Urteil des VG Düsseldorf vom 24.08.2006

VG Düsseldorf: bundesamt für migration, folter, unmenschliche behandlung, wahrscheinlichkeit, ausreise, auskunft, anerkennung, emrk, misshandlung, polizei

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 4 K 1784/06.A
Datum:
24.08.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 1784/06.A
Tenor:
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18.
Januar 2006 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf
die Zwangsvollstreckung in Höhe von 110% des vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in
derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
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Der am 0.0.1969 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und behauptet, der
kurdischen Volksgruppe anzugehören. Er reiste nach seinen Angaben am 25. Februar
1995 auf dem Landweg nach Deutschland ein und beantragte am 2. März 1995, als
Asylberechtigter anerkannt zu werden.
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Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte den Antrag mit
Bescheid vom 13. Februar 1996 zunächst ab und stellte fest, dass weder die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. noch Abschiebungshindernisse nach § 53
AuslG a.F. vorlagen. Der Kläger erhob am 4. März 1996 Klage (2a K 1399/96.A, VG
Gelsenkirchen).
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Der Kläger wurde durch Strafurteil des Landgerichtes X vom 5. April 2000 wegen eines
Verstoßes gegen das Waffengesetz in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu
einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt (00 KLs 000 Js
000/00 (00/00 X). Der Kläger war in dieser Sache am 5. Juli 1999 in Untersuchungshaft
genommen worden. Am 8. November 2001 wurde er aus der Strafhaft entlassen. Dem
Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger gehörte zu einer Gruppe von
Männern, die in Deutschland für die PKK Bestrafungsaktionen durchführte gegen
Kurden, denen Verstöße gegen die kurdische Sache vorgeworfen wurden (Nichtzahlung
von Spenden, Nichtteilnahme an Demonstrationen oder Versammlungen). Zusammen
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mit drei Mittätern begab er sich am 27. August 1996 nach W, überfiel dort den
Lebensmittelhändler V und bedrohte ihn mit einer halbautomatischen Selbstladewaffe
(einer Pistole), während seine Komplizen den V mit Schlägen und Fußtritten traktierten
und mit einem Elektroschockgerät misshandelten. Dem V wurden im Verlaufe des
Geschehens zusätzlich 2500,- Euro entwendet. Der Kläger war an sich mit der
Teilnahme an derartigen „Bestrafungsaktionen" nicht einverstanden gewesen, wurde
jedoch von der PKK dazu gezwungen. Einer der Mittäter, mit Namen G, sagte sich
später von der PKK los. Er wurde deshalb aus dem 2. Stock eines Hauses geworfen,
erlitt Trümmerbrüche an Armen und Beinen und verlor das Sehvermögen auf dem linken
Auge. G stellte sich den deutschen Strafverfolgungsorganen als Kronzeuge zur
Verfügung. Der Kläger wurde von V auf einem Foto wieder erkannt, das G der Polizei
übergeben hatte. Daraufhin war es zur Ergreifung und zur Überführung des Klägers
gekommen.
In dem Asylverfahren des Klägers wurde am 6. September 2001 vor dem
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen mündlich verhandelt. Der Kläger nahm die Klage auf
Anerkennung als Asylberechtigter und auf Feststellung der Voraussetzung des § 51
Abs. 1 AuslG a.F. zurück. Mit Urteil vom gleichen Tag wurde die beklagte
Bundesrepublik Deutschland verpflichtet festzustellen, dass hinsichtlich des Klägers
Abschiebungshindernisse gemäß § 53 Abs. 4 AuslG a.F. vorliegen. Zur Begründung
führte die Kammer aus: Es sei überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger bei einer
Rückführung in die Türkei dort in Polizeihaft genommen und verhört werde; dabei werde
sich herausstellen, dass er in maßgeblicher Funktion für die PKK tätig geworden sei und
als Spendeneintreiber fungiert habe; die Türkei werde von der Verurteilung des Klägers
in Deutschland auch im Rahmen des Strafnachrichtenaustausches mit Deutschland
erfahren; der Kläger werde im Polizeigewahrsam mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
körperlich misshandelt und gefoltert.-
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Das Urteil des VG Gelsenkirchen vom 6. September 2001 wurde rechtskräftig. Das
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge stellte das Vorliegen von
Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 4 Satz 1 AuslG a.F. in Verbindung mit Art. 3
EMRK mit Bescheid vom 19. Oktober 2001 fest.
