Urteil des VG Düsseldorf vom 06.05.2005

VG Düsseldorf: angemessene entschädigung, schule, vorstellungsgespräch, wissenschaft und forschung, behinderung, staatliches handeln, beamtenverhältnis, rechtsschutz, gymnasium, arbeitsgericht

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 2 K 4552/03
06.05.2005
Verwaltungsgericht Düsseldorf
2. Kammer
Urteil
2 K 4552/03
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte
zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin macht einen Anspruch auf Entschädigung aus § 81 Sozialgesetzbuch (SGB)
IX geltend.
Die am 8. September 1970 geborene und verheiratete Klägerin bestand am 24. November
2000 die Erste Staatsprüfung in den Fächern Deutsch und Englisch für das Lehramt für die
Sekundarstufen I und II. Nach Ableistung des Vorbereitungsdienstes legte sie am 31.
Januar 2003 die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufen I und II ab.
Sie ist ausweislich des Schwerbehindertenausweises des Versorgungsamtes N vom 11.
August 1998 schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60.
Sie übersandte unter dem 20. November 2002 ihre Erstbewerbung um Einstellung als
Lehrerin in den öffentlichen Schuldienst des beklagten Landes an die Bezirksregierung N.
Sie bewarb sich in der Folge auf eine von der Bezirksregierung E im Februar 2003
ausgeschriebene Stelle für die Sekundarstufe II am T-Gymnasium in E
(Ausschreibungsnummer: 1-GY-403-164458). Die Stelle war ausgeschrieben für die
Sekundarstufe II mit der Fächerkombination Fach 1 Deutsch, Fach 2 beliebig. Des weiteren
hieß es: Bewerberinnen und Bewerber mit dem zweiten Fach evangelische Religionslehre
werden bevorzugt. Die Bewerbungen von Schwerbehinderten sind besonders erwünscht.
Die Einstellung sollte zum 15. September 2003 erfolgen.
In der Bewerberliste der Bezirksregierung E (nachfolgend: Bezirksregierung) wurde die
Klägerin mit der Ordnungsgruppe 9 und einem Vermerk über die Schwerbehinderung ​SB"
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Klägerin mit der Ordnungsgruppe 9 und einem Vermerk über die Schwerbehinderung ​SB"
geführt. Am 10. März 2003 erfolgte eine schulinterne Vorauswahl hinsichtlich derjenigen
Bewerberinnen und Bewerber, die zu einem Auswahlgespräch eingeladen werden sollten.
Die Auswahlkommission gab folgende Begründung für die Vorauswahlentscheidung:
Es wurden alle sechs Bewerberinnen und Bewerber eingeladen, deren Bewerbung der
Bezirksregierung und der Schule vorliegt und die das bevorzugte Zweitfach evangelische
Religionslehre für die Sekundarstufe II vorweisen können."
Die Schule führte am 18. März 2003 Bewerbungsgespräche mit den ausgewählten sechs
Kandidaten. Daraufhin erfolgte ein Stellenangebot an eine Bewerberin aus diesem Kreis.
Die Stelle wurde am 15. September 2003 besetzt.
Das T-Gymnasium Düsseldorf teilte der Klägerin mit Schreiben vom 18. März 2003
Folgendes mit:
Sehr geehrte Frau Q,
vielen Dank für Ihre Bewerbung. Wir haben uns sehr über die große Resonanz auf die von
uns ausgeschriebene Stelle Deutsch/beliebig - bevorzugt evangelische Religion - für die
Sek. II gefreut.
Zum Auswahlgespräch haben wir nur die Bewerberinnen und Bewerber eingeladen, die
genau D/eR für die Sek. II vertreten und sich bei der Bezirksregierung E und der Schule
beworben haben.
Es tut uns leid, dass Sie in diesem Verfahren nicht zum Zug gekommen sind. Um so mehr
wünschen wir Ihnen Erfolg einer Ihrer nächsten Bewerbungen."
Die Klägerin stellte mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 14. April 2003 bei
der Bezirksregierung E einen Antrag auf Entschädigung wegen Verstoßes gegen §§ 81, 82
SGB IX. Sie sei entgegen diesen Vorschriften nicht zu einem Vorstellungsgespräch
eingeladen worden, obwohl sie mit ihrer Fächerkombination Deutsch und Englisch für die
Stelle fachlich geeignet sei. Sie habe deshalb einen Anspruch auf eine angemessene
Entschädigung auf der Grundlage eines Höchstbetrages von drei Monatsverdiensten.
