Urteil des VG Berlin vom 04.10.2010

VG Berlin: überwiegendes öffentliches interesse, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, verordnung, aufschiebende wirkung, lebensmittel, vollziehung, anschluss, begriff, verfügung, gefahr

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Gericht:
VG Berlin 14.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
14 L 285.10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 80 Abs 3 S 1 VwGO, § 80 Abs 5
VwGO, § 39 Abs 2 LFGB, Art 2
EGV 852/2004, Art 4 Abs 2
Anhang II Kap I Nr 4 EGV
852/2004
Einstweiliger Rechtsschutz gegen Anschlusszwang
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid
des Bezirksamts Reinickendorf von Berlin, Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt,
vom 4. Oktober 2010 – GesVetLeb 4093-5889 – wird wiederhergestellt bzw. hinsichtlich
der in diesem Bescheid ausgesprochenen Zwangsgeldandrohungen angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
Mit ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz begehrt die Antragstellerin die
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 26. Oktober
2010 gegen die mit Bescheid des Bezirksamts Reinickendorf von Berlin vom 4. Oktober
2010 verfügte Anordnung, ihren am Wilhelmsruher Damm 97 gelegenen Imbissstand an
das öffentliche Trinkwassernetz anzuschließen und eine ordnungsgemäße Ableitung der
Abwässer - beispielsweise in Gestalt eines Sammeltankes, andernfalls durch Anschluss
an das öffentliche Abwassernetz – sicherzustellen, sowie die Anordnung der
aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der in dem Bescheid enthaltenen
Zwangsgeldandrohungen.
Der Antrag ist mit diesem Inhalt zulässig (§ 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 4 VwGO
bzw. hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung i. V. m. § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und § 4 Abs.
1 Satz 1 AGVwGO) und begründet.
I. Bezüglich der angeordneten Verpflichtung zum Anschluss an das öffentliche
Trinkwassernetz und zur ordnungsgemäßen Abwasserableitung folgt dies daraus, dass
die insoweit angeordnete sofortige Vollziehung nicht in einer den Erfordernissen des § 80
Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise separat begründet worden ist (1.) und zudem
die Erfolgsaussichten des Widerspruchs offen sind (2.), ein überwiegendes öffentliches
Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Anordnung indes nicht
besteht (3.).
1. Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung lediglich damit
begründet, dass ein fester Trinkwassernetzanschluss und eine ordnungsgemäße
Entsorgung der Abwässer für eine gute Lebensmittelhygienepraxis unabdingbar seien,
da in stehendem Wasser eine Keimvermehrung auftreten, diese die verwendeten
Lebensmittel und Bedarfsgegenstände kontaminieren und daher eine
Gesundheitsgefährdung der Verbraucher nicht ausgeschlossen werden könne.
Dies genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht, wonach im Fall der
behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung das besondere Interesse an dieser
schriftlich zu begründen ist. Die Begründungspflicht verfolgt den Zweck, der Behörde den
Ausnahmecharakter ihrer vom gesetzlichen Leitbild der aufschiebenden Wirkung eines
Rechtsmittels (vgl. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) abweichenden Entscheidung zu
verdeutlichen, und muss daher eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung
dafür enthalten, warum das grundsätzlich schützenswerte Interesse des Adressaten, von
dem von ihm bekämpften Verwaltungsakt zunächst nicht betroffen zu sein, hinter ein
dieses überwiegendes öffentliches Interesse zurückzutreten hat.
Daran fehlt es hier, weil sich die vom Antragsgegner gegebene Begründung darin
erschöpft, die potentielle Gefährdungslage („kann … nicht ausgeschlossen werden“)
wiederzugeben, die bereits Voraussetzung für den Erlass der Anordnung selbst ist, ohne
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wiederzugeben, die bereits Voraussetzung für den Erlass der Anordnung selbst ist, ohne
sich mit der Erheblichkeit und Dringlichkeit dieser Gefahr einerseits und dem Ausmaß
der Belastung der Antragsstellerin durch die vorgezogene Wirksamkeit der mit
erheblichen Umsetzungskosten verbundenen Anordnung andererseits
auseinanderzusetzen.
