Urteil des VG Düsseldorf vom 10.05.2005

VG Düsseldorf: access provider, sperrung, domain name, schutz der menschenwürde, stand der technik, internet service provider, verfügung, auflage, jugendschutz, recht auf freiheit

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 27 K 5968/02
Datum:
10.05.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
27. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 K 5968/02
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Antragstellerin ist Internet-Provider und bietet ihren Kunden den Zugang zum
Internet an ("Access-Provider"). Bei den Kunden der Antragstellerin handelt es sich
nach ihren Angaben zu 95% um japanische Geschäftskunden, aber auch um einige
Privatkunden.
2
Über den von der Klägerin angebotenen Zugang ist auch der Zugriff auf die Seiten
http://www.o.com (im Folgenden: o.com) und http://www.t.org (im Folgenden: t.org)
möglich. Auf der Seite o.com wurde bereits im Jahr 2000 für von M herausgegebene
NS-Zeitschriften geworben und es wurde auf die CDs rechtsradikaler Musikgruppen
("A") sowie auf eine "Nachbildung eines Zyklon B Kanisters in Museumsqualität - Marke
Konzentrationslager Auschwitz" hingewiesen; entsprechende Links wurden zur
Verfügung gestellt. Außerdem fanden sich Aussagen wie "Jeder Jude ist eine
umherlaufende Reklame für den nächsten Holocaust", und an zahlreichen Stellen NS-
Symbole (Hakenkreuz usw.). Es wurde dazu aufgerufen, den NS-Film "Der ewige Jude"
oder allgemein das Internet zu Propagandazwecken einzusetzen; in diesem
Zusammenhang fanden sich auch Hinweise, wie man eine gesperrte oder verbotene
Netzseite aufrufen kann. Die Seite o.com ist in der Folgezeit bis zum heutigen Tag
praktisch nicht verändert worden. T.org bezeichnete sich bereits im Jahr 2000 selbst als
den "erste[n] weiße[n] nationalistische[n] Aufstellungsort im Netz". Auf der Hauptseite
3
von t.org war davon die Rede, t.org sei seit seinem Online-Auftritt im März 1995 Ziel
einer "organisierten Hasskampagne" durch X gewesen. Außerdem wurde seinerzeit u.a.
die Schaffung "Befreiter Zonen" als "Aufmarsch- und Rückzugsgebiete für die
Nationalisten Deutschlands" propagiert, und es wurde eine Reihe
nationalsozialistischer Symbole (Hakenkreuz usw.) angeboten. Auch wurde auf
revisionistische Aussagen hingewiesen. Die revisionistischen Thesen nehmen im
heutigen Inhalt der Seite einen breiten Raum ein. So wird z.B. unter dem Titel "Marsch
der Titanen - Eine Geschichte der weißen Rasse" im Kapitel 64 ("Die Endlösung - Nazi-
Politik gegenüber den Juden") ausgeführt, die allererste Erklärung, die zum Zweiten
Weltkrieg geführt habe, sei die Kriegserklärung mehrerer jüdischer Führer an
Deutschland gewesen. Im Zusammenhang mit den Konzentrationslagern ist u.a. davon
die Rede, Juden seien erst nach einer Verurteilung durch ein ordentliches Gericht in
einem fairen Gerichtsverfahren dorthin geschickt worden. Das Kapitel schließt
zusammenfassend mit der Aussage, es sei sicher keine angenehme Erfahrung
gewesen, wenn man als Jude zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland gelebt
habe, doch müsse angesichts der Zahl von 4,3 Millionen Klagen von durch die Nazis
verfolgten Juden die Anzahl der Juden, die durch das Deutsche Reich verfolgt und
getötet worden seien, deutlich nach unten korrigiert werden. Es dränge sich eine
komplette Revision dieses Aspektes des zweiten Weltkrieges auf.
Im August 2000 wandte sich die Bezirksregierung E als Funktionsvorgängerin der
Beklagten an das Generalkonsulat der Vereinigten Staaten von Amerika in E sowie an
die Federal Communications Commission (FCC) in X1 und wies dabei auf mehrere über
das Internet erreichbare und in den USA ins Netz gestellte rechtsextremistische
Angebote hin. Beide Stellen antworteten hierauf im Wesentlichen unter Hinweis auf das
durch die US-Verfassung geschützte Recht auf Freiheit der Rede ("freedom of speech"),
das u.a. auch Hasstiraden schützen könne.
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Zur gleichen Zeit wandte sich die Bezirksregierung E in einem "Rundschreiben an alle
Provider in Nordrhein-Westfalen" und teilte mit, in der letzten Zeit habe es vermehrt
Meldungen über rechtsextremistische Seiten im Internet auch auf Servern deutscher
Provider gegeben. Sie rief dabei alle zur Mithilfe bei der Sperrung derartiger Inhalte auf.
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Im Rahmen der schriftlichen Anhörung der Klägerin unter dem 31. Oktober 2001 zum
Erlass einer Sperrungsverfügung wies die Bezirksregierung E auf eine
Anhörungsveranstaltung am 13. November 2001 hin, zu der die Behörde alle ihr
bekannten Access-Provider in Nordrhein-Westfalen eingeladen hatte. Als Ergebnis
dieser Veranstaltung wurde u.a. die Bildung einer Projektgruppe vereinbart. Diese hatte
die Aufgabe, Möglichkeiten auszuloten, um die Sperrungen zielgenau, aber für die
Provider wirtschaftlich schonend, umzusetzen. Die Projektgruppe, der auch mehrere
Provider angehörten, legte im Mai 2002 einen Zwischenbericht und am 16. Dezember
2002 einen Abschlussbericht vor.
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Mit Sperrungsverfügung vom 6. Februar 2002 gab die Bezirksregierung E der Klägerin -
ebenso wie einer Vielzahl weiterer Access-Provider - auf, den Zugang zur Nutzung der
Internet-Seiten o.com und t.org im Rahmen des von dieser vermittelten
Nutzungsangebotes zu sperren. Zur Begründung bezog sie sich der Sache nach auf
den Mediendienstestaatsvertrag (MDStV) und führte im wesentlichen aus, sie sei für
dessen Einhaltung zuständig und treffe daher die zur Beseitigung eines
diesbezüglichen Verstoßes erforderlichen Maßnahmen. Die genannten Internetseiten
enthielten unzulässige Inhalte. Die Seite t.org habe - auch aufgrund ihrer zahlreichen
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Links zu Seiten, die sich mit Grundsatzfragen der rassistischen Ideologie beschäftigten -
insgesamt die Funktion einer Verteilerdrehscheibe auch für die deutsche
rechtsextremistische Szene. Dieses Angebot, das insgesamt ähnlich einer Zeitung nach
Sparten redaktionell gestaltet sei, sei unzulässig, weil es gegen Bestimmungen des
Strafgesetzbuches verstoße, indem zum Hass gegen Juden und Ausländer
aufgestachelt werde, und weil dort außerdem Kennzeichen verfassungswidriger
Organisationen verwendet würden. Weiterhin werde der Krieg verherrlicht, hilfsweise sei
das Angebot auch geeignet, Kinder und Jugendliche sittlich zu gefährden, da die auf
dieser Seite propagierte nationalsozialistische Ideologie mit den sittlichen Grundwerten
der Gesellschafts- und Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland unvereinbar
sei. Auf der Seite o.com, die ebenfalls ähnlich einer Zeitung redaktionell gestaltet sei,
werde nationalsozialistisches Propagandamaterial angeboten, und es würden die Opfer
des Nationalsozialismus auf zynische Art verunglimpft. Auch diese Seite habe aufgrund
der zahlreichen Verweise und Links die Funktion einer Verteilerscheibe für die deutsche
rechtsextremistische Szene; das Angebot verstoße ebenfalls gegen den
Mediendienstestaatsvertrag, weil es strafrechtlichen Bestimmungen zuwiderlaufe, den
Krieg verherrliche und hilfsweise darüber hinaus auch offensichtlich geeignet sei,
Kinder und Jugendliche sittlich schwer zu gefährden. Nach den Bestimmungen des
Mediendienstestaatsvertrages könnten Maßnahmen auch gegen Anbieter für fremde
Inhalte, zu denen lediglich der Zugang vermittelt werde ("Access-Provider"), gerichtet
werden, wenn sich Maßnahmen gegenüber Content- und Service-Providern als nicht
durchführbar oder nicht erfolgversprechend erweisen. Eine direkte Inanspruchnahme
der Content- bzw. Service-Provider dieser Angebote erweise sich mangels
Anerkennung und Vollstreckbarkeit eines europäischen Urteils oder Titels in den USA
als nicht durchführbar. Auf ihre Aufforderung bzw. die der gemeinsamen Stelle der
obersten Jugendbehörden der Länder "jugendschutz.net", die beiden unzulässigen
Angebote zu sperren, hätten diese nicht reagiert, so dass Maßnahmen gegen die im
Sinne des Medienstaatsvertrages Verantwortlichen weder durchführbar noch
erfolgversprechend seien. Die Sperrung der beiden unzulässigen Angebote sei auch
technisch möglich. Als Ergebnis der durchgeführten technischen Recherchen und des
Anhörungsverfahrens ergäben sich nach dem derzeitigen Stand der Technik drei
Sperrmöglichkeiten, nämlich 1. der Ausschluss von Domains im Domain-Name- Server
(DNS), 2. die Verwendung eines Proxy-Servers, mit dem Anfragen auf die unzulässigen
Angebote gefiltert oder aber auf eine andere vordefinierte Seite im Browser umgeleitet
würden und 3. der Ausschluss von IP`s durch Sperrung im Router. Weitere technische
Möglichkeiten seien derzeit noch in der Erprobung. Bereits die genannten
Sperrmöglichkeiten bewirkten - ohne technische Veränderungen am Rechner des
Nutzers -, dass bei Eingabe der o.g. Domain- Namen die unzulässigen Angebote nicht
mehr abgerufen werden könnten. Außerdem hätten mehrere Zugangsvermittler die
unzulässigen Angebote mittlerweile gesperrt. Die Maßnahme sei auch zumutbar, da die
Sperrung durch Ausschluss von Domains im DNS ausreichend sei, sich diese
Sperrvariante durch einfache Konfiguration der DNS herbeiführen lasse und sie nur
einen einmaligen geringen Personalaufwand erfordere. Auf der anderen Seite müsse
bei einer weiteren Verbreitung unzulässiger rechtsextremistischer Inhalte damit
gerechnet werden, dass diese auch bei etlichen Nutzern verfingen, womit nicht nur eine
abstrakte, sondern auch eine konkrete Gefahr entstehe, da im letzten
Verfassungsschutzbericht knapp 16000 Straftaten mit erwiesenem oder vermutetem
rechtsextremistischem Hintergrund verzeichnet seien, davon mehr als 1000
Gewaltdelikte bzw. Angriffe gegen Personen. Die Sperrung sei auch verhältnismäßig,
insbesondere sei sie geeignet. Hierfür reiche es nämlich aus, wenn die Beseitigung der
Rechtsgutverletzung gefördert werde, so dass es der Geeignetheit der Maßnahme nicht
entgegenstehe, dass technisch versierte Nutzer die Sperrung ggf. umgehen könnten;
vielmehr sei ausreichend, dass die DNS-Sperrung für den durchschnittlichen Nutzer
eine nicht unwesentliche Zugangserschwernis bedeute. Die Sperrungsverfügung
verstoße auch nicht gegen das Grundrecht der Nutzer auf Informationsfreiheit, da dieses
gemäß Art. 5 Abs. 2 GG durch den Mediendienstestaatsvertrag eingeschränkt werden
könne.