Dieser stelle sich wie folgt dar:
I. Vergütung nach Vergütungsgruppe II a BAT: 2.523,16 Euro
II. Ortszuschlag (verheiratet) 643,49 Euro
III. Allgemeine Zulage 109,72 Euro
Summe: 3.276,37 Euro
Drei Monatsverdienste entsprächen mithin einem Betrag von 9.829,11 Euro. Darüber
hinaus habe der Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes entstandene
Anwaltsgebühren (7,5/10 Gebühr zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer) in Höhe von
446,02 Euro zu tragen.
Die Bezirksregierung E lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 15. April 2003 ab und führte
aus: Die Stelle sei mit der Fächerkombination Deutsch/beliebig ausgeschrieben gewesen
mit dem Hinweis ​Bewerberinnen und Bewerber mit dem zweiten Fach evangelische
Religionslehre werden bevorzugt". Der Sinn von Bevorzugungskriterien für die Schule sei,
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dass vorrangig alle Bewerberinnen und Bewerber einzuladen seien, die dieses Kriterium
erfüllten. Andere Bewerberinnen und Bewerber seien hingegen nachrangig. Sie - die
Bezirksregierung - habe die Schule am 6. März 2003 über die Bewerbersituation anhand
von Ordnungsgruppenlisten informiert. Die Auswahlkommission habe dann am 10. März
2003 entschieden, dass nur Bewerberinnen und Bewerber mit dem (bevorzugten)
Zweitfach evangelische Religionslehre zum Auswahlgespräch eingeladen würden. Die
Klägerin habe das zweite Fach Englisch und gehöre aus diesem Grund nicht zu dem
eingeladenen Bewerberkreis. Die Schule habe im Auswahlverfahren ordnungsgemäß
gehandelt, so dass die Klägerin keine Schadensersatzansprüche geltend machen könne.
Eine Rechtsbehelfsbelehrung war dem Schreiben nicht beigefügt.
Die Klägerin hat am 11. Juli 2003 die vorliegende Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren
weiter verfolgt und ergänzend auf ein im Verwaltungsvorgang des Beklagten enthaltenes
Telefax der Bezirksregierung an die am Ausschreibungsverfahren teilnehmenden Schulen
vom 6. März 2003 hinweist, in dem es u.a. heißt:
Sofern Ihnen eine Bewerbung einer/eines schwerbehinderten Bewerbers/Bewerberin
(immer eingereiht in die Ordnungsgruppe 9) vorliegt, ist hierüber umgehend die
Schwerbehindertenvertretung Ihrer Schulform zu unterrichten. Schwerbehinderte
Bewerber/innen sind, sofern sie zulässig sind (siehe oben), auf jeden Fall zum
Auswahlgespräch einzuladen."
Die Bezirksregierung E wies den am 29. Juli 2003 eingelegten Widerspruch der Klägerin
mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2003 zurück und führte wie folgt aus: Die
getroffene Vorauswahl, nur diejenigen Bewerberinnen und Bewerber zum
Auswahlgespräch einzuladen, die das bevorzugte Zweitfach evangelische Religionslehre
erfüllten, verstoße nicht gegen das Diskriminierungsverbot des § 81 SGB IX. Da die
Klägerin dieses Bevorzugungskriterium nicht habe nachweisen können, habe sie nicht zum
Kreis der zum Vorstellungsgespräch eingeladenen Bewerber gehört. Nur wenn die
Auswahlkommission beschlossen hätte, auch Bewerber mit anderen Zweitfächern zum
Auswahltermin einzuladen, hätte die Klägerin als schwerbehinderte Bewerberin ebenfalls
berücksichtigt werden müssen.
Die Klägerin beantragt - sinngemäß -,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung E vom 15. April
2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E vom 4. August
2003 zu verurteilen, an sie - die Klägerin - eine angemessene Entschädigung
entsprechend § 81 SGB IX zu zahlen.
Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide,
die Klage abzuweisen.