2. Die Erfolgsaussichten des Widerspruchs erweisen sich bei der im vorliegenden
Verfahren nur möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage
überdies als offen.
Ob die auf § 39 Abs. 2 Satz 1 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und
Futtermittelgesetzbuches – LFGB – i. d. F. v. 24. Juli 2009 (BGBl. I 2205 i.V.m. Art. 1 § 2
Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung von Vorschriften des gemeinschaftlichen
Lebensmittelhygienerechts, d.h. auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 der Lebensmittelhygiene-
Verordnung – LMHV – vom 8. August 2007 (BGBl. I 1816) sowie Anhang II, Kapitel 1 Nr. 4
und 8 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (ABl. L 139 S. 1) gestützte Anordnung
rechtmäßig ist, muss einer Überprüfung im Widerspruchs- und ggf. im Klageverfahren
überlassen bleiben.
Nach § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB treffen die zuständigen Behörden die notwendigen
Anordnungen und Maßnahmen unter anderem zur Beseitigung festgestellter Verstöße.
Verstöße sind solche im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 LFGB, der als Aufgabe der
Behörden die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes, der auf
Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und der unmittelbar geltenden
Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft definiert, zu denen auch die Vorschriften der
Verordnung (EG) Nr. 852/2004 und der LMHV zählen.
Ob diese Anordnungsbefugnis unmittelbar bauliche Veränderungen zum Gegenstand
haben kann oder ob die Lebensmittelaufsichtsbehörde darauf beschränkt ist, bei von ihr
konstatierten Mängeln der baulichen Beschaffenheit oder der betrieblichen Ausstattung
typisch lebensmittelrechtliche Anordnungen zu treffen, wie sie beispielhaft in § 39 Abs. 2
Satz 2 LFGB in dem nachfolgenden Katalog aufgelistet sind, wird im
Hauptsacheverfahren zu klären sein.
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung ergeben sich bei summarischer Prüfung
zudem aus der Frage, ob sich aus den vom Antragsgegner zur Begründung seiner
Anordnung angeführten Vorschriften eine Verpflichtung zum Anschluss an das
Trinkwassernetz (a.) und eine veränderte Ableitung der Abwässer (b.) herleiten lässt.
a. Der ausweislich des vorausgegangenen Rechtsstreites - VG 14 A 210.08 - zwischen
dem Antragsgegner und dem Vorbesitzer jedenfalls seit dem Jahr 2008 an dieser Stelle
befindliche Imbissstand ist als ortsfest anzusehen, so dass der Antragstellerin die in
Anhang II Kap. III der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 für ortsveränderliche bzw. nicht
ständige Betriebsstätten vorgesehenen Abmilderungen der sonstigen in der Verordnung
geregelten Anforderungen nicht zugutekommen.
Jedoch ist, wie die Kammer bereits in früheren Verfahren (vgl. zuletzt Beschluss vom 12.
Januar 2009 – VG 14 A 110.08 –) ausgeführt hat, der genannten Verordnung auch für
ortsfeste Betriebsstätten das Erfordernis eines Anschlusses an das örtliche
Trinkwasserversorgungsnetz nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen.
Das gilt zunächst für die vom Antragsgegner angeführten Bestimmungen des Anhangs II
Kap. I Nr. 4 der Verordnung. Danach müssen in Betriebsstätten, in denen mit
Lebensmitteln umgegangen wird, an geeigneten Standorten genügend
Handwaschbecken vorhanden sein, die mit Warm- und Kaltwasserzufuhr ausgestattet
sind. Eine Verpflichtung, diese Warm- und Kaltwasserzufuhr mittels Anschlusses an das
örtliche Trinkwasserleitungsnetz herzustellen, enthält die Regelung jedoch nicht. Gleiches
gilt im Übrigen für den vom Antragsgegner weiter in Bezug genommenen § 2 Abs. 2 Nr.
1 LMHV, der keine eigenständigen Vorgaben, sondern lediglich einen Verweis auf die
Begriffsbestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 enthält.