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Mit Bescheid vom 18. Januar 2006 widerrief das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge die mit Bescheid vom 19. Oktober 2001 getroffene Feststellung über den
Abschiebungsschutz. Zur Begründung wurde ausgeführt: Die politischen Verhältnisse in
der Türkei hätten sich seit Erlass des Bescheides vom 19. Oktober 2001 grundlegend
verändert. Die dort zwischenzeitlich eingetretenen Fortschritte an Rechtsstaatlichkeit
schlössen es aus, dass der Kläger für den Fall einer Rückkehr in sein Heimatland
weiterhin befürchten müsse, wegen seiner Aktivitäten für die PKK in Deutschland
misshandelt und gefoltert zu werden.
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Der Kläger hat am 26. Januar 2006 Klage erhoben.
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Er beantragt,
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den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. Januar 2006
aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Einzelrichter hat die Ausländerakten der Stadt F1 über den Kläger und die
Asylakten des früheren und des gegenwärtigen Verfahrens vor dem Bundesamt
beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
beigezogenen Verwaltungsakten und den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet. Der Bescheid vom 18. Januar 2006 ist rechtswidrig. Die
Widerrufsvoraussetzungen des § 73 Abs. 3 AsylVfG liegen nicht vor.
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1. Der widerrufene Bescheid des Bundesamtes vom 19. Oktober 2001 stellte zu
Gunsten des Klägers Abschiebungshindernisse aus § 53 Abs. 4 AuslG a.F. in
Verbindung mit Art. 3 EMRK fest. Der Bescheid folgte dem Verpflichtungsurteil des VG
Gelsenkirchen vom 6. September 2001, das zur Gewährung von Abschiebungsschutz
mit der Begründung verpflichtet hatte, dem Kläger drohe bei einer Rückkehr in die
Türkei Folter und unmenschliche Behandlung. Dieser Abschiebungsschutz ist heute in
§ 60 Abs. 2 und 5 AufenthG geregelt. Nach dem für die Entscheidung maßgeblichen
Sachstand im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung steht nicht fest, dass die
Voraussetzungen für den dem Kläger gewährten Abschiebungsschutz entfallen sind. Es
ist nach wie vor zu befürchten, dass mit dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
bei einer Rückkehr oder Abschiebung in die Türkei menschenrechtswidrig verfahren
wird.
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2. Die Tatbestandsvoraussetzungen von Abschiebungshindernissen sind im Falle eines
Widerrufs in gleicher Weise zu prüfen, wie bei der Zuerkennung des
Abschiebungsschutzes. Irgendwelche Einschränkungen oder Beweiserschwernisse für
den Widerrufsgrund sieht das Gesetz nicht vor (vgl. Marx, AsylVfG, Kommentar, 6.
Auflg., § 73, Rdn. 211 ff.)
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3. Das vermutliche Schicksal des Klägers lässt sich nicht mit Hilfe eines Vergleichs zur
allgemeinen Behandlung von Rückkehrern in die Türkei prognostizieren. Die
allgemeine Rückkehrergefährdung ist allerdings gegenüber früheren Zeiten deutlich
geringer geworden. In Fällen der Abschiebung ist die Gefahr einer Misshandlung bei der
Rückkehr in die Türkei auf Grund von vor der Ausreise nach Deutschland geschehener
wirklicher oder vermeintlicher Straftaten angesichts der durchgeführten Reformen und
der Erfahrungen der letzten Jahre äußerst unwahrscheinlich. Seit Jahren ist kein Fall
mehr bekannt geworden, in dem ein in die Türkei zurück gekehrter abgelehnter
Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt
wurde. Das Auswärtige Amt geht deshalb davon aus, dass bei abgeschobenen
Personen die Gefahr einer Misshandlung bei der Rückkehr in die Türkei nur aufgrund
von vor der Ausreise nach Deutschland liegender wirklicher oder vermeintlicher
Straftaten auch angesichts der durchgeführten Reformen und der Erfahrungen der
letzten Jahre in diesem Bereich äußerst unwahrscheinlich ist (Auswärtiges Amt,
Lagebericht Türkei vom 3. Mai 2005, Stand Februar 2005, 508-516.80/3 TUR; vgl. auch
Kaya, Gutachten vom 8. August 2005 an das VG Sigmaringen, Seite 7; Taylan,
Gutachten für das VG Sigmaringen vom 21. Juli 2005). Das gleiche ist für
Nachfluchtaktivitäten niedrigen Profils in Deutschland anzunehmen.
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4. Dem Kläger werden jedoch keine Taten angelastet werden, die er vor der Ausreise
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begangen haben soll. Er befindet sich im Visier der türkischen Sicherheitskräfte, weil er
sich in Deutschland als gewaltbereiter Spendeneintreiber für die PKK betätigt hat. Das
kriminelle Vorgehen des Klägers ist den türkischen Sicherheitskräften bekannt
geworden, wovon schon das VG Gelsenkirchen in seinem Urteil vom 6. September
2001 ausgegangen ist. Das Bundesamt hat das in dem Widerrufsbescheid nicht in
Frage gestellt. Bei der Tat des Klägers handelt es sich aus Sicht der Türkei um einen
Sachverhalt, über den nicht als lediglich niedrig profiliert hinweg gegangen werden wird.