Er führt ergänzend aus: Für sämtliche Lehrereinstellungen im Rahmen eines
Ausschreibungsverfahrens seien die ​Hinweise zur Durchführung der
Ausschreibungsverfahren in der Sekundarstufe II in den Schulformen Gymnasium, WBK-
Abendgymnasium und Gesamtschule - Sekundarstufe II" sowie dem ​INES- Handbuch"
enthaltenen Regelungen verbindlich.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter
ohne mündliche Verhandlung erteilt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung kann im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§
101 Abs. 2 VwGO) durch den Berichterstatter (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO) ergehen.
Die Klage ist zulässig, insbesondere wurde das gemäß § 68 VwGO erforderliche
Vorverfahren nach Klageerhebung in zulässiger Weise nachgeholt.
Sie ist jedoch unbegründet. Der Bescheid der Bezirksregierung E vom 15. April 2003 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E vom 4. August 2003 ist im
Ergebnis rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1
VwGO). Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer
angemessenen Entschädigung. Denn sie hat es versäumt, gegen die Mitteilung des T-
Gymnasiums E vom 18. März 2003, wonach sie nicht zum Auswahlgespräch eingeladen
und ein anderer Bewerber für die Stellenbesetzung ausgewählt worden sei, einen
Rechtsbehelf einzulegen.
I) Das erkennende Gericht lässt dabei ausdrücklich offen, ob der Klägerin dem Grunde
nach ein Entschädigungsanspruch zustehen kann. Hierfür könnten allerdings folgende
Überlegungen sprechen:
§ 81 SGB IX regelt Pflichten des Arbeitgebers und Rechte schwerbehinderter Menschen.
Nach Abs. 2 Satz 1 dürfen schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung
benachteiligt werden. Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 konkretisiert dieses Verbot dahingehend, dass ein
schwerbehinderter Beschäftigter bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme,
insbesondere bei der Begründung eines Arbeits- oder sonstigen
Beschäftigungsverhältnisses, nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf.
Macht der schwerbehinderte Beschäftigte im Streitfall Tatsachen glaubhaft, die eine
Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die
Beweislast dafür, dass nicht auf die Behinderung bezogene, sachliche Gründe eine
unterschiedliche Behandlung rechtfertigen oder eine bestimmte körperliche Funktion,
geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit wesentliche und entscheidende berufliche
Anforderung für diese Tätigkeit ist. Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 regelt weiter, dass der benachteiligte
schwerbehinderte Bewerber eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen kann,
wenn gegen das zuvor genannte Benachteiligungsverbot bei der Begründung eines
Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnisses verstoßen wird. Wäre ein
schwerbehinderter Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt
worden, so leistet der Arbeitgeber gemäß § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB IX eine
angemessene Entschädigung in Höhe von höchstens drei Monatsverdiensten.
Die Klägerin dürfte zunächst nicht gehindert sein, sich auf die gesetzlichen Bestimmungen
des § 81 SGB IX zu berufen, weil sie beim Erfolg ihrer Bewerbung voraussichtlich in das
Beamtenverhältnis auf Probe berufen worden wäre. Denn die entsprechenden Regelungen
gelten nicht nur für die Begründung von Arbeitsverhältnissen, sondern gemäß § 128 Abs. 1
SGB IX auch für die Besetzung von Beamtenstellen.
Die Klägerin dürfte nach dem Regelungswerk über das Benachteiligungsverbot von
Schwerbehinderten auch Tatsachen dargelegt haben, wonach eine Vermutung für eine
Benachteiligung wegen ihrer Behinderung besteht. Der schwerbehinderte Mensch muss
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nämlich zunächst beweisen, dass eine Benachteiligung überhaupt gegeben ist; soweit es
um den Benachteiligungsgrund geht, genügt es, wenn er glaubhaft macht, dass er wegen
der Behinderung benachteiligt worden ist,
vgl. Landesarbeitsgericht Bremen, Urteil vom 9. September 2003 - 1 Sa 77/03 - (juris) mit
weiteren Ausführungen zur gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung der
Beweislastregelung; des weiteren Rolfs, in: Erfurter Kommentar, 3. Aufl., § 81 SGB IX,
Rdnr. 5 f.; Müller-Wenner/Schorn, SGB IX, Teil 2, Schwerbehindertenrecht, § 81 SGB IX,
Rdnr. 41, 50 f.
Eine Benachteiligung in diesem Sinne stellt eine weniger günstige Behandlung als für
andere Personen in vergleichbarer Situation dar.
