinnen und Schüler kann offen bleiben, in welchem Umfang dieses Ergebnis auch von Art. 24 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 lit b)
des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen mitgetragen wird. Danach
sind die Vertragsstaaten in Anerkennung des Rechts von Menschen mit Behinderungen und unter der Zielsetzung der Verwirklichung dieses
Rechts ohne Diskriminierung dazu verpflichtet, ein integratives Bildungssystem zu gewährleisten, in dem unter anderem sichergestellt ist, dass
Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen
und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben. Auch wenn diese Vorschrift unabhängig von der
Problematik der Kompetenz des Bundes oder des Landes zur Transformation des Übereinkommens aus sich heraus ohne weitere normative
Ausfüllung keine unmittelbaren individuellen Ansprüche begründet, so spricht aus der Sicht der Kammer jedoch einiges dafür, dass das hier
dargelegte Verständnis von Art. 7 Abs. 4 GG über den Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung des Grundgesetzes (hierzu BVerfG,
Beschl. v. 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03 -, NVwZ 2004, 852, 853; Beschl. v. 26.3.1987 - 2 BvR 589/79 -, BVerfGE 74, 358, 370) zumindest gestützt
wird.
59 Soweit der Beklagte maßgeblich auf die Schwierigkeiten einer angemessenen und dem bisherigen System entsprechenden Finanzierung der
vom Kläger zur Genehmigung beantragten Ersatzschule verweist, die dann sowohl eine allgemeine Regelschule als auch (partiell) eine
Sonderschule ersetzen würde, steht dies der Ersatzschuleigenschaft dieser Schule nicht entgegen. Denn das bestehende System der
Privatschulfinanzierung, in dem der Beklagte Platz allein für das von ihm geförderte Kooperationsmodell sieht, ist kein Bestandteil des
öffentlichen Schulwesens. Die in Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG geforderte Akzessorietät der Privatschule zu den öffentlichen Schulen wäre damit selbst
dann nicht betroffen, wenn die insoweit notwendige Kompatibilität über den Bereich der pädagogischen Grundkonzeption hinaus auch auf
andere Aspekte des öffentlichen Schulwesens erstreckt würde. Zudem ist die Frage der Finanzierung einer Privatschule durch den Staat nicht ein
begrenzendes Merkmal der Freiheitsgewährung des Art. 7 Abs. 4 GG, sondern die Folge einer die Freiheitsgewährung schützenden und
fördernden zusätzlichen Verantwortung des Staates (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 9.3.1994 - 1 BvR 682/88 -, a.a.O.). Dies gilt umso mehr, als die
Verfassung vom Staat keine volle Übernahme der mit der Errichtung und dem Betrieb einer Privatschule verbundenen Kosten fordert, sondern
der grundrechtliche Anspruch auf staatliche Förderung lediglich auf eine der gesetzlichen Ausgestaltung bedürftige Beteiligung des Staates an
den anerkannt hohen Kosten des Privatschulträgers beschränkt ist, die aus der Erfüllung der verfassungsrechtlichen
Genehmigungsanforderungen resultieren (BVerfG, Urt. v. 8.4.1987 - 1 BvL 8/84 -, BVerfGE 75, 40, 68; Beschl. v. 9.3.1994 - 1 BvR 682/88 - sowie -
1 BvR 1369/90 -, jeweils a.a.O.).
60 bb) Soweit die Erteilung der Genehmigung einer privaten Ersatzschule nach Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG daran gebunden ist, dass die private Schule
in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen
zurücksteht und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird, sind diese Voraussetzungen nach der
übereinstimmenden Einschätzung der Beteiligten erfüllt. Insbesondere entspricht es der in den Evaluationsberichten zum Schulversuch des
Klägers dokumentierten Einschätzung des Beklagten, dass die geistig behinderten Schülerinnen und Schüler an der Freien Waldorfschule des
Klägers eine Erziehung und Ausbildung erhalten, die den Bildungs- und Erziehungszielen einer öffentlichen Sonderschule für Geistigbehinderte
sowie der dort angestrebten Qualifikation gleichwertig ist. Dies hat der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung nochmals
ausdrücklich bestätigt.