Niedrig profiliert sind Aktivitäten, die in der Masse vorgenommen werden und bei denen
die Beteiligten nur die Kulisse abgeben für die eigentlich agierenden Wortführer. Zu den
exilpolitischen Aktivitäten niedrigen Profils zählen auch die mit einer schlichten
Vereinsmitgliedschaft verbundene Zahlungen von Mitgliedsbeiträgen und Spenden, die
Teilnahme an Demonstrationen, Hungerstreiks, Autobahnblockaden,
Informationsveranstaltungen oder Schulungsseminaren, die Verteilung von Flugblättern
und der Verkauf von Zeitschriften, die Platzierung von namentlich gezeichneten Artikeln
und Leserbriefen in türkischsprachigen Zeitschriften und dergleichen mehr (OVG NW,
Urteil vom 19. April 2005, 8 A 273/04.A). Nachgewiesene Aktivitäten unmittelbar für die
PKK, noch dazu, wenn sie als solche strafbar sind, reichen demgegenüber über das
niedrige Profil hinaus. Wer die Funktionsfähigkeit der PKK maßgebend unterstützt, noch
dazu durch Gewaltbeiträge, wie das gewaltsame Eintreiben von Spenden oder die
Bestrafung von Personen, die sich angeblich nicht hinreichend für die kurdische Sache
einsetzen, kann nicht damit rechnen, bei einer Rückkehr in die Türkei unbehelligt zu
bleiben.
5. Wenn bei der Einreise feststeht, dass der Einreisende als Mitglied oder Unterstützer
der PKK tätig geworden ist, muss der Betroffene mit einer intensiveren Befragung durch
die Sicherheitsbehörden rechnen (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. November 2005,
508-516.80/44245), unter Umständen auch mit menschenrechtswidriger Behandlung
(vgl. OVG NW, Urteil vom 19. April 2005, Seite 106). Über die Wahrscheinlichkeit, in
diesem Fall bis zur Folter misshandelt zu werden, lässt sich derzeit allerdings nur
schwer eine gesicherte Prognose treffen. Nach Auffassung des OVG NRW kommt es
zwar einerseits nach wie vor häufig zu Misshandlungen und Folter durch die
Sicherheitskräfte, vor allem durch die Polizei; es bestehe ein hohes Risiko, Opfer
asylerheblicher Maßnahmen zu werden für eine Person, die ins Blickfeld der
Sicherheitskräfte gerät, vor allem im Vorfeld eines etwaigen Strafverfahrens (OVG NRW,
Urteil vom 19. April 2005, Seiten 47, 48), wobei sich die Misshandlungsmethoden
jedoch tendenziell abmildern; Folter sei weiterhin ein Bestandteil der Methodik der
türkischen Sicherheitskräfte und werde als Mittel zur Herbeiführung eines
Geständnisses oder einer belastenden Aussage gegen Dritte eingesetzt (OVG NW,
Urteil vom 19. April 2005, Seite 53); nehme die Häufigkeit physischer Misshandlungen
in förmlicher Polizeihaft ab, finde sie eher in Polizeiwagen und bei Durchsuchungen
Anwendung (Seite 54). Andererseits, so das OVG NRW (a.a.O., Seite 51), hänge die
Wahrscheinlichkeit, ob ein in das Blickfeld der Sicherheitskräfte geratener Verdächtiger
mit Folter und sonstigen Menschenrechtsverletzungen rechnen muss und in welcher
Weise er gegebenenfalls misshandelt wird, davon ab, wie weit die jüngsten
gesetzlichen Reformen im Zuge der „Null-Toleranz" Politik gegen Folter vor Ort von den
jeweils handelnden Amtswaltern schon umgesetzt werden, wobei festzustellen sei, dass
gerade die bislang besonders gefürchtete Terroreinheit in Istanbul, möglicherweise auf
Grund eines höheren Ausbildungsstandes, Verhöre immer häufiger ohne Anwendung
physischer Gewalt durchführt. Das Auswärtige Amt verneint für die Gegenwart
systematische Folter, stellt fest, dass die Zahl der bekannt gewordenen Folter- und
Misshandlungsfälle deutlich zurückgeht und hält bei der Beurteilung der beachtlichen
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Wahrscheinlichkeit derartiger Übergriffe bei Rückkehr in die Türkei einen besonders
strengen Prüfungsmaßstab für angezeigt (Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei vom 3.