Zum Begriff der ​Diskriminierung" siehe Artikel 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates der
Europäischen Union vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens
für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf; ABl. EG Nr. L 303
vom 2. Dezember 2000, Seite 16.
Eine Benachteiligung kann dabei auch in der Vorenthaltung von Vorteilen liegen.
Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 26. Oktober 1994 - 10 AZR 482/93 -, BAGE 78,
174.
Diese Voraussetzungen dürften vorliegen, denn die Bezirksregierung und die
Auswahlkommission der Schule haben die Klägerin als schwerbehinderte Bewerberin
entgegen den rechtlichen (Sonder-)Bestimmungen nicht zum Auswahlgespräch
eingeladen. Nach § 82 Sätze 2 und 3 SGB IX sind öffentliche Arbeitgeber, wozu die
Bezirksregierung gemäß § 71 Abs. 3 Nr. 2 SGB IX zählt, grundsätzlich verpflichtet,
schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, soweit nicht die
fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Diese Verpflichtung ergibt sich ferner aus dem
Runderlass des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes
Nordrhein-Westfalen (MSWF NRW) vom 10. November 2000 (ABl. NRW. 1 S. 342). Nach
Nr. 5.4 dieses sog. Einstellungserlasses sind Schwerbehinderte zu den
Auswahlgesprächen einzuladen, wenn sie die Einstellungsbedingungen erfüllen. Nicht
zuletzt ergibt sich eine entsprechende Verpflichtung aus Nr. 4.3.4 der (im Jahre 2003
gültigen) Richtlinien zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes im öffentlichen
Dienst im Lande Nordrhein-Westfalen (Runderlass des Innenministeriums des Landes
Nordrhein-Westfalen [IM NRW] vom 11. November 1994; MBl. NW 1994, S. 1522; nunmehr
ersetzt durch die Richtlinie zur Durchführung der Rehabilitation und Teilhabe behinderter
Menschen (SGB IX) im öffentlichen Dienst im Lande Nordrhein-Westfalen; Runderlass des
IM NRW vom 14. November 2003; MBl. NRW. 2003 S. 1498).
Vgl. hierzu Braun, Die Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers zur Einladung
schwerbehinderter Bewerber, RiA 2004, 261.
Dies hat der Beklagte versäumt, als er die Klägerin nicht zum Auswahlgespräch an der
Schule am 18. März 2003 eingeladen hat. Dabei wusste er von der Schwerbehinderung der
Klägerin, denn diese hat in ihrer Bewerbung einen Grad der Behinderung von 60
angegeben und eine Kopie ihres Schwerbehindertenausweises des Versorgungsamtes N
vom 11. August 1998 beigefügt. Die Bezirksregierung hat die Angaben auch in die
Bewerberliste zur Lehrereinstellung übernommen, denn die Bewerbung der Klägerin ist mit
SB" für Schwerbehinderung gekennzeichnet.
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Begründet die Tatsache, dass der Beklagte die Klägerin nicht zum Vorstellungsgespräch
eingeladen hat, eine Vermutung für einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot
schwerbehinderter Bewerber, so dürfte der nach § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX
darlegungs- und beweispflichtige Beklagte auch keine ausreichenden Tatsachen dargelegt
haben, dass nicht auf die Behinderung bezogene, sachliche Gründe die unterschiedliche
Behandlung rechtfertigten.
Zwar hat die Bezirksregierung bereits in ihrem ersten Schreiben
- zum Nachschieben von Gründen siehe Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss
vom 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 -, BVerfGE 89, 276 zur entsprechenden Regelung
wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung in § 611a BGB -; siehe auch Arbeitsgericht
Frankfurt/Main, Urteil vom 19. Februar 2003 - 17 Ca 8469/02 -, Behindertenrecht 2004, 199
-
an die Klägerin vom 15. April 2003 dargelegt, dass die zu besetzende Stelle für die Fächer
Deutsch/beliebig ausgeschrieben und mit dem Hinweis verbunden war, dass
Bewerberinnen und Bewerber mit dem 2. Fach Evangelische Religionslehre bevorzugt
würden. Der Sinn dieser Bevorzugungskriterien für die Schule sei es, dass vorrangig alle
Bewerberinnen und Bewerber eingeladen werden könnten, die dieses besondere
(Bevorzugungs-)Kriterium erfüllten, da die Schule Bedarf in beiden Fächern geltend mache.