61 Der vom Beklagten im Hinblick auf die erreichten Erziehungs- und Bildungsziele verneinte pädagogische Mehrwert der Beschulung von geistig
behinderten Schülern an der Schule des Klägers spielt für die Genehmigungsfähigkeit der Schule nach Art. 7 Abs. 4 GG keine Rolle, da es
hiernach ausreicht, dass die Ersatzschule insoweit „nicht hinter den öffentlichen Schulen zurücksteht“. Eine - wie auch immer messbare - bessere
Bildung und Erziehung als im Bereich der öffentlichen Schulen ist nicht gefordert.
62 c) Der Genehmigungsanspruch des Klägers schließt auch eine integrative Beschulung geistig behinderter Schüler in den Klassenstufen 1 bis 4
ein.
63 aa) Soweit in Art. 7 Abs. 5 GG für die Zulassung privater Volksschulen zusätzlich die Anerkennung eines besonderen pädagogischen Interesses
durch die Unterrichtsverwaltung erforderlich ist, steht dies der Erweiterung der Ersatzschulgenehmigung der Freien Waldorfschule des Klägers
zum Zwecke der integrativen Beschulung von sonderschulpflichtigen geistig behinderten Schülerinnen und Schülern nicht entgegen. Dabei kann
dahin gestellt bleiben, ob ein solches besonderes pädagogisches Interesse an dieser Schulform tatsächlich bereits deshalb besteht, weil die im
Rahmen eines solchen Schulmodells gesammelten Erfahrungen der Entwicklung des gesamten Schulsystems hin zu einer stärkeren Integration
auch von behinderten Schülern zugute kommen kann (vgl. insoweit BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992 - 1 BvR 167/87 -, BVerfGE 88, 40) oder ob es -
wie der Beklagte meint - erforderlich ist, dass die integrative Beschulung für die Ausbildung und Erziehung der behinderten Schüler einen
Mehrwert mit sich bringt und ob ein solcher Mehrwert konkret gegeben ist. Weiterhin kann offen gelassen werden, inwieweit die Anerkennung
eines solchen besonderen pädagogischen Interesses durch die Unterrichtsverwaltung trotz der hiermit unmittelbar vom Grundgesetz
vorgegebenen Kompetenzverteilung im Rahmen dieses Verfahrens inzident durch das Gericht ersetzt werden könnte (zur Problematik vgl.
BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992, a.a.O.). Denn der Kläger bedarf für die begehrte Erweiterung seiner Ersatzschulgenehmigung keiner solchen
Anerkennung eines besonderen pädagogischen Interesses.
64 Die Notwendigkeit der Anerkennung eines besonderen pädagogischen Interesses durch die Unterrichtsverwaltung in Art. 7 Abs. 5 GG und die
hiermit verbundene Einschränkung der in Art. 7 Abs. 4 Satz 2 und 3 GG für den Bereich der Ersatzschulen verbürgten Privatschulfreiheit ist in der
Entscheidung des Grundgesetzgebers begründet, ebenso wie unter der Geltung des Art. 147 Abs. 2 der Weimarer Reichsverfassung aus
sozialstaatlich und egalitär-demokratischen Gründen wenigstens in den ersten Schuljahren alle Schüler und Schülerinnen in einer Volksschule
zusammenzuführen und eine Sonderung von spezifischen Schülergruppen aus der Allgemeinheit nur noch dort zuzulassen, wo dies durch ein
besonderes pädagogisches Interesse gerechtfertigt ist (hierzu ausführlich BVerfG, Urt. v. 8.4.1987 - 1 BvL 8/84 -, BVerfGE 75, 40, 56 ff; Beschl. v.