Hiergegen erhob die Klägerin am 11. März 2002 Widerspruch. Zur Begründung trug sie
im Wesentlichen vor, sie unterfalle nicht dem Mediendienstestaatsvertrag, weil sie
keinen Mediendienst anbiete. Die Sperrungsverfügung sei auch unverhältnismäßig,
denn zur Sperrung der betroffenen Seiten sowie einer Vielzahl von alternativen
Domains sei nicht nur ein geringer, sondern ein erheblicher Personalaufwand
erforderlich. Außerdem bestehe die Gefahr, dass ihre Kunden zu einem Provider mit
unbeschränktem Netzzugang wechselten. Es gebe eine Reihe von Möglichkeiten, die
verfügte Sperrung zu umgehen. Mit der Verfügung versuche die Behörde, ein
gesellschaftliches Problem auf Kosten der Access-Provider zu lösen. Es werde immer
Menschen geben, die zur Aufnahme und Verbreitung der Nazi-Ideologie bereit seien. In
solchen Fällen sei es gut, wenn nicht nur die "Elite" aus Wissenschaft und Forschung,
sondern auch der Durchschnittsbürger die Möglichkeit habe, von unzulässigen
Angeboten zu erfahren und den Strafverfolgungsbehörden Mitteilung zu machen.
8
Die Bezirksregierung E wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid
vom 29. Juni 2002 als zulässig, aber unbegründet zurück. Im Einzelnen wiederholte und
vertiefte sie die Gründe des Ausgangsbescheides. Sie führte ferner aus, die
Entscheidung auf der Grundlage des Mediendienstestaatsvertrages sei auch
ermessensfehlerfrei erfolgt, denn dessen Normen ließen ihr kein
Entschließungsermessen. Hilfsweise stütze sie die Verfügung auch auf § 14 Abs. 1
OBG i.V.m. § 8 Abs. 2 Satz 2 des Teledienstegesetzes. Aufgrund der Verstöße gegen
strafrechtliche Verbotsnormen sei die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet.
Angesichts der aufgezeigten Gefahren, die von den rechtsextremistischen Internet-
Angeboten für den demokratischen Rechtsstaat, den öffentlichen Frieden sowie für die
Gesundheit und das Leben Einzelner ausgingen, sei die Inanspruchnahme der Klägerin
als Access-Provider unverzichtbar. Die Auswahl unter mehreren Verursachern erfolge
nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wobei grundsätzlich die tatsächliche und
rechtliche Möglichkeit der Gefahrenbeseitigung, lediglich ergänzend hingegen das
Verschulden, ausschlaggebend sei. Da es sich nicht als durchführbar bzw.
erfolgversprechend erwiesen habe, gegen die Service- oder Content-Provider als
Primärverantwortliche vorzugehen, komme allein die Inanspruchnahme des Access-
Providers in Betracht, da dies die einzige Möglichkeit der Gefahrenabwehr sei.
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Gegen den ihr am 1. August 2002 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin
am 29. August 2002 unter Ergänzung und Vertiefung ihres Vorbringens aus dem
Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren die vorliegende Klage erhoben.
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Nachdem die Bezirksregierung E daraufhin unter dem 6. September 2002 die sofortige
Vollziehung der Sperrungsverfügung vom 6. Februar 2002 angeordnet hatte, stellte die
Klägerin einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (VG Düsseldorf 15 L
3749/02). Diesen Antrag lehnte das Gericht mit Beschluss vom 19. Dezember 2002 ab,
gegen den Rechtsmittel nicht erhoben wurden.
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Zur Begründung ihrer Klage führt die Klägerin ergänzend aus: Sie sei als Anbieterin
12
eines Teledienstes anzusehen. Die Aufmachung der Seite o.com stelle sich als
Aneinanderreihung von Warenangeboten dar, eine redaktionelle Gestaltung sei nicht
erkennbar. Es gehe vielmehr um eine Interaktion zwischen dem kommerziellen Anbieter
und dem individuellen Nutzer. Dieses Angebot sei - ebenso wie das von t.org - nicht auf
allgemeine Meinungsbildung angelegt. Die Bezirksregierung habe auch nicht genug
unternommen, um gegen die in den USA ansässigen Content- bzw. Service-Provider
vorzugehen. Die Sperrungsverfügung sei zu unbestimmt, da dem Adressaten drei
Möglichkeiten vorgegeben würden, wie er die Erreichbarkeit der betroffenen Webseiten
sperren solle. Die Verfügung sei außerdem unverhältnismäßig. Es gebe zahlreiche
Möglichkeiten, die Sperrung zu umgehen. Die Aufforderung zur Sperrung von
Internetseiten durch den Einsatz von Proxy-Servern sei überdies rechtswidrig, weil
damit einem Access-Provider ein erheblicher finanzieller und technischer Aufwand
entstehe. Die Sperre von IP-Adressen führe dazu, dass durch die IP-Adresse definierte
Server unerreichbar würden. Neben den zu sperrenden Internetseiten werde damit aber
auch eine Vielzahl von legalen Angeboten, die auf diesem Server liegen, mitgesperrt.
Dies führe zu einer erheblichen Verletzung der durch Art. 5 GG geschützten
Informationsfreiheit. Auch die hilfsweise angegebene Ermächtigungsgrundlage greife
nicht ein. Für die Feststellung eines Verstoßes gegen Strafgesetze sei nicht die
Beklagte, sondern die Staatsanwaltschaft bzw. das Strafgericht zuständig. Unabhängig
davon habe sich die Gefahr schon erheblich reduziert, weil nur 10 der insgesamt 76 in
Anspruch genommenen Access-Provider Klage erhoben hätten. Außerdem bestehe ihre
Kundschaft ganz überwiegend aus japanischen Kunden, die unbefangener mit dem
Thema umgingen. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin weiter ausgeführt,
der Aufwand für die von ihr für die beiden Seiten gewählte Domain-Name-Server-
Sperrung sei relativ gering gewesen. Ihre Befürchtungen richteten sich aber auch vor
allem auf den Aufwand, der entstünde, wenn weitere Sperrungen von Internetseiten
verfügt würden.
Die Klägerin beantragt,
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die Sperrungsverfügung der Bezirksregierung E vom 6. Februar 2002 in der Fassung
ihres Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2002 aufzuheben.
14
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie bezieht sich im Wesentlichen auf den Vortrag der Bezirksregierung E im Verfahren
des vorläufigen Rechtsschutzes. Darin hatte diese u.a. ausgeführt, es handele sich bei
den in der Sperrungsverfügung genannten Angeboten um einen Mediendienst. Beide
Angebote verstießen gegen das Strafgesetzbuch. Dem stehe nicht entgegen, dass die
Angebote in den USA ins Netz gestellt worden seien. Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs trete ein zum Tatbestand der Volksverhetzung gehörender Erfolg
auch im Inland ein, wenn ein Ausländer von seiner Heimat aus von ihm verfasste
Äußerungen in das Internet einstelle. Ferner macht sie geltend, sie habe sich noch im
Oktober 2002 an die Content-Provider der beiden Angebote gewandt und diese
aufgefordert, diese aus dem Internet zu entfernen.
17
Die Kammer hat im Vorfeld der mündlichen Verhandlung jugendschutz.net gebeten,
mitzuteilen, ob von dort aus auch bei den US-amerikanischen Host- Providern, die die
beiden Angebote ins Netz stellen, wegen deren Sperrung interveniert worden ist und -
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wenn ja - wie die Reaktion ausgefallen ist. Hierauf hat jugendschutz.net mit schriftlicher
Stellungnahme vom 4. Mai 2005, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen
wird, geantwortet.
Die Kammer hat nach Anhörung der Beteiligten das Rubrum dahin gehend geändert,
dass nicht mehr die Bezirksregierung E, sondern die Landesanstalt für Medien
Nordrhein-Westfalen auf Beklagtenseite beteiligt ist.
19
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Verfahrens VG Düsseldorf 15 L 3749/02
sowie die in jenem Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
20
Entscheidungsgründe
21
Die Klage ist zulässig (A.) aber unbegründet (B.).
22
A. Die Klage ist insbesondere gegen die heute allein richtige Beklagte (§ 78 Abs. 1
VwGO) gerichtet. Bei der streitgegenständlichen Sperrungsverfügung vom 6. Februar
2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2002 handelt es sich
um einen sog. Dauerverwaltungsakt (I.), mit der Folge, dass aufgrund des § 20 Abs. 4
des am 1. April 2003 in Kraft getreten Staatsvertrages über den Schutz der
Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien
(Jugendmedienschutzstaatsvertrag - JMStV) vom 10./29. September 2002 auf
Beklagtenseite ein Zuständigkeitswechsel eingetreten ist (II.).
23
I. Unter einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist ein Verwaltungsakt zu verstehen,
dessen Wirkung nach Sinn und Zweck und dem einschlägigen materiellen Recht
wesensgemäß auf Dauer angelegt ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der
Verwaltungsakt ein dauerhaft angelegtes Rechtsverhältnis begründet oder inhaltlich
verändert. Ein in diesem Sinne auf Dauer angelegtes Rechtsverhältnis kann
insbesondere aus einem ordnungsrechtlichen Ge- oder Verbot resultieren, wenn es sich
nicht in einem einmaligen auf einen bestimmten Zeitpunkt beschränkten Ge- oder
Verbot erschöpft,
24
vgl. hierzu z.B. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1976 - VII C 28.74 -, BVerwGE 51, S.
359 (361 f.) [Entziehung der Fahrerlaubnis ist kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung],
25
sondern, wenn seine Rechtsfolge in einer andauernden vollzugsfähigen Regelung
besteht, mit der eine sich immer wieder aktualisierende Gefahr beseitigt werden soll.
26
Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. November 2003 - 7 A 10959/03 - [juris] und
OVG NRW, Urteil vom 10. Dezember 1998 - 13 A 2711/97 - [jeweils zum
Lebensmittelrecht]; VG Münster, Urteil vom 23. November 1990 - 1 K 926/99 -, NWVBl
1991, S. 317 [Maulkorbzwang für Hunde], Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 9.
Auflage 2004, Rz. 798 f.; vgl. zum ganzen auch Felix, Der Verwaltungsakt mit
Dauerwirkung - eine sinnvolle Kategorie des Allgemeinen Verwaltungsrechts?, NVwZ
2003, S. 385 (386 f.) m.w.N.
27
Dies ist hier der Fall. Denn die Sperrungsanordnung erschöpft sich nicht in der
einmaligen Aufforderung, die erforderliche Programmierung der Rechner der Klägerin
vorzunehmen. Wesentlicher Bestandteil ist vielmehr auch deren Beibehaltung und
28
Neuprogrammierung bei einer erforderlich werdenden Änderung der Konfiguration des
Servers.
So i.E. auch VG Arnsberg, Urteil vom 26. November 2004 - 13 K 3173/02 - und VG Köln,
Urteil vom 3. März 2005 - 6 K 7603/02 -.
29
II. Handelt es sich um einen sog. Dauerverwaltungsakt, bewirkt § 20 Abs. 4 JMStV
prozessual einen Parteiwechsel auf Beklagtenseite (§ 173 VwGO i.V.m. §§ 239 ff. ZPO)
- auch Funktionsnachfolge genannt -, der nicht als Klageänderung i.S.d. § 91 VwGO
einzustufen ist.
