Urteil des VG Düsseldorf vom 03.03.2008

VG Düsseldorf: verschlechterung des gesundheitszustandes, berufsunfähigkeit, satzung, rente, verbesserung des gesundheitszustandes, leistungsfähigkeit, befristung, ärztliches gutachten

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 20 K 4968/05
Datum:
03.03.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
20. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 K 4968/05
Tenor:
Die im Bescheid des Beklagten vom 09.06.2005 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 17.10.2005 verfügte Befristung der
gewährten Berufsunfähigkeitsrente wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
110% des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Der am 00.00.1964 geborene Kläger ist Architekt und Mitglied des beklagten
Versorgungswerks.
2
Am 15.09.2003 beantragte er beim Beklagten die Gewährung einer Berufsunfähigkeits-
rente mit der Begründung, er sei seit Oktober 2002 an einem Residualsyndrom bei
paranoider Schizophrenie erkrankt und habe seine Berufstätigkeit seither eingestellt.
3
Der Beklagte holte daraufhin ein ärztliches Gutachten zur Frage der Berufsunfähigkeit
des Klägers ein. In seinem Gutachten vom 17.11.2003 führte der Gutachter Dr. I im
Wesentlichen aus:
4
Aufgrund der aktuellen Residualsymptomatik mit depressiver Verstimmtheit,
Antriebsminderung, erhöhter Ängstlichkeit, fehlendem Selbstvertrauen, sozialem
Rückzug und Kompetenzverlust in verschiedenen Bereichen des alltäglichen wie auch
des beruflichen Lebens sei der Kläger aktuell nicht in der Lage, den Beruf des
Architekten in seinen verschiedenen Bereichen adäquat auszuüben. Nach der
Krankheitsgeschichte könnte davon ausgegangen werden, dass der Kläger seit
Ausbruch der akuten Erkrankung im August 2002 den Anforderungen des
Architektenberufs nicht mehr gewachsen sei, so dass bei Antragstellung schon
5
Berufsunfähigkeit vorgelegen habe. Eine medizinisch-berufliche
Rehabilitationsmaßname sei dringend zu empfehlen. Durch eine solche Maßnahme
sollte der in Folge der Erkrankung eingeleiteten regressiven Entwicklung des Klägers
begegnet werden. Eine entsprechende Motivation und der Wunsch zur Rückkehr in das
Berufsleben würden gemeinsam mit der relativ kurzen Krankheitsgeschichte eine
positive Rehabilitationsprognose begründen. Bei Durchführung einer geeigneten
Rehabilitationsmaßnahme könne in einem Zeitraum von etwa 6 Monaten mit einer
Wiedererlangung der Berufsfähigkeit gerechnet werden. Bei günstigem Verlauf sei
damit zu rechnen, dass er wieder in der Lage sein werde, die Bürotätigkeiten eines
Architekten auszuüben. Größere Beeinträchtigungen ergäben sich im Heilungsprozess
erfahrungsgemäß hinsichtlich der sozialen Kompetenz, was beim Berufsbild des
Architekten die Akquisition von Neuaufträgen, den unmittelbaren Kundenverkehr wie
auch die Leitung einer komplexen Baustelle betreffen könnte.
Der vom Beklagten mit der Abgabe einer psychiatrischen Stellungnahme beauftragte
Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Q äußerte sich unter dem 12.01.2004 wie folgt:
Das durch eine hohe Befund- und Informationsdichte gekennzeichnete Gutachten vom
17.11.2003 erlaube zusätzliche und entscheidende Aufschlüsse zur Bewertung der vom
Kläger zunächst vorgelegten medizinischen Unterlagen. Der Gutachter differenziere
zwischen der Residualsymptomatik und einer grundsätzlich durch Therapie
remittierbaren Minus-Symptomatik. Demnach sei gegenwärtig und über einen
absehbaren Zeitraum von der Berufsunfähigkeit des Klägers auszugehen, was
uneingeschränkt nachzuvollziehen sei. Übereinstimmend mit der eigenen Beurteilung
weise der Gutachter auf die Erforderlichkeit einer konsequenten rehabilitativen
Förderung und auf die günstige Prognose in Hinsicht auf eine Vollremission hin. Der
Zeitraum von 6 Monaten erscheine knapp bemessen, weil er von idealen Bedingungen
ausgehe. Mit Rücksicht darauf, dass es sich bei der Psychose um eine schwere
psychische Erkrankung handele, sei ein Behandlungszeitraum von nicht unter einem
Jahr zu Grunde zu legen. Da adäquate Therapiemaßnahmen wegen des
unvermeidlichen organisatorischen Ablaufs voraussichtlich erst Anfang 2004 eingeleitet
werden könnten, werde empfohlen, eine zeitlich begrenzte Berufsunfähigkeit von 2
Jahren bis zum 31.08.2005 anzuerkennen.
6
In der Folgezeit gewährte der Beklagte dem Kläger eine Berufsunfähigkeitsrente in
Höhe von monatlich 852,49 EUR, befristet bis zum 31.08.2005.
7
Unter dem 21.03.2005 beantragte der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten
unter Vorlage einer fachärztlichen Bescheinigung des Facharztes für Neurologie und
Psychiatrie Dr. T aus U die Weitergewährung der Berufsunfähigkeitsrente über den
31.08.2005 hinaus. In der Bescheinigung vom 18.03.2005 führte Dr. T aus: Bei dem
Kläger liege ein Residualsyndrom mit vorwiegender Minussymptomatik bei paranoider
Schizophrenie mit Erstmanifestation im Oktober 2002 vor. Der Kläger stelle sich
regelmäßig alle 4 Wochen vor. Eine wesentliche Veränderung habe sich nicht ergeben.
Eine erneute stationäre Behandlung habe verhindert werden können. Es komme jedoch
immer wieder zu erheblichen depressiven Verstimmungen, häufigem Verlust der Impuls-
und Affektkontrolle, weswegen jetzt auch Strafanzeige wegen Körperverletzung
vorliege. Der Kläger sei weiterhin emotional kaum belastbar, der soziale Radius sei
erheblich eingeschränkt. Weiterhin bestehe eine erhebliche Kontaktstörung. Für den
zuletzt ausgeübten Beruf müsse weiterhin ein aufgehobenes Leistungsvermögen
angenommen werden.