16.12.1992 - 1 BvR 167/87 -, a.a.O.; Vogel, Zur Errichtung von Grundschulen in freier Trägerschaft, DÖV 1995, 587, Badura, a.a.O., Rn. 122 ff.;
Schmitt-Kammler, in Sachs, Grundgesetz Kommentar, 4. Aufl. 2007, Art. 7 Rn. 72; Niehues/Rux, a.a.O., Rn. 982 ff; ).
65 Aus dieser Zweckrichtung ergibt sich, dass die Genehmigungsvoraussetzung des Art. 7 Abs. 5 GG insoweit nicht einschlägig ist, als es dem
Kläger darum geht, in seiner Ersatzschule Schüler und Schülerinnen zu beschulen, die aufgrund ihrer Behinderung und des dadurch bedingten
besonderen Förderbedarfs die allgemeine Grundschule des öffentlichen Schulwesens gar nicht besuchen dürfen, sondern in einer spezifischen
Sonderschule schulpflichtig sind. Bezogen auf diese Schülergruppe stellt die private Ersatzschule des Klägers schon keine „private Volksschule“
im Sinne des Art. 7 Abs. 5 GG dar.
66 Soweit an der Freien Waldorfschule des Klägers gemeinsam mit den sonderschulpflichtigen geistig behinderten Schülerinnen und Schülern
umgekehrt auch Kinder beschult werden, die im Grundsatz an einer allgemeinen Grundschule schulpflichtig wären, liegt das notwendige
Anerkenntnis des besonderen pädagogischen Interesses durch die Unterrichtsverwaltung bereits vor. Dieses ist mit der Erklärung der Freien
Waldorfschulen zu Ersatzschulen in § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG für den Bereich der Beschulung von Schülern und Schülerinnen ohne besonderen
Förderbedarf allgemeinen ausgesprochen worden. Ein Widerruf dieser Anerkennung ist im Zusammenhang mit der Einbeziehung auch von
ansonsten sonderschulpflichtigen behinderten Schülern nicht erfolgt.
67 bb) Schließlich steht dem Anspruch des Klägers auf Genehmigung der integrativen Beschulung geistig behinderter Kinder auch in den
Klassenstufen 1 bis 4 nicht entgegen, dass der Beklagte mit Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 2.11.1995 einen Antrag des
Klägers auf Genehmigung einer Grundschule mit besonderer pädagogischer Prägung abgelehnt hat.
68 Zwar kann die mit der Ablehnung eines beantragten Verwaltungsakts verbundene Bindungswirkung einem neuen Antrag grundsätzlich insoweit
entgegen gehalten werden, als dieser auf einen identischen Streitgegenstand bezogen ist. Ebenso wie im Prozessrecht (hierzu Rennert in
Eyermann, VwGO Kommentar, 12. Aufl. 2006, § 121 Rn. 23 ff; BVerwG, Urt. v. 3.11.1994 - 3 C 30/93 -, NVwZ 1996, 66) ist hierbei maßgeblich auf
die Rechtsfolgebehauptung des Antragstellers und den tatsächlichen Lebenssachverhalt abzustellen, aus dem diese Rechtsfolge hergeleitet
wird (näher hierzu Seibert, Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten, Baden-Baden 1989, S. 509 ff), sodass allein durch die Stellung eines
neuen Genehmigungsantrags noch kein neuer Streitgegenstand begründet wird, der eine materiell-rechtliche Bindungswirkung entfallen lassen
könnte (a.A. BVerwG, Urt. v. 6.6.1975 - IV 15.73 -, BVerwGE 48, 271; Weyreuther, Anmerkung zum Urteil des BVerwG v. 31.7.1964 - i C 132.59 -,
DVBl. 1965, 281, 283; differenzierend Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 51 Rn. 7a, 27). Maßgeblich ist insoweit vielmehr, ob
sich die der Ablehnungsentscheidung zugrunde liegende Sach- und Rechtslage in relevanter Weise von derjenigen des Neuantrags
unterscheidet (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.9.1990 - 6 C 4/90 -, NVwZ 1991, 272; Urt. v. 3.12.1986 - 6 C 50/85 -, BVerwGE 75, 201, Urt. v. 28.10.1966 -
VII C 38.66 -, BVerwGE 25, 241).