Sollte der entsprechende Bewerberkreis nicht groß genug sein, um eine entsprechende
Auswahlentscheidung treffen zu können, könne die Schule ohne erneute zeitaufwendige
Ausschreibung alle Bewerber einladen, also auch diejenigen, die nur die unverzichtbaren
Kriterien erfüllen. Dieses Verfahren knüpft die Einladung zum Vorstellungsgespräch daran,
dass die Bewerberinnen und Bewerber sowohl die unverzichtbaren wie auch die
bevorzugten Kriterien erfüllen, um dem Beklagten einen flexiblen und differenzierten
Zuschnitt der Bewerberkreises nach sachlichen Kriterien zu ermöglichen. Die
Differenzierung dürfte deshalb zwischen nicht schwerbehinderten Bewerberinnen und
Bewerbern grundsätzlich nicht zu beanstanden sein.
Dies dürfte es aber nicht rechtfertigen, die zum Schutz schwerbehinderter Menschen
erlassenen Rechtsvorschriften außer acht zu lassen. Entgegen der Ansicht des Beklagten
dürfte eine Einladung der Klägerin zum Auswahlgespräch nicht entbehrlich gewesen sein,
denn nach dem eindeutigen Wortlaut des § 82 Satz 2 SGB IX wie auch der zitierten Erlasse
ist vorgesehen, dass schwerbehinderte Bewerber in jedem Falle zum Gespräch eingeladen
werden, sofern nicht die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Offensichtlich bedeutet
unzweifelhaft. Damit ist die Einladung zu einem Bewerbungsgespräch nur dann
entbehrlich, wenn der Bewerber unter keinem Gesichtspunkt für die ausgeschriebene
Stelle geeignet erscheint.
Vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München, Beschluss vom 7. Oktober 2004 - 3 CE
04.2770 - (juris); Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 4. Juni 2004 - 15 Sa 2047/03 -,
Arbeit und Arbeitsrecht 2005, 56; Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 10. Oktober 2003 - 91 Ca
17871/03 -, Behindertenrecht 2004, 110.
Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Klägerin die fachliche Eignung nicht
offensichtlich fehlte. Die Klägerin war als (zulässige) Bewerberin auf der entsprechenden
Bewerberliste der Bezirksregierung verzeichnet und erfüllt die sog. harten
Einstellungskriterien. Denn sie besitzt die Lehramtsbefähigung für die Sekundarstufen I und
II im Fach Deutsch. Sie war mithin nicht offensichtlich ungeeignet. Sonstige
Einschränkungen des Bewerberkreises, die hinsichtlich nicht schwerbehinderter
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Bewerberinnen und Bewerber zulässig sein mögen, dürften aufgrund der vorrangigen
Schutzvorschriften zu Gunsten schwerbehinderter Bewerberinnen und Bewerber
gegenüber der Klägerin nicht zulässig sein. Insbesondere dürfte in diesem Zusammenhang
unerheblich sein, dass eventuell geeignetere Bewerbungen von Bewerberinnen und
Bewerbern vorlagen, die neben den sog. harten auch die sog. weichen
Einstellungskriterien (hier: 2. Fach Evangelische Religionslehre) erfüllten. Denn Sinn und
Zweck der Vorschrift dürften nach der Vorstellung des Gesetzgebers in einer Verbesserung
der individuellen Bewerbungsaussichten schwerbehinderter Menschen liegen, die als
Stellensuchende dadurch die Möglichkeit erhalten, über die bloße ​Papierform" der
schriftlichen Bewerbungsunterlagen hinaus durch ihr persönliches Auftreten einen
Arbeitgeber in einem Gespräch von ihrer Leistungsfähigkeit und Eignung für die zu
besetzende Stelle zu überzeugen.
Vgl. Braun, Die Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers zur Einladung schwerbehinderter
Bewerber, RiA 2004, 261, 262 f., der insoweit einen ​Bewerbungsverfahrensanspruch" für
schwerbehinderte Bewerber etabliert sieht.
Der Beklagte dürfte vor diesem Hintergrund keine ausreichenden Gründe dafür dargelegt
haben, dass die Klägerin nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden ist.