Mai 2005, Stand Februar 2005, 508-516.80/3 TUR); zudem sei die Wahrscheinlichkeit
von Übergriffen bei Straftaten mit politischem Hintergrund nicht höher als bei Straftaten
mit kriminellem Hintergrund (Auskunft an das VG Freiburg vom 28. Mai 2005, was
allerdings unter den verschiedenen, die Verhältnisse in der Türkei beobachtenden
Auskunftspersonen- und Stellen umstritten ist). Den Grund für die veränderten
Verhältnisse sieht das Auswärtige Amt unter anderem in der gesetzlichen Verkürzung
der Polizeihaft, der Gewährleistung frühzeitigen Kontaktes zu einem Rechtsanwalt und
der Anordnung ärztlicher Untersuchungen vor Beginn einer Vernehmung und bei der
Entlassung aus dem Polizeigewahrsam. Allerdings ist es nach der Einschätzung des
Auswärtigen Amtes bislang nicht gelungen, Folter und Misshandlungen vollständig zu
unterbinden (Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei vom 11. November 2005, Stand
Anfang November 2005, 508-516.80/3 TUR und auch noch vom 27. Juli 2006, Stand
Juni 2006).
Aus der weiterhin im Fluss befindlichen Erkenntnislage lassen sich für den Einzelfall
folgende Richtpunkte gewinnen: Die Wahrscheinlichkeit, als erkannter und für die
Strukturen wichtiger, noch dazu gewaltbereiter PKK-Angehöriger misshandelt zu
werden, hängt vom Ausbildungsstand und vom Umfeld der jeweils ermittelnden
Polizeibeamten einerseits und vom Gewicht des Erkenntnisinteresses ab. Je dringender
die vorhandenen Verdachtsmomente der Aufklärung bedürfen und je wahrscheinlicher
es ist, dass der in die Fänge Geratene Auskunft geben kann, desto eher werden die
Sicherheitskräfte, auch wenn sie schon belehrt und geschult sind, geneigt sein die
gesetzlichen Reformen zu vergessen, in „bewährte" Praktiken zurück zu fallen und
entsprechend rücksichtslos vorzugehen (Urteil des Einzelrichters, VG Düsseldorf, vom
27. Juni 2005, 4 K 680/05.A).
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6. Der Kläger wird als „Spendeneintreiber" und Mitglied eines Rollkommandos zur
Aufrechterhaltung der inneren Disziplin und zum Gehorsam gegenüber der PKK in
Deutschland ein reges Interesse der türkischen Sicherheitskräfte auf sich ziehen. Das
ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass gerade der in Westeuropa agierende Flügel der
PKK und seine Führungskader die Fortsetzung des bewaffneten Kampfes gegen den
türkischen Staat propagieren und auch umsetzen (Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei
vom 11. November 2005, Seite 17, vom 27. Juni 2006, Seite 20). Es ist zudem bislang
nicht gelungen, namhafte Teile der PKK mit Hilfe eines türkischen „Gesetzes zur
Wiedereingliederung in die Gesellschaft" vom 6. August 2003, das mittlerweile im
Wesentlichen ausgelaufen ist, zur Umkehr und zur Einsicht zu bewegen. Die türkische
Regierung erklärt den zahlenmäßigen Misserfolg mit dem großen Druck und der
Kontrolle innerhalb der PKK, die ein Ausscheiden aus der Gruppe unmöglich machten.
Glaubwürdigen Presseberichten zufolge hat es Fälle gegeben, in denen
wiedereingliederungsbereite PKK-Angehörige auf Anordnung von PKK-
Führungskadern hingerichtet wurden (Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei vom 11.
November 2005, Seite 17 unten, vom 27. Juni 2006, Seite 21). Letzteres wird durch den
Mordversuch an dem Komplizen „G" des Klägers belegt. Der Kläger war ein aktiver und
gewaltbereiter Teil dieses innerparteilichen Unterdrückungs- und
Terrorisierungsmechanismus. Er ist als Auskunftsquelle wertvoll und aus Sicht des
türkischen Staates ein gefährlicher Gegner, der keine Rücksicht und keine Schonung
verdient. Es ist nach wie vor überwiegend wahrscheinlich, dass die ihn verhörenden
türkischen Sicherheitskräfte zu allen Mittel greifen, um Informationen über die Exilszene,
deren personelle Zusammensetzung und deren Methoden, aus dem Kläger
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herauszupressen. Angesichts des hohen Verfolgungs- und Aufklärungsinteresses
werden dabei menschenrechtswidrige (Folter-) methoden angewendet werden. Die den
Abschiebungsschutz zu Gunsten des Klägers auslösende Sachlage hat sich derzeit
noch nicht durchgreifend geändert.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154, 167 VwGO, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
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