8
Auf Ersuchen des Beklagten erstellte Dr. Q unter dem 23.05.2005 erneut eine
psychiatrische Stellungnahme nach Aktenlage. Darin führte er im Wesentlichen aus: Der
jetzt vorgelegten ärztlichen Bescheinigung sei weder zu entnehmen, ob und
gegebenenfalls welche rehabilitativen Maßnamen erfolgt seien, noch wie sich eine
Behandlung des Klägers überhaupt gestaltet habe. Ausweislich der Bescheinigung von
Dr. T hätte sich ein medizinischer Behandlungsansatz auf das Aussuchen eines
Facharztes für Psychiatrie im Abstand von 4 Wochen beschränkt. Es falle auf, dass eine
Psychopharmakobehandlung, die bei Patienten, die eine psychische Remission
erreichen und stabil halten wollten, unverzichtbar sei. Mit Rücksicht auf die
Grunderkrankung - es handele sich um eine endogene Psychose des schizophrenen
Formenkreises, sei eine weitere zeitlich befristete Berentung für die Dauer eines Jahres
vorzusehen, verbunden mit der Auflage, dass der Kläger sich überprüfbar einer
vollstationären oder besser teilstationären Rehabilitationsmaßnahme unterziehe und in
jedem Fall auch eine zur wirksamen Behandlung einer Psychose unverzichtbar
erforderliche Psychopharmako-behandlung sicherstelle.
9
Mit Bescheid vom 09.06.2005 gewährte der Beklagte dem Kläger für ein weiteres Jahr,
mithin bis zum 31.08.2006 eine Berufsunfähigkeitsrente. Er wies darauf hin, dass die
Rentenzahlung am 31.08.2006 entfalle. Seinen Bescheid versah er mit der schriftlichen
Empfehlung, sich einer teilstationären oder gegebenenfalls auch vollstationären Reha-
bilitationsmaßnahme und einer Psychopharmakobehandlung zu unterziehen. Der
Beklagte wies ferner darauf hin, dass der Kläger damit rechnen müsse, dass einem
weiteren Verlängerungsantrag nicht stattgegeben werde, wenn er dieser Empfehlung
nicht nachkomme.
10
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 12.07.2005 Widerspruch, den er wie folgt
begründete: Er sei in langjähriger ständiger Behandlung bei Dr. T und medikamentös
bestens eingestellt. Bei der vorliegenden Erkrankung sei nach Angabe des
behandelnden Arztes eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme weder
erfolgversprechend, noch existiere in der Bundesrepublik eine Anstalt, die eine
erfolgversprechende Rehabilitation beim hier vorliegenden Krankheitsbild
gewährleisten könne. Die Leistungsfähigkeit im Beruf des Architekten sei auf Dauer
aufgehoben, sodass die Befristung der Rente für ein Jahr unter keinem Aspekt
gerechtfertigt sei. Ergänzend legte der Kläger eine Stellungnahme des Dr. T vom
08.08.2005 vor, in der dieser im Wesentlichen ausführt: Es müsse festgestellt werden,
dass Dr. Q die Therapieverhältnisse des Klägers überhaupt nicht kenne, andererseits
Rehabilitationsvorschläge mache, die bei so problematischen Erkrankungen wie einer
Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis individuell entschieden werden
müssten und bei den wenigsten Patienten zu irgendeinem Effekt führten. Zudem solle
sich Dr. Q kundig machen, ob überhaupt geeignete Möglichkeiten der Psychosereha-
bilitation in Deutschland bestünden. Dies sei zu verneinen. Alle ambulanten
Möglichkeiten seien beim Kläger ausgeschöpft worden. Er habe jahrelang an einer
psychoedukativen Gruppe mit 2-wöchentlichem Rhythmus teilgenommen. Anschließend
sei ab Juli 2003 eine stützende Verhaltenstherapie bis Ende 2004 durchgeführt worden.
Psychopharma-kologisch sei der Kläger mit Solian gut eingestellt. Bei psychosekranken
Patienten sei es schon ein Erfolg, wenn ein Patient durch ambulante Maßnahmen vor
einer „Drehtürpsychiatrie" bewahrt werde und er einigermaßen psychisch stabil bleibe.
Bei dem Kläger sei trotz der Therapie mit stützenden psychotherapeutischen
Maßnahmen nur noch eine geringe emotionale Belastbarkeit vorhanden, sodass schon
bei geringfügig belastenden Anlässen paranoide Reaktionsweisen zu beobachten seien
und nur mit engmaschigen Kriseninterventionen ein akuter Schub verhindert werden
11
könne. Es liege in der Natur der Erkrankung, dass eigentliche Heilung und eine
Wiederherstellung auf dem alten Niveau des Leistungsvermögens fast nie vorkämen.
Die von Dr. Q vorgeschlagenen Rehabilitationsmaßnahmen entbehrten jeglicher
klinischer Realität und stellten eher eine unnötige Belastung dar, die die Krankheit
verschlimmern könne. Für den Beruf des Architekten müsse weiterhin ein aufgehobenes
Leistungsvermögen angenommen werden.
Der Beklagte ersuchte daraufhin den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Dr.
T1 um die Abgabe einer fachärztlichen psychiatrischen Stellungnahme gemäß
Aktenlage. Dieser führte in seiner Stellungnahme vom 07.09.2005 im Wesentlichen aus:
12
Dem Einwand von Dr. T, bei den wenigsten Patienten würden rehabilitative
Maßnahmen zu irgendeinem Effekt führen, könne nicht gefolgt werden. Der Verlauf
schizophrener Störungen sei vielfältig. Dabei könnten sowohl vollständige Remissionen
mit nur einer einzigen produktiven Episode wie auch episodische Schübe mit
zunehmenden oder stabilem Residuum sowie episodische remittierende Verläufe
vorkommen. Hinsichtlich des Verlaufs beim Kläger sei nur einzige produktive Episode
dokumentiert, die im Rahmen eines kurzen vierwöchigen stationären Aufenthalts
behandelt worden sei. Bereits in früheren Stellungnahmen sei auf diesen für die
Prognose wichtigen Punkt hingewiesen worden. Zudem sei als weiterer prognostisch
positiver Faktor bei der Entlassung aus der psychiatrischen Klinik eine nur diskret
ausgeprägte Minussymptomatik festgestellt worden. Bei ca. einem Drittel der Verläufe
schizophrener Störungen bleibe es bei einer einmaligen Episode. Es sei allerdings
richtig, dass eine auftretende Residualsymptomatik den Verlauf deutlich kompliziere. In
diesen Fällen müsse die Prognose nach den individuellen Gegebenheiten gestellt
werden. Im Falle des Klägers sei auch positiv zu werten, dass er in der Lage gewesen
sei, von Februar bis August 2002 eine Fortbildung zum Gebäudeenergieberater
erfolgreich abzuschließen, obwohl die Erstmanifestation in diesen Zeitraum gefallen sei.