Es kann hier auch dahin stehen, ob bereits der Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des
§ 82 Sätze 2 und 3 SGB IX und die oben zitierten Erlasse des MSWF NRW und des IM
NRW einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot schwerbehinderter Menschen
darstellt. Auch Verfahrenshandlungen können eine Benachteiligung beinhalten. Der
objektive Gehalt der Grundrechte kann nämlich insbesondere auch im Verfahrensrecht
Bedeutung erlangen.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 -, BVerfGE 97, 169; zum Verbot
geschlechtsbezogener Benachteiligung nach § 611a BGB siehe BVerfG, Beschluss vom
16. November 1993 - 1 BvR 258/86 -, BVerfGE 89, 276; zur unterbliebenen Einladung einer
schwerbehinderten Bewerberin zum Vorstellungsgespräch bei der Aufnahme in das
Beamtenverhältnis auf Widerruf siehe Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München,
Beschluss vom 7. Oktober 2004 - 3 CE 04.2770 - (juris); des weiteren Landesarbeitsgericht
Bremen, Urteil vom 9. September 2003 - 1 Sa 77/03 - (juris).
Es bleibt damit offen, ob die Verletzung von Verfahrensvorschriften in jedem Falle
gleichbedeutend mit einer Benachteiligung wegen der Behinderung ist.
Zur unterbliebenen Einbeziehung der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 95 Abs. 2
SGB IX siehe Landesarbeitsgericht Bremen, Urteil vom 9. September 2003 - 1 Sa 77/03 -
(juris); Arbeitsgericht Würzburg, Urteil vom 13. Januar 2004 - 2 Ca 2344/03 -, Seite 7 des
amtlichen Umdrucks; vgl. auch Schröder, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 82 Rdnr. 7.
Es kommt im vorliegenden Verfahren auch nicht darauf an, ob der Beklagte eventuell
gegen weitere Verfahrens- oder Prüfvorschriften (Einbeziehung der
Schwerbehindertenvertretung gemäß § 95 Abs. 2 SGB IX) verstoßen hat, da diese von der
Klägerin weder im Verwaltungs- noch im Klageverfahren gerügt worden sind.
Vgl. Landesarbeitsgericht Nürnberg, Beschluss vom 1. April 2004 - 7 SHa 4/04 -,
LAGReport 2004, 233 = AP Nr. 6 zu § 81 SGB IX; ausführlich Braun, Die Pflicht des
öffentlichen Arbeitgebers zur Einladung schwerbehinderter Bewerber, RiA 2004, 261;
Großmann, Prüfungspflicht, Benachteiligungsverbot und Entschädigungsanspruch im
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Zusammenhang mit der Einstellung schwerbehinderter Menschen nach § 81 SGB IX,
Behindertenrecht 2003, 125, 168 ff.; Rolfs, Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung,
ZfBVR 2003, 10, 13 f.
II) Die Klägerin hat jedenfalls deshalb keinen Anspruch auf eine Entschädigung nach § 81
SGB IX, weil sie es versäumt hat, einen Rechtsbehelf gegen die nicht erfolgte Einladung
zum Vorstellungsgespräch und damit ihre Nichtberücksichtigung im Auswahlverfahren
einzulegen.
Auch im Recht des öffentlichen Dienstes beansprucht der in § 839 Abs. 3 BGB enthaltene
Rechtsgedanke Geltung, wonach eine Ersatzpflicht für rechtswidriges staatliches Handeln
dann nicht eintritt, wenn der Verletzte es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den
Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels gegen das als rechtswidrig beanstandete
staatliche Verhalten abzuwenden, wenn also für den Nichtgebrauch eines Rechtsmittels
kein hinreichender Grund bestand.
BVerwG, Urteil vom 28. Mai 1998 - 2 C 29/97 -, BVerwGE 107, 29; Urteil vom 17. Oktober
1985 - 2 C 12.82 - ZBR 1986, 179; Beschluss vom 23. September 1980 - 2 B 52.80 -
Buchholz 232 § 79 Nr. 76.
Der grundsätzliche Vorrang des primären Rechtsschutzes gilt auch für Ansprüche aus dem
Beamtenverhältnis. Der hier in Betracht kommende, zeitnah in Anspruch zu nehmende und
durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete gerichtliche Primärrechtsschutz ist am ehesten zur
Aufklärung und Würdigung komplexer Verwaltungsentscheidungen - wie hier der Auswahl
unter mehreren Bewerbern für eine Lehrerstelle - geeignet.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 1998 - 2 C 29/97 -, BVerwGE 107, 29; Bundesgerichtshof,
Urteil vom 15. November 1990 - III ZR 302/89 -, BGHZ 113, 17 m.w.N.