Etwas anderes folgt auch nicht aus den weiteren Bestimmungen dieser Verordnung.
Für Räume, in denen – wie hier – Lebensmittel zubereitet werden, müssen nach Anhang
II Kap. II Nr. 2 erforderlichenfalls geeignete Vorrichtungen zum Reinigen, Desinfizieren
und Lagern von Arbeitsgeräten vorhanden sein, ferner u. a. eine angemessene Warm-
und Kaltwasserzufuhr, und nach Nr. 3 müssen erforderlichenfalls geeignete
Vorrichtungen zum Waschen der Lebensmittel vorhanden sein, die im Einklang mit den
Vorschriften des Kapitels VII über eine angemessene Zufuhr von warmem und/oder
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Vorschriften des Kapitels VII über eine angemessene Zufuhr von warmem und/oder
kaltem Trinkwasser verfügen und sauber gehalten sowie erforderlichenfalls desinfiziert
werden. Kapitel VII Nr. 1a sieht hierzu vor, dass in ausreichender Menge Trinkwasser zur
Verfügung zu stehen hat, um zu gewährleisten, dass Lebensmittel nicht kontaminiert
werden. Weder aus dem Begriff des „Trinkwassers“ noch aus dem der „Zufuhr“ folgt
indes, dass diesen Vorgaben nur mit einem Anschluss an die örtliche
Trinkwasserversorgung entsprochen werden kann.
Die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 definiert den Begriff des „Trinkwassers“ in Art. 2 Abs.
1 Buchst. g. Danach muss das Wasser den Mindestanforderungen der Richtlinie
98/83/EG des Rates vom 3. November 1998 über die Qualität von Wasser für den
menschlichen Gebrauch (ABl. L 330, Seite 32, zuletzt geändert durch die Verordnung
(EG) Nr. 596/2009, ABl. L 188, S. 14) entsprechen. Da Art. 2 Nr. 1 Buchst. a dieser
Richtlinie von „Wasser zum menschlichen Gebrauch“ explizit auch dann spricht, wenn
Wasser nicht aus einem Verteilungsnetz, sondern z. B. aus Tankfahrzeugen, Flaschen
oder anderen Behältern bereit gestellt wird, und in Übereinstimmung hiermit auch die
zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassene Verordnung über die Qualität von Wasser für
den menschlichen Gebrauch - Trinkwasserverordnung - vom 21. Mai 2001 (BGBl. I Seite
959), zuletzt geändert durch Art. 363 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I
Seite 2407), demgemäß zu Recht in § 3 Nr. 1 Buchst. a „Trinkwasser“ nach seiner
Funktion insbesondere zum Trinken, zum Kochen, zur Zubereitung von Speisen und
Getränken sowie zu weiteren häuslichen Zwecken definiert, ist grundsätzlich davon
auszugehen, dass den in der EG-Richtlinie und in den §§ 5 ff. der Trinkwasserverordnung
aufgestellten mikrobiologischen und chemischen Anforderungen grundsätzlich auch
anders als durch die Verwendung von Leitungswasser genügt werden kann.
Ebenso wenig lässt sich aus dem Begriff der „Zufuhr“ von Wasser darauf schließen, dass
die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 damit die Anbindung an ein Versorgungsnetz im Blick
hat. Sie schreibt auch für ortsveränderliche und/oder nicht ständige Betriebsstätten in
Anhang II Kap. III Nr. 2 Buchst. e „erforderlichenfalls“ die „Zufuhr einer ausreichenden
Menge an warmem und/oder kaltem Trinkwasser“ vor, obwohl gerade bei mobilen
Einrichtungen nicht regelmäßig von der Möglichkeit eines Anschlusses an ein
Versorgungsnetz ausgegangen werden kann. Dies lässt darauf schließen, dass die
Verordnung (EG) Nr. 852/2004 den Begriff der „Zufuhr“ von Wasser bzw. Trinkwasser in
der Bedeutung von „Nachschub“ bzw. „Versorgung“ verwendet. Soweit das
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 5. Juli 2007 - OVG
5 S 54.07 - noch eine abweichende Auffassung vertreten hatte, bezog sich die
Entscheidung auf die frühere Fassung der Lebensmittelhygieneverordnung vom 5.