Zudem habe auch Dr. I1 die Entwicklung der sog. Residualsymptomatik bei dem Kläger
nicht ausschließlich als Folge des Krankheitsgeschehens, sondern auch in einer
mangelnden Förderung und Aktivierung des Klägers gesehen, der sich in sein
Elternhaus zurückgezogen habe und dort selbst von einfachsten häuslichen und
persönlichen Verpflichtungen befreit worden sei. Insbesondere unter dieser
Voraussetzung, dass der soziale Rückzug nicht ausschließlich krankheits-bedingt,
sondern auch durch soziale Faktoren aus dem Umfeld beeinflusst worden sei, könne
eine zukünftige positive Entwicklung als möglich angesehen werden, wenn der Kläger
durch entsprechende rehabilitative Maßnamen unterstützt werde. Insofern sei in
Übereinstimmung mit Dr. I1 und Dr. Qk davon auszugehen, dass von einer
Dauerhaftigkeit der Berufsunfähigkeit des Klägers noch nicht auszugehen sei. Es werde
empfohlen, die Berufsunfähigkeitsrente bis zum 31.08.2006 zu befristen. Eine
Rehabilitationsmaßnahme - wie von Dr. I1 und Dr. Q vorgeschlagen - solle möglichst
bald in die Wege geleitet werden. Ferner sei festzustellen, dass nicht klar sei, was Dr. T
unter einer guten medikamentösen Einstellung verstehe. Das Präparat Solian sei als
atypisches Neuroleptikum der neueren Generation gut geeignet, sowohl sogenannte
produktive, positive Symptome als auch sogenannte negative Symptome
(Minussymptomatik) der Schizophrenie gut zu behandeln. Andererseits bestehe aber
nach Ansicht von Dr. T eine noch so ausgeprägte Minussymptomatik, dass der Kläger in
seinem beruflichen Leistungsvermögen aufgehoben sein solle. Eine Umstellung der
neuroleptischen Medikation sei gemäß Akte nie erfolgt. Im Oktober 2002 sei der Kläger
mit der Abschlussmedikation Solian von 400 mg entlassen worden. Die Medikation sei
dann in einer Dosis von 200 mg zumindest bis November 2003 fortgeführt worden. Über
13
die Dosierung der Solian-Medikation sei der Stellungnahme von Dr. T nichts zu
entnehmen. Bezüglich der Psychopharmakotherapie sei daher zu prüfen, ob die
Einstellung mit dem Medikament Solian optimiert werden könne, oder ob ggf. auf ein
alternatives Präparat umgestellt werden könne, das insbesondere die residuale
Negativsymptomatik beeinflussen sollte.
Im Anschluss hieran wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchs-
bescheid vom 17.10.2005 als unbegründet zurück und führte aus, mit der vorgenomme-
nen Befristung werde den Empfehlungen der medizinischen Sachverständigen gefolgt.
14
Der Kläger hat am 16.11.2005 Klage erhoben, mit er die Gewährung einer
Berufsunfähig-keitsrente auf Dauer anstelle der gewährten Berufsunfähigkeitsrente auf
Zeit erstrebt.
15
Er trägt vor: Er sei ab 1990 als diplomierter Architekt zunächst in einem Büro in E und
von 1992 bis 2001 in M tätig gewesen. Seit Oktober 2001 sei er arbeitslos. Während
einer Weiterbildung zum Gebäudeenergieberater sei er im Oktober 2002 schwer an
einer paranoiden Schizophrenie erkrankt. Vom 2. bis 28.10.2002 sei er stationär in der
psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses in U behandelt worden. Anschließend
habe er eine intensive ambulante rehabilitative Therapie im Rahmen einer
Psychosegruppe beim Neurologen und Psychiater Dr. T sowie eine Verhaltenstherapie
beim Psychologen Dr. Q1 absolviert. Trotz dieser Maßnahmen habe sich keine
Besserung eingestellt. Er habe sich im Gegenteil als zunehmend nicht mehr belastbar
erwiesen. Demzufolge habe er die Berufsunfähigkeitsrente beantragt. Nach der Satzung
stehe ihm eine unbefristete Rentenzahlung zu. Eine Befristung der Rente sei nach der
Satzung überhaupt nicht möglich. Die Satzung sei vielmehr so strukturiert, dass die
Rente ohne Befristungen oder Bedingungen zu bewilligen sei. Gemäß § 11 Abs. 4 a)
der Satzung ende die Berufsunfähigkeitsrente mit dem Zeitpunkt und in dem Monat, in
dem die Berufsunfähigkeitsrente fortfalle, wodurch sichergestellt sei, dass bei
Beendigung der Berufsunfähigkeit eine Rente nicht mehr zu zahlen sei. Nach § 34 der
Satzung könne der Beklagte die notwendigen Auskünfte und Nachweise verlangen, um
die entsprechenden Feststellungen treffen zu können. Weiterhin sei der angefochtene
Bescheid im Hinblick auf die Verknüpfung mit dem Absolvieren einer
Rehabilitationsmaßnahme durch den Kläger rechtswidrig. Diese Anlage zum Bescheid
gehe über eine bloße Empfehlung hinaus und sei als Auflage im Sinne von § 36 Abs. 2
Ziff. 4 VwVfG zu werten. Eine solche Auflage sei in der Satzung nicht vorgesehen.
Wenn der Beklagte davon ausgehe, dass durch Maßnahmen die Berufsfähigkeit wieder
hergestellt werden könne, bestehe nach § 12 der Satzung die Möglichkeit diese
Maßnahmen im Einvernehmen mit dem Mitglied durchzuführen. Der Grundsatz „Reha"
vor Rente gelte nur, wenn durch die Reha-Maßnahme eine Berufsunfähigkeit
abgewendet werden könne. Hier sei aber bereits eine Berufsunfähigkeit eingetreten.
Bezeichnend sei, dass der Beklagte bisher von der Möglichkeit nach § 12 der Satzung
abgesehen habe, eine geeignete Rehabilitationsmaßnahme zu benennen. Auch bei
Nachfragen bei der Krankenkasse und der Rentenversicherung habe der Kläger von
keine Rehabilitationseinrichtung erfahren, die ihm gleichzeitig zu der medizinischen
Behandlung auch eine Wiedererlangung der beruflichen Leistungsfähigkeit in Aussicht
stellen könnte. Der im Auftrag der Beklagten tätige Gutachter Dr. I1 habe den Kläger
ebenfalls nicht über medizinisch-berufliche Rehabilitationsmaßnahmen informiert. Die
einzige Adresse die der Gutachter benannt habe, sei seine eigene gewesen. Dieser sei
für seinen Fall nicht qualifiziert sei und im übrigen könne auch nicht von der
Unvoreingenommenheit des Gutachters ausgegangen werden.