69 Nach diesen Grundsätzen liegt dem Begehren des Klägers auf Ergänzung seiner Ersatzschulgenehmigung um das Recht zur integrativen
Beschulung auch von geistig behinderten sonderschulpflichtigen Schülerinnen und Schülern ein Streitgegenstand zugrunde, der - bezogen auf
die Klassen 1 bis 4 - mit dem Streitgegenstand der Ablehnungsentscheidung des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 2.11.1995 identisch ist.
Dabei kommt es - entgegen der Auffassung der Beteiligten - nicht darauf an, ob der mit dem Bescheid vom 2.11.1995 abgelehnte Antrag des
Klägers vom 4.5.1995 auf eine Genehmigung nach § 3 Abs. 1 PSchG gerichtet war, während der nunmehr streitgegenständliche
Genehmigungsantrag auf die Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG gestützt wird. Entscheidend ist vielmehr, dass mit dem Antrag vom
2.11.1995 ebenso wie mit dem Antrag vom 18.6.2008 in der Sache die Erteilung einer Genehmigung erreicht werden sollte, auf deren Grundlage
Kinder, die ansonsten in einer allgemeinen Grundschule schulpflichtig wären, in den Klassenstufen 1 bis 4 nach dem Waldorflehrplan und unter
Anwendung der Waldorfpädagogik gemeinsam mit Kindern unterrichtet werden können, die anderenfalls eine Sonderschule für
Geistigbehinderte besuchen müssten. Dabei standen die Regelungen des § 3 Abs. 1 PSchG und des § 3 Abs. 2 PSchG, ebenso wie übrigens
auch Art. 7 Abs. 4 und 5 GG, sowohl in Bezug auf den Erstantrag von 1995 als auch im Hinblick auf den hier streitgegenständlichen
Verpflichtungsantrag stets in einem Verhältnis der Anspruchsnormenkonkurrenz und begründeten für sich keine Begrenzung des tatsächlichen
Begehrens.
70 Allerdings steht der hiermit grundsätzlich gegebenen Möglichkeit des Beklagten, den Kläger auf die Bindungswirkung des Ablehnungsbescheids
vom 2.11.1995 zu verweisen, die gleichzeitig begründete Verpflichtung entgegen, das partiell identische Ablehnungsverfahren von 1995 im
Zusammenhang mit dem Neuantrag wiederaufzugreifen und eine neue Sachentscheidung zu treffen. Dies gilt, obwohl die Voraussetzungen für
einen Anspruch auf Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 LVwvfG nicht vorliegen. Denn es ist anerkannt, dass eine an Gesetz und Recht
gebundene Behörde - trotz der Bindungswirkung eines wirksamen Verwaltungsakts - aus Gründen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ein
Verfahren auch außerhalb des § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG jederzeit von Amts wegen mit dem Ziel wieder aufgreifen kann, einen - möglicherweise
rechtswidrigen - Verwaltungsakt zugunsten des Betroffenen durch einen der Rechtslage entsprechenden zu ersetzen (vgl. BVerwG, Urt. v.
21.9.2000 - 2 C 5/99 -, BayVBl 2001, 216; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 30.12.2008 - 11 S 759/06 -, VBlBW 2009, 32; Wolff/Bachof/Stober,
Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 51 VI 2 b), S. 602; ähnlich - unter Rückgriff auf § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 LVwVfG - BVerwG, Beschl. v.