30
Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. November 1973 - II C 55.70 -, BVerwGE 44, S. 148 (150 f.),
VGH BW, Urteil vom 8. März 1995 - 8 S 3345/94 -, RdL 1995, S. 279 f. sowie
Redeker/von Oertzen, a.a.O., § 94 Rz. 7.
31
Die Einordnung einer Verfügung als Dauerverwaltungsakt hat zur Folge, dass die
zuständige Behörde die Verfügung auch nach ihrem Erlass unter Kontrolle zu halten,
auf Veränderungen der Sach- und Rechtslage zu reagieren und die Verfügung ggf. auch
aufzuheben hat. Einem - durch die genannte Vorschrift eingetretenen -
Zuständigkeitswechsel ist deshalb auch im gerichtlichen Verfahren Rechnung zu
tragen.
32
Gemäß § 20 Abs. 4 JMStV trifft für Anbieter von Telemedien die zuständige
Landesmedienanstalt (durch die Kommission für Jugendmedienschutz - KJM -)
entsprechend § 22 Abs. 2 bis Abs. 4 des Mediendienstestaatsvertrages i.d.F. des
Zustimmungsgesetzes vom 28. Februar 2003 (GV NRW S. 84) - MDStV n.F. - die
jeweilige Entscheidung. Es handelt sich insoweit um eine ausschließliche sachliche
Zuständigkeit der Beklagten. Dies gilt trotz der im Übrigen (fort-)bestehenden
Zuständigkeit der Bezirksregierung E für (andere) Aufsichtsmaßnahmen nach dem
MDStV n.F. Die Regelungen des JMStV sind nämlich gegenüber denen des MDStV n.F.
spezieller und gehen diesen vor. Dies wird u.a. bei einem Vergleich von § 1 JMStV und
§ 1 MDStV n.F. und im Übrigen aus dem Sinn und Zweck des JMStV deutlich (vgl. auch
§ 12 MDStV n.F.). Mit den Regelungen des JMStV sollte nach dem Willen des
Gesetzgebers der Jugendschutz und der Schutz der Menschenwürde in Rundfunk und
Internet zusammengeführt und für diese Zielgruppe möglichst einheitlich geregelt
werden.
33
Vgl. hierzu Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Rundfunkstaatsvertrag, Band III - JMStV,
Stand: Februar 2005, § 1 JMStV Rz. 6 f.
34
Die in § 4 Abs. 1 JMStV aufgezählten Angebote verstoßen generell gegen die
Menschenwürde und den Jugendschutz. Es kommt daher nicht darauf an, ob die
entsprechende Aufsichtsmaßnahme - hier also die Sperrungsverfügung - allein oder
spezifisch jugendschutzrechtlich motiviert ist. Vielmehr überlagert der JMStV mit seinen
Sonderregelungen für den Bereich des Jugendmedienschutzes und des Schutzes der
Menschenwürde die Regelungen des MDStV n.F. und des Teledienstegesetzes (TDG).
35
Vgl. auch die amtliche Begründung zu § 2 JMStV, abgedruckt u.a. bei
Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettener, a.a.O.; vgl. auch die Begründung des nordrhein-
westfälischen Zustimmungsgesetzes zum JMStV, LT-Drucks. 13/3431, S.1 und 21
sowie die Begründung des bayerischen Zustimmungsgesetzes zum JMStV, Bayerische
36
Landtagsdrucksache 14/10246, S. 25; so im Ergebnis auch VG Arnsberg, Urteil vom 26.
November 2004 - 13 K 3173/02 - und VG Köln, Urteile vom 3. März 2005 - 6 K 7603/02
und 6 K 7151/02 -; a.A. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 3. Auflage 2004, Rz. 387.
B. Die Klage ist unbegründet.
37
Die angefochtene Sperrungsverfügung ist in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
(§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§
113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies gilt sowohl für den Zeitpunkt ihres Erlasses (I.) als auch
unter Berücksichtigung der nach ihrem Erlass eingetretenen Änderungen der Sach- und
Rechtslage (II.).
38
I. Die angefochtene Sperrungsverfügung in der Fassung des Widerspruchsbescheides
findet - bezogen auf den Erlasszeitpunkt - ihre Rechtsgrundlage in § 22 Abs. 3 i.V.m.
Abs. 2 des Mediendienstestaatsvertrages vom 27. Juni 1997 (GV NRW S. 158) in der
am 1. Juli 2002 in Kraft getretenen Fassung des Art. 3 des Sechsten Staatsvertrages zur
Änderung des Rundfunkstaatsvertrages, des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages und
des Mediendienste-Staatsvertrages (Sechster Rundfunkänderungsstaatsvertrag) vom 7.
Juni 2002 (GV NRW S. 178) - MDStV -. Sie ist formell (1.) und materiell (2.) rechtmäßig
ergangen.
39
1. Die Verfügung ist formell rechtmäßig, insbesondere zuständigkeitsgemäß ergangen.
40
Mit der Bezirksregierung E hat die seinerzeit örtlich und sachlich zuständige Behörde
gehandelt. Dies ergibt sich aus § 1 der Verordnung über Zuständigkeiten nach dem
Mediendienstestaatsvertrag vom 17. September 1997 (GV NRW 184), die ihre
Rechtsgrundlage in Art. 2 des Gesetzes zum Staatsvertrag über Mediendienste vom 27.
Juni 1997 (GV NRW 158) in der insoweit in der Folgezeit unveränderten Fassung findet.
41
Der seinerzeitigen Zuständigkeit der Bezirksregierung E als nach nationalem Recht
zuständige Behörde steht das völkerrechtliche Nichteinmischungsprinzip nicht
entgegen. Danach kann die "internationale" Zuständigkeit einer nationalen Behörde
hinsichtlich ausländischer Sachverhalte nicht bestehen bzw. darf diese Behörde
nationales Recht ohne sachlichen Grund nicht auf Auslandssachverhalte anwenden.
Das völkerrechtliche Nichteinmischungsprinzip gehört zu den allgemeinen Regeln des
Völker(gewohnheits)rechts, die gemäß Art. 25 Satz 1 GG Bestandteil des Bundesrechts
sind.
42
Vgl. VG Köln, Urteil vom 27. November 1991 - 8 K 1191/90 -, NVwZ 1992, S. 811
(811/812), Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 7. Auflage 2004, Art. 25 Rz. 9, beide m.w.N.
43
Dass ein Verstoß gegen das Nichteinmischungsprinzip nicht gegeben ist, dürfte schon
daraus zu folgern sein, dass es vorliegend an einem ausländischen Sachverhalt fehlt.
Es geht nämlich nicht um Maßnahmen gegen eine ausländische natürliche oder
juristische Person, sondern ausschließlich um Verfügungen gegen in Deutschland
ansässige juristische Personen. Dies mag aber offen bleiben. Voraussetzung für eine
Verletzung des Nichteinmischungsprinzips ist nämlich, dass es um eine Einmischung in
eine Angelegenheit geht, die in die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen
Staates fällt.
44
Vgl. Ipsen, Völkerrecht, 5. Auflage 2004, § 59 IV Rz. 53 m.w.N.
45
Das Nichteinmischungsprinzip kann daher nicht verletzt sein, wenn die Angelegenheit
jedenfalls auch einen konkreten und hinreichenden Bezug zur Bundesrepublik
Deutschland aufweist. Im Bereich der präventiven Gefahrenabwehr ist ein solcher
Bezug anzunehmen, wenn durch ihn greifbare ordnungsrechtliche Gefahren entstehen.
Das kann insbesondere der Fall sein, wenn ein Ausländer von ihm verfasste oder
propagierte Äußerungen, die z.B. den objektiven Tatbestand der Volksverhetzung i.S.d.
§ 130 StGB erfüllen, auf einem ausländischen Server, der Internetnutzern in
Deutschland zugänglich ist, einstellt, wenn diese Äußerungen konkret zur
Friedensstörung im Inland geeignet sind.
46
Vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000 - 1 StR 184/00 -, NJW 2001, S. 624 ff.; vgl.
hierzu auch Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch, 25. Auflage 2004, § 9 Rz. 5 m.w.N. pro et
contra.
47
Das ist hier der Fall, wie im Einzelnen noch darzulegen sein wird.
48
So i.E. auch OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2003 - 8 B 2567/02 -, NJW 2003, S.
2183 (2184) mit zustimmender Anmerkung Spindler/Volkmann, MMR 2003, S. 354
(355); Dietlein/Heinemann, Intervention im Internet - Rechtsfragen der Sperrung des
Zugangs zu rechtsextremistischen Internetseiten, Jahrbuch der Heinrich-Heine-
Universität E 2003, S. 395 (404) und dies., Illegales Glücksspiel und Gefahrenabwehr,
GewArch 2005, S. 89 (91) m.w.N.; a.A. Engel, Die Internet-Service-Provider als Geiseln
deutscher Ordnungsbehörden - Eine Kritik an den Verfügungen der Bezirksregierung E,
MMR 2003, Beilage Nr. 4, S. 1 (7 f.).
49
2. Die Sperrungsverfügung steht auch in materieller Hinsicht mit der seinerzeit
geltenden Rechtslage im Einklang. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 22 Abs. 3 i.V.m.
Abs. 2 MDStV.
50
a) Der Mediendienstestaatsvertrag ist auf die Angebote o.com und t.org anwendbar. Bei
beiden Angeboten handelt es sich um Mediendienste und nicht, wie die Klägerin meint,
um Teledienste. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 MDStV gilt der Mediendienstestaatsvertrag für
das Angebot und die Nutzung von an die Allgemeinheit gerichteten Informations- und
Kommunikationsdiensten (Mediendienste). Mediendienste i.S.d. § 2 Abs. 1 MDStV sind
gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 4 MDStV insbesondere Abrufdienste, bei denen Text-, Ton- oder
Bildschirmdarbietungen auf Anforderung aus elektronischen Speichern zur Nutzung
übermittelt werden, mit Ausnahme von solchen Diensten, bei denen der individuelle
Leistungsaustausch oder die reine Übermittlung im Vordergrund steht. Mediendienste,
auf die der MDStV Anwendung findet, sind dabei von Telediensten, die durch das
Teledienstegesetz (TDG) geregelt werden, abzugrenzen.
51
Vgl. hierzu im Einzelnen OVG NRW, Beschluss vom, 19. März 2003 - 8 B 2567/02 -,
NJW 2003, S. 2183 (2184) sowie VG E, Beschluss vom 19. Dezember 2002 - 15 L
4148/02 -, S. 15 des amtlichen Umdrucks und Tettenborn, in: Beck´scher IuKDG-
Kommentar, 2001, § 2 MDStV Rz. 48 und § 2 TDG Rz. 78 m.w.N.
52
Vom Anwendungsbereich des Mediendienstestaatsvertrages, der für Dienste gilt, die an
die Allgemeinheit gerichtet und damit massenkommunikationsbezogen sind, sind [nur]
ausgenommen Dienste, bei denen der individualkommunikative Charakter oder die
reine Faktenvermittlung im Vordergrund stehen (vgl. auch § 2 Abs. 1 TDG).