16
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
17
den Bescheid des Beklagten vom 09.06.2005 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides
vom 17.10.2005 aufzuheben, soweit darin die gewährte Berufsunfähigkeitsrente bis zum
31.08.2006 befristet wird.
18
Der Beklagte beantragt,
19
die Klage abzuweisen.
20
Er trägt vor: Da Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente erst bei einem dauerhaften
Krankheitsbild gegeben sei, kenne seine Satzung keine Verpflichtung zu konkreten
Therapiemaßnahmen. Liege dauerhafte Berufsunfähigkeit vor, begründe sie
grundsätzlich einen unbefristeten Berufsunfähigkeitsanspruch. Allerdings gebe § 11
Abs. 3 S. 2 der Satzung ihm - dem Beklagten - die Möglichkeit, die Auszahlung der
gewährten Rente zeitlich zu begrenzen. Es handle sich hierbei um eine Vorschrift zur
Regelung der Auszahlungsmodalitäten einer nach Maßgabe des § 11 Abs. 1 der
Satzung bewilligten Berufsunfähigkeitsrente. Eine zeitliche Begrenzung der
voraussichtlichen Berufsunfähigkeit, wie sie für eine befristete Berufsunfähigkeit
wesentlich wäre, impliziere die Vorschrift gerade nicht. Die Ermessenentscheidung der
Festlegung der Auszahlungsmodalitäten werde in den Fällen genutzt, in denen sich das
Versorgungswerk eine Nachprüfung der Anspruchsvoraussetzungen nach einem
gewissen Zeitablauf vorbehalten wolle. Insbesondere bei jungen Rentenempfängern
könne so eine mögliche Wiederherstellung der Berufsfähigkeit in der Zwischenzeit
kontrolliert werden. Ob die Berufsfähigkeit des Klägers zum Ende des Zeitablaufs des
jetzigen Rentenbezugs wiederhergestellt sein werde, könne zum gegenwärtigen
Zeitpunkt noch nicht prognostiziert werden. Anhaltspunkte für eine mögliche
Wiederherstellung der Berufsfähigkeit ergäben sich aus den Gutachten von Dr. Q und
Dr. T1. Bereits Dr. I1 habe den Kläger auf berufliche Rehabilitationsmöglichkeiten
eingehend hingewiesen und ihm Informationsmaterial und Adressen zur Einleitung
solcher Reha-Maßnahmen übergeben. Bei der dem Bescheid beigegebenen Anlage
handele es sich lediglich um eine Empfehlung und nicht um eine Auflage. Allerdings
bestimme § 37 der Satzung, dass derjenige keinen Anspruch auf
Berufsunfähigkeitsrente habe, der sich vorsätzlich berufsunfähig mache. Gleiches gelte
für den Falle, dass die Beseitigung einer bestehenden Berufsunfähigkeit treuwidrig
unterlassen oder verhindert werde. Daraus folge, dass der Rentenempfänger auch im
Zeitraum der Rentengewährung alle zumutbaren Maßnamen zur Beseitigung der
Berufsunfähigkeit im eigenen Interesse und im Interesse der Solidargemeinschaft
wahrzunehmen habe. Bisher habe der Kläger keinen substantiierten Beleg dafür
erbracht, dass die von den Gutachtern in Betracht gezogenen Therapieansätze
schädlich oder kontraproduktiv sein könnten.
21
Das erkennende Gericht hat zur Frage der Leistungseinschränkungen des Klägers und
zur Frage, ob begründete Aussicht besteht, dass eine festgestellte Minderung der
Leistungsfähigkeit in absehbarer Zeit durch erfolgversprechende Heil- oder Therapie-
maßnahmen behoben werden könnte, Beweis erhoben durch Einholung eines
schriftlichen Sachverständigengutachtens der Fachärztin für Psychiatrie und
Psychotherapie C. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das
Gutachten der Sachverständigen vom 27.08.2007 (Bl. 66-110 d. GA) Bezug genommen.
22
Der Beklagte hat daraufhin eine weitere ergänzende fachärztliche psychiatrische
Stellungnahme bei Dr. T1 eingeholt. Auf die in den Gerichtsakten enthaltene
Ausfertigung (Bl. 72-84 d. GA) der Stellungnahme vom 05.09.2007 wird verwiesen.
23
Die Stellungnahme von Dr. T1 hat der Beklagte zum Anlass genommen, dem Kläger mit
Bescheid vom 04.10.2007 die Berufsunfähigkeitsrente für zwei weitere Jahre bis zum
31.08.2009 zu gewähren. Auch dieser Bescheid enthält in der Anlage die Empfehlung,
sich einer teilstationären oder ggf. auch vollstationären Rehabilitationsmaßnahme und
einer Psychopharmakobehandlung zu unterziehen. Der Beklagte hat ferner darauf
hingewiesen, dass der Kläger damit rechnen müsse, dass einem erneuten
Verlängerungsantrag nicht stattgegeben werde, wenn er dieser Empfehlung nicht
nachkomme.
24
Der Kläger nimmt unter Vorlage einer weiteren Stellungnahme des Dr. T vom
31.10.2007 zum Ergebnis der Beweisaufnahme und zum Rentenbescheid vom
04.10.2007 im Wesentlichen wie folgt Stellung:
25
Mit dem Bescheid werde seinem Antragsbegehren, das auf Bewilligung einer
unbefristeten Rente gerichtet sei, nicht Rechnung getragen. Das vom Gericht eingeholte
Gutachten der Sachverständigen C lasse an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig.
Sie gehe auf Grund der Tatsache, dass die Residualsymptomatik beim Kläger länger als
3 Jahre bestehe und unter Berücksichtigung der Literaturauffassungen davon aus, dass
die Minderung der Leistungsfähigkeit auf Dauer bestehe und diese nicht mehr in
absehbarer Zeit durch erfolgversprechende Heil- oder Therapiemaßnahmen behoben
werden könne. Dem vom Beklagten vorgelegten Privatgutachten des Dr. T1 gegenüber
sei einzuwenden, dass Dr. T1 für den Beklagten umfangreich als Privatgutachter tätig
gewesen sei und auch im hiesigen Verwaltungsverfahren bereits gutachterlich gegen
Honorierung für den Beklagten gearbeitet habe. Auch habe er den Kläger nicht selbst
untersucht. Im Übrigen halte der Privatgutachter zum jetzigen Zeitpunkt eine
Rehabilitationsmaßnahme ebenfalls nicht für zielführend. Weitere Behandlungs-
optionen würden für unterdurchschnittlich erfolgversprechend gehalten. Dr. T1 sehe
erhebliche Erfolgschancen bei „adäquater Therapie", was immer damit gemeint sei. Das
Privatgutachten diene einzig dem Zweck, der satzungsmäßigen Verurteilung zur
dauerhaften Rentenzahlung zu entgehen. Nach § 11 der Satzung sei aber die
dauerhafte Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente der Regelfall und die zeitliche
Begrenzung die Ausnahme. Nach dem vom Gericht eingeholten
Sachverständigengutachten sei er - der Kläger - dauerhaft berufsunfähig, sodass eine
dauerhafte Rente zu gewähren sei. Eine Höherdosierung der Medikation sei angesichts
der erheblichen Nebenwirkungen des Medikaments nicht angezeigt. Bei ihm seien
bereits Nebenwirkungen gravierender Art, Vergrößerung der Brustdrüse, allgemeine
Unruhe, Muskelkrämpfe, Impotenz und erhebliche Gewichtszunahme aufgetreten. Auch
seien die Leberenzyme angestiegen.