23.2.2004 - 5 B 104/03 -, juris; Beschl. v. 29.3.1999 - 1 DB 7/97 -, BVerwGE 113, 322; zur Rechtslage vor Inkrafttreten des
Landesverwaltungsverfahrensgesetzes vgl. BVerfG, Entsch. v. 17.12.1969 - 2 BvR 23/65 -, BVerfGE 27, 297; BVerwG, Urt. v. 16.12.1971 - I C
31.68 -, BVerwGE 39, 197; Urt. v. 30.1.1974 - VIII C 20.72 -, BVerwGE 44, 333; Urt. v. 28.7.1976 - 8 C 90.75 - Buchholz 412.3 § 16 Nr. 2; Urt. v.
14.12.1977 - 8 C 79.76 - Buchholz 316 § 36 Nr. 1). Mit dieser Befugnis korrespondiert ein Anspruch des Betroffenen auf ermessensfehlerfreie
Entscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens, der sich dann zu einem Anspruch auf den Erlass einer neuen Sachentscheidung
verdichtet, wenn im Einzelfall Umstände von einer den in § 51 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 VwVfG geregelten Fällen vergleichbaren Bedeutung und
Gewicht vorliegen und die Aufrechterhaltung des Erstbescheides auch unter Berücksichtigung seiner Bestandskraft schlechthin unerträglich wäre
(BVerwG, Urt. v. 27.1.1994, 2 C 12.92 -, BVerwGE 95, 86 m.w.N.; vgl. auch - im Hinblick auf § 48 Abs. 1 LVwVfG - BVerwG, Urt. v. 17.1.2007 - 6 C
32/06 -, NVwZ 2007, 709 m.w.N. sowie BVerwG, Urt. v. 28.7.1976 - 8 C 90.75 - Buchholz 412.3 § 16 BVFG Nr. 2).
71 Eine solche Situation der Reduzierung des Ermessens zum Wiederaufgreifen des Verfahrens auf Null ist hier gegeben. Dies folgt zum einen aus
der fortdauernden Grundrechtsbezogenheit des vom Kläger geltend gemachten Genehmigungsanspruchs nach Art. 7 Abs. 4 GG, der greifbar
rechtswidrigen Begründung der Ablehnungsentscheidung vom 2.11.1995 sowie der Erledigung der gegen diese Entscheidung erhobenen Klage
vor dem Hintergrund des damals zunächst durchzuführenden und nun abgeschlossenen Schulversuchs zur integrativen Beschulung der
behinderten Schülerinnen und Schüler an der Waldorfschule des Klägers. Zum anderen greift vorliegend die für den Verweis auf die
Bestandskraft regelmäßig maßgebliche Erwägung der Verwaltungsökonomie und Rechtssicherheit in der Sache schon deshalb nicht durch, weil
die konkrete Anspruchsberechtigung des Klägers vom Beklagten jedenfalls in Bezug auf die Klassen 5 bis 12 geprüft werden musste und auch
tatsächlich gegeben ist.
III.
72 Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Obwohl der Beklagte zur Genehmigungserteilung verpflichtet wurde und der Kläger
damit sein Klageziel im Wesentlichen erreicht hat, waren dem Beklagten die Kosten des Verfahrens nicht in vollem Umfang aufzuerlegen (vgl. §
155 Abs. 1 Satz 3 VwGO). Denn das Unterliegen des Klägers durch die Abweisung seines Hauptantrags ist insoweit erheblich, als dieser bei
Erfolg seines Feststellungsantrags auch für die faktisch bereits erfolgte Neuaufnahme einiger sonderschulpflichtiger Kinder zum Schuljahr
2008/2009 auf eine bereits vorhandene Genehmigung hätte verweisen können.
73 Die Kammer sieht davon ab, die Entscheidung hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).
74 Die Zulassung der Berufung findet ihre Grundlage in § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Frage der Ersatzschuleigenschaft
einer integrativen Privatschule hat grundsätzliche Bedeutung.