53
Mediendienste sollen [vorrangig] der allgemeinen Meinungsbildung dienen. Ein
Teledienst wird dagegen vorliegen, wenn die elektronisch erbrachten Leistungen auf ein
konkretes Individualverhältnis zwischen dem Nutzer und dem Anbieter bezogen sind,
wie dies etwa beim Telebanking der Fall ist; auch Dienste, die primär die reine
Informationsvermittlung zum Ziel haben, wie z.B. Fahrpläne, Devisenkurse usw. werden
den Telediensten zuzurechnen sein.
Vgl. zur Abgrenzung im Einzelnen OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2003 - 8 B
2567/02 -, a.a.O., S. 2184; Spindler/Schmitz/Geis, TDG, 2004, § 2 Rz. 11 f., Tettenborn,
a.a.O., § 2 MDStV Rz. 48 m.w.N; Spindler/Volkmann, Die öffentlich- rechtliche
Störerhaftung der Access-Provider, K&R 2002, S. 398 (399); vgl. auch Zimmermann,
Polizeiliche Gefahrenabwehr und das Internet, NJW 1999, S. 3145 (3146) sowie
Strömer, Online-Recht, 3. Auflage 2002, S. 11 bis 13.
54
Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei den Angeboten o.com und t.org -
abgestellt auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides - um
Mediendienste. Es handelt sich nicht um reine Informations- oder individuelle
Kommunikationsangebote, sondern um Seiten, bei denen die Meinungsbildung für die
Allgemeinheit und die "Gewinnung von Mitstreitern" im Vordergrund steht. Dies gilt
zunächst hinsichtlich der Seite o.com. Sie erschöpft sich ersichtlich nicht in der
Wiedergabe von "Informationen", sondern will "Kameraden" zum gemeinsamen Kampf
"im besetzten Reichsgebiet" anwerben. Dort sollen diese dann u.a. für die Zulassung
der NSDAP eintreten. Als gemeinsam zu erreichendes Ziel wird die Schaffung eines
nationalsozialistischen Staates und die Errichtung einer Neuen Ordnung auf einer
"rassischen Grundlage in der ganzen arischen Welt" propagiert. Außerdem wird zur
Solidarität mit den (wegen ihrer nationalistischen Gesinnung) "inhaftierten Kameraden"
aufgerufen. Ferner wird auf dieser Seite die Ermordung von Juden im
Nationalsozialismus verherrlicht. Dies wird durch verunglimpfende Ausführungen wie
"Jeder lebende Jude ist eine Reklame für den nächsten Holocaust" und durch die
Verwendung von Kennzeichen der NSDAP (Hakenkreuz usw.) und damit von
Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation untermauert. Dass die Seite auch
die Bestellung von Devotionalien ermöglicht, macht sie entgegen der Auffassung der
Klägerin nicht zu einem auf ein individuelles Austauschverhältnis angelegten
(kommerziellen) Teledienst. Die Kaufangebote stehen nämlich in erkennbarem
inhaltlichen Zusammenhang mit den propagandistischen Aussagen der Internet-Seite
und unterstützen deren auf Meinungsbildung angelegten Charakter. Dies wird schon an
der Art der Präsentation sowie an der "Produktpalette" deutlich. Gleich zu Beginn
werden die Nutzer mit einer Darstellung von M im "Hitler-Outfit" konfrontiert. Auf den
folgenden Seiten werden CDs rechtsradikaler Gruppen ("A") sowie Nazi-Plakate, Nazi-
Computerspiele ("KZ- Rattenjagd", "Der SA-Mann") und Nazi-Filme wie "Der ewige
Jude" angeboten. Der auf Meinungsbildung angelegte Charakter wird durch die jeweils
kommentierenden Anmerkungen zum Kaufangebot deutlich. So heißt es z.B.
hinsichtlich des genannten NS-Films, Tierfreunde aus aller Welt hätten gegen den
Vergleich von vierbeinigen Ratten "mit ihren unendlich schlimmeren zweibeinigen
Artgenossen" [gemeint sind ersichtlich die Juden] protestiert, und deswegen habe sich
der Parteigenosse M in einem Fernsehinterview "bei den vierbeinigen Ratten
entschuldigt". Die Verknüpfung zwischen der Kaufmöglichkeit und der inhaltlichen
Bewertung/Anpreisung wird durch die unmittelbar darauf folgenden Hinweise deutlich,
dieser Film sei "hervorragend geeignet zum großangelegten Verteilen zu
Propagandazwecken", und im Übrigen könne auch das Internet insgesamt als
Propagandamittel eingesetzt werden. Bezogen auf den Zeitpunkt des Erlasses des
55
Widerspruchsbescheides gilt nichts anderes für das Angebot t.org. Dass dieses Angebot
auf Meinungsbildung angelegt ist, wird bereits auf der Startseite deutlich. Dort wird dem
Nutzer erklärt, was t ist, nämlich ein Forum mutiger weißer Frauen und Männer, das
Strategien ausarbeitet und politische und soziale Vereinigungen schaffen will, um den
Sieg sicherzustellen. In diesem Zusammenhang wird dann die Schaffung "Befreiter
Zonen" als "Aufmarsch- und Rückzugsgebiete für die Nationalisten Deutschlands"
propagiert. In den inhaltlichen Angeboten finden sich Artikel, in denen das "große
soziale und ökonomische Wunder im nationalsozialistischen Deutschland"
hervorgehoben ("White Power - we´ve got it") oder die revisionistischen Aussagen des
englischen Historikers J u.a. über das Konzentrationslager Auschwitz ausdrücklich als
gut und richtig befunden werden ("Gas Chamber Fraud"). Auch auf dieser Seite werden
ersichtlich Kennzeichen der NSDAP (Hakenkreuz usw.) und damit Kennzeichen einer
verfassungswidrigen Organisation verwendet.
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 MDStV sind - bezogen auf
den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides - erfüllt.
56
Gemäß § 22 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 MDStV können Maßnahmen zur Sperrung von
Angeboten wegen Verstoßes gegen Bestimmungen des Mediendienstestaatsvertrages
[hierzu aa] auch gegen Diensteanbieter von fremden Inhalten nach den §§ 7 bis 9
MDStV [bb] gerichtet werden, wenn sich Maßnahmen gegenüber den Verantwortlichen
nach § 6 Abs. 1 MDStV als nicht durchführbar oder nicht Erfolg versprechend erweisen
[cc], sofern eine hinreichend bestimmte Sperrung technisch möglich und zumutbar ist
[dd].
57
aa) Die beiden angebotenen Mediendienste verstoßen gegen § 12 Abs. 1 Nr. 1 MDStV
in der im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides geltenden Fassung.
Nach dieser Bestimmung ist ein Angebot unzulässig, wenn es gegen Bestimmungen
des Strafgesetzbuches verstößt. Dabei ist es erforderlich, aber ausreichend, dass die
objektiven tatbestandlichen Voraussetzungen der Strafrechtsnorm gegeben sind,
58
vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2002 - 6 C 13.01 -,
JZ 2002, S. 1057 (1058) für die vergleichbare Bestimmung des § 3 Abs. 1 Nr. 1
Rundfunkstaatsvertrag [im Zusammenhang mit § 184 StGB],
59
da es im Bereich des Ordnungsrechts auf Gesichtspunkte wie Verschulden o.ä.
regelmäßig - so auch hier - nicht ankommt. Mit dieser Maßgabe liegt ein Verstoß gegen
objektive Straftatbestände, insbesondere den Tatbestand des § 130 StGB
("Volksverhetzung"), vor. Danach wird mit Freiheitsstrafe bestraft, wer in einer Weise,
die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, zum Hass gegen Teile der
Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert
(Abs. 1 Nr. 1) oder die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der
Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet (Abs. 1 Nr. 2).
60
Vgl. hierzu im Einzelnen Lackner/Kühl, StGB., 25. Auflage 2004, § 130 Rz. 2 bis 6 sowie
Hertel in Beck`scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 2003, § 3 Rz. 41 [im
Zusammenhang mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 Rundfunkstaatsvertrag], beide m.w.N.
61
Diese Voraussetzungen sind hier offensichtlich erfüllt. Die beiden genannten Angebote
stacheln zum Hass gegen Teile der Bevölkerung auf und fordern zu Gewalt- bzw.
Willkürmaßnahmen gegen sie auf. Denn sie sind ersichtlich darauf angelegt, feindliche
62
Gefühle gegen die Juden im Allgemeinen und gegen die deutschen Juden im
Besonderen zu erwecken und zu schüren.
Vgl. hierzu z.B. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000 - 1 StR 184/00 -, NJW 2001, S. 624
(626) m.w.N.
63
Hinsichtlich der Seite o.com ergibt sich dies aus den oben dargelegten Gründen, auf die
insoweit mit der Maßgabe Bezug genommen wird, dass allein schon die Aussage
"Jeder Jude ist eine umherlaufende Reklame für den nächsten Holocaust" den
objektiven Straftatbestand des § 130 Abs. 1 StGB erfüllt. Auch auf der Seite t.org wird -
bezogen auf den damaligen Zeitpunkt - aus den genannten Gründen die Ermordung von
Juden im Nationalsozialismus verherrlicht und die Schaffung "Befreiter Zonen" durch
Eliminierung Andersdenkender propagiert. Eine derartige Aufstachelung bzw.
Aufforderung zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen ist auch geeignet, den öffentlichen
Frieden zu stören.
64
Vgl. in diesem Zusammenhang BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000 - 1 StR 184/00 -,
a.a.O., S. 626 f. sowie Lackner/Kühl, a.a.O., § 130 Rz. 10 m.w.N.
65
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist auch der Straftatbestand des § 130 Abs. 3 StGB
gegeben. Im Übrigen ist auch der Straftatbestand des § 86 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 i.V.m. §
86 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB objektiv erfüllt; insoweit wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die
im Wesentlichen zutreffenden Ausführungen der Sperrungsverfügung (dort S. 3, 3. Abs.
bis S. 5, 1. Abs.) Bezug genommen.
66
So im Ergebnis auch OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2003 - 8 B 2567/02 -, a.a.O.
S. 2185, VG Arnsberg, Urteil vom 26. November 2004 - 13 K 3173/02 - und VG Köln,
Urteile vom 3. März 2005 - 6 K 7151/02 und 6 K 7603/02 -.
67
Die Anknüpfung an einen Straftatbestand des Strafgesetzbuches scheidet - unabhängig
von dem o.g. völkerrechtlichen Nichteinmischungsprinzip - auch nicht mit Blick darauf
aus, dass die Seiten, um die es hier geht, in den USA ins Netz gestellt wurden. Es fehlt
nicht deshalb an einer Grundlage für die Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt, weil der
Tatort außerhalb des Bundesgebietes liegen würde. Es handelt sich vielmehr um eine
Inlandstat (§ 3 StGB). Hinsichtlich § 130 StGB gilt dies schon deshalb, weil gemäß § 9
Abs. 1, 3. Var. StGB eine Tat an jedem Ort begangen ist, an dem der zum Tatbestand
gehörende Erfolg eingetreten ist. Bei einem sog. "abstrakt-konkreten" Delikt wie § 130
StGB tritt ein Erfolg i.S.d. § 9 Abs. 1, 3. Var. StGB dann ein, wenn eine im Ausland
eingerichtete Webseite im Inland aufgerufen werden kann, da schon hierdurch der
Gefährdungserfolg durch Eintritt der Eignung zur Friedensstörung verwirklicht wird.
68
Vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000 - 1 StR 184/00 -, NJW 2001, S. 624 (626 f.)