26
Der Kläger beantragt für den Fall, dass das Gericht die Darlegungen von Dr.T1 bei
seiner Entscheidung für relevant halten sollte hilfsweise,
27
die Einholung eines medizinisch-psychiatrischen Obergutachtens zur Frage der
Dauerhaftigkeit der Erkrankung des Klägers sowie der Angemessenheit der derzeitigen
medikamentösen Therapie.
28
Der Beklagte tritt dem entgegen. Er ist der Ansicht, er habe von seinem ihm eröffneten
29
Ermessen rechtmäßig Gebrauch gemacht und seine Ermessensentscheidung im
nunmehr erteilten Rentenbescheid vom 04.10.2007 wiederholt. Grundlage für die
Ermessensentscheidungen seien die gutachterlichen Empfehlungen von Dr. I1, Dr. Q
und Prof. T1 gewesen. Alle Ärzte hätten eine prinzipielle Therapiefähigkeit der
Erkrankung des Klägers festgestellt und daher lediglich zeitlich begrenzte
Berufsunfähigkeitsrenten empfohlen. Eine Ermessensreduzierung auf Null sei nicht
gegeben. Das Gutachten der Sachverständigen C ändere nichts an der Rechtmäßigkeit
der Ermessensentscheidung.
Die Beteiligten haben sich schriftsätzlich mit einer Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung einverstanden erklärt.
30
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten
ergänzend Bezug genommen.
31
Entscheidungsgründe:
32
Das Gericht entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis mit den
Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
33
Die Klage ist als Anfechtungsklage gegen die im Bescheid vom 09.06.2005 enthaltene
zeitliche Begrenzung - wonach die Rentenzahlung am 31.08.2006 entfalle - (Befristung)
zulässig.
34
Gegen belastende Nebenbestimmungen ist unabhängig von der Art der
Nebenbestimmung grundsätzlich die Anfechtungsklage zulässig. Ob die
Anfechtungsklage zur isolierten Aufhebung der Nebenbestimmung führen kann, ist eine
Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Anfechtungsbegehrens, sofern
nicht eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet,
35
vgl. BVerwG, Urteil vom 22.11.2000 - 11 C 2/00 - BVerwGE 112, 221; OVG Lüneburg,
Beschluss vom 11.01.2006 - 8 LC 56/05 - NJW 2006, 1541 m.w.N.
36
Ein solcher Ausnahmefall, in dem die isolierte Aufhebbarkeit der Nebenbestimmung
offenkundig von vornherein ausscheidet, ist vorliegend nicht gegeben. Ein
Rentenbescheid über die Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente ergeht nach § 11
Abs. 1 der maßgeblichen Satzung des Beklagten in der Regel uneingeschränkt, kann
also auch ohne die angegriffenen Nebenbestimmungen Bestand haben. Entfällt im
vorliegenden Fall die Befristung, so hat der Beklagte kraft seines Bescheides die
bewilligte Berufsunfähigkeitsrente unbefristet zu gewähren.
37
Für einen gerichtlichen Verpflichtungsausspruch dahingehend, den Beklagten zu
verpflichten, dem Kläger eine uneingeschränkte Berufsunfähigkeitsrente zu bewilligen,
besteht daher kein Rechtsschutzbedürfnis,
38
vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 11.01.2006 a.a.O.
39
Die Klage ist auch begründet. Die angefochtene Entscheidung des Beklagten, die dem
Kläger gewährte Berufsunfähigkeitsrente zeitlich zu begrenzen, ist rechtswidrig und
verletzt den Kläger in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
40
Gemäß § 11 Abs. 1 der Satzung des Versorgungswerks der Architektenkammer
Nordrhein-Westfalen in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (SAV) hat jedes
Mitglied des Versorgungswerks, das infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen
Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Ausübung der Berufsaufgaben
des Architekten (§ 1 Baukammerngesetz NW - BauKaG NW -) unfähig ist
(Berufsunfähigkeit) und aus diesem Grund seine Tätigkeit als Architekt eingestellt hat,
Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente, sofern dieses Mitglied vor Eintritt der
Berufsunfähigkeit mindestens eine monatliche Versorgungsabgabe entrichtet hat. Der
Anspruch auf die Rente beginnt gemäß § 11 Abs. 3 SAV drei Monate nach
Antragstellung. Die Rentenzahlung kann zeitlich begrenzt werden.
41
Dass der Kläger wegen Schwäche seiner geistigen Kräfte zur Ausübung der
Berufsaufgaben des Architekten nach § 1 Abs. 1 BauKaG NW am 01.09.2005
(dauerhaft) unfähig war und aus diesem Grund seine Tätigkeit als Architekt eingestellt
hat, und dass er auch derzeit noch berufsunfähig ist, steht zwischen den Beteiligten
nicht im Streit. Hiervon abgesehen ist der Teil des Bescheides, durch den die
Berufsunfähigkeitsrente gewährt wird, auch nicht angefochten.
42
Streitig ist hingegen die Frage, ob der Beklagte im hier zu entscheidenden Fall die
Rentenzahlung in rechtmäßiger Weise befristet hat. Dies ist zu verneinen.
43
Gemäß § 36 Abs. 1 VwVfG NRW darf ein Verwaltungsakt auf den ein Anspruch besteht,
mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift
zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen
des Verwaltungsaktes erfüllt werden.
44
Eine solche Regelung enthält § 11 Abs. 3 S. 2 SAV, wonach die Rentenzahlung zeitlich
begrenzt werden kann.