Da es sich bei dem Beklagten um einen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes handelt, gilt
für das Bewerbungsverfahren Art. 33 Abs. 2 GG. Materiell-rechtlich hat der Dienstherr bei
seiner Entscheidung darüber, wem von mehreren Bewerbern er eine Stelle übertragen will,
das Prinzip der Bestenauslese zu beachten und Eignung, Befähigung und fachliche
Leistung der Konkurrenten zu bewerten und zu vergleichen (Art. 33 Abs. 2 GG, §§ 7 Abs. 1,
25 Abs. 6 Satz 1 LBG). Hieraus folgt im Gegensatz zu § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2
SGB IX im Ausnahmefall ein Einstellungsanspruch, wenn sich nach den Verhältnissen im
Einzelfall jede andere Entscheidung als rechtswidrig oder ermessensfehlerhaft darstellt
und mithin die Berücksichtigung dieses Bewerbers die einzig rechtmäßige Entscheidung
ist. Ist ein solcher Ausnahmefall nicht gegeben, so hat der benachteiligte Bewerber einen
Anspruch auf Neubescheidung. Durch eine mögliche ​Konkurrentenklage" wird das
subjektive Recht des Bewerbers auf einen benachteiligungsfreien Zugang zum Amt, der
sog. Bewerbungsverfahrensanspruch, gesichert. Da der Grundrechtsschutz auch durch die
Gestaltung von Verfahren bewirkt wird, muss das Auswahlverfahren so ausgestaltet sein,
dass es eine materiell-rechtlich korrekte Entscheidung über die Bewerbung nach dem
Bestenausleseprinzip gewährleisten kann. Deshalb muss der Arbeitgeber des öffentlichen
Dienstes die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederlegen und dem
Konkurrenten das Ergebnis der Auswahlentscheidung rechtzeitig vor der Ernennung des
ausgewählten Bewerbers mitteilen, um die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes
nicht zu vereiteln.
St. Rspr., vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. September 1989 - 2 BvR 1576/88 -, NJW 1990,
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Ein dem späteren Konkurrentenstreitverfahren vorgelagertes Auswahlverfahren darf
danach nicht so ausgestaltet sein, dass es den gerichtlichen Rechtsschutz vereitelt oder
unzumutbar erschwert. Das wäre aber dann der Fall, wenn der unterlegene Bewerber keine
oder nur lückenhafte Kenntnis über die Entscheidungsgrundlagen hätte. Er könnte nicht
sachgerecht darüber entscheiden, ob er die Auswahlentscheidung hinnehmen oder
gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen soll. Vorliegend hat der Beklagte die
Auswahlerwägungen in seinem Verwaltungsvorgang entsprechend dokumentiert. Das
Schreiben der Schule vom 18. März 2003 enthielt darüber hinaus die wesentlichen
Informationen für die Klägerin, dass und warum sie nicht zum Vorstellungsgespräch
eingeladen wurde. Es wäre der Klägerin deshalb möglich gewesen, weitergehende
Kenntnisse über die in das Auswahlverfahren einbezogenen Bewerberinnen und Bewerber
zu erlangen.
Als zulässige Rechtsbehelfe gegen die von der Klägerin für rechtswidrig gehaltene
Entscheidung des Beklagten, sie nicht zu dem Vorstellungsgespräch einzuladen, standen
ihr Widerspruch und verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen die Ablehnung ihrer
Bewerbung mit dem Ziel ihrer Auswahl oder jedenfalls einer erneuten
Auswahlentscheidung zur Verfügung.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 1998 - 2 C 29/97 -, BVerwGE 107, 29; Urteil vom 25.
August 1988 - 2 C 62/85 -, BVerwGE 80, 127; Urteil vom 26. November 1987 - 2 C 41.87 -,
ZBR 1988, 222 f.; Urteil vom 27. Mai 1982 - 2 A 1.79 -, ZBR 1983, 182.
In Betracht kam hier insbesondere ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
nach § 123 VwGO mit dem Ziel, den Beklagten zu verpflichten, eine erneute
Auswahlentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu treffen. Nach
der oben dargestellten Rechtslage hätte die Klägerin - wohl - zu einem
Vorstellungsgespräch eingeladen werden müssen. Diesem Ziel stand auch nicht der
Grundsatz des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen. Denn Ausnahmen
sind immer dann zuzulassen, wenn wirksamer Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht
zu erreichen ist, dem Antragsteller ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung
schlechthin unzumutbare Nachteile drohen und er im Hauptsacheverfahren voraussichtlich
obsiegen wird.