69
Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Strafvorschrift ein gewichtiges inländisches
Rechtsgut betrifft, das zudem einen besonderen Bezug auf das Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland hat.
70
Vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000 - 1 StR 184/00 -, a.a.O., S. 627 m.w.N.
71
Dies ist hinsichtlich § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB der Fall. Denn damit sollen Teile der
inländischen Bevölkerung schon im Vorfeld von unmittelbaren
72
Menschenwürdeverletzungen geschützt werden. Die Vorschrift soll außerdem wegen
der besonderen Geschichte Deutschlands dem Ingangsetzen einer historisch als
gefährlich nachgewiesenen Eigendynamik entgegenwirken.
Vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000 - 1 StR 184/00 -, a.a.O., S. 627 m.w.N.
73
Hinsichtlich der dargelegten Verstöße gegen § 86 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 i.V.m. § 86 Abs.
1 Nr. 1, 2 StGB liegt ebenfalls eine Inlandstat vor, wobei dahingestellt bleiben kann,
welche der Varianten des § 9 Abs. 1 StGB einschlägig ist.
74
Vgl. hierzu Kammergericht Berlin, Urteil vom 16. März 1999 - (5) 1 Ss 7/98 (8/98), NJW
1999, S. 3500 (3501 f.), Tröndle/Fischer, StGB, 52. Auflage § 86a Rz 16 sowie
Lackner/Kühl, a.a.O., § 86a Rz. 6 m.w.N. pro et contra.; vgl. auch Dietlein/Heinemann,
K&R 2004, S. 418 (419).
75
bb) Die Maßnahme kann - bezogen auf den damaligen Zeitpunkt - auch gegenüber der
Klägerin ergehen. Sie ist Diensteanbieterin i.S.d. § 3 Nr. 1 MDStV, denn sie vermittelt
den Zugang zu den beiden unzulässigen Mediendiensten. Sie kann als
Diensteanbieterin von fremden Inhalten i.S.d. § 7 Abs. 1 MDStV herangezogen werden.
Auch ein sog. Access-Provider, um den es sich, wie zwischen den Beteiligten auch
nicht umstritten ist, bei der Klägerin handelt, ist Diensteanbieter von fremden Inhalten.
76
Vgl. hierzu allgemein auch OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2003 - 8 B 2567/02 -,
a.a.O., S. 2185 f. sowie Spindler/Volkmann, a.a.O., S. 401.
77
Denn er vermittelt den Zugang zur Nutzung fremder Informationen i.S.d. § 7 Abs. 1
MDStV. Diese Bestimmung erfasst bereits nach ihrem Wortlaut und ihrer amtlichen
Überschrift ("Durchleitung von Informationen") auch Provider, die den Zugang zu einem
Netzwerk vermitteln.
78
Vgl. zur Abgrenzung zwischen sog. Network-Providern, die lediglich die Nutzung von
Übertragungskapazitäten anbieten, und "Access-Providern", die - wie die Klägerin -
zusätzlich zum Netzzugang auch die zur Nutzung des Netzes erforderlichen
Protokollfunktionen (IP-Adresse, Name-Service, Routing) anbieten z.B. Hoeren, Recht
der Access-Provider, 2004 Rz. 635, Spindler/Schmitz/Geis, a.a.O., § 9 TDG Rz. 14 und
17 sowie - allgemein - auch Stein, Taschenbuch Rechnernetze und Internet, 2004, S.
486 bis 489.
79
Dies wird durch die Entstehungsgeschichte der Norm bestätigt. § 7 Abs. 1 MDStV ist -
ebenso wie die entsprechende Regelung des § 9 Abs. 1 TDG - in Umsetzung der
Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000
über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft,
insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt (Richtlinie über
den elektronischen Geschäftsverkehr - "E-Commerce- Richtlinie" - ECR -) ergangen,
80
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2003 - 8 B 2567/02- , a.a.O., S. 2185,
Spindler/Schmitz/Geis, a.a.O., Einf. TDG Rz. 2 und 13 sowie Engel, Die internet-
Service-Provider als Geiseln des deutschen Ordnungsrechts, MMR 2003, Beilage 4, S.
1 (25),
81
und deshalb richtlinienkonform auszulegen.
82
Vgl. Spindler/Schmitz/Geis, a.a.O. TDG Einf. Rz. 13 m.w.N.
83
Die ECR regelt in Art. 12 Abs. 1 im Zusammenhang mit der Verantwortlichkeit der
Vermittler, dass im Fall eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der darin besteht,
Zugang zu einem Kommunikationsnetz zu vermitteln, der Diensteanbieter nicht für die
übermittelten Informationen verantwortlich ist, sofern er a) die Übermittlung nicht
veranlasst, b) den Adressaten der übermittelten Information nicht auswählt und c) die
übermittelten Informationen nicht auswählt oder verändert. Gemäß Art. 12 Abs. 3 ECR
lässt dieser Artikel allerdings die Möglichkeit unberührt, dass ein Gericht oder eine
Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vom
Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern. Aus der
Begründung der Richtlinie (vgl. Art. 253 EGV), die - regelmäßig, so auch hier - der
"Präambel" des jeweiligen Rechtsaktes zu entnehmen ist,
84
vgl. z.B. Fischer, Europarecht, 3. Auflage 2001, § 5 Rz. 86,
85
heißt es in der Begründungserwägung Nr. 42, die (z.B. in Art. 12 Abs. 1 ECR
vorgesehene) Haftungsprivilegierung decke nur Fälle ab, in denen die Tätigkeit des
Anbieters auf den technischen Vorgang beschränkt sei, ein Kommunikationsnetz zu
betreiben und den Zugang zu diesem zu vermitteln oder von Dritten zur Verfügung
gestelltes Informationsmaterial übermittele; hierbei handele es sich um eine "Tätigkeit
rein technischer, automatischer oder passiver Art", was bedeute, dass der Anbieter
eines Dienstes der Informationsgesellschaft weder Kenntnis noch Kontrolle über die
weitergeleitete Information besitze. Zugangsmittler wie z.B. "Access-Provider" sollten
vom Anwendungsbereich der ECR erfasst - und damit grundsätzlich privilegiert -
werden.
86
Vgl. Spindler, a.a.O., § 9 TDG Rz. 12.
87
Diese Privilegierung steht aber nach der genannten Bestimmung des Art. 12 Abs. 3
ECR ihrer ordnungsrechtlichen Inanspruchnahme nicht entgegen. Dem entspricht es,
dass in Begründungserwägung Nr. 45 ausdrücklich davon die Rede ist, die in der ECR
festgelegten Beschränkungen der Verantwortlichkeit von Vermittlern ließen die
Möglichkeit von Anordnungen unterschiedlicher Art unberührt. Diese können
insbesondere in Anordnungen bestehen, die die Abstellung oder Verhinderung einer
Rechtsverletzung verlangen, einschließlich der Entfernung rechtswidriger Informationen
oder der Sperrung des Zugangs zu ihnen.
88
cc) Maßnahmen gegen die (primär) Verantwortlichen nach § 6 Abs. 1 MDStV, die sog.
Content-Provider oder die Service-Provider, sind - bezogen auf den Zeitpunkt des
Erlasses des Widerspruchbescheides - als nicht durchführbar oder nicht
erfolgversprechend anzusehen. Nicht durchführbar ist eine Maßnahme, wenn ihrer
Durchsetzung tatsächliche oder rechtliche Hindernisse entgegenstehen. Nicht
erfolgversprechend ist eine Maßnahme dann, wenn die erforderliche Prognose zu der
plausiblen Einschätzung führt, dass die Maßnahme keinen greifbaren Erfolg zeitigen
wird. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Dabei mag offen bleiben, ob die
Bezirksregierung E im August 2000 und/oder im Oktober 2002 die in den USA
ansässigen Content-Provider M bzw. C oder aber die Service-Provider, die die Seiten
für die Herren M und C hosten, aufgefordert hat, die Seiten aus dem Netz zu nehmen.
Denn auf Grund der Gesamtumstände des vorliegenden Einzelfalls kann nur der
89
Schluss gezogen werden, dass entsprechende Aufforderungen der Bezirksregierung -
wenn sie denn nicht ergangen sind - an diese Provider jedenfalls keinen Erfolg gehabt
hätten. Soweit es die Content- bzw. Service-Provider der Seite o.com betrifft, folgt dies
bereits daraus, dass ausweislich einer der Kammer erteilten Auskunft vom 4. Mai 2005
von jugendschutz.net diese - durch die obersten Jugendbehörden der Länder
gegründete - Einrichtung den Service-Provider Earthlink aus B, der diese Seite hostet,
bereits im September 2001 um Sperrung dieser Webseite gebeten hatte. Eine Reaktion
durch Earthlink erfolgte - wie auch in weiteren Fällen - nicht, sondern die Mail von
jugendschutz.net wurde an M weitergeleitet, der ebenfalls nicht reagierte. Das
Nichtreagieren auf die Aufforderung, rechtsextreme Inhalte aus dem Netz zu nehmen,
fügt sich im Übrigen auch in das Bild ein, das die Seite o.com vermittelt: Dort finden sich
nämlich Links mit Tipps, wie man eine gesperrte/verbotene Seite aufrufen kann. Der
Provider ThePlanet aus E1, der das Angebot t.org hostet, wurde ausweislich der
genannten Auskunft vom 4. Mai 2005 durch jugendschutz.net. zwar nicht konkret
hinsichtlich der hier in Rede stehenden Webseite angeschrieben. Davon wurde aber
nicht willkürlich oder auch nur versehentlich, sondern wegen der sich aufdrängenden
voraussichtlichen Erfolglosigkeit einer derartigen Aufforderung bezogen auf die Seite t
abgesehen. Denn der Provider ThePlanet hatte bereits in zahlreichen anderen Fällen
mit strafbaren rechtsextremen Inhalten auf entsprechende Schreiben von
jugendschutz.net nicht reagiert. Auch dies passt in das Gesamtbild, denn auf der Seite
t.org finden sich Hinweise auf neue Seiten, die wegen der "organisierten
Hasskampagne" aus dem Umfeld Xs eingerichtet worden seien, mit der Zielrichtung,
den "Zensor" zu umgehen. Im Übrigen wird insoweit gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die
im Wesentlichen zutreffenden Ausführungen des Widerspruchsbescheides (dort S. 7)
Bezug genommen.
dd) Die geforderte Sperrung ist - bezogen auf den damaligen Zeitpunkt - technisch
möglich. Unter "Sperrung" ist nicht etwa die vollständige Entfernung der betroffenen
Angebote aus dem Netz oder eine vollständige Verhinderung des Zugangs zu ihnen zu
verstehen. Vielmehr geht es - auch für die Klägerin hinreichend erkennbar - um eine
"Abschottung" in dem Sinne, dass der Zugriff für diejenigen, denen die Klägerin die
Nutzung vermittelt, erschwert wird.
90
Vgl. auch Dietlein/Heinemann, a.a.O., S. 395 m.w.N.
91
Dies folgt insbesondere aus den o.g. Begründungserwägungen Nr. 42 und 45 zur ECR,
wo ausdrücklich zwischen der Entfernung der Informationen aus dem Netz und der
Sperrung des Zugangs zu ihnen differenziert wird. Eine Sperrung i.S. einer
Behinderung/Erschwerung des Zugriffs auf die Angebote ist möglich. Dies ergibt sich
schon daraus, dass zahlreiche der Access-Provider, die eine entsprechende Verfügung
erhalten haben, dieser nachgekommen sind und im Übrigen auch daraus, dass die
Klägerin nach ihrem Unterliegen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine
Domain-Name-Server Sperrung vorgenommen hat. Die Sperrung ist auch zumutbar, wie
im Zusammenhang mit der Geeignetheit und der Verhältnismäßigkeit i.e.S. noch
darzulegen sein wird.