45
Die Vorschrift räumt dem Beklagten Ermessen ein, enthält aber keine weiteren
Vorgaben, insbesondere tatbestandlicher Art für die Ausübung dieses Ermessens. Ist
die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, so hat sie gemäß § 40
VwVfG NRW ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und
hierbei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Soweit die
Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht
gemäß § 114 S. 1 VwGO auch, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die
gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in
einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
46
Im vorliegenden Fall hat der Beklagte sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Die zeitliche
Befristung der Rente im angefochtenen Bescheid verstößt gegen den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, und zwar unabhängig von der Frage, ob auf die bis zum
31.12.2007 geltende oder auf die ab dem 01.01.2008 geltende Fassung von § 11 Abs. 1
SVA zurückzugreifen ist. Durch die Satzungsänderung vom 20.10.2007 hat der Beklagte
in § 11 Abs. 1 SVA nach den Worten „oder geistigen Kräfte" das Wort „dauerhaft"
eingefügt und hiermit jedenfalls für die Zeit ab Inkrafttreten der Satzungsänderung
klargestellt, dass eine Berufsunfähigkeitsrente nur gewährt wird, wenn das Mitglied
dauerhaft zur Ausübung der Berufsaufgaben des Architekten bzw. Ingenieurs unfähig
ist. Nach dem Wortlaut der früheren Satzungsfassung war die Gewährung einer
Berufsunfähigkeitsrente bei vorübergehender Unfähigkeit zur Ausübung des
47
Architekten- bzw. Ingenieurberufs nicht ausgeschlossen. Muss aber nach § 11 Abs. 1
SVA n.F. die Berufsunfähigkeit dauerhaft vorliegen, um einen Anspruch auf
Berufsunfähigkeitsrente zu begründen, so bedeutet dies zugleich, dass § 11 Abs. 3 S. 2
SVA, wonach die Rentenzahlung zeitlich begrenzt werden kann, gerade auch bei
dauerhafter Unfähigkeit, den Beruf auszuüben, Anwendung finden soll, denn bei
vorübergehender Unfähigkeit zur Berufsausübung wird bereits keine
Berufsunfähigkeitsrente gewährt.
Aber auch unter Berücksichtigung der Neufassung des § 11 Abs. 1 SVA ist im
vorliegenden Fall die Befristung unverhältnismäßig. Sie erweist sich weder als
erforderlich noch als angemessen. Weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine
begründete Aussicht besteht, dass die Berufsfähigkeit durch geeignete
Therapiemaßnahmen wieder hergestellt werden kann, ist für die zeitliche Begrenzung
der Berufsunfähigkeitsrente kein sachlicher Grund ersichtlich.
48
Bei der Beurteilung kann nicht außer acht gelassen werden, dass die von dem
Beklagten auch bei dauerhafter Berufsunfähigkeit für zulässig erachtete Befristung der
Berufsunfähigkeitsrente für den Betroffenen von erheblicher Bedeutung und mit
gewichtigen rechtlichen Nachteilen gegenüber der Gewährung einer unbefristeten
Berufsunfähigkeitsrente verbunden ist. Läuft die Bewilligungsfrist ab, so ist ein neuer
Antrag auf Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente erforderlich, den der Beklage - wie
der vorliegende Fall zeigt - nach seiner Verwaltungspraxis zum Anlass nimmt,
ausführliche Befundberichte der behandelnden Ärzte zu fordern. So hat er den Kläger
mit Schreiben vom 22.03.2005 zur Entscheidung über den Antrag auf Weitergewährung
der Berufsunfähigkeitsrente „um Vorlage ausführlicher Befundberichte der
behandelnden Ärzte" gebeten. „Aus den Befundberichten sollte eine detaillierte
Beschreibung des Krankheitsbildes, eine Aussage über den derzeitigen Gesundheits-
/Leistungszustand" und „nach Möglichkeit auch eine Prognose für die Zukunft
hervorgehen". Dokumentiert wird diese Verwaltungspraxis auch durch die vom
Beklagen im Internet veröffentlichten „Informationen zur Berufsunfähigkeitsrente"
(http://www.vw-aknrw.de/index2.htm) in denen es heißt:
49
„Die Berufsunfähigkeit für Mitglieder des Versorgungswerks wird anhand von ärztlichen
Befundberichten festgestellt. Die Befundberichte sind vom Antragsteller zusammen mit
dem formellen Antrag einzureichen."
50
Damit wird den Betroffenen auch bei bereits festgestellter Berufsunfähigkeit eine
Darlegungslast aufgebürdet, die zudem im Hinblick auf die verlangten ausführlichen
Befundberichte mit detaillierter Beschreibung des Krankheitsbildes (qualifizierte
Bescheinigungen) mit Kosten für den Antragsteller verbunden sein dürfte. Muss der
Betroffene die Fortdauer seiner Berufsunfähigkeit darlegen, so führt dies bei
Unerweislichkeit der anspruchsbegründenden streitigen Tatsache nach den Regeln der
Beweislast dazu, dass er neben der Darlegungslast auch die Beweislast für die
Fortdauer der Berufsfähigkeit tragen würde, weil er aus ihrem Vorliegen eine günstige
Rechtsfolge für sich herleiten möchte. Dies mag in dem Fall sachgerecht erscheinen, in
dem bei erstmaliger Feststellung der Berufsunfähigkeit eine gewisse Wahrscheinlichkeit
dafür spricht, dass die Leistungsfähigkeit des Betroffenen während des Rentenbezugs
wiederhergestellt oder zumindest gebessert werden kann. Gerade bei chronifizierten
Erkrankungen, bei denen nach fachmedizinischer Beurteilung nichts oder nur äußerst
wenig dafür spricht, dass eine wesentliche Besserung des Krankheitsbildes erreicht
werden kann, erscheint jedoch die zeitliche Begrenzung der Berufsunfähigkeitsrente als
51
nicht mehr von sachlichen Erwägungen getragen. Vielmehr drängt sich in einem
derartigen Fall der Verdacht auf, dass es dem Rententräger vorwiegend darum geht,
sich von lästigen Ermittlungen oder den Kosten ggf. zu veranlassender Vorermittlungen
zu befreien und sich für den Streitfall eine prozessual bessere Ausgangslage mit
günstiger Beweislastverteilung zu verschaffen.
Wird nämlich die Berufsunfähigkeitsrente ohne zeitliche Begrenzung gewährt, so ergibt
sich eine andere Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Zwar endet eine
unbefristet gewährte Berufsunfähigkeitsrente gemäß § 11 Abs. 4 a) SVA mit dem Monat,
in dem die Berufsunfähigkeit fortfällt. Da ohne eine entsprechende Feststellung aber die
Rente weiter zu gewähren ist, obliegt es in diesem Falle dem Beklagten, den Fortfall der
Berufsunfähigkeit, also die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit darzulegen und zu
beweisen. Dies bedeutet, dass er ggf. initiativ werden und zunächst Anhaltspunkte für
eine teilweise oder vollständige Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit ermitteln
muss. Hierdurch wird dem Beklagten nichts Unmögliches aufgebürdet. Denn gemäß §
11 Abs. 2 S. 2 SAV ist das Mitglied verpflichtet, sich nach den Weisungen des
Verwaltungsausschusses untersuchen und beobachten zu lassen. Wenn der
Bezugsberechtigte sich einer angeordneten Nachuntersuchung nicht unterzieht, endet
die Berufsunfähigkeitsrente ebenfalls, vgl. § 11 Abs. 4 d) SAV. Auch unterliegt die
Beendigung der Berufsunfähigkeitsrente keinen sonstigen Beschränkungen.