August 1997 (BGBl. I S. 2008), – anders nunmehr im Beschluss vom 12. Mai 2009 (OVG
5 S 1.09) in welchem diese Frage in Bezug auf die heutige Rechtslage ausdrücklich offen
gelassen wird –, und beruhte maßgeblich auf der Erwägung, dass der Begriff der
„Zufuhr“ darin lediglich bei den Anforderungen an stationäre Einrichtungen verwandt
werde. Diese frühere Lebensmittelhygieneverordnung ist jedoch durch die unmittelbar
geltenden Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 seit deren Inkrafttreten
abgelöst und inzwischen zudem durch Art. 24 Nr. 5 der Verordnung zur Durchführung
von Vorschriften des gemeinschaftlichen Lebensmittelrechts vom 8. August 2007 (BGBl.
I Seite 1816) auch ausdrücklich aufgehoben worden. Mit einem „untechnischen“
Verständnis des Begriffs der „Zufuhr“ von Wasser bzw. Trinkwasser, wie er in der
deutschen Fassung der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 verwendet wird, ist im Übrigen
auch dem Umstand Rechnung getragen, dass in der französischen Fassung der
betreffenden Bestimmungen (vgl. JO L 139/1) von „alimentation adéquate“ bzw. davon
die Rede ist, dass es in ausreichender Menge vorgehalten werden muss („doit être
prévue en quantité suffisante“), und dass in der englischen Fassung von „adequate
supply“ gesprochen wird (vgl. OJ L 226/3).
Es spricht nach alledem viel dafür, dass die Antragstellerin hinsichtlich der erforderlichen
Versorgung mit Trinkwasser den erwähnten gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben dadurch
genügt, dass sie die Zubereitung von Lebensmitteln und die Reinigung von mit
Lebensmitteln in Berührung kommenden Arbeitsgeräten nach eigenen Angaben
ausschließlich mit gekauftem Trinkwasser vornimmt.
Zwar hat der Antragsgegner anlässlich seiner Kontrolle am 15. November 2010 neben
16 originalverschlossenen gekauften 5-Liter-Wasserbehältern auch sechs mit
Leitungswasser aus dem Wasserhahn des Personal-WCs nachgefüllte 5-Liter-
Wasserbehälter vorgefunden. Der maßgeblichen Behauptung der Antragstellerin, dass
dieses Leitungswasser ausschließlich zum Wischen des Bodens verwendet werde, die
Zubereitung von Lebensmitteln und die Reinigung von mit Lebensmitteln in Berührung
kommenden Arbeitsgeräten hingegen ausschließlich mit dem gekauftem Trinkwasser
erfolge, ist der insoweit darlegungsverpflichtete Antragsgegner jedoch nicht substantiiert
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erfolge, ist der insoweit darlegungsverpflichtete Antragsgegner jedoch nicht substantiiert
entgegengetreten. Worauf sich seine entgegenstehende Feststellung in dem
angefochtenen Bescheid stützt, lässt sich dem Verwaltungsvorgang nicht entnehmen,
da die am 19. August 2010 erfolgte Erstkontrolle ersichtlich nicht protokolliert worden ist.
Auch im Rahmen der Zweitkontrolle am 15. November 2010 wurde eine anderweitige
Verwendung des Leitungswassers nicht festgestellt, sondern vielmehr protokolliert, dass
das extern entnommene Leitungswasser zum Wischen des Bodens diene, und im
Übrigen lediglich bemerkt, dass nicht nachvollzogen werden könne, welches Wasser für
welche Tätigkeiten verwendet werde und woher das in den Boiler eingespeiste Wasser
stamme. Selbst wenn die von der Antragstellerin behauptete Kennzeichnung der mit
Leitungswasser gefüllten Behälter durch schwarze Kreuze erst im Nachgang der
Zweitkontrolle vorgenommen worden sein sollte – wofür spricht, dass sie sich auf den
vom Antragsgegner am 15. November 2010 gefertigten Fotos nicht nachvollziehen lässt
–, bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die gesonderte Verwendung
von gekauftem Trinkwasser und Leitungswasser – zumindest nunmehr - in der Praxis
nicht stattfindet, was bei der Entscheidung über den Widerspruch zu beachten sein wird.
Soweit der Antragsgegner darüber hinaus einwendet, dass im Falle einer durch den
Lebensmittelunternehmer selbst vorgenommenen Trinkwasserzuführung die hygienische
Qualität des Wassers schon bei geringen Nachlässigkeiten in der Handhabung nicht
mehr sichergestellt sei und derartige Nachlässigkeiten vorliegend schon deshalb zu
befürchten seien, weil der Frischwasserkanister des Boilers äußerlich verschmutzt sei, er
neben dem Abwasserkanister stehe und die Nachkontrolle sonstige gravierende
Hygienemängel ergeben habe, rechtfertigt dies keine andere Bewertung. Eine
Verunreinigung des im Boiler, in dessen Frischwasserkanister und in den
Kaffeemaschinen befindlichen oder des sonst zur Zubereitung von Lebensmitteln
verwendeten Wassers hat der Antragsgegner bislang nicht festgestellt. Die sonstigen der
Antragstellerin im Rahmen der Zweitkontrolle vorgehaltenen Hygienemängel sind indes
von der Frage der Anbindung an die öffentliche Wasserversorgung unabhängig und nicht
Gegenstand der vorliegend streitbefangenen Anordnung. Ein bloßer Gefahrenverdacht
rechtfertigt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit keine Anordnung der
Gefahrbeseitigung, sondern lediglich eine weitere Gefahrerforschung. Insoweit kann der
Antragsgegner durch die weniger einschneidende Maßnahme der regelmäßigen
Beprobung des Wassers, das bei der Zubereitung von Lebensmitteln und der Reinigung
mit Lebensmitteln in Berührung kommender Arbeitsgeräte zur Anwendung gelangt,
dessen Trinkwasserqualität überwachen und sicherstellen.
Unter diesen Umständen muss auch die Frage, ob der Antragsgegner seine Anordnung
statt dessen auf die in § 3 Satz 1 LMHV benannten allgemeinen Hygieneanforderungen
stützen könnte, weil infolge des von der Antragstellerin praktizierten Kanistersystems die
im Imbissstand in den Verkehr gebrachten Lebensmittel anderenfalls der Gefahr einer
nachteiligen Beeinflussung ausgesetzt wären, eher verneint als bejaht werden.
b. Ebenfalls zweifelhaft ist, ob die Antragstellerin, wie vom Antragsgegner gefordert,
verpflichtet ist, eine ordnungsgemäße Ableitung der Abwässer beispielsweise dadurch
sicherzustellen, dass unter Beachtung der Vorgaben des Bauamtes und der Berliner
Wasserbetriebe die Ableitung in einen Sammeltank von mindestens 300 Litern
Fassungsvermögen erfolgt, der von einer zugelassenen Fachfirma geleert wird, und
andernfalls einen Anschluss an das öffentliche Abwassernetz vorzunehmen.
Die vom Antragsgegner in Bezug genommene Vorschrift in Anhang II, Kapitel 1 Nr. 8 der
Verordnung (EG) Nr. 852/2004 gibt lediglich vor, dass Abwasserleitungssysteme
zweckdienlich und so konzipiert und gebaut sein müssen, dass jedes
Kontaminationsrisiko vermieden wird. Auch aus dem Regelungszusammenhang lässt
sich nicht ohne weiteres schließen, dass hierfür allein ein Sammeltank von mindestens
300 Litern oder ein fester Anschluss an das Abwassernetz in Betracht kommen.
Vielmehr dürfte der vom Antragsgegner befürchteten Gefahr des Überlaufens von
Abwässern in der Spüle durch einen regelmäßigen Austausch eines vollen gegen eine
leeren Abwasserkanister Rechnung getragen werden können, ohne dass es zusätzlicher
Anordnungen bedarf. Auch ein versehentliches Überlaufen des Abwasserkanisters liegt
fern, da das durch die Spüle abfließende Wasser im wesentlichen aus dem Boiler
stammen dürfte, dessen Frischwasserkanister nur 10 Liter, der Abwasserkanister indes
15 Liter fasst, und im Zuge der Frischwassernachfüllung stets auch der
Abwasserfüllstand in den Blick gerät.
Aus den gleichen Gründen muss auch die Frage, ob der Antragsgegner seine Anordnung
eines Anschlusses an das Trink- und Abwasserleitungsnetz mit Recht auf die in § 3 Satz
1 LMHV benannten allgemeinen Hygieneanforderungen stützen kann, weil die vom
Antragsteller in den Verkehr gebrachten Lebensmittel anderenfalls der Gefahr einer
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Antragsteller in den Verkehr gebrachten Lebensmittel anderenfalls der Gefahr einer
nachteiligen Beeinflussung ausgesetzt wären, einer weiteren Klärung im Widerspruchs-
und ggf. im Klageverfahren vorbehalten bleiben.
3. Im Rahmen der gebotenen Abwägung der widerstreitenden Interessen ist ein
überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung nicht
festzustellen. Weder hat der Antragsgegner eine bestehende konkrete
Gesundheitsgefährdung der Verbraucher durch eine nachteilige Beeinflussung der im
Imbissbetrieb der Antragstellerin verkauften Lebensmittel dargelegt noch ist eine solche
ohne weiteres erkennbar. Eine Verunreinigung des zur Zubereitung von Lebensmitteln
und zur Reinigung von mit Lebensmitteln in Berührung kommenden Arbeitsgeräten
verwendeten Wassers oder der angebotenen Lebensmittel hat der Antragsgegner nicht
festgestellt. Der Hinweis auf eine eventuelle Verkeimungsgefahr bei stehendem Wasser
vermag schon angesichts des geringen Fassungsvolumens von Boiler und
Frischwasserkanister und des dadurch bedingten häufigen Nachfüllens nicht zu
überzeugen. Ferner hat der Antragsgegner die Darstellung der Antragstellerin, dass das
abgefüllte Leitungswasser ausschließlich zu Reinigungszwecken zur Anwendung komme,
nicht hinreichend widerlegt. Auch im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin keine
zubereiteten Produkte anbietet, bei denen die Lebensmittel zuvor gewaschen werden
müssten, und davon auszugehen ist, dass sie Einweggeschirr verwendet, ist das
Vorliegen einer konkreten Gesundheitsgefährdung durch Kontamination mit
Krankheitserregern nicht erkennbar.
Soweit der Antragsgegner lediglich auf eine abstrakte Gefährdung verweist, wird dies der
gebotenen Abwägung der durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung betroffenen
widerstreitenden Interessen nicht gerecht. Im Rahmen des privaten Interesses der
Antragstellerin ist vielmehr zu berücksichtigen, dass sie durch einen Anschluss an das
Trinkwasserleitungsnetz und eine veränderte Abwasserableitung mit erheblichen Kosten
belastet würde. Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat
nach alledem das Interesse der Antragstellerin Vorrang, jedenfalls bis zur rechtskräftigen
Entscheidung im Hauptsacheverfahren von einer Vollziehung der angefochtenen
Verfügung verschont zu bleiben.
4. Von der nach § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO eröffneten Möglichkeit, die Wiederherstellung
der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches von der Auflage einer regelmäßigen
Beprobung abhängig zu machen – etwa in der Form, wie sie vom Rechtsvorgänger der
Antragstellerin und dem Antragsgegner im Rahmen der gütlichen Beilegung des
Verfahrens VG 14 A 210.08 vereinbart worden ist – sieht die Kammer ab, denn dem
Antragsgegner steht es frei, ohne Vorankündigung Proben beispielsweise aus dem Boiler
und dem Frischwasserkanister zu nehmen und aus den Messergebnissen die
gegebenenfalls erforderlichen Konsequenzen zu ziehen.
II. Danach ist auch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die in dem
angegriffenen Bescheid ausgesprochenen Zwangsgeldandrohungen anzuordnen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung
beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.
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