92
Die Ordnungsverfügung ist (bereits bezogen auf den damaligen Zeitpunkt) auch als
hinreichend bestimmt (§ 37 Abs.1 VwVfG) anzusehen. Hierfür reicht es aus, wenn der
Betroffene eindeutig erkennen kann, was von ihm gefordert wird. Bei einer
ordnungsrechtlichen Verfügung ist es daher erforderlich, dass sie einen Inhalt hat, der
es erlaubt, sie ohne weitere Konkretisierung zwangsweise durchzusetzen. Dabei ist
93
jedenfalls erforderlich, dass das zu erreichende Ziel festgelegt wird, so dass es einer
unterschiedlichen subjektiven Bemessung nicht zugänglich ist.
Vgl. z.B. P. und U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage 2001, § 37 Rz.
23 bis 25 m.w.N.
94
Ob zusätzlich das Mittel zur Durchsetzung durch die Behörde vorgegeben sein muss, ist
durchaus umstritten.
95
Vgl. z.B. P. und U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 37 Rz 26 f. m.w.N. pro et
contra.
96
Gibt die Behörde Mittel zur Zielerreichung vor, reicht es aus, wenn sie mehrere Mittel
aufzeigt, dem Ordnungspflichtigen aber (unter Beachtung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit) die Wahl überlässt, auf welchem Wege er seiner Ordnungspflicht
nachkommt.
97
Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 - 4 C 45.87 -, BVerwGE 84, S. 354
(358f.), Hess. VGH, Beschluss vom 26. Juli 1994 - 4 TH 1779/93 -, BRS 56 Nr. 212; vgl.
auch P. und U. Stelkens, in Stelkens/Bonk/Sachs, 6. Auflage 2001, § 37 Rz. 29 sowie
Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Auflage 2001, § 37 Rz. 16 m.w.N. pro et contra.
98
Nach diesen Grundsätzen ist die Sperrungsverfügung hinreichend bestimmt. Sie ist
hinsichtlich des vorgegebenen Ziels (Sperrung der genannten Seiten) eindeutig. Dass
die Bezirksregierung drei Mittel zur Erreichung dieses Ziels, nämlich die in der
angefochtenen Entscheidung genannten drei "Sperrungsmethoden" aufgezählt hat, ist
nicht zu beanstanden. Damit hat sie dem betroffenen Adressaten - beispielhaft - drei
Möglichkeiten der Sperrung aufgezeigt, von denen die Klägerin die "DNS- Sperrung"
gewählt hat. Dass die Aufzählung der Sperrungsmethoden in der Verfügung nicht
abschließend ist, wie sich daraus ergibt, dass ausdrücklich auf den seinerzeitigen Stand
der Technik abgehoben wird, macht die Verfügung nicht unbestimmt. Es liegt vielmehr
in der Natur der Sache, dass bei einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - wie hier der
angegriffenen Sperrungsverfügung - ein gewisser Spielraum bleiben muss, um die sich
ständig neu aktualisierende Gefahr "dynamisch" abwehren bzw. der auferlegten
ordnungsrechtlichen Verpflichtung nachkommen zu können.
99
c) Die Ordnungsverfügung ist auch sonst - bereits nach seinerzeitiger Sach- und
Rechtslage - aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Insbesondere hat die
Bezirksregierung das ihr im Rahmen des § 22 Abs. 3 MDStV zustehende Ermessen,
das die Kammer nur daraufhin überprüfen kann, ob es dem Zweck der Ermächtigung
entsprechend ausgeübt wurde und ob die Grenzen des Ermessens eingehalten wurden
(§§ 40 VwVfG, 114 VwGO), in insgesamt rechtlich nicht zu beanstandender Weise
betätigt.
100
Insbesondere sind die Grenzen des Ermessens - im Ergebnis - nicht überschritten (§
114 Satz 1, 2.Alt.). Es liegt keine (teilweise) Ermessensunterschreitung vor [aa]. Die
Grenzen des Ermessens sind auch nicht etwa deshalb überschritten, weil die
Maßnahme (sonst) unverhältnismäßig wäre [bb].
101
aa) Ein durchgreifender Ermessensfehler liegt nicht vor, soweit es in der
Sperrungsverfügung in der Fassung des Widerspruchsbescheides im Zusammenhang
102
mit § 22 Abs. 3 MDStV heißt, die Behörde habe insoweit kein Entschließungsermessen.
Denn der Sache nach begründen die - seinerzeit hilfsweise angestellten -
Ermessenserwägungen zu § 14 Abs.1 OBG i.V.m. § 8 Abs.2 Satz 2 TDG sowie zur
Verhältnismäßigkeit der Verfügung ausreichend, weshalb die Bezirksregierung
seinerzeit eingeschritten ist und warum sie sich für die Heranziehung der Klägerin
entschieden hat.
Vgl. hierzu auch OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2003 - 8 B 2567/03 -, a.a.O., S.
2186.
103
bb) Die Ordnungsverfügung verstößt auch nicht gegen das Übermaßverbot. Sie ist
geeignet zur Erreichung eines legitimen Zwecks (1), erforderlich (2) und verhältnismäßig
i.e.S. (3).
104
(1) Eine ordnungsrechtliche Maßnahme ist geeignet, wenn durch sie irgendeine
Förderung des gewünschten Erfolgs möglich ist bzw. sie einen Beitrag zu dessen
Erreichung leistet. Daher kann es im vorliegenden Zusammenhang nur darum gehen,
dass es sich bei der Sperrung um einen "Schritt in die richtige Richtung" handelt.
105
Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2003 - 8 B 2567/02 -, a.a.O., S. 2186;
Dietlein/Heinemann, Ordnungsrecht und Internetkriminalität, K&R 2004, S. 418 (423);
Rhein, OBG NRW, Kommentar, 2004 § 15 Rz 3, Götz, Allgemeines Polizei- und
Ordnungsrecht, 13. Auflage 2001, Rz. 333 sowie Rachor in: Lisken/Denninger,
Handbuch des Polizeirechts, 3. Auflage 2001, Rz. F 222.
106
Hiernach reicht es für die Geeignetheit der Maßnahme aus, dass sie den Zugriff auf die
beiden gesperrten Angebote für den durchschnittlichen geschäftlichen, beruflichen oder
privaten Nutzer, auf dessen Horizont insoweit abzustellen ist, erschwert. Dabei handelt
es sich um einen Personenkreis, der sich mit technischen Details nicht
auseinandergesetzt hat und auch die Konfiguration der eigenen Hard- und Software
entweder Dritten überlässt oder nach Möglichkeit in dem werksseitig eingestellten
Zustand belässt (im Folgenden: "Durchschnittsnutzer"). Für diese Personengruppe wird
der Zugriff auf die hier betroffenen Angebote mindestens "sperriger", nicht selten auch
nicht unerheblich erschwert.
107
Nach diesen Grundsätzen kann die Sperrung, nämlich die Erschwerung des Zugriffs auf
die beiden Angebote, nicht als zur Gefahrenabwehr ungeeignet eingestuft werden. Ob
auch jedes der - beispielhaft - aufgezeigten Mittel zur Zielerreichung geeignet sein muss
oder ob es ausreicht, wenn die von dem Betroffenen jeweils gewählte
"Sperrungsmethode" geeignet ist, kann hier unentschieden bleiben, da vorliegend alle
in der Verfügung ausdrücklich benannten Varianten als im Rechtssinne geeignet zur
Zielerreichung anzusehen sind.
108
Dies gilt zunächst für die sog. "DNS-Methode". Dass diese Methode bei Eingabe der
konkreten Domain greift, ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Mag der
Anwendungsbereich der damit erzielten Erschwerung des Zugangs auch begrenzt sein,
kann doch von einer Ungeeignetheit nach den o.g. Grundsätzen nicht gesprochen
werden. Es ist auch nicht so, dass die Sperrung durch Einsatz einer Suchmaschine
"kinderleicht" zu umgehen wäre. Jedenfalls bei einem Teil der Suchmaschinen muss
beim Anklicken eines in der Ergebnisliste der Suchmaschine aufgezeigten Angebots
der DNS-Server des Providers aktiviert werden mit der Folge, dass die Sperrung greift.
109
Auf die Möglichkeiten zur Umgehung der "DNS-Methode" (wie z.B. die direkte Eingabe
der IP-Nummer oder den Zugriff auf die Seite über die Verwendung eines alternativen
DNS-Servers) kommt es nicht an, da diese regelmäßig nur der Gruppe der technisch
versierteren Nutzer, nicht aber der hier relevanten Gruppe der Durchschnittsnutzer zur
Verfügung stehen.
Für die Geeignetheit der DNS-Methode i.E. auch OVG NRW, Beschluss vom 19. März
2003 - 8 B 2567/02 -, a.a.O., S. 2186; VG Arnsberg, Urteil vom 26. November 2004 - 13
K 3173/02 - und VG Köln, Urteile vom 3. März 2005 - 6 K 7151/02 und 76032/02 -; a.A.
z.B. Engel, MMR 2003, Beilage Nr. 4, S. 1 (25 f.) sowie Stadler MMR 2002, S. 343 (345).
110
Auch für die Ungeeignetheit der "IP- bzw. Router-Methode" sind keine durchgreifenden
Anhaltspunkte erkennbar. Bei dieser Sperrungsvariante erfolgt durch den Provider eine
Konfiguration derart, dass der komplette Datenverkehr zu einer bestimmten IP-Adresse
nicht weitergeleitet wird. Auch diese Maßnahme wirkt für den Durchschnittsnutzer
jedenfalls zugriffserschwerend. Dass die Zuordnung bestimmter Domain-Namen zu
einer konkreten IP-Adresse nicht ein für allemal feststehen muss, sondern durchaus
variieren kann, z.B. indem eine Domain auf einen anderen Server und/oder eine andere
IP umgelegt wird, steht ihrer Eignung für den hier in Rede stehenden Nutzerkreis nicht
entgegen.
111
So im Ergebnis auch VG Köln, Urteile vom 3. März 2005 - 6 K 7151/02 und 6 K 7603/02
- sowie Rosenkranz, Sperrungsanordnungen gegen Access-Provider, JurPC Web-Dok.
16/2003, Abs. 22; a.A. z.B. Stadler, MMR 2002, S. 343 (345).
112
Abgesehen davon ist auch nicht erkennbar, dass im Normalfall die IP sich (fortlaufend)
ändert. Nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung wäre bei ständigen
Änderungen nämlich eine neue Konfiguration der Seite erforderlich, mit der
Konsequenz, dass jedenfalls für eine gewisse Zeit auf die IP überhaupt nicht zugegriffen
werden könnte. Dass mit der Sperrung einer IP-Adresse wegen Rechtswidrigkeit eines
Angebots auch (u.U. viele) andere legale Angebote mit betroffen sein können, macht
diese Methode nicht im Rechtssinne zur Gefahrenabwehr ungeeignet. Im Übrigen wird
es wegen der hohen Verbreitung getrennter Domains für unterschiedliche Angebote
durchaus die Möglichkeit geben, nicht rechtswidrige Angebote auf nicht gesperrte IP-
Adressen auszulagern, ohne dass sich die von den Kunden eingesetzten Adressen
ändern.