Insbesondere bedarf es nicht des Widerrufs oder der Rücknahme der Bewilligung.
Ausreichend ist vielmehr ein entsprechender, den Fortfall der Berufsunfähigkeit
feststellender Verwaltungsakt. Unterzieht sich aber das betroffene Mitglied der
geforderten Nachuntersuchung und lässt sich eine wesentliche Verbesserung des
Gesundheitszustandes bzw. der Leistungsfähigkeit nicht mit der erforderlichen
Gewissheit nachweisen, so dürfte dies zu Lasten des Beklagten gehen.
52
Die unterschiedlichen Folgen bei der Darlegungs- und Beweislast zeigen aber auch,
dass der Beklagte nicht beliebig und willkürlich die Zahlung befristen darf, sondern nur,
wenn sachliche Gründe dafür vorliegen. An derartigen sachlichen Gründen fehlt es
vorliegend.
53
Wie die vom Gericht beauftragte Sachverständige C in ihrem Gutachten vom 27.08.07
nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt hat, hat sich der Gesundheitszustand des
Klägers gegenüber der Voruntersuchung durch Dr. I1 von November 2003 trotz der
laufenden Therapie sogar verschlechtert. Die Sachverständige hält den Kläger „in
keinster Weise" für in der Lage, eine Tätigkeit als Architekt, ganz oder teilweise, „oder
überhaupt eine Tätigkeit unter arbeitsmarktüblichen Bedingungen auszuführen". Sie
begründet dies mit gravierenden Störungen insbesondere der Selbststeuerungsfähigkeit
und der Konzentrationsfähigkeit, wobei jede zusätzliche Belastung zu einer drastischen
Verschlechterung im Gesundheitszustand führen könnte, möglicherweise mit erneuter
psychotischer Entgleisung. Die festgestellten Gesundheitsstörungen seien so
schwerwiegend, dass sie die Wahrnehmung von Berufsaufgaben nach dem
Baukammergesetz zwangsläufig ausschließen müssten, auch um Gefahren für andere
auszuschließen. Es bestehe überhaupt keine Anpassungs- und Integrationsfähigkeit
und soziale Kompetenz, mit anderen in angemessener Weise zu kommunizieren. Bei
der Erkrankung handele es sich um ein sog. Residualsyndrom einer paranoiden
Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Neben der sog. Minussymptomatik,
also einem ausgeprägten Rückzugverhalten mit dem Ziel, sich vor Überflutung von
Reizen von außen zu schützen, um nicht wieder zu dekompensieren, hätten sich im
Falle des Klägers weitere deutliche Beeinträchtigungen entwickelt. Neben der
54
herabgesetzten Steuerungsfähigkeit seien dies ein Initiativmangel,
Konzentrationsschwäche mit erhöhter Irritabilität und Ablenkbarkeit bis hin zu
Denkstörungen mit Zerfahrenheit, Gedankenabreißen und kompensatorisch erhöhtem
Redefluss. Zudem bestehe ein autistisches Verhalten mit maximalem sozialen Rückzug.
Feindseligkeit, Reizbarkeit, das Gespannt-Sein, die Frustrationsintoleranz und
Konfliktunfähigkeit seien bei der Exploration am 03.07.2007 eindrücklich gewesen. Die
Sachverständige hält den Kläger für maximal integrierbar in eine kleine Fördergruppe im
Rahmen einer Werkstatt für Behinderte. Ausdrücklich führt sie aus, sie könne nicht
erkennen, dass überhaupt Leistungsfähigkeit bestehen soll und dass in Anbetracht des
Verlaufs, der erfolgten therapeutischen Bemühungen noch begründete Aussicht
bestehe, dass die festgestellte Minderung der Leistungsfähigkeit in absehbarer Zeit
behoben werden könnte. Ausdrücklich erklärt die Gutachterin, von einem
„Dauerzustand" auszugehen.
Ihre Feststellungen, insbesondere auch hinsichtlich der fehlenden Aussichten einer
Behebung der Leistungsminderung, die sie aufgrund eigener Untersuchung unter
Abgleich mit den Feststellungen des behandelnden Arztes Dr. T getroffen hat, werden
von der Sachverständigen schlüssig und überzeugend begründet. Für die Sorgfalt der
Vorgehensweise der Sachverständigen bei der Begutachtung spricht, dass sie die von
ihr bei der Untersuchung erhobenen Befunde nicht unüberprüft gelassen hat, sondern
erst bei einer Rücksprache mit dem behandelnden Arzt abgeglichen und sodann für
repräsentativ erklärt hat. Zur ihrer Einschätzung, dass keine begründete Aussicht auf
Wiedererlangung der Berufsfähigkeit bestehe, führt sie unter Heranziehung von
medizinischen Lehrmeinungen aus, dass Residualsyndrome nicht unbedingt an sich
irreversibel seien, dass sie aber dann, wenn eine Residualsymptomatik länger als drei
Jahre bestehe, in der Regel nicht mehr rückbildungsfähig seien. Bei dem Kläger sei die
Symptomatik schon seit vier Jahren dokumentiert. Hinzu komme, dass sie sich trotz der
laufenden Therapie sogar verschlechtert habe. Die Sachverständige verweist darauf,
dass der Kläger allen Empfehlungen seiner behandelnden Ärzte nachgekommen sei,
sich einer Gruppentherapie und einer einzelverhaltenstherapeutischen Behandlung
sowie psychopharmakologischer Behandlung unterzogen habe, jedoch der einzig
erreichte Behandlungserfolg darin bestehe, dass es nur ein einziges mal zu einer
stationären Aufnahme des Klägers gekommen sei.
55
Diese Feststellungen der Sachverständigen werden durch die Einwendungen des
Beklagten und die von ihm vorgelegten privatgutachterlichen Stellungnahmen nicht
erschüttert. Dr. T1 räumt in seiner fachärztlichen Stellungnahme vom 05.09.2007 ein,
dass bei dem aktuell bestehenden Störungsbild eine Rehabilitationsmaßnahme, wie
noch in der früheren Stellungnahme vom 07.09.2005 vorgeschlagen, nicht für
zielführend gehalten werde, da der Kläger derzeit durch die weitere Verschlechterung
des psychopathologischen Zustandsbildes nicht die Voraussetzungen für eines solche
Maßnahme mitbringe. Damit wird auch von Dr. T1 die Tatsache der eingetretenen
Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht bestritten. Allerdings führt der
Privatgutachter die Verschlechterung des Gesundheitszustandes auf den Mangel einer
adäquaten, konsequenten und zielführenden Therapie in der Vergangenheit zurück.
Abgesehen von einer pharmakologischen Behandlung mit alternativen Neuroleptika
nennt Dr. T1 aber keine konkrete Therapiemaßnahme, die in der Vergangenheit
empfehlenswert gewesen wäre, vom Kläger aber nicht in Anspruch genommen worden
ist und auch derzeit noch oder in absehbarer Zukunft erfolgsversprechend wäre. Der
allgemeine Verweis auf eine vollstationäre Therapie ist insoweit wenig überzeugend,
weil der Privatgutachter selbst ausführt, dass in Übereinstimmung mit dem
56
behandelnden Arzt das Vermeiden einer stationären Einweisung und das Fortführen der
bisherigen ambulanten Behandlung als Erfolg zu werten sei. Gewichtiger scheint
zunächst der Einwand zu wiegen, die verabreichte Medikation sei im unteren bis
mittleren Dosisbereich erfolgt; die Dosis hätte ggf. erhöht werden müssen. Bei einer
adäquaten und ausreichend dosierten Medikation sei während des stationären
Aufenthaltes eine Verbesserung der Symptomatik zu erreichen gewesen. Außerdem sei
die Medikation offensichtlich nie auf alternative Präparate umgestellt worden. Bei nicht
ausreichender Wirksamkeit des Medikaments stünden andere moderne und
hochpotente Neuroleptika zur Verfügung. Schließlich sei zu hinterfragen, ob die erneute
psychische Dekompensation auf einer vorübergehenden Nichteinnahme des
Medikaments Solian beruhe. Blutspiegelkontrollen seien offenbar nicht durchgeführt
worden.
Indessen erscheint der Rückschluss von fehlendem Behandlungserfolg auf eine zu
niedrige Dosierung oder Nichteinnahme des Medikaments spekulativ, wenn vom
behandelnden Arzt - wie hier - ausdrücklich bestätigt wird, dass der Patient mit Solian
gut eingestellt sei. Hat der behandelnde Arzt keine Anhaltpunkte für eine Nichteinnahme
oder jedenfalls unzuverlässige und unregelmäßige Einnahme des Medikaments, so
kann es nicht zu Lasten des Klägers gehen, wenn Kontrollen des Blutspiegels in der
Vergangenheit nicht durchgeführt worden sind und demgemäß eine Dokumentation des
Blutspiegels für vergangene Behandlungszeiträume nicht vorgelegt werden kann.
57
Darüber hinaus wendet der den Kläger behandelnde Arzt Dr. T ein, dass es keinen
festzustellenden Blutspiegel gibt, der einen Heilungserfolg garantiere. Die Dosierung
des Medikaments liege im Allgemeinen zwischen 100 und 800 mg, wobei die höhere
Dosis vor allem bei akuter Symptomatik stationär gegeben werde. Es sei nicht
ungewöhnlich, dass bei kleinen Belastungen floride psychotische Symptome auftreten
könnten, was bei dem Kläger der Fall sei. Dem könne jedoch durch die Dosiserhöhung
und Krisenintervention begegnet werden, wobei die akute Symptomatik innerhalb von
Tagen habe gebessert werden können. Im Übrigen mache die neuroleptische Therapie
nur einen kleinen Teil der gesamten Therapie aus. Die stützende psychosoziale
Begleitung sei das Wesentliche in der Behandlung von Schizophrenen. Bei Zuspitzung
der Erkrankung mit psychotischen Symptomen würden von ihm auch stärkere und
andere Neuroleptika eingesetzt. Zudem sei abzuwägen, dass die Höherdosierung oder
Umsetzung auf andere, stärkere Neuroleptika mit entsprechenden möglichen
erheblichen Nebenwirkungen verbunden sei, die wiederum besonders die kognitiven
Fähigkeiten des Patienten einschränken würden.
58
Den Eintritt von unerwünschten Nebenwirkungen macht der Kläger bereits bezüglich
der gegenwärtigen Dosierung des Medikaments geltend. Seine Darlegungen zu den bei
ihm auftretenden Nebenwirkungen erscheinen dem Gericht nachvollziehbar und
insgesamt glaubhaft. Vor diesem Hintergrund erscheint der Versuch einer
Höherdosierung des verabreichten Medikaments nicht zumutbar.
59
Soweit von Dr. T1 die diagnostische Einschätzung seitens der Sachverständigen und
des behandelnden Arztes angezweifelt wird, kann dahingestellt bleiben, ob es für diese
Zweifel eine tragfähige Grundlage gibt. Anknüpfungspunkt für eine Befristung der Rente
ist die prognostische Beurteilung des möglichen Heilungsverlaufs. Hierzu führt zwar der
Privatgutachter aus, dass eine episodisch verlaufende schizophrene Störung
entsprechend den aktuell gültigen Leitlinien mit verschiedenen pharmakologisch
gestützten Therapien zu behandeln sei. Indessen werden - abgesehen von der bereits
60
oben erörterten pharmakologischen Behandlung - konkrete Therapiemöglichkeiten, die
von den bisher ergriffenen Behandlungsmaßnahmen abweichen würden, vom
Privatgutachter nicht aufgezeigt.
Nach alledem besteht im Falle des Klägers keine begründete Aussicht für eine
Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit in bezug auf die Berufsaufgaben eines
Architekten. Die entfernte Möglichkeit, dass bei optimalem Therapieverlauf
„irgendwann", in nicht überschaubarer Zukunft noch eine wesentliche Besserung des
Gesundheitszustandes eintreten könnte, rechtfertigt nicht die zeitliche Begrenzung der
Berufsunfähigkeitsrente. Eine andere Auslegung von § 11 Abs. 3 S. 2 SVA würde dazu
führen, dass die befristete Berufsunfähigkeitsrente die Regel wäre, und eine unbefristete
Berufsunfähigkeitsrente nur in Ausnahmefällen zu bewilligen wäre.
61
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
62
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709
ZPO.
63
Das Gericht hat die Berufung gemäß §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 S. 1 ZPO
zugelassen, weil sich im vorliegenden Fall die entscheidungserhebliche Frage stellt,
welche Maßstäbe bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der zeitlichen Begrenzung
einer Berufsunfähigkeitsrente nach der Satzung des Beklagten anzuwenden sind und
weil die Beantwortung dieser Frage Auswirkungen über den Einzelfall hinaus hat.
64
65