Urteil des VG Berlin vom 29.03.2017

VG Berlin: freies ermessen, ausnahmefall, lebensgemeinschaft, stadt, behörde, aufenthaltserlaubnis, visum, visa, vietnam, kategorie

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Gericht:
VG Berlin 5. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 K 260.09 V
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 28 Abs 1 Satz 3 AufenthG, §
77 Abs 2 AufenthG, § 2 Abs. 3 Nr
3 VwVfG, § 39 Abs 1 Satz 3
VwVfG
Visum zum Nachzug zu deutschem Ehegatten
Visum Vietnam; Ehegattennachzug; deutscher Ehegatte;
gebürtiger Vietnamese; kein Doppelstaatler/Doppelstaater;
Sicherung des Lebensunterhalts; Rente; ergänzende
Grundsicherung; in der Regel; Regelfall; Ausnahmefall;
Sollvorschrift; Ermessen; intendiertes Ermessen; freies
Ermessen
Leitsatz
§ 28 Abs 1 Satz 3 AufenthG koppelt einen gerichtlich uneingeschränkt überprüfbaren
unbestimmten Rechtsbegriff auf der Tatbestandsseite (in der Regel) mit einer intendierten
Ermessensmöglichkeit auf der Rechtsfolgenseite (soll). Im tatbestandlichen Ausnahmefall
steht der Behörde ein sogenanntes freies Ermessen zu (Abgrenzung zum Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 30.04.2009 - BVerwG 1 C 3.08 - juris, zu § 5 Abs 1 Nr 1
AufenthG).
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen
Kosten des Beigeladenen, der diese selbst trägt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist im Jahr 1943 in Vietnam geboren; seine Muttersprache ist Kantonesisch.
Er ist unter Aufgabe seiner vietnamesischen Staatsangehörigkeit Deutscher geworden
und lebt in Aus seiner Ehe mit seiner früheren, verstorbenen Frau sind drei volljährige
Kinder hervorgegangen, die ebenfalls als Deutsche in Deutschland leben. Er teilt sich mit
einer Tochter seine Wohnung. Die im Jahr 1964 geborene Klägerin zu 2. ist eine
Vietnamesin mit Muttersprache Vietnamesisch. Aus ihrer Ehe mit ihrem früheren,
verstorbenen vietnamesischen Mann ist die am 24. März 1995 geborene, ledige Klägerin
zu 3. hervorgegangen. Die Klägerinnen leben in Ho-Chi-Minh-Stadt. Dort heiratete der
Kläger am 14. April 2008 die Klägerin zu 2. Diese erwarb am 22. Oktober 2008 das
Zertifikat A1 des Goethe-Instituts („ausreichend“) und beantragte am folgenden Tag für
sich und ihre Tochter im Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland Ho-Chi-Minh-
Stadt Visa zum Familiennachzug zum Kläger. Die Beklagte und der Beigeladene
befragten am 11. Dezember 2008 die Eheleute zur gleichen Zeit zur Ermittlung des
Aufenthaltszwecks. Der Beigeladene versagte mit Schreiben vom 5. März 2009 seine
Zustimmung zur Visaerteilung mit der Begründung, eine eheliche Lebensgemeinschaft
sei nicht beabsichtigt. Die Beklagte lehnte die Erteilung der Visa mit Bescheiden des
Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland Ho-Chi-Minh-Stadt vom 10. März
2009 ab. Der Klägerin zu 2. wurde zur Begründung geschrieben, der Lebensunterhalt sei
nicht gesichert. Weiterhin habe die Auswertung der zeitgleichen Befragung erhebliche
Unterschiede in den Antworten ergeben. Es sei der Eindruck entstanden, dass es sich
nicht um eine schutzwürdige Beziehung gemäß Art. 6 GG handele. Der an die Klägerin
zu 3. gerichtete Bescheid verwies auf die ihrer Mutter gegebene Begründung. Beide
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zu 3. gerichtete Bescheid verwies auf die ihrer Mutter gegebene Begründung. Beide
Bescheide waren nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen.
Der Kläger bezieht eine Altersrente der deutschen Rentenversicherung Rheinland in
Höhe von gegenwärtig 373,29 € sowie ergänzende Grundsicherung der Stadt in Höhe
von 319,18 €. Er nahm im April 2010 eine Beschäftigung auf, die ihm monatlich 145 €
einbringt.
Die Kläger haben am 21. Oktober 2009 eine Verpflichtungsklage erhoben, die der Kläger
in der mündlichen Verhandlung für seine Person aus prozessualen Gründen
zurückgenommen hat. Die Klägerinnen führen zur Begründung ihrer Klage an, dass der
bisherige Kläger seit 30 Jahren in Deutschland lebe und seit 14 Jahren Deutscher sei. Alle
seine Verwandten mit Ausnahme seiner Schwester, die von den Klägerinnen ein paar
Straßen entfernt in Ho-Chi-Minh-Stadt wohne, lebten in Deutschland. Der bisherige
Kläger beherrsche die deutsche Sprache schlecht; der Aufbau einer intimen Beziehung
mit einer deutschsprachigen Frau sei ihm schon wegen der Sprachbarriere nahezu
unmöglich. Er habe eine neue Ehefrau gesucht. Der Kontakt sei über eine Bekannte aus
Solingen vermittelt worden. Die Klägerin zu 2. habe die Schwester ihres Ehemanns zuvor
nicht gekannt. Die Klägerinnen verweisen auf die zahlreichen Telefonate der Eheleute
miteinander und auf den drei- bis viermonatigen Besuch des bisherigen Klägers in
Vietnam über den Jahreswechsel 2009/2010. Der Ehemann habe bei seiner Schwester
gewohnt und nicht bei seiner Ehefrau, weil diese sich mit zahlreichen Geschwistern eine
beengte Wohnung teile. Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass kein Ausnahmefall
vorliege, in welchem beim Nachzug zu einem deutschen Ehemann die Sicherung des
Lebensunterhalts verlangt werden dürfe, und rügen einen Ermessensausfall der
Beklagten.
Die Klägerinnen beantragen,
die Bescheide des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland Ho-Chi-Minh-
Stadt vom 10. März 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihnen Visa zum
Familiennachzug zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte stellt unter dem Eindruck der - mithilfe einer Dolmetscherin für
Kantonesisch vorgenommenen - informatorischen Befