Urteil des VG Düsseldorf vom 20.11.2007

VG Düsseldorf: beamtenverhältnis, probe, lehrer, unechte rückwirkung, ausnahme, angestelltenverhältnis, wissenschaft und forschung, staatsprüfung, öffentliches interesse, zeitliche geltung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 2 K 2741/07
Datum:
20.11.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 2741/07
Tenor:
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides der
Bezirksregierung E vom 20. April 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2007 verpflichtet, den Kläger in
das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des
beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Der am 00.0.1966 geborene Kläger begehrt seine Übernahme in das Beamtenverhältnis
auf Probe.
2
Er bestand im Jahre 1985 das Abitur und absolvierte von 1985 bis 1987 eine
Ausbildung zum Schiffbauer an der L-Ser Schiffswerft in E1. Im Jahre 1988 nahm er an
der H-Universität/Gesamthochschule E1 ein Maschinenbaustudium auf, das er im
Dezember 1995 mit der Diplomprüfung abschloss. In der Folgezeit war er als Volontär,
dann als Redakteur im Ressort Energie und Umwelt beim T-Verlag in E tätig, baute dort
den Internetauftritt für den Technisch-Wissenschaftlichen Bereich auf und war ab 2001
Chefredakteur der Zeitschrift „V" mit einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt rund
5300 Euro.
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Nachdem ihn sein jetziger Schulleiter bereits im Sommer 2004 angesprochen und seine
mit einer Verbeamtung verbundene Bewerbung für den Schuldienst angeregt hatte,
informierte sich der Kläger Ende 2004 - er war zu diesem Zeitpunkt 38 Jahre alt - über
die Möglichkeiten und Bedingungen eines Wechsels in den Lehrerberuf. Er nahm
Kontakt zu verschiedenen Personen im Ministerium für Schule, Jugend und Kinder des
Landes Nordrhein-Westfalen (MSJK) und bei der Bezirksregierung E (Bezirksregierung)
auf, wo ihm vermittelt wurde, eine Verbeamtung von Lehrkräften mit besonders
gesuchten Fächern könne noch 10 Jahre nach Überschreiten der Höchstaltersgrenze
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erfolgen. Zudem wurde sowohl in der Informationsschrift „Menschen mit Klasse! Lehrer
in NRW" als auch im Internetauftritt „LEO" auf eine mögliche Überschreitung der
Höchstaltersgrenze um zehn Jahre in bestimmten Mangelfächern hingewiesen. Dem lag
der Erlass des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes
Nordrhein- Westfalen (MSWF) vom 22. Dezember 2000 (Mangelfach-Erlass), durch
Erlass vom 23. April 2001 bis zum Abschluss des Einstellungsverfahrens für das
Schuljahr 2004/2005 verlängert, zugrunde. Mit diesem Mangelfach-Erlass wurde in
bestimmten Fächern eine Überschreitung der für die Verbeamtung von Lehrern
maßgeblichen laufbahnrechtlichen Altersgrenze von 35 Jahren um längstens zehn
Jahre, also bis zur Vollendung des 45. Lebensjahres, zugelassen. Das MSJK hatte die
im Mangelfach-Erlass zugelassene allgemeine Ausnahme von der Höchstaltersgrenze
mit Erlass vom 16. November 2004 zunächst bis zum 31. Juli 2007 verlängert. Später
erfolgte mit weiterem Erlass vom 15. Juni 2005 mit Blick auf die Seiteneinsteiger, die in
diesem Jahr zum 15. August eingestellt wurden, eine weitere Verlängerung bis zum
Abschluss des Einstellungsverfahrens zu Beginn des Schuljahres 2007/2008.
Der Kläger bewarb sich am 17. November 2004 als sog. Seiteneinsteiger auf eine am
T1-Berufskolleg Rhein in E1-I ausgeschriebene Lehrerstelle.
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Die Bezirksregierung erkannte seine Diplomprüfung mit Bescheinigung vom 24. Januar
2005 als Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Berufskollegs in der beruflichen
Fachrichtung Maschinenbautechnik und in Fertigungstechnik an und teilte ihm mit
Schreiben vom selben Tage mit, dass sie auf Grund des Ergebnisses des
Auswahlverfahrens in Aussicht genommen habe, ihn zum 1. Februar 2005 als Lehrkraft
im Angestelltenverhältnis einzustellen. Die Beschäftigung sei für zwei Jahre befristet. Er
verpflichte sich mit der Annahme dieser Inaussichtnahme, einen 24- monatigen
berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst zu absolvieren. Nach Einholung einer
amtsärztlichen Stellungnahme vom 15. Februar 2005, in der dem Kläger die
gesundheitliche Eignung u.a. für das Beamtenverhältnis auf Probe attestiert worden war,
und einer Auskunft des Bundeszentralregisters stellte ihn die Bezirksregierung mit
Arbeitsvertrag vom 12. März 2005 schließlich für den Zeitraum vom 1. Mai 2005 bis zum
30. April 2007 als vollzeitbeschäftigte Lehrkraft im Angestelltenverhältnis ein. Eine
frühere Einstellung scheiterte daran, dass er bei seinem alten Arbeitgeber noch
gebunden war. Die Befristung wurde sachlich begründet mit der Erprobung des
Angestellten während der Weiterqualifizierungsmaßnahme, die die Befähigung zum
Unterrichten in den Fächern Maschinenbautechnik und Fertigungstechnik vermitteln und
mit der Zweiten Staatsprüfung für das Lehramt an berufsbildenden Schulen enden
sollte. Nach § 2 des Vertrages stand der Kläger in einem öffentlich-rechtlichen
Ausbildungsverhältnis zum Land Nordrhein-Westfalen, auf das die „Ordnung des
berufsbegleitenden Vorbereitungsdienstes und der Zweiten Staatsprüfung für Lehrämter
an Schulen" (OVP-B) Anwendung findet. Nach § 9 Nr. 2 des Vertrages sollte ihm bei
Bewährung während der gesamten Vertragsdauer und nach Bestehen der Zweiten
Staatsprüfung ab dem 1. Mai 2007 ein Dauerbeschäftigungsverhältnis angeboten
werden.
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Die Bezirksregierung teilte dem Kläger mit Bescheid vom 2. Mai 2005 mit, dass auf
Grund der getroffenen arbeitsvertraglichen Vereinbarung beabsichtigt sei, ihn bei
Bewährung in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen. Er werde deshalb von
Beginn des Monats, in dem ihm dieses Schreiben zugehe, von der
Rentenversicherungspflicht befreit. Sollten in seinem Fall die beamten- und
laufbahnrechtlichen Voraussetzungen vor der beabsichtigten Übernahme in das
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Beamtenverhältnis entfallen, so ende die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen
Rentenversicherung mit dem Tag, an dem der Wegfall der Voraussetzungen festgestellt
werde.
Im Zusammenhang mit der Landtagswahl im Jahr 2005 kündigte die jetzige
Landesregierung im Falle der Übernahme der Regierungsgeschäfte die sofortige
Einstellung von 1000 Lehrern an. Zur Umsetzung dieses Wahlversprechens stellten die
nordrhein-westfälischen Bezirksregierungen im Sommer 2005 kurzfristig knapp 1000
zusätzliche Lehrer ein (sog. Tausenderkontingent). Eine besondere Anwerbung erfolgte
nicht. Die Bezirksregierung E schrieb vor allem Personen an, die bislang im
Listenverfahren kein Einstellungsangebot erhalten hatten. Seiteneinsteiger wurden in
diesem Rahmen nicht eingestellt. Eine Verbeamtung der Bewerber war im Sommer
2005 mangels entsprechender Planstellen nicht möglich. Anlässlich der Einstellung
wies die Bezirksregierung E laufbahnrechtlich überalterte Bewerber darauf hin, dass
eine spätere Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht erfolgen könne, weil die
Ausnahme von der Höchstaltersgrenze gemäß dem Mangelfach- Erlass nur für
Neueinstellungen gelte.
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Mit Erlass vom 23. Juni 2006 hob das Ministerium für Schule und Wissenschaft (MSW)
den Mangelfach-Erlass auf und legte unter Nr. I fest, dass diese Ausnahmeregelung
letztmalig bis zum Abschluss des Einstellungsverfahrens zu Beginn des Schuljahres
2006/2007 gelte. Unter Nr. II heißt es in dem Erlass:
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„...kann die o.g. Erlassregelung (gemeint ist der Mangelfach-Erlass) ausnahmsweise
und nur für den nachfolgend eng begrenzten Personenkreis wie folgt angewendet
werden:
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Mit Verabschiedung des Haushaltes 2006 am 17.05.2006 wurden die o.g. 1000 Stellen
in Planstellen umgewandelt, so dass Ihnen nun die Verbeamtung der Personen unter
den geltenden beamtenrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen möglich ist.
Soweit Angestellte, die im Zuge dieser „1000-Stellen-Aktion" eingestellt wurden, zum
Zeitpunkt ihrer Einstellung den Anwendungsbereich der o.g. Ausnahmeregelung erfüllt
haben, können auch diese nachträglich verbeamtet werden, obwohl sie bereits in einem
Dauerbeschäftigungsverhältnis stehen."
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Die Bezirksregierung hob mit Bescheid vom 18. September 2006 die Befreiung des
Klägers von der Rentenversicherungspflicht wieder auf und führte zur Begründung im
Wesentlichen aus, eine Verbeamtung des überalterten Klägers komme nach Aufhebung
des Mangelfach-Erlasses nicht mehr in Betracht.
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Am 13. Februar 2007 beendete der Kläger den berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst
und bestand die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Berufskollegs mit der Note
„gut" (Zeugnis vom 13. Februar 2007). Der Schulleiter des T1-Berufskollegs Rhein hatte
der Bezirksregierung bereits mit Schreiben vom 13. Dezember 2006 sinngemäß
mitgeteilt, der Kläger habe sich bewährt. Nachdem der zuständige Personalrat und der
Lehrerrat des T1-Berufskollegs Rhein einer unbefristeten Weiterbeschäftigung des
Klägers zugestimmt hatten, kam es am 12. März 2007 zum Abschluss eines
Änderungsvertrages zwischen der Bezirksregierung und dem Kläger, wonach dieser ab
dem 1. Mai 2007 als vollzeitbeschäftigte Lehrkraft im Angestelltenverhältnis auf
unbestimmte Zeit weiterbeschäftigt wird.
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Mit Schreiben vom 27. März 2007 beantragte der Kläger die Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe, die ihm zum Zeitpunkt seiner Bewerbung, der Einstellung
sowie nach erfolgter Einstellung avisiert worden sei.
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Die Bezirksregierung lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 20. April 2007 ab und
führte zur Begründung aus: Der Kläger habe zum Zeitpunkt der Übernahme in ein
Dauerbeschäftigungsverhältnis das laufbahnrechtliche Höchstalter von 35 Jahren
bereits überschritten. Die Erlasse des MSWF vom 22. Dezember 2000 und des MSJK
vom 16. November 2004 sowie vom 15. Juni 2005, die auch für den Kläger gegolten
hätten, hätten nach dem Erlass des MSW vom 23. Juni 2006 letztmalig für den
Abschluss des Einstellungsverfahrens zu Beginn des Schuljahres 2006/2007 gegolten.
Mangels weiterer Ausnahmetatbestände komme daher eine Übernahme in das
Beamtenverhältnis zum 1. Mai 2007 nicht in Betracht.
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Hiergegen legte der Kläger unter dem 14. Mai 2007 Widerspruch ein. Er führte aus: Er
sei als Fachredakteur für den T-Verlag tätig gewesen und habe sich erst auf massives
Werben des beklagten Landes bereit erklärt, als Berufsschullehrer für das Mangelfach
Maschinentechnik tätig zu werden. Dabei hätten auch finanzielle Erwägungen eine
Rolle gespielt, da er als Beamter von der Rentenversicherungspflicht befreit gewesen
wäre. Diese Entscheidungsgrundlage für den Berufswechsel sei nunmehr entfallen.
Hinzu komme, dass der Bescheid vom 2. Mai 2005, mit dem ihm die beabsichtigte
Übernahme in ein Probebeamtenverhältnis und die Befreiung von der
Rentenversicherungspflicht mitgeteilt worden sei, als begünstigender Verwaltungsakt
nicht mit Bescheid vom 18. September 2006 gemäß § 49 VwVfG NRW habe widerrufen
werden können, weil keine nachträglich eingetretenen Tatsachen hierzu berechtigt
hätten. Allenfalls sei ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwVfG NRW in Betracht
gekommen, der aber nur in engen Grenzen zulässig sei. Vorliegend könne sich der
Beklagte aber nicht auf eine geänderte Rechtsvorschrift in diesem Sinne berufen, weil
die Aufhebung des Grunderlasses vom 22. Dezember 2000 keine Rechtsvorschrift sei,
sondern eine interne Verwaltungsanweisung. Außerdem sei der Mangelfach-Erlass
falsch angewandt worden. Er beziehe sich auf Einstellungsverfahren, mithin auf die
Aufnahme der Tätigkeit für das beklagte Land. Dies sei in seinem Fall schon im Jahre
2005 geschehen. Daher bedürfe es keiner weiteren Einstellung, sondern lediglich der
Aufhebung der Befristung. Die hierfür notwendigen laufbahnrechtlichen
Voraussetzungen seien nach Bestehen der Zweiten Staatsprüfung in seinem Fall
gegeben. Vor allem liege ein Vertrauenstatbestand vor. Das Ministerium habe in einer
Broschüre ausdrücklich damit geworben, eine Einstellung von Lehrkräften mit
besonders gesuchten Fächern könne noch 10 Jahre nach Überschreiten der
Höchstaltersgrenze erfolgen. Damit habe der Eindruck entstehen müssen, die
Verbeamtung als Lehrer stelle kein Problem dar, denn er - der Kläger - sei als
Maschinentechniker Lehrer eines Mangelfaches. Ohne die Verbeamtung sei sein
Einkommen derart geringer als die Bezüge, die er zuvor als Redakteur für die
Fachzeitung beim T-Verlag erhalten habe, dass er sich unter diesen Voraussetzungen
niemals entschlossen hätte, seinen ungekündigten Arbeitsplatz aufzugeben und in den
Schuldienst einzutreten. Er erleide bei einem Verbleib im Angestelltenverhältnis
massive Gehaltseinbußen, weil er die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung
selbst zahlen müssen. Es gebe keine Gründe, weshalb er sich nicht auf die Aussagen
des beklagten Landes, das sich im Bescheid vom 2. Mai 2005 selbst gebunden habe,
habe verlassen dürfen. Der Mangelfacherlass sei allein auf Grund haushaltsrechtlicher
Argumente aufgehoben worden, die gegenüber dem bei ihm erzeugten Vertrauen nicht
erheblich ins Gewicht fielen. Hinzu komme, dass Lehrkräfte eingestellt und von der
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Sozialversicherungspflicht befreit worden seien, obwohl sie nicht mehr unter den
Mangelfach-Erlass fielen. Das zeige, dass sogar eine Verlängerung dieses Erlasses
beabsichtigt gewesen sei.
Die Bezirksregierung wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid
vom 31. Mai 2007 zurück und führte zur Begründung aus, der Kläger habe die
Höchstaltersgrenze bei Beginn des Dauerarbeitsverhältnisses am 1. Mai 2007
überschritten. Zwar habe zum Zeitpunkt seiner Einstellung am 12. März 2005 der
Mangelfach-Erlass noch gegolten, doch sei dieser mit Erlass des MSW vom 23. Juni
2006 aufgehoben worden. Eine Verbeamtung komme daher nicht in Betracht.
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Der Kläger hat am 27. Juni 2007 die vorliegende Klage erhoben, mit der er sein
Begehren unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens weiter verfolgt. Darüber
hinaus führt er aus: Der Beklagte könne den Widerruf der Zusage, ihn in das
Beamtenverhältnis zu übernehmen, nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X stützen. Ein
solcher Widerruf sei unwirksam, weil sich nicht die tatsächlichen, sondern die
rechtlichen Verhältnisse geändert hätten. Im übrigen habe er auf die Zusage, bei
Erfüllung der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen in das Beamtenverhältnis
übernommen zu werden, vertrauen dürfen. Die Abschaffung des Mangelfach- Erlasses
habe die Selbstbindung der Verwaltung nicht entfallen lassen. Die Abschaffung sei
allenfalls für solche Seiteneinsteiger möglich, die nach Aufhebung des Mangelfach-
Erlasses in den Schuldienst des beklagten Landes eingetreten seien. Er hingegen habe
bei seiner Einstellung keine falschen Angaben gemacht und daher auf die vorbehaltlose
Zusicherung der Verbeamtung vertrauen dürfen. Mit seinem Vorgehen verstoße der
Beklagte gegen elementare Vertrauensgrundsätze.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung E vom 20. April
2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2007 zu verpflichten, ihn -
den Kläger - in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt ergänzend vor: Der Kläger habe zwar von der Übernahme in ein
Dauerbeschäftigungsverhältnis ausgehen können, doch sei ihm die Übernahme in ein
Beamtenverhältnis auf Probe nicht zugesichert worden. Insbesondere sei im Bescheid
vom 2. Mai 2005 keine Zusicherung vorgenommen worden, weil dort ausdrücklich auf
das Ende der Versicherungsfreiheit bei Wegfall der beamten- und laufbahnrechtlichen
Voraussetzungen hingewiesen worden sei. Nachdem der Mangelfach-Erlass durch
Erlass vom 15. Juni 2005 bis zum Abschluss des Einstellungsverfahrens zum Schuljahr
2007/2008 verlängert worden sei, habe das MSW ihn durch Erlass vom 23. Juni 2006
zum Abschluss des Einstellungsverfahrens für das Schuljahr 2006/2007 aufgehoben.
Damit stehe die Überalterung des Klägers nunmehr einer Übernahme in das
Beamtenverhältnis entgegen, weil eine Einstellung erst nach dem neuen Stichtag habe
erfolgen können. Als Einstellung im Sinne des Mangelfach-Erlasses gelte nur eine
unbefristete Einstellung. Das habe das MSW mit einer E-Mail vom 14. August 2006 an
die Einstellungsdezernenten klargestellt. Dort heiße es:
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„... Abzustellen ist bei der nun letztmaligen Anwendung des Ausnahmeerlasses darauf,
dass die Lehrer zum Schuljahresbeginn 2006/2007 neu - i.S. von erstmalig auf Dauer -
eingestellt werden. Bei den Seiteneinsteigern endet mit Ablauf des
Vorbereitungsdienstes das befristete Arbeitsverhältnis. Als Neueinstellung unterfallen
sie somit dem Ausnahmeerlass (auch wenn die konkrete Personenauswahl in der Tat
bereits im Listen- /Auswahlverfahren zu Beginn des Seiteneinsteiger-
Vorbereitungsdienstes erfolgt ist)."
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Daraus ergebe sich, dass die vor ca. zwei Jahren als Angestellte eingestellten
Seiteneinsteiger im Sinne des Mangelfacherlasses nicht bereits auf Grund des
befristeten Arbeitsvertrages „eingestellt" worden seien; dies solle erst nach
erfolgreichem Abschluss des Vorbereitungsdienstes erfolgen, soweit die beamten- und
laufbahnrechtlichen Voraussetzungen vorlägen.
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In einem in das vorliegende Verfahren eingeführten Schriftsatz vom 28. Februar 2007 im
Verfahren - 2 K 5418/06 - hat das MSW auf Nachfrage des Gerichts unter anderem
mitgeteilt: Ausschlaggebend für den Aufhebungserlass vom 23. Juni 2006 seien
versorgungsrechtliche Aspekte gewesen. Da die Versorgungslasten einen gewichtigen
Teil des Gesamthaushalts ausmachten und sich diese Lage verschärfen werde, sei zur
Vermeidung einer weiteren, zusätzlichen Verschärfung die Aufhebung des Mangelfach-
Erlasses notwendig gewesen. Zudem habe die seit 2000 fortgeschriebene
Mangelfachdefinition in fast der Hälfte aller „Mangelfächer" nicht mehr der aktuellen
Bedarfslage entsprochen. In den sich rasch ändernden Bedarfssituationen führten
solche Ausnahmeregelungen zwangsläufig zu nicht begründbaren Ungerechtigkeiten.
Durch die vorzeitige Aufhebung des Mangelfach-Erlasses ergebe sich im Einzelfall
durch Anwendung der Barwertmethode pro verbeamteter Lehrkraft im Vergleich zu einer
angestellten Lehrkraft eine Ersparnis von ca. 165.000 Euro. Insgesamt seien 89
berufsbegleitende Referendare mit Mangelfächern in einer vergleichbaren Situation -
Einstellung in den Vorbereitungsdienst zum 1. Februar 2005 oder zum 22. August 2005
und Überschreitung der Altersgrenze von 35 Jahren zum 1. Januar 2006 - betroffen.
Wegen der Einzelheiten dieses Schriftsatzes wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
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Ergänzend hat das MSW unter dem 14. November 2007 erklärt, von Nr. II des
Aufhebungserlasses vom 23. Juni 2006, die eine Ausnahmeregelung für die
Verbeamtung überalterter Lehrkräfte aus dem Tausenderkontingent enthalte, seien
landesweit 108 Lehrkräfte betroffen gewesen.
27
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage hat Erfolg.
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Sie ist als Verpflichtungsklage (vgl. § 42 Abs. 1 VwGO) zulässig und begründet, weil der
Bescheid der Bezirksregierung E vom 20. April 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2007, mit dem die Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe abgelehnt worden ist, rechtswidrig ist und den Kläger in
seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Er hat einen Anspruch auf
Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe.
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Ihr Begehren scheitert nicht daran, dass sie zu dem für die Beurteilung der Sach- und
Rechtslage maßgebenden Zeitpunkt der (heutigen) gerichtlichen Entscheidung bereits
ein Alter - nämlich 40 Jahre - erreicht hat, das über dem durch die Laufbahnverordnung
vorgeschriebenen Einstellungshöchstalter von 35 Jahren liegt. War das der Klage zu
Grunde liegende Begehren im Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten berechtigt,
kann dieses auch heute noch berücksichtigt werden, weil § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO
NRW die Möglichkeit vorsieht, eine Ausnahme von dem Höchstalter für die Einstellung
in das Beamtenverhältnis auf Probe zuzulassen.
32
Vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 18. Juni 1998 - 2 C 6.98 -,
NVwZ 1999, 132, und vom 20. Januar 2000 - 2 C 13.99 -, ZBR 2000, 305.
33
Dem Antrag der Klägerin auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe war
seinerzeit stattzugeben.
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Allerdings kann er sich dabei nicht mit Erfolg auf eine von der Bezirksregierung erteilte
Zusicherung im Sinne des § 38 VwVfG NRW berufen, also auf eine Zusage, einen
bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Zwar ist
grundsätzlich im Beamtenrecht die Zusicherung einer Einstellung zulässig.
35
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. August 1995 - 1 A 3558/92 -, NWVBl 1996, 108, 110.
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Jedoch hat die Bezirksregierung eine derartige schriftliche Erklärung, welche die
verbindliche Selbstverpflichtung enthält, den Kläger in das Beamtenverhältnis auf Probe
einzustellen, nicht abgegeben. Maßgeblich ist insoweit der objektive Erklärungswert der
behördlichen Erklärung, der durch Auslegung zu ermitteln ist. Dafür ist der erklärte Wille
maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Bloße
Auskünfte, Erklärungen, Hinweise oder sonstige behördliche Erklärungen, bei denen
die Verwaltung eine Maßnahme ohne Bindungswillen in Aussicht stellt, können nicht als
Zusicherung gewertet werden. Auch das bloße Wecken von Erwartungen in Bezug auf
ein künftiges Verhalten der Behörde reicht für eine Zusicherung nicht aus, selbst wenn
berechtigtes Vertrauen geschaffen wird.
37
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Mai 2006 - 5 C 10.05 -, BVerwGE 126, 33; ferner BVerwG,
Urteil vom 26. September 1996 - 2 C 39.95 -, BVerwGE 102, 81, 84; Kopp/Ramsauer,
VwVfG, 8. Auflage, § 38 Rn. 11.
38
Hiernach liegt eine Zusicherung nicht vor.
39
Weder das Einstellungsschreiben vom 24. Januar 2005 noch der Arbeitsvertrag vom 12.
März 2005 enthalten Formulierungen, aus denen sich die verbindliche Absicht der
Bezirksregierung entnehmen ließe, den Kläger trotz Überschreitens der
Höchstaltersgrenze zu verbeamten.
40
Auch der Bescheid vom 2. Mai 2005 enthält keine Einstellungszusicherung. Darin teilte
die Bezirksregierung dem Kläger zwar mit, dass auf Grund der getroffenen
arbeitsvertraglichen Vereinbarung beabsichtigt sei, ihn nach erfolgreicher
Weiterqualifizierung in ein Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen. Er werde
deshalb ab seiner Einstellung im Angestelltenverhältnis von der
Rentenversicherungspflicht befreit. Sollten in seinem Fall die beamten- und
laufbahnrechtlichen Voraussetzungen vor der beabsichtigten Übernahme in das
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Beamtenverhältnis entfallen, so ende die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen
Rentenversicherung mit dem Tag, an dem der Wegfall der Voraussetzungen festgestellt
werde. Dieser Bescheid verdeutlicht zwar, dass eine Übernahme in das
Beamtenverhältnis in Betracht kommt. Es fehlt aber an einem gerade hierauf gerichteten
Rechtsbindungswillen der Bezirksregierung. Das folgt bereits aus der Formulierung
„beabsichtigt", die auf einen unverbindlichen Hinweis hindeutet. Vor allem zeigt die
Einschränkung „Sollten in Ihrem Fall die beamten- und laufbahnrechtlichen
Voraussetzungen vor der beabsichtigten Übernahme in das Beamtenverhältnis
entfallen, so endet die Versicherungsfreiheit ...", dass die Bezirksregierung das
Unterbleiben der Verbeamtung nicht ausschloss. Keinesfalls kann der Erklärungsinhalt
dahin verstanden werden, dass eine verbindliche Einstellungszusage auch für den Fall
getroffen werden sollte, dass wegen Überschreitens der Höchstaltersgrenze die
beamtenrechtlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Es ist keine Formulierung
erkennbar, wonach bei der Entscheidung über die Verbeamtung die Altersproblematik
ausdrücklich ausgeklammert werden sollte. Zu einer solchen Erklärung, die dazu
rechtsverbindlich hätte sein müssen, hatte die Bezirksregierung auch gar keinen Anlass,
weil seinerzeit die Mangelfachregelung noch galt. Zudem wäre sie für die Erteilung von
Ausnahmen von der Höchstaltersgrenze gar nicht zuständig gewesen, da dies auf
Antrag der obersten Dienstbehörde - also des MSW - vom Innen- und Finanzministerium
(vgl. § 84 Abs. 3 Nr. 1 LVO) hätte entschieden werden müssen. Dem Bescheid vom 2.
Mai 2005 liegt hiernach lediglich eine gemeinsame Erwartung der Verbeamtung des
Klägers zu Grunde, nicht hingegen eine verbindliche Zusage.
Der Anspruch des Klägers ergibt sich jedoch aus Art. 33 Abs. 2 GG und den zur
Konkretisierung dieser Norm ergangenen beamtenrechtlichen Vorschriften (vgl. §§ 5, 7
LBG NRW), wonach jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen
Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt hat.
42
Diese Bestimmungen gewähren allerdings keinen unmittelbaren Anspruch auf
Einstellung oder Übernahme in ein Beamtenverhältnis. Die Entscheidung hierüber liegt
vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, der dabei den Grundsatz
gleichen Zugangs zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher
Leistung zu beachten hat. Der Zugang zu einem solchen Amt ist zudem abhängig von
der Erfüllung bestimmter gesetzlicher Anforderungen, zu denen insbesondere auch die
laufbahnrechtlichen Voraussetzungen gehören.
43
Der Kläger hat gleichwohl einen Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis,
weil er die beamten- und laufbahnrechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt und das
dem Beklagten eingeräumte Ermessen sich im Sinne einer dem Einstellungsantrag
stattgebenden Entscheidung reduziert hat. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
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Der Beklagte den Kläger eingestellt mit dem Ziel, dass sich dieser für das angestrebte
Lehramt qualifiziert. Er hat dadurch bereits deutlich gemacht, dass er sich entschieden
hat, den Kläger in das Beamtenverhältnis auf Probe einzustellen, falls dieser die
Qualifizierungsmaßnahme erfolgreich durchläuft und die erforderlichen
beamtenrechtlichen und laufbahnrechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Der Kläger
hat seine Qualifizierung mittlerweile durch Ablegen der Zweiten Staatsprüfung belegt. Er
erfüllt auch sämtliche beamtenrechtlichen Einstellungsvoraussetzungen. Insbesondere
ist er nach den amtsärztlichen Feststellungen für das Beamtenverhältnis auf Probe
gesundheitlich geeignet.
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Auch sind im Fall des Klägers die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen gegeben.
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Allerdings hat er die laufbahnrechtliche Höchstaltersgrenze überschritten. Nach § 6 Abs.
1 Satz 1 LVO NRW darf als Laufbahnbewerber in das Beamtenverhältnis auf Probe
eingestellt oder übernommen werden, wer das in § 52 Abs. 1 LVO NRW festgesetzte
Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Der Kläger ist Laufbahnbewerber nach § 5 Abs. 1
Buchstabe a) LVO NRW, da er vom 14. Februar 2005 bis zum 13. Februar 2007 den
berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst geleistet hat. Während dieser Zeit befand er
sich in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis im Sinne der vorgenannten
Vorschrift (vgl. § 14 Abs. 1 LVO NRW, § 16 Abs. 1 Satz 1 LBG und § 5 Abs. 1 Satz 2
OVP-B). Nach § 52 Abs. 1 LVO NRW darf als Laufbahnbewerber in die in Abschnitt V
der Laufbahnverordnung genannten Laufbahnen in das Beamtenverhältnis auf Probe
eingestellt oder übernommen werden, wer das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
Diese Vorschrift befindet sich im Abschnitt V der Laufbahnverordnung „Besondere
Vorschriften für Lehrer an Schulen ..." und bezieht sich auf die in § 50 LVO NRW
genannten Lehrerlaufbahnen. Danach darf in die Laufbahn der Lehrer an öffentlichen
Schulen nur eingestellt werden, wer das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
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Der am 00.0.1966 geborene Kläger hatte die Altersgrenze bereits mit Ablauf des 13.
Februar 2001 erreicht, so dass er im Zeitpunkt seiner (unbefristeten) Einstellung in den
Schuldienst des Landes Nordrhein-Westfalen am 1. Mai 2007 um ca. sechs Jahre
überaltert war.
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Diese Überschreitung war nicht nach § 6 Abs. 1 Satz 3 oder Satz 4 LVO NRW
unschädlich. Hiernach darf die Altersgrenze, wenn sich die Einstellung oder Übernahme
wegen der Betreuung von Kindern unter 18 Jahren oder wegen der Pflege naher
Angehöriger verzögert hat, um bis zu sechs Jahren überschritten werden. Derartige
Umstände hat der Kläger aber nicht geltend gemacht.
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Der Kläger hat aber nach § 84 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO
NRW einen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme von der Einhaltung der
Höchstaltersgrenze. Nach dieser Bestimmung können auf Antrag der obersten
Dienstbehörde das Innenministerium und das Finanzministerium eine Ausnahme von
dem Höchstalter gemäß § 52 Abs. 1 LVO NRW zulassen. Der Verordnungsgeber hat die
Erteilung einer derartigen Ausnahme an keine besonderen Voraussetzungen gebunden,
sondern es einer sachgerechten Ermessensausübung überlassen, ob und in welchem
Umfang Abweichungen von der grundsätzlich gebotenen Einhaltung der
Höchstaltersgrenze zugelassen werden. Die in diesem Zusammenhang auf eine
Überprüfung der Ermessensausübung des Beklagten beschränkte gerichtliche Kontrolle
(§ 114 Satz 1 VwGO) führt vorliegend zu einer Aufhebung der angegriffenen
Verwaltungsentscheidung, da diese unter Ermessensfehlern leidet. Der Beklagte hat die
Verbeamtung des Klägers nämlich abgelehnt, obwohl dieser unter eine allgemeine,
durch Erlass festgelegte Ausnahme von der Höchstaltersgrenze fällt. Hieraus ergibt sich
zugleich eine Ermessensreduktion im Sinne der Gewährung einer Ausnahme.
50
Seit etwa 15 Jahren lässt der Beklagte in ständiger, von den Gerichten gebilligter Praxis
51
- vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 10. November 1995 - 6 A 3456/95 -, m.w.N. -
52
eine Ausnahme von der Höchstaltersgrenze zur Gewinnung von Lehrkräften zu, welche
einen dringenden Unterrichtsbedarf decken können. In Konkretisierung dieser Praxis hat
53
das MSWF durch den Erlass vom 22. Dezember 2000 für Bewerber mit „Mangelfächern"
allgemein eine Überschreitung der Höchstaltersgrenze bis zu 10 Jahren zugelassen
(Az. 000-00/03 Nr. 0000/00, „Mangelfach-Erlass"). Dessen Geltungsdauer wurde durch
Erlass des MSWF vom 23. April 2001 (Az. 000-00/03 Nr. 000/01) zunächst bis zum
Abschluss des Einstellungsverfahrens für das Schuljahr 2004/2005 und durch Erlass
des MSJK vom 16. November 2004 (Az. 000- 0.00.00.00-000) weiter bis zum 31. Juli
2007 verlängert. Noch mit Erlass vom 15. Juni 2005 (Az. 000-0.00.00.00-000) hat das
MSJK klargestellt, dass die Verlängerung des Mangelfach-Erlasses mit Blick auf die
Seiteneinsteiger, die zum 15. August 2005 eingestellt würden, bis zum Abschluss des
Einstellungsverfahrens für das Schuljahr 2007/2008 gelte.
Der Kläger wird von diesen Regelungen erfasst.
54
Der Mangelfach-Erlass lässt unter Nr. I.2 eine allgemeine Ausnahme von der
laufbahnrechtlichen Höchstaltersgrenze für überalterte Lehrkräfte mit Mangelfächern zu.
Diese Bestimmung bezieht sich unter anderem auf Bewerber für das Lehramt für die
Sekundarstufe II an berufsbildenden Schulen mit den beruflichen Fachrichtungen
Maschinentechnik, Elektrotechnik, Bautechnik, Textil- und Bekleidungstechnik,
Chemietechnik, Drucktechnik, Wirtschaftswissenschaften, Ernährungs- und
Hauswirtschaft, Sozialpädagogik, Biotechnik und Agrarwissenschaften. Dass der Kläger
über das „Lehramt an Berufskollegs" und nicht über das „Lehramt für die Sekundarstufe
II an berufsbildenden Schulen" verfügt, ist dabei ohne Belang. Diese Änderung in der
Bezeichnung des Lehramtes beruht auf einer Neufassung des
Lehrerausbildungsgesetzes vom 2. Juli 2002 (GV. NRW. S. 325; in Kraft getreten zum 1.
Januar 2003), nach dessen § 5 Abs. 1 Nr. 3 LABG für den Bereich der berufsbildenden
Schulen an die Stelle des früheren Lehramtes für die Sekundarstufe II nunmehr das
Lehramt an Berufskollegs getreten ist. Dass dieser Wechsel in der Bezeichnung des
Lehramtes für die Mangelfachregelungen ohne Auswirkungen geblieben ist, ergibt sich
aus dem Erlass des MSJK vom 16. November 2004. Dort wird unter Nr. 3 ausdrücklich
klargestellt, die zum 31. Juli 2007 verlängerte Ausnahmeregelung gelte auch für das
Lehramt an Berufskollegs.
55
Im übrigen handelt es sich bei der vom Kläger unterrichteten beruflichen Fachrichtung
Maschinenbautechnik um ein Mangelfach im vorgenannten Sinne. Zwar wird im
Mangelfach-Erlass Maschinentechnik und nicht Maschinenbautechnik als eine der
benötigten beruflichen Fachrichtungen bezeichnet, doch ist dies unschädlich. Bei
Abfassung des Erlasses vom 22. Dezember 2000 gab es noch die berufliche
Fachrichtung „Maschinentechnik" (vgl. § 43 Abs. 3 der Ordnung der Ersten
Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen - LPO - in der Fassung vom 19. November
1996, SGV. NRW. S. 223 = BASS 1999/2000 20 - 02 Nr. 11). Ausweislich der für die
Ausbildung des Klägers geltenden LPO vom 27. März 2003 (GV. NRW. S. 182 = BASS
2003/2004 20 - 02 Nr. 11) wurde diese berufliche Fachrichtung nicht mehr als
Maschinentechnik, sondern als Maschinenbautechnik bezeichnet (§ 37). Dabei handelte
es sich lediglich um einen Begriffswechsel, ohne dass sich die Ausbildungsinhalte
geändert hätten. In der Verwaltungspraxis unterfällt daher auch die berufliche
Fachrichtung „Maschinenbautechnik" dem Mangelfach- Erlass. Dies hat der Beklagte
dem Gericht am 16. Oktober 2007 auf Nachfrage bestätigt.
56
Der Anwendbarkeit des Mangelfach-Erlasses steht auch nicht entgegen, dass es sich
beim Kläger um einen sogenannten Seiteneinsteiger handelt, der bereits vor seiner
unbefristeten Einstellung als angestellter Lehrer im Schuldienst des beklagten Landes
57
tätig war. Zwar heißt es in Nr. I.2 Abs. 2 Satz 2 des Mangelfach-Erlasses, die
Ausnahmegenehmigung gelte „nur zur Gewinnung neueinzustellender Bewerber;
laufbahnrechtlich überalterte Lehrerinnen und Lehrer, die bereits im
Angestelltenverhältnis beschäftigt werden, dürfen von ihr nicht erfasst werden." Von
dieser Einschränkung waren aber nach der Verwaltungspraxis die - seinerzeit nur
befristet angestellten - Seiteneinsteiger nicht erfasst. Denn lediglich unbefristet im
Angestelltenverhältnis eingestellte Lehrer konnten sich auf die allgemeine
Ausnahmeregelung nicht stützen. Bestätigt wird diese Handhabung durch den
Verlängerungserlass des MSJK vom 15. Juni 2005, der die Ausnahmeregelung
ausdrücklich auch auf die Seiteneinsteiger bezieht („Insbesondere mit Blick auf die
Seiteneinsteiger, die in diesem Jahr zum 15. August 2005 eingestellt werden, ist die
Fristenregelung für den in den o.g. Erlassen benannten Personenkreis wie folgt
auszulegen: Die Ausnahmeregelung gilt bis zum Abschluss des Einstellungsverfahrens
zu Beginn des Schuljahres 2007/2008."). Auch in einer Rund- Mail des MSW vom 14.
August 2006 wird darauf hingewiesen, dass bei Seiteneinsteigern der Mangelfach-
Erlass zur Anwendung kommen kann. Im übrigen ist der Kammer aus einer Reihe von
Klageverfahren betreffend die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bekannt,
dass den Seiteneinsteigern die Ausnahmeregelung des Mangelfach-Erlasses nicht
deshalb versagt wurde, weil sie zum Zweck der Qualifizierung bereits als befristet
Angestellte im Schuldienst des beklagten Landes standen.
Der nach allem für den Kläger einschlägigen allgemeinen Ausnahme von der
Höchstaltersgrenze steht der Erlass des MSW vom 23. Juni 2006 (Az. 000- 0.00.00.00-
000, nachfolgend: Aufhebungserlass) nicht entgegen. Dort war allerdings „im Zuge der
Überlegungen zu einer dauerhaften und zukunftssicheren Haushaltskonsolidierung" ...
„im Hinblick auf die stetig ansteigenden Versorgungslasten" die noch mit Erlass vom 15.
Juni 2005 bis zum Abschluss des Einstellungsverfahrens zu Beginn des Schuljahres
2007/2008 verlängerte Mangelfachregelung aufgehoben worden. Weiter heißt es, die
Ausnahmeregelung gelte „nunmehr letztmalig für den Abschluss des
Einstellungsverfahrens zu Beginn des Schuljahres 2006/2007, d.h., für die in den
Ausschreibungsverfahren und Listenverfahren zum Schuljahresbeginn 2006/2007
ausgewählten Lehrkräfte."
58
Diese vorzeitige Aufhebung der allgemeinen Ausnahmeregelung erfasst zwar den
Kläger (vgl. unter I.), verstößt aber im vorliegenden Fall gegen höherrangiges Recht und
kann dem Einstellungsbegehren des Klägers nicht entgegengehalten werden (vgl.
unten II.).
59
I.
60
Der Kläger wird von Nr. I des Aufhebungserlasses erfasst. Dem steht nicht entgegen,
dass er bereits 2005 in einem förmlichen Auswahlverfahren (Ausschreibungsverfahren)
ausgewählt und befristet eingestellt worden ist. Aus dem Wortlaut des
Aufhebungserlasses
61
... gilt nunmehr letztmalig für den Abschluss des Einstellungsverfahrens zu Beginn des
Schuljahres 2006/2007, d.h. für die in den Ausschreibungsverfahren und
Listenverfahren zum Schuljahresbeginn 2006/07 ausgewählten Lehrkräfte.
62
folgt nicht, dass der Kläger als Seiteneinsteiger von der Verkürzung der
Mangelfachregelung ausgenommen sein sollte. Mit dem Hinweis auf die zum
63
Schuljahresbeginn 2006/07 ausgewählten Lehrkräfte wird lediglich in zeitlicher Hinsicht
der Personenkreis näher gekennzeichnet, für den der Mangelfach-Erlass letztmalig
gelten soll. Er besagt entgegen der Ansicht des Klägers aber nicht, dass der
Mangelfach-Erlass für alle bereits in einem Auswahlverfahren erfolgreich gewesenen
Bewerber - wie die Seiteneinsteiger - weiter gelten soll. Eine derartige Auslegung des
Aufhebungserlasses wird weder dessen Wortlaut noch dessen tatsächlicher
Handhabung gerecht. Dies wird auch bestätigt durch den vorangegangenen Erlass des
MSJK vom 15. Juni 2005, mit dem die Mangelfachregelung bis zum Abschluss des
Einstellungsverfahrens für das Schuljahr 2007/2008 verlängert worden war. Einer
derartigen Verlängerung hätte es nicht bedurft, wenn die Seiteneinsteiger bereits im
Zeitpunkt ihrer befristeten Einstellung vom Mangelfach-Erlass erfasst worden wären.
Mithin kann sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, der Aufhebungserlass gelte
für ihn nicht, weil er - der Kläger - schon vor 2006 „ausgewählt" worden sei.
64
Etwas anderes folgt auch weder aus dem Grundlagenerlass zur Lehrereinstellung noch
aus den Vorschriften der Ordnung des berufsbegleitenden Vorbereitungsdienstes und
der Zweiten Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen (OVP-B vom 24. Juli 2003, GV.
NRW. S. 438). Zwar enthalten beide Regelwerke Anhaltspunkte dafür, was im
allgemeinen unter „Einstellung" zu verstehen ist. Jedoch treten hieraus abgeleitete
Deutungen hinter das oben dargestellte Verständnis des Erlassgebers zurück, weil
letzteres ausdrücklich auf die besondere Situation der Seiteneinsteiger bezogen ist.
65
Im übrigen gibt es keine Verwaltungspraxis, wonach überalterte Seiteneinsteiger, die -
wie der Kläger - erst 2007 unbefristet eingestellt worden sind, in Anwendung der
Mangelfachregelungen in ein Beamtenverhältnis auf Probe übernommen worden wären.
Insoweit gilt Folgendes:
66
Bei den Ausnahmeerlassen handelt es sich um verwaltungsinterne Weisungen, aus
denen der Kläger über Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit gleichgelagerten anderen
Einzelfällen Rechte herleiten kann. Maßgeblich ist insoweit die in ständiger Praxis
geübte, wenn auch u. U. von den Richtlinien abweichende tatsächliche Handhabung,
wenn sie von dem Richtliniengeber gebilligt oder zumindest geduldet wird.
67
Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. März 2000 - 2 C 7.99 -, DÖD 2001, 38 = RiA 2000, 283,
sowie Beschluss vom 7. April 2000 - 2 B 21.00 -; OVG NRW, Urteil vom 7. Juni 2005 - 6
A 3355/03 -, IÖD 2005, 268, und Beschluss vom 27. April 2001 - 6 A 4754/00 -, NVwZ-
RR 2002, 58.
68
Der Beklagte hat dargelegt, dass die Handhabung des Aufhebungserlasses in der
Verwaltungspraxis dahingehend erfolgt, dass der Mangelfach-Erlass und damit die
Ausnahme von der laufbahnrechtlichen Höchstaltersgrenze auf Seiteneinsteiger wie
den Kläger nicht angewendet wird, weil es nicht auf ihre befristete Einstellung im Jahre
2005, sondern auf die unbefristete Einstellung im Jahre 2007 ankommt und in diesem
Zeitpunkt die Mangelfachregelungen nicht mehr galten. Das ergibt sich aus der in das
Verfahren eingeführten Rund-Mail des MSW vom 14. August 2006. Dort wird u.a. die
Frage an das Ministerium gerichtet, ob der Mangelfach-Erlass bei Seiteneinsteigern
dann gelte, wenn sie Mitte 2004 im Angestelltenverhältnis für die Dauer von zwei Jahren
eingestellt worden seien und der berufsbegleitende Vorbereitungsdienst Mitte 2006
ende. Das MSW bejaht das Votum, dass der Mangelfach-Erlass hier noch anzuwenden
sei, mit folgender Begründung:
69
Abzustellen ist bei der nun letztmaligen Anwendung des Ausnahmeerlasses darauf,
dass die Lehrer zum Schuljahresbeginn 2006/07 neu - i.S. von erstmalig auf Dauer -
eingestellt werden. Bei den Seiteneinsteigern endet mit Ablauf des
Vorbereitungsdienstes das befristete Arbeitsverhältnis. Als Neueinstellung unterfallen
sie somit dem Ausnahmeerlass (auch wenn die konkrete Personenauswahl in der Tat
bereits im Listen-/Auswahlverfahren zu Beginn des Seiteneinsteiger-
Vorbereitungsdienstes erfolgt ist.).
70
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass hiervon abweichend in 2007 unbefristet
und damit „neu" eingestellte Seiteneinsteiger trotz Überalterung noch verbeamtet
worden wären.
71
Bei Wirksamkeit des Aufhebungserlasses hätte daher der Kläger als Seiteneinsteiger
nicht (mehr) in den Genuss der Mangelfachregelungen kommen und somit nicht in das
Beamtenverhältnis auf Probe übernommen werden können.
72
II.
73
Die Verkürzung der Geltungsdauer des Mangelfach-Erlasses verstößt im Fall des
Klägers aber gegen höherrangiges Recht und kann daher seinem Einstellungsbegehren
nicht entgegengehalten werden.
74
Diese Verkürzung ist mit dem Gebot des Vertrauensschutzes nicht vereinbar. Durch die
zuvor im Erlasswege getroffene Ausnahmeregelung von der Höchstaltersgrenze
(„Mangelfach-Erlass" und mehrfache Verlängerungen dieser Regelung) wurde im
Verhältnis der Verwaltung zum Kläger eine anspruchsbegründende Außenwirkung
geschaffen.
75
Es ist anerkannt, dass derartige Verwaltungsvorschriften über die ihnen zunächst nur
innewohnende interne Bindung hinaus nicht nur vermittels des Gleichheitssatzes (Art. 3
Abs. 1 GG), sondern auch über das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des
Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) eine
anspruchsbegründende Außenwirkung im Verhältnis der Verwaltung zum Bürger zu
begründen vermögen.
76
Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. April 1997 - 3 C 6.95 -, BVerwGE 104, 220; BVerwG,
Beschluss vom 20. März 1973 - I WB 217.72 -, BVerwGE 46, 89; Möstl, in: Erichsen,
Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 III, Rdnr. 21.
77
Der Anspruch des Klägers auf Übernahme in das Beamtenverhältnis, dem die
Überschreitung der Altersgrenze auf Grund des Mangelfach-Erlasses nicht
entgegenstand, konnte durch den Aufhebungserlass nicht wirksam beseitigt werden,
weil die von diesem angestrebte nachträgliche Änderung der Rechtslage sich nach den
Grundsätzen über die Rückwirkung von Normen als unzulässiger Eingriff in die
Rechtsstellung des Klägers erweist.
78
Eine grundsätzlich unzulässige echte Rückwirkung liegt vor, wenn ein bereits
abgewickelter, in der Vergangenheit abgeschlossener Tatbestand nachträglich neu
geregelt wird. Erforderlich ist, dass der von der Rückwirkung betroffene Tatbestand in
der Vergangenheit nicht nur begonnen hat, sondern im Zeitpunkt der Neuregelung
79
bereits abgeschlossen war. Dem gegenüber liegt eine grundsätzlich zulässige unechte
Rückwirkung vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene
Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die
betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 2 C 4.05 -, DVBl 2006, 648 ff.
80
Vorliegend handelt es sich um den Fall einer unechten Rückwirkung oder
tatbestandlichen Rückanknüpfung, da der Kläger sich zum Zeitpunkt der vorzeitigen
Aufhebung des Mangelfach-Erlasses am 23. Juni 2006 noch im berufsbegleitenden
Vorbereitungsdienst befand und erst nach erfolgreichem Abschluss in das
Beamtenverhältnis auf Probe übernommen werden konnte, wozu er wegen seines
Alters einer allgemeinen Ausnahme von der laufbahnrechtlichen Höchstaltersgrenze
von 35 Jahren bedurfte. Diese Ausnahme war durch die Mangelfachregelung gegeben.
Indem der Aufhebungserlass vom 23. Juni 2003 die zeitliche Geltung des Mangelfach-
Erlasses um ein Jahr verkürzte, entwertete er im Nachhinein die Rechtsposition des
Klägers.
81
Regelungen mit unechter Rückwirkung sind grundsätzlich innerhalb der sich aus einer
Abwägung zwischen dem verursachten Vertrauensschaden und der Bedeutung des
gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl ergebenden Grenze zulässig.
Schutzwürdig ist von Verfassungs wegen nur das betätigte Vertrauen, das zu einer
Rechtsposition geführt hat; auch muss der Vertrauensschaden hinreichend gewichtig
sein.
82
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 u.a. -, BVerfGE 75, 246;
Beschluss vom 28. September 2007 - 2 BvL 5/05 u.a. -, www.bverfg.de/entscheidungen.
83
Die Grenzen der Zulässigkeit sind überschritten, wenn die unechte Rückwirkung zur
Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die
Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers
überwiegen.
84
Vgl. BVerfG, Urteil vom 23. November 1999, - 1 BvF 1/94 -, BVerfGE 101, 239; BVerfG,
Beschluss vom 15. Oktober 1996 - 1 BvL 44/92 u.a. -, BVerfGE 95, 64 - ständige
Rechtsprechung.
85
Diese Grundsätze zur unechten Rückwirkung gelten nicht nur für Gesetze, sondern auch
für die im Erlasswege festgelegten Ausnahmeregelungen zur Höchstaltersgrenze, da es
sich bei diesen ermessenslenkenden Bestimmungen um Verwaltungsvorschriften mit
vergleichbaren Auswirkungen handelt.
86
Vgl. für Verwaltungsvorschriften: BVerwG, Urteil vom 11. Mai 2006 - 5 C 10.05 -,
BVerwGE 126, 33 - 60; ähnlich auch BVerwG, Urteil vom 8. April 1997, a.a.O.,
87
Die Kammer lässt offen, ob im vorliegenden Fall noch strengere Maßstäbe anzulegen
gewesen wären. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine
Verschärfung der Maßstäbe dann geboten, wenn es um die vorzeitige Aufhebung einer
befristeten Übergangsregelung geht. Der Bürger hat in diesen Fällen auf die Kontinuität
einer Regelung vertraut, auf Grund deren altes Recht noch für eine bestimmte Zeit in
Bezug auf einen eingegrenzten Personenkreis nach Prüfung der Vereinbarkeit der
88
Fortgeltung mit dem öffentlichen Interesse aufrechterhalten wird. Bei einer solchen
Regelung sieht das Bundesverfassungsgericht einen „besonderen
Vertrauenstatbestand", der nur dadurch überwunden werden kann, dass „schwere
Nachteile für wichtige Gemeinschaftsgüter" zu erwarten sind, falls die geltende
Übergangsregelung bestehen bleibt.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. März 2000 - 1 BvL 16/96 u.a. -, BVerfGE 102, 68.
89
Eine vergleichbare Ausgangslage bietet sich hier. Der Aufhebungserlass hat in eine
mehrfach verlängerte und bis zu einem bestimmten Zeitpunkt befristete begünstigende
Regelung eingegriffen. Zuletzt war der Mangelfach-Erlass durch den Erlass des MSJK
vom 15. Juni 2005 im Hinblick auf den Personenkreis der Seiteneinsteiger verlängert
worden, wobei der Erlassgeber die Möglichkeit hatte, die Notwendigkeit der
Mangelfachregelung - insbesondere den weiteren Bedarf an Lehrkräften in
Mangelfächern - zu überprüfen und dabei die finanziellen Folgen abzuschätzen.
90
Auf die Frage, ob ein verschärfter Prüfungsmaßstab anzulegen ist, kommt es aber nicht
an, weil der Aufhebungserlass bereits dem einfachen Maßstab nicht genügt. Die
Bestandsinteressen des Klägers sind gewichtiger als die Veränderungsgründe des
Erlassgebers.
91
Das Vertrauen des Klägers ist schutzwürdig. Er durfte sich auf die Fortgeltung der
Mangelfachregelung verlassen. Das hat er getan und sein Vertrauen aktiv betätigt.
Dadurch ist eine Rechtsposition zu seinen Gunsten entstanden. Durch den vorzeitigen
Wegfall der Mangelfachregelung hat er einen hinreichend gewichtigen
Vertrauensschaden erlitten.
92
Im Einzelnen: Der Kläger durfte nach seinen insoweit schlüssigen und glaubhaften
Angaben davon ausgehen, dass er trotz seiner Überalterung durch die Anwendung der
Mangelfachregelung nach Bestehen der Zweiten Staatsprüfung verbeamtet werden
würde. Sein jetziger Schulleiter hatte ihn bereits im Sommer 2004 angesprochen und
seine Bewerbung für den Schuldienst angeregt, wo er den Beamtenstatus erlangen
könne. Der Kläger hat daraufhin Ende 2004 Kontakt zu verschiedenen Personen im
MSW und bei der Bezirksregierung aufgenommen, wo ihm vermittelt wurde, eine
Verbeamtung von Lehrkräften mit besonders gesuchten Fächern könne noch 10 Jahre
nach Überschreiten der Höchstaltersgrenze erfolgen. Auch aus Veröffentlichungen hatte
sich dies ergeben. So war Ende 2004, als er sich zum Berufswechsel entschloss, dem
entsprechenden Internetportal („LEO") beispielsweise der Hinweis auf den Mangelfach-
Erlass als Rechtsgrundlage für die Einstellung überalterter Lehrer zu entnehmen.
Ähnliches fand sich in einer Broschüre des MSJK. Dies entsprach der während der
Entscheidungsfindung des Klägers und bei Abschluss seines Arbeitsvertrages vom 12.
März 2005 geltenden Erlasslage. Das MSJK hatte mit Erlass vom 16. November 2004
die Geltung des Mangelfach-Erlasses bis zum 31. Juli 2007 verlängert. Außerdem
gingen die an seiner Einstellung beteiligten Stellen ebenfalls von der Anwendbarkeit
des Mangelfach-Erlasses aus. Das ergibt sich insbesondere aus dem Bescheid vom 2.
Januar 2005, mit dem der Kläger in Erwartung der Verbeamtung von der
Rentenversicherungspflicht befreit wurde. Im übrigen hat sich der Ministerpräsident des
beklagten Landes selbst zusammen mit der Ministerin für Schule und Weiterbildung in
einem Schreiben an Lehramtsbewerber vom 22. Juni 2006 noch für den Beamtenstatus
ausgesprochen („Sie können sich auf die Landesregierung verlassen, denn die von der
Vorgängerregierung geplante Abschaffung des Beamtenstatus wird gestoppt.") und
93
damit in keiner Weise erkennen lassen, dass am folgenden Tag die
Mangelfachregelung durch Erlass vom 23. Juni 2006 vorzeitig aufgehoben werden
sollte.