113
Vgl. in diesem Zusammenhang "Nebenwirkungen von IP-basierten Filtern",
www.enyo.de/fw/notes/ip-filter-nebenwirkung.html.
114
Die Verwendung eines Proxy-Servers ist ebenfalls geeignet, den Zugriff für den
Durchschnittsnutzer zu erschweren. Dies liegt hinsichtlich eines "Zwangsproxy", bei
dem der Nutzer überhaupt nur über den Proxy gefiltert in das Internet kommen kann, auf
der Hand. Aber selbst bei optionalen Proxys wird der Zugriff jedenfalls für die Nutzer
erschwert, deren Software so eingestellt ist, dass zunächst auf den Proxy zugegriffen
wird.
115
So im Ergebnis auch VG Köln, Urteil vom 3. März 2005 - 6 K 7151/02 und 6 K 7603/02 -;
a.A. Stadler, a.a.O., MMR 2002, S. 343 (346) und Engel MMR 2003, Beilage 4, S. 1 (23
f.).
116
(2) Die Maßnahme ist auch erforderlich, denn es ist weder vorgetragen noch sonst
ersichtlich, welches mildere Mittel - auf den damaligen Zeitpunkt bezogen - eine
vergleichbare Effektivität zur Gefahrenabwehr aufweist.
117
Vgl. auch Dietlein/Heinemann, Intervention im Internet, a.a.O. S. 395 (414), die unter
Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darauf
hinweisen, dass die Erforderlichkeit nur dann verneint werden kann, wenn eine
eindeutig gleichwertige Alternative zur Verfügung steht.
118
(3) Die Ordnungsverfügung ist auch nicht unverhältnismäßig i.e.S. Es ist - bezogen auf
den Zeitpunkt des Erlasses der Sperrungsverfügung in der Fassung des
Widerspruchsbescheides - weder davon auszugehen, dass Grundrechte der Klägerin
verletzt sind noch davon, dass die Zweck-Mittel-Relation hier außer Verhältnis steht
bzw. die Durchführung der Sperrung für die Klägerin unangemessen ist.
119
Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, der im Hinblick auf das bisherige Nichtvorgehen
gegen Access-Provider (mit z.T. größeren Marktanteilen) in anderen Bundesländern
gerügt wird, scheidet bereits deshalb aus, weil jeder Träger öffentlicher Gewalt den
allgemeinen Gleichheitssatz nur innerhalb seiner eigenen Zuständigkeit zu beachten
hat.
120
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619 und 1628/83 -, BVerfG
79, S. 127 (158) sowie Osterloh in Sachs (Hrsg.) Grundgesetz, 3. Auflage 2003, Art. 3
Rz. 81 f. m.w.N.
121
Innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs beabsichtigte die Bezirksregierung E nach ihren
Angaben gegen alle in Nordrhein-Westfalen ansässigen Access-Provider vorzugehen.
Dass sie sich dabei an die bei der DENIC eG (Zentrale Registrierungsstelle für
de.Domains) verzeichneten gewerblichen Provider (sowie die Hochschulen, die als
Provider agieren) gewandt hat, ist nicht zu beanstanden. Auch sind keine Anhaltspunkte
erkennbar, dass sie bestimmte in Nordrhein-Westfalen ansässige Provider bewusst
"außen vor" gelassen hat.
122
Es ist auch nicht erkennbar, dass mit der Sperrungsverfügung in die Grundrechte der
Informations- bzw. Meinungsfreiheit oder Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und
2 GG in erheblicher Weise eingegriffen würde.
123
Vgl. zu der Frage, ob die Freiheit der Übermittlung von Informationen aus dem Internet
durch die Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG oder durch die
Meinungsäußerungs- und -verbreitungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt
wird, im Einzelnen Starck in von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Band 1, 4.
Auflage 1999, Art. 5 Abs. 1,2 Rz. 97 m.w.N.
124
Denn jedenfalls ist ein Eingriff in jede der o.g. durch Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG
gewährleisteten Freiheiten durch die grundgesetzliche Schranke des Art. 5 Abs. 2 GG
gedeckt. Gemäß Art. 5 Abs. 2 GG finden die Gewährleistungen des Art. 5 Abs. 1 GG ihre
Schranken unter anderem in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und in den
Bestimmungen zum Schutz der Jugend. Jedenfalls die genannten strafrechtlichen
Bestimmungen, deren Verletzung durch § 22 Abs. 3 MDStV sanktioniert wird, sind
"allgemeine Gesetze", denn sie richten sich nicht gegen eine Meinung als solche,
sondern ihr Regelungsgegenstand ist der Schutz des Staates und seiner Verfassung
125
gegen Angriffe auf ihren Bestand als schlechthin, unabhängig von der konkreten
Tendenz oder Wirkung einer Meinungsäußerung, zu schützendes Rechtsgut.
Vgl. BVerfGE 47, S. 198 (232) sowie Degenhart in: Bonner Kommentar zum
Grundgesetz, Stand: November 2002, Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 Rz. 239 und -
ausdrücklich zu §§ 86, 86a StGB - Rz. 241 m.w.N.
126
Es sind auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die konkrete
Anwendung dieser Gesetze im Einzelfall hier unter Außerachtlassung der Bedeutung
des Grundrechts erfolgt ist.
127
Das Zensurverbot aus Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG steht der angefochtenen Maßnahme
ebenfalls nicht entgegen.
128
Vgl. hierzu z.B. Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, 2. Auflage 2004 § 5 Rz. 40 m.w.N.
129
Schließlich lässt sich auch ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1
Satz 1 GG,
130
vgl. zur Anwendbarkeit dieser Bestimmungen neben Art. 5 Abs. 1 GG im Einzelnen
Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, 1997, Rz. B 196 bis 205 sowie
Herrmann/Lausen, a.a.O. § 5 Rz. 87 beide m.w.N. pro et contra,
131
nicht feststellen, und zwar unabhängig davon, ob man eine Beeinträchtigung der Berufs-
oder der Eigentumsfreiheit annimmt. Geht man davon aus, dass es sich bei der Tätigkeit
der Klägerin um einen Beruf und bei der Sperrungsverfügung um einen Eingriff in die
Berufsfreiheit handelt, kann ein Eingriff durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes
erfolgen (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG). Dies ist hier § 22 Abs. 3 MDStV 2002 bzw. die
darauf beruhende Verfügung.
132
Vgl. hierzu allgemein Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 7. Auflage 2004, Art. 12 Rz. 25 und
32 m.w.N.
133
Sieht man in der auf den MDStV gestützten Maßnahme einen Eingriff in das durch Art.
14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Recht am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb,
134
vgl. hierzu Tettinger in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Kommentar,
Loseblattsammlung, Stand: Juni 2002, Art. 14 Rz. 95 und 222 m.w.N.,
135
liegt eine Verletzung ebenfalls nicht vor. Denn gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG werden
Inhalt und Schranken durch die Gesetze bestimmt. Ein solches Gesetz stellt § 22 Abs. 3
MDStV dar, auf das die angefochtene Entscheidung gestützt ist. Anhaltspunkte dafür,
dass die Anwendung der Norm im vorliegenden Einzelfall den Gehalt der
Eigentumsgarantie verletzt, sind nicht erkennbar.
136
Auch sonst sind Anhaltspunkte für die Unangemessenheit der Maßnahme nicht
erkennbar. Unangemessen ist eine Maßnahme (nur) dann, wenn die zu erwartenden
negativen Auswirkungen für den Betroffenen zu dem beabsichtigten Erfolg erkennbar
außer Verhältnis stehen, weil die dem Eingriff entgegenstehenden Interessen ersichtlich
schwerer wiegen als diejenigen Belange, deren Wahrung die staatliche Maßnahme
137
dienen soll.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 1977 - 2 BvR 988/75 -, BVerfGE 44, S. 353 (373)
sowie Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Auflage 1986, S. 392 f. m.w.N.
138
Dies ist hier nicht der Fall. Alle drei der aufgezeigten Sperrungsmethoden stehen nicht
außer Verhältnis zu dem mit der Sperrung verfolgten Zweck, nämlich der Erschwerung
des Zugangs zu den rechtsextremistischen strafbaren Angeboten.
139
Dies gilt zunächst hinsichtlich der DNS-Sperrungsmethode, die die Klägerin gewählt
hat. Nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung war der Aufwand für die
Sperrung der beiden in der Verfügung genannten Angebote nicht sehr hoch. Soweit die
Klägerin in diesem Zusammenhang meint, es handele sich vorliegend um einen
"Musterprozess", der Sperrung der beiden hier betroffenen Seiten werde die Sperrung
weiterer folgen, wodurch sich der Aufwand für sie vervielfachen würde, ist dies aus
Rechtsgründen unbeachtlich. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein
die Sperrung der beiden in der Verfügung konkret benannten unzulässigen Angebote.
140
Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2003 - 8 B 2567/02 -, a.a.O., S. 2187.
141
In Bezug auf die "IP- bzw. Router-Methode" sind greifbare Anhaltspunkte für eine
Unangemessenheit ebenfalls nicht erkennbar. Soweit im Zusammenhang mit der IP-
Methode ggf. auch der Zugriff auf legale Inhalte erschwert wird, mag jedenfalls
vorliegend offen bleiben, ob und ggf. wie sich es sich auswirken würde, wenn mit der
Sperrung des Zugriffs auf die beiden unzulässigen Angebote zugleich der Zugang zu
zahlreichen anderen legalen Angeboten verhindert würde. Denn hierfür sind konkrete
Anhaltpunkte nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere durch
eine Sperrung des Zugangs zu o.com nach der IP-Methode sind wohl nur wenige
Angebote betroffen.
142
Vgl. in diesem Zusammenhang "Nebenwirkungen von IP-basierten Filtern",
www.enyo.de/fw/notes/ip-filter-nebewirkung.html.
143
Ungeachtet dessen sind diese Auswirkungen angesichts der hohen Bedeutung der zu
schützenden Rechtsgüter auch in einem weiten Umfang hinzunehmen.
144
Auch hinsichtlich der Proxy-Methode kann nicht ohne besondere Gründe von einer
Unangemessenheit ausgegangen werden. So wird es u.a. von der Größe des Providers
abhängen, ob er einen Proxy zur Sperrung einsetzt. Dies wird etwa nahe liegen, wenn
er einen solchen ohnehin schon besitzt und /oder er den Datenverkehr ohnehin
reduzieren will.
145
Auch sonst ist die Maßnahme nicht als unangemessen anzusehen. Dies gilt
insbesondere, soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang meint, die Maßnahme sei
unverhältnismäßig, weil sie ganz überwiegend japanische (Geschäfts-)Kunden bediene.
Denn zum einen werden diese zu einem nicht unerheblichen Teil hinreichend die
deutsche Sprache verstehen. Zum anderen geht die inhaltliche Aussage der Seiten
auch aus der Verwendung von Kennzeichen der NSDAP hervor. Außerdem nehmen die
in Deutschland lebenden japanischen Kunden der Klägerin am gesellschaftlichen
Leben und am gesellschaftlichen Diskurs teil. Sie können daher auch zur Prägung des
Meinungsbildes in der Bundesrepublik Deutschland, auf das durch die Angebote
146
eingewirkt werden soll, beitragen.