St. Rspr., vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW),
Beschlüsse vom 20. September 1984 - 6 B 1028/84 -, DÖD 1985, 280, und vom 5. Januar
1994 - 6 B 2944/93 -, RiA 1995, 200.
Nach diesen Maßstäben hätte die Klägerin nach dem Erhalt des Schreibens des T-
Gymnasiums vom 18. März 2003, mit dem ihr mitgeteilt wurde, dass sie nicht zum
Vorstellungsgespräch eingeladen und dementsprechend nicht für die Stellenbesetzung
vorgesehen wurde, entsprechende Rechtsbehelfe einlegen müssen. Sie hätte mithin durch
Einlegen von Widerspruch gegen die Verwaltungsentscheidung und durch einen Antrag
auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Verwaltungsgericht ihr Ziel, dem Beklagten
zu untersagen, die ausgeschriebene Stelle mit einem Mitbewerber zu besetzen, bis eine
erneute Auswahlentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
getroffen worden ist, erreichen können. Dieser Antrag hätte voraussichtlich Aussicht auf
Erfolg gehabt, da die Stelle erst zum 15. September 2003 besetzt wurde.
Vgl. zur unterbliebenen Einladung einer schwerbehinderten Bewerberin zum
Vorstellungsgespräch bei der Aufnahme in das Beamtenverhältnis auf Widerruf
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München, Beschluss vom 7. Oktober 2004 - 3 CE
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04.2770 - (juris).
Es bestand auch kein hinreichender Grund für den Nichtgebrauch der zulässigen
Rechtsbehelfe. Dies ist der Klägerin deshalb als vorsätzlich oder fahrlässig - im Sinne
eines zurechenbaren Verstoßes gegen ihr eigenes Interesse - zuzurechnen.
BVerwG, Urteil vom 28. Mai 1998 - 2 C 29/97 -, BVerwGE 107, 29; BGH, Urteil vom 15.
November 1990 - III ZR 302/89 -, BGHZ 113, 17: ​Verschulden gegen sich selbst".
Insbesondere war es der anwaltlich vertretenen Klägerin zu jenem Zeitpunkt möglich und
zumutbar, einen solchen Antrag zu stellen, um die Auswahlentscheidung der Behörde
verwaltungsgerichtlich überprüfen zu lassen. In diesem Zusammenhang könnte sich die
Klägerin nicht mit dem Hinweis entlasten, für den Fall der Inanspruchnahme gerichtlichen
Rechtsschutzes künftige Benachteiligungen durch den Beklagten zu befürchten. Denn
dieser Umstand kommt als gegen den Beamten sprechender sachlicher Gesichtspunkt bei
künftigen Besetzungs- und Beförderungsentscheidungen nicht in Betracht. Ein Verstoß
hiergegen wäre grob rechtswidrig und seitens jedes beteiligten Amtsträgers grob
pflichtwidrig. Von einer an Gesetz und Recht gebundenen Verwaltung muss erwartet
werden, dass ein solcher Rechtsverstoß stets eindeutig ausgeschlossen bleibt.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 1998 - 2 C 29/97 -, BVerwGE 107, 29; Urteil vom 26.
November 1987 - 2 C 41/87 -, ZBR 1988, 222.
Nach diesen Maßstäben wäre die Klägerin verpflichtet gewesen, statt eines Antrags auf
Entschädigung nach § 81 SGB IX den weitergehenden Antrag mit dem Ziel einer erneuten
Auswahlentscheidung unter Einbeziehung ihrer Person in das Auswahlverfahren geltend
zu machen und gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen. Ein Anspruch auf
Entschädigung kommt mithin nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in
Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Das Gericht lässt die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zu, weil die
Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vorliegen. Die Rechtssache wirft
hinsichtlich des Grundsatzes des Vorrangs von Primärrechtsschutz gegenüber Ansprüchen
auf Entschädigung Rechtsfragen auf, die bislang - soweit ersichtlich - noch nicht
obergerichtlich entschieden worden, aber von grundsätzlicher Bedeutung sind.