Das hiernach schutzwürdige Vertrauen des Klägers wurde von ihm auch nach außen
erkennbar betätigt und ist hinreichend gewichtig. Dabei ist zum Einen zu
berücksichtigen, dass er, mitten in seinem angestammten Beruf stehend, seine
Lebensplanung geändert und seine bisherige berufliche Orientierung als gut dotierter
Chefredakteur eines Umweltmagazins aufgegeben hat. Er hat den Wechsel in den
öffentlichen Schuldienst betrieben und dabei die Unannehmlichkeiten einer weiteren
Berufsausbildung in Kauf genommen, die nicht nur in der Weiterbildung bestand,
sondern auch in der vorübergehenden Bescheidung mit niedrigeren Bezügen. Hinzu
kam das Risiko, bei Nichtbestehen der Zweiten Staatsprüfung beruflich „mit leeren
Händen" dazustehen. All dies hat der Kläger auf sich genommen, weil ihm die
Verbeamtung in Aussicht gestellt worden war. Diese Sicherheit war ihm nach seinen
Angaben in der mündlichen Verhandlung so viel wert, dass er hierfür sogar
Einkommensverluste durch den Verzicht auf das höhere Netto-Gehalt als Redakteur in
Kauf genommen hat. Dass es ihm gerade auf die Verbeamtung - und nicht nur allgemein
auf den Wechsel in den öffentlichen Schuldienst - ankam, hat er mehrfach nachdrücklich
vorgebracht und hierzu überzeugend ausgeführt, das insbesondere wegen des Wegfalls
der Rentenversicherungspflicht höhere Einkommen als beamteter Lehrer sei Grundlage
seiner Entscheidung gewesen, den Beruf zu wechseln. Damit habe er seine laufenden
Belastungen gerade noch tragen können. Hätte er von Anfang an lediglich mit dem
Gehalt eines angestellten Lehrers rechnen können, hätte er den Entschluss nicht
gefasst. Dadurch, dass ihm die Bezirksregierung trotzdem nur eine unbefristete
Angestelltenstelle angeboten hat, ist ihm ein Schaden in Höhe der
Einkommensdifferenz zwischen dem Einkommen eines angestellten und dem eines
verbeamteten Lehrers entstanden.
94
Diesem betätigten Vertrauen des Klägers, das schutzwürdig und gewichtig ist, steht kein
gleichwertiges Interesse des Erlassgebers gegenüber.
95
Hauptgrund für die vorzeitige Aufhebung des Mangelfach-Erlasses sind nach dem Inhalt
des Aufhebungserlasses vom 23. Juni 2006 „Überlegungen zu einer dauerhaften und
zukunftssicheren Haushaltskonsolidierung". „Im Hinblick auf die stetig ansteigenden
Versorgungslasten" bestehe „für die Ausweitung der bestehenden Höchstaltersgrenze
kein Raum mehr." Das MSW hat dies in seiner Stellungnahme vom 28. Februar 2007
bestätigt und ausgeführt, der Anstieg der Versorgungslasten habe nicht weiter verschärft
werden sollen.
96
Zwar ist anerkannt, dass grundsätzlich ein öffentliches Interesse an der sparsamen
Verwaltung öffentlicher Mittel besteht.
97
Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1982 - 2 C 9.81 -, DVBl. 1982, 797;
BVerwG, Beschluss vom 17. Oktober 1985 - 7 B 161.85 -, NVwZ 1986, 482;
Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Auflage, § 49, Rdnr. 48.
98
Auch ist die Haushaltslage des beklagten Landes unstreitig angespannt. Es bestehen
aber bereits durchgreifende Zweifel daran, dass mit dem Erlass vom 23. Juni 2006
gerade durch den Ausschluss der im Jahr 2007 zur Verbeamtung anstehenden
Seiteneinsteiger ein wirksamer Beitrag zur Haushaltskonsolidierung erbracht werden
99
sollte.
Vielmehr ist festzustellen, dass das beklagte Land dem Aspekt der
Haushaltskonsolidierung durch Unterlassen der Verbeamtung überalterter Lehrer keine
entscheidende Bedeutung beigemessen hat, denn es hat diesen von ihm im
Aufhebungserlass unter Nummer I. genannten Gesichtspunkt durch die unter Nummer II.
getroffene Regelung gleichzeitig (uno actu) wieder entwertet. Dort hat es eine
Ausnahmeregelung für die überalterten Lehrer aus dem sog. Tausenderkontingent
getroffen, die im Sommer 2005 in den öffentlichen Schuldienst eingestellt worden waren
und sich seitdem in einem unbefristeten Angestelltenverhältnis befanden. Deren -
späteren - Verbeamtung unter Anwendung des Mangelfach-Erlasses stand ursprünglich
entgegen, dass sie bereits unbefristet eingestellt waren und daher dem Land zur
Deckung des Bedarfs schon zur Verfügung standen (vgl. Nr. I. 2 Abs. 2 Satz 2 des
Mangelfach-Erlasses). Mit der Regelung unter Nr. II des Aufhebungserlasses vom 23.
Juni 2006 ermöglichte der Erlassgeber erstmals die Übernahme dieser Personengruppe
in das Beamtenverhältnis aus Probe, weil eine Verbeamtung dieser Lehrkräfte schon im
Jahre 2005 aus haushaltsrechtlichen Gründen - es standen kurzfristig keine Planstellen
für Beamte zur Verfügung - nicht möglich war. Ein zwingender Grund für diese
Ausnahmeregelung, von der landesweit nach Auskunft des MSW vom 14. November
2007 108 Lehrkräfte betroffen waren, ist nicht erkennbar. Der Bedarf war durch ihre
zuvor erfolgte unbefristete Einstellung bereits gedeckt. Zudem hatte man den
überalterten Lehrkräften aus dem Tausenderkontingent nach den eigenen Angaben des
Beklagen eine Verbeamtung unter Anwendung des Mangelfach- Erlasses bei ihrer
Einstellung im Jahr 2005 gerade nicht in Aussicht gestellt und hiermit auch im Vorfeld
nicht geworben. Einen Vertrauenstatbestand, wie er etwa beim Kläger und den übrigen
Seiteneinsteigern in vergleichbarer Situation bestand, gab es also bei den überalterten
Lehrkräften aus dem Tausenderkontingent nicht. Hat somit der Erlassgeber „ohne Not"
die Verbeamtung von 108 überalterten Lehrkräften aus dem Tausenderkontingent
ermöglicht und somit zusätzliche Versorgungskosten begründet, kann er dem
Gesichtspunkt der Haushaltskonsolidierung durch Vermeidung der Verbeamtung einer
vergleichbaren Anzahl überalterter Lehrer keine besondere Bedeutung beigemessen
haben. Es wäre deshalb aus seiner eigenen Sicht dem Ziel einer
Haushaltskonsolidierung nicht in besonderem Maße abträglich gewesen, die mit 89
betroffenen Personen vergleichbar große Gruppe der sich seit dem Jahr 2005 im
berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst befindlichen überalterten Seiteneinsteiger von
der Verkürzung der Mangelfachregelung auszunehmen und ihnen die Verbeamtung
nicht abzuschneiden.
100
Maß nach alledem selbst der Beklagte der Verbeamtung von etwa 100 überalterten
Lehrern keine entscheidende Bedeutung für die Haushaltskonsolidierung zu, ist dem
schutzwürdigen Vertrauen des Klägers in den Fortbestand der Mangelfachregelung das
höhere Gewicht beizumessen.
101
Hinzu kommt, dass es zweifelhaft ist, ob die um ein Jahr vorgezogene Aufhebung des
Mangelfach-Erlasses für die Gruppe der 89 überalterten Seiteneinsteiger überhaupt als
wirksamer Beitrag zur Haushaltskonsolidierung angesehen werden kann. Die Angaben
des MSW zur Größenordnung des Einsparpotenzials erweisen sich im Einzelfall
nämlich als nicht belastbar. Das Ministerium hatte darauf hingewiesen, dass bei einem
Vergleich der Kosten einer angestellten mit den Kosten einer beamteten Lehrkraft die
beamtete Lehrkraft um ca. 165.000 Euro teurer sei. Diese Berechnung basiert nach
Auskunft des Finanzministeriums des beklagten Landes (vgl. Gesprächsvermerk vom
102
18. Oktober 2007) auf der Barwert- oder Kapitalwertmethode und berücksichtigt, dass
die für Versorgungszwecke aufgewandten Mittel bei Beamten im wesentlichen erst nach
deren Eintritt in den Ruhestand anfallen, während sie bei Angestellten in Form von
Rentenversicherungsbeiträgen schon während ihrer aktiven Zeit zu entrichten sind,
nach Eintritt in den Ruhestand aber nicht mehr. Vereinfacht ausgedrückt ist dabei zu
fragen, wie viel Geld man zum Zeitpunkt des Eintritts in den Landesdienst bereithalten
muss, um die vom Dienstherrn/Arbeitgeber im Verlauf des Arbeits- und - bei Beamten -
Versorgungszeitraumes geschuldeten Beträge finanzieren zu können. Dabei geht man
davon aus, dass ein bei Dienstantritt zurückgelegter Betrag zu einem bestimmten
Zinssatz angelegt wird und solange Gewinn erwirtschaftet, bis der geschuldete Betrag
ausgezahlt werden muss.
Das beklagte Land selbst geht an anderer Stelle davon aus, dass es einen allgemein
gültigen, unangreifbaren Kostenvergleich nicht gibt. In einer Vorlage des
Finanzministeriums NRW an den Unterausschuss „Personal" des Haushalts- und
Finanzausschusses des Landtages vom 30. Januar 1998 (IV B 0 - 0.000-0/0, Vorlage
00/1908) heißt es:
103
Die überwiegende Zahl der vorliegenden Gutachten kommt zu dem Schluss, dass
Beamte kostengünstiger seien als Angestellte. Eine allgemein gültige, unangreifbare
Antwort auf die Kostenfrage ist jedoch bisher nicht gefunden worden. Die eng
beieinander liegenden Ergebnisse in den verschiedenen Gutachten verdeutlichen
vielmehr, dass eine solche Antwort angesichts der Prognoseunsicherheiten nicht
möglich ist.