II. Die Sperrungsverfügung in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist aus
Rechtsgründen auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingetretenen
Änderungen der Sach- und Rechtlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
nicht aufzuheben (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
147
Für die Beurteilung der (fortdauernden) Rechtmäßigkeit einer Maßnahme kommt es
nicht darauf an, ob die Behörde die richtige Ermächtigungsgrundlage bezeichnet hat.
Maßgeblich ist allein das (materielle) Recht, das sie zu rechtfertigen vermag, es sei
denn, der Verwaltungsakt wird dadurch in seinem Wesen verändert.
148
Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 21. November 1989 - 9 C 28.89 -, DVBl 190, S. 490
(490/491) und VGH BW, Urteil vom 26. Mai 1994 - 5 S 2637/93 -, NVwZ 1995, S. 397
(398) m.w.N.
149
Die angefochtene Sperrungsverfügung ist durch die nunmehr geltende
Ermächtigungsgrundlage des § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV i.V.m. § 22 Abs. 3 MDStV n.F.
in ihrer andauernden Rechtmäßigkeit nicht in Frage gestellt.
150
1. Die formelle Rechtmäßigkeit der angegriffenen Sperrungsverfügung wird durch den
Übergang der Zuständigkeit für Entscheidungen auf der Grundlage des § 20 Abs. 4
JMStV i.V.m. § 22 Abs. 3 MDStV n.F. auf die Landesanstalt für Medien (und intern auf
die Kommission für Jugendmedienschutz, § 14 JMStV), der bei Erlass der Maßnahme
noch nicht berücksichtigt werden konnte, nicht berührt.
151
Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2003 - 8 B 2567/03 -, a.a.O., S. 2187
sowie VG Köln, Urteile vom 3. März 2005 - 6 K 7151/02 und 6 K 7603/02 - .
152
2. Die Verfügung ist auch materiellrechtlich rechtmäßig. Das heute geltende Recht
rechtfertigt die getroffene Maßnahme (nach wie vor).
153
Gemäß § 20 Abs. 4, Abs. 1 JMStV kann die zuständige Landesmedienanstalt (durch die
KJM) Maßnahmen zur Sperrung von Angeboten wegen Verstoßes gegen
Bestimmungen des Jugendmedienschutzstaatsvertrages [hierzu a] auch gegen Anbieter
von Telemedien [b] entsprechend § 22 Abs. 3 MDStV n.F. richten [c].
154
a) Der Jugendmedienschutzstaatsvertrag ist anwendbar. Gemäß § 2 Abs. 1 JMStV gilt
er für elektronische Informations- und Kommunikationsmedien (Rundfunk und
Telemedien). Die beiden in Rede stehenden Angebote sind Telemedien. Gemäß § 3
Abs. 2 Nr. 1 JMStV sind Telemedien (u.a.) Mediendienste im Sinne des
Mediendienstestaatsvertrages. Bei beiden Angeboten handelt es sich um
Mediendienste. Hinsichtlich der Seite o.com gelten die Ausführungen zu B.I.2.a) in
vollen Umfang fort, da der Inhalt dieses Angebots praktisch unverändert geblieben ist.
Hinsichtlich t.org. wird auf die Ausführungen zu B.I.2.a) mit der Maßgabe Bezug
genommen, dass dieses Angebot trotz einiger Umstellungen insgesamt nach wie vor auf
Meinungsbildung angelegt ist. Der Charakter der Seite als "erster weißer nationaler
Aufstellungsort" im Netz ist im Wesentlichen unverändert geblieben. Die Hauptseite ist
redaktionell gestaltet: Es finden sich z.B. spezielle Angebote für Frauen und Kinder oder
eine Rubrik zur Frage "Was ist Rassismus?". Inhaltlich nehmen revisionistische Thesen
einen breiten Raum ein. Hierauf wird noch einzugehen sein.
155
b) Die beiden Seiten, zu denen die Klägerin den Zugang vermittelt, sind nach wie vor
unzulässig. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 - Satz 2 greift ersichtlich nicht ein - JMStV sind
unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit u.a. Angebote unzulässig, wenn sie
Propagandamittel i.S.d. § 86 StGB darstellen, deren Inhalt gegen die freiheitlich
demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist
(Nr. 1), Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen i.S.d. § 86a StGB verwenden
(Nr. 2), zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine rassische, religiöse
oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder
Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern (Nr. 3) oder eine unter der Herrschaft des
Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 oder § 7 Abs. 1 des
Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, die
öffentlichen Frieden zu stören, leugnen oder verharmlosen (Nr. 4). Diese
Voraussetzungen sind erfüllt.
156
Es liegt ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 JMStV vor, der § 130 Abs. 1 und Abs.
2 StGB nachgebildet ist.
157
Vgl. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, a.a.O., § 4 Rz. 18 m.w.N.
158
Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4 JMStV sind
gegeben. Insoweit wird insgesamt auf die entsprechend geltenden Ausführungen zu §
12 Abs. 1 MDStV [oben B.I.2.b)aa)] mit der Maßgabe Bezug genommen, dass das
Angebot o.com praktisch unverändert fortbesteht und sich die Seite t.org zwar graduell,
aber nicht strukturell verändert hat. Auf der Seite t.org werden - nunmehr in
pseudowissenschaftlichem Gewande - revisionistische Thesen vertreten, mit denen die
Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung zwischen 1933 bis 1945 mindestens
verharmlost werden. So findet sich z.B. unter dem Titel "Marsch der Titanen - eine
Geschichte der weißen Rasse" in Kapitel 64 "Der Rassenstaat - Das Dritte Reich" ein
Unterabschnitt zur "Endlösung - Nazipolitik gegenüber Juden". Darin wird im
Zusammenhang mit den Konzentrationslagern behauptet, die Juden seien von
ordentlichen Gerichten in einem fairen Verfahren in die Lager geschickt worden. Weiter
findet sich die Aussage, dass die allererste Erklärung, die zum zweiten Weltkrieg geführt
habe, eine - in der britischen Presse verbreitete - "Kriegserklärung" mehrerer jüdischer
Führer an Deutschland gewesen sei. Dieser Abschnitt gipfelt in der zynischen Aussage,
es sei zwar sicher keine angenehme Erfahrung gewesen, wenn man zur Zeit des
Nationalsozialismus in Deutschland gelebt habe, angesichts der Zahl von 4,3 Millionen
Klagen von durch die Nazis verfolgten Juden müsse die Zahl der durch das deutsche
Reich verfolgten und getöteten Juden aber deutlich nach unten korrigiert werden. Die
gelieferten "Beweise" drängten zu einer kompletten Revision dieses Aspektes des
Zweiten Weltkrieges.
159
c) Die Maßnahme auf der Grundlage des § 20 Abs. 1, Abs. 4 i.V.m. § 22 Abs. 3 Satz 1
MDStV n.F. ist aus den unter B.I.2.b.bb) genannten Gründen gegenüber der Klägerin als
Access-Provider und damit als Anbieter von fremden Inhalten zulässig.
160
Maßnahmen gegen die (primär) Verantwortlichen Content-Provider oder die Service-
Provider sind nach wie vor nicht durchführbar bzw. nicht erfolgversprechend. Auch
insoweit wird auf die Ausführungen unter B.I.2.b.cc) mit der Maßgabe Bezug
genommen, dass trotz der Tatsache, dass jugendschutz.net es in den letzten Jahren
geschafft hat, dass eine Vielzahl rechtsextremistischer Angebote aus dem Netz entfernt
161
worden ist,
vgl. jugendschutz.net, Rechtsextremismus im Internet, Ergebnisse der Projektarbeit
2004, S. 5 f.,
162
kein Anhaltspunkt dafür erkennbar ist, dass Maßnahmen gegenüber den hier
betroffenen in den USA ansässigen Content- oder Service-Providern
erfolgversprechend (gewesen) wären. Hinsichtlich der Service-Provider ergibt sich dies
bereits aus der oben genannten Auskunft von jugendschutz.net an die Kammer vom 4.
Mai 2005. Hinsichtlich der Content-Provider sind greifbare Anhaltspunkte für einen
"Sinneswandel" derart, dass auf entsprechenden Hinweis die Angebote aus dem Netz
genommen würden, nicht ansatzweise erkennbar. Im Gegenteil hat z.B. M nach dem
Bericht des Verfassungsschutzberichtes des Bayerischen Innenministeriums 2003 (dort
S. 86/87) zum Jahreswechsel 2002/2003 eine neue Ausgabe des "NS-Kampfruf"
herausgegeben und das verspätete Erscheinen der deutschen Publikation mit seiner
starken Inanspruchnahme durch "mehrere Rechtskämpfe" begründet.
163
Hinsichtlich der technischen Möglichkeit und der Zumutbarkeit der Sperrung, der
Bestimmtheit der Ordnungsverfügung sowie der Ermessensbetätigung wird auf die
Ausführungen unter B.I.b.dd) und c) mit der Maßgabe Bezug genommen, dass die
Maßnahme nach wie vor nicht als unverhältnismäßig angesehen werden kann.
Hinsichtlich der Geeignetheit der Sperrungsvariante der "DNS-Sperrung" ist noch
ergänzend anzumerken, dass die Möglichkeit, die DNS-Sperre über Suchmaschinen zu
umgehen, dadurch (weiter) erschwert werden dürfte, dass mittlerweile viele führende
Suchmaschinenbetreiber gemeinsam angekündigt haben, Seiten mit
jugendgefährdendem Inhalt nicht mehr anzuzeigen und ihre Verbreitung zu verhindern
(vgl. http://www.h.html). Soweit es die Unangemessenheit der Maßnahme unter dem
Aspekt der Beeinträchtigung des Art. 5 Abs. 1 GG betrifft, ist auf Grund des
zwischenzeitlich in Kraft getretenen Jugendmedienschutzstaatsvertrages darauf
hinzuweisen, dass gemäß Art. 5 Abs. 2 GG diese Gewährleistungen ihre Schranken
unter anderem in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und in den Bestimmungen
zum Schutz der Jugend finden. Die Bestimmungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4
JMStV und die strafrechtlichen Bestimmungen, an die sie angelehnt sind und deren
Verletzung durch § 20 Abs. 4 JMStV i.V.m. § 22 Abs. 3 MDStV n.F. sanktioniert wird,
sind nicht nur "allgemeine Gesetze", sondern auch Bestimmungen zum Schutz der
Jugend i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG.
164
Vgl. auch und gerade für den Jugendmedienschutzstaatsvertrag Schultze- Fielitz, in
Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 2. Auflage 2004, Art. 5 Abs. 1 und Abs.
2 Rz. 147, insb. 149 [auch zur "Wechselwirkungslehre"] sowie Degenhart, a.a.O, [Stand
insoweit: September 2004], Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2. Rz. 891 bis 894.
165
Anhaltspunkte für eine Verkennung der grundrechtlichen Gewährleistungen im
konkreten Einzelfall sind nach wie vor nicht erkennbar.
166
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
167
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO
i.V.m. §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.
168
Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf § 124a Abs. 1 Satz 1
169
i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, weil
sie eine Reihe von Fragen aufwirft, die über den konkreten Fall hinaus aus Gründen der
Rechtssicherheit, der Einheit der Rechtsordnung und der Fortbildung des Rechts von
Bedeutung sind. Ein vergleichbares Hauptsacheverfahren hat das
Oberverwaltungsgericht bislang nicht entschieden.