104
Aus dem Hinweis auf die überwiegende Zahl der vorliegenden Gutachten ergibt sich
zwar nicht zwingend, dass eine Verbeamtung des Klägers kostengünstiger ist als seine
Beschäftigung im Angestelltenverhältnis, weil er im Einstellungszeitpunkt deutlich älter
als 35 Jahre war und bei lebensälteren Bewerbern tendenziell das
Angestelltenverhältnis günstiger wird. Dennoch zeigt das Zitat die Bedenken des
Landes gegenüber der Belastbarkeit derartiger Kostenvergleiche angesichts der
Prognoseunsicherheiten. Diese Unsicherheiten beruhen darauf, dass es eine Reihe
ergebnisbeeinflussender Parameter gibt, die über einen längeren Zeitraum nicht
hinreichend verlässlich vorausgesagt werden können. Dazu gehören nach dem Inhalt
der zitierten Vorlage unter anderem das Zurruhesetzungsalter, die Lebenserwartung, der
Umlagesatz für die Zusatzversorgungseinrichtungen der Angestellten und der
Krankenversicherungsschutz. Vor allem gehört der Abzinsungssatz zu diesen den
Kostenvergleich stark beeinflussenden Größen.
105
Der Beklagte hat bei der Berechnung, bei der er zu einem Kostenvorteil bei angestellten
Lehrern in Höhe von 165.000 Euro gekommen ist, einen Effektivzinssatz von 2,5 %
(Diskontierungssatz von 3,5 % abzüglich einer Inflationsrate von 1 %) zu Grunde gelegt.
Dieser Zinssatz ist ein wichtiger Faktor bei den auf der Kapitalwertmethode beruhenden
Kostenvergleichen. Je höher man ihn ansetzt, um so günstiger wird das Beamten-
gegenüber dem Angestelltenverhältnis, denn die Versorgungslasten bei Beamten
werden - wie bereits ausgeführt - überwiegend erst später fällig. Deshalb wird der auf
die Versorgungslasten entfallende Anteil des Barwertes bei Beamten im
Einstellungszeitpunkt über einen längeren Zeitraum verzinst als bei Angestellten.
106
Es erscheint zweifelhaft, ob der vom Beklagten zu Grunde gelegte Zinssatz unter
Ausschöpfung der zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides verfügbaren
107
Erkenntnismittel und unter Beachtung aller für ihn erheblichen Umstände sachgerecht
ermittelt worden ist. Zwar handelt es sich bei der Erstellung eines solchen
Kostenvergleiches um eine Planungsentscheidung der Exekutive, die nur
eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegt. Dennoch kann sie darauf überprüft
werden, ob die ihr zugrunde liegende Prognose mit den zu ihrer Zeit verfügbaren
Erkenntnismitteln unter Beachtung aller für sie erheblicher Umstände sachgerecht
erstellt worden ist.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Mai 2006 - 5C 10.05 -, BVerwGE 126, 33.
108
Gegen eine sachgerechte Ermittlung des Diskontierungssatzes von 2,5 % sprechen die
Ergebnisse anderer Vergleichsuntersuchungen. So geht das Bayerische
Staatsministerium der Finanzen
109
- "Vergleich der Personalausgaben bei der Beschäftigung von Beamten und
Angestellten", Informationen zum Öffentlichen Dienst, Juli 2004, S. 25 f. -
110
von einem deutlich höheren Zinssatz aus, dem es im übrigen für die Berechnung
entscheidende Bedeutung beimisst. Es hat einen Nominalzinssatz von 6 % zu Grunde
gelegt und hierfür auf den langfristigen Kapitalmarktzins abgestellt. Dabei wurde der
durchschnittliche Zinssatz der Jahre 1991 bis 2003 berücksichtigt. In diesem Zeitraum
lag der Kapitalmarktzins bei 5,73 %. In Anbetracht des niedrigen Zinsniveaus in den
vergangenen sechs Jahren und des sehr langen Untersuchungszeitraumes von bis zu
75 Jahren hielt man eine Anhebung des verwendeten Nominalzinssatzes auf 6 % für
gerechtfertigt. Diesen Überlegungen hat sich das schleswig-holsteinische
Finanzministerium
111
- vgl. „Untersuchung des schleswig-holsteinischen Finanzministeriums zu der
Fragestellung, ob in nichthoheitlichen Bereichen die Einstellung von Beschäftigten
grundsätzlich im Beamtenverhältnis erfolgen soll und in der Vergangenheit als
Angestellte übernommene Mitarbeiter/innen auf Antrag verbeamtet werden können",
Referat VI/40, März 2006, Schleswig- Holsteinischer Landtag, Umdruck 16/1299, S. 13 -
112
angeschlossen und diese Ausgangsgröße als realitätsnah bezeichnet. Ältere
Untersuchungen gehen sogar von noch höheren Zinssätzen aus.
113
7 %: Finanzministerium Baden-Württemberg, „Vergleichende Untersuchung der
Personalkosten eines Beamten (einschl. Beamtenversorgung) mit denen eines
Angestellten - in ausgewählten repräsentativen Laufbahnen-", November 1994,
Landtagsdrucksache 11/5092, S. 6;
114
7,5 %: Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, „Beamte oder
Arbeitnehmer, Vergleichende Untersuchung über Auswirkungen der alternativen
Verwendung von Beamten oder von Arbeitnehmern im Bundesdienst", Band 6 der
Schriftenreihe der Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, 1996, S.
57.
115
Selbst nach eigener Einschätzung des Finanzministeriums des beklagten Landes aus
dem Jahr 1998,
116
vgl. Vorlage des Finanzministeriums NRW vom 30. Januar 1998, a.a.O.,
117
wird als realistische Bandbreite für den Realzins, dort definiert als Differenz zwischen
Nominalzinssatz und Preissteigerungsrate, ein Rahmen von 3 bis 4 % angesehen, also
deutlich mehr als die 2,5 %, die der Beklagte hier seiner Entscheidung zu Grunde gelegt
hat.
118
Ob daher tatsächlich im Einzelfall Einsparungen in einer Größenordnung von etwa
165.000 Euro durch Versagung der Verbeamtung erzielt werden können, ist fraglich. Es
erscheint angesichts der Bedeutung des Diskontierungssatzes für die
Vergleichsberechnung und der insoweit aufgezeigten Schwankungen nicht einmal
sicher, ob ein Verbleib des Klägers im Angestelltenverhältnis überhaupt zu Spareffekten
führt.
119
Im übrigen machen die betroffenen Seiteneinsteiger ohnehin nur einen geringen Anteil
in der Gruppe der verbeamteten Lehrer aus. Den 89 überalterten Seiteneinsteigern
stehen nach dem Haushaltsplan des beklagten Landes landesweit insgesamt 7.482
Planstellen für Lehrer (A12 + A13) im Jahr 2006 und 8.086 entsprechende Planstellen
für 2007 gegenüber, also ca. die 84-fache bzw. die 90- fache Anzahl.
120
Insgesamt muss deshalb die Bedeutung der Versagung der Verbeamtung für die
Haushaltskonsolidierung als geringer eingestuft werden als das schutzwürdige
Interesse des Klägers an einer Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe.
121
Soweit der Beklagte in der Stellungnahme des MSW vom 28. Februar 2007 die
vorzeitige Aufhebung des Mangelfach-Erlasses neben der Haushaltskonsolidierung
auch damit begründet, es hätten Ungerechtigkeiten vermieden werden sollen, die
dadurch bedingt seien, dass die seit dem Jahr 2000 fortgeschriebene
Mangelfachdefinition nicht mehr der aktuellen Bedarfslage entspreche, dringt er nicht
durch. Zur Erreichung dieses Zwecks wäre die vorzeitige vollständige Abschaffung des
Mangelfach-Erlasses nicht erforderlich gewesen. Die Erforderlichkeit ist zu verneinen,
wenn der Gesetz- bzw. Erlassgeber ein anderes, gleich wirksames, aber die
Rechtsposition des Klägers weniger einschränkendes Mittel hätte wählen können,
122
vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 u.a. -, BVerfGE 75, 246.
123
Hier hätte der Beklagte als milderes Mittel den aktuellen Bedarf der Mangelfächer
präzise ermitteln und die vorzeitige Aufhebung des Mangelfach-Erlasses auf diejenigen
Fächer beschränken können, in denen es keinen Bedarf mehr gibt. Für die echten
Mangelfächer hätte die Ausnahmeregelung bis Mitte 2007 weitergelten können. Auf
diese Weise hätten „nicht begründbare Ungleichbehandlungen" vermieden werden
können. Im übrigen ist nicht ersichtlich, dass für die vom Kläger unterrichteten Fächer
ein Bedarf nicht mehr besteht.
124
Die allgemeine Ausnahme von der laufbahnrechtlichen Höchstaltersgrenze
(Mangelfach-Erlass) ist deshalb bereits aus den vorstehenden Gründen auf den Kläger
als Seiteneinsteiger nach wie vor anzuwenden. Auf seine weiteren Argumente zur
Gleichbehandlung kommt es daher nicht mehr an.
125
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
126
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
127
709 Satz 1 ZPO.
Das Gericht lässt die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht zu, weil es die
Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO nicht für gegeben erachtet. Es
handelt sich vorliegend insbesondere nicht um einen Fall mit grundsätzlicher
Bedeutung, weil der Aufhebungserlass vom 23. Juni 2006 die ohnehin befristete
Mangelfachregelung lediglich um ein Jahr verkürzt hat und daher auslaufendes Recht
betrifft, das nur einen begrenzten Personenkreis von 89 Personen erfasst. Hiervon
betroffen sind lediglich die überalterten Seiteneinsteiger, die auf eine Verbeamtung
nach Maßgabe des Mangelfach-Erlasses vertrauen durften und ihr Vertrauen betätigt
hatten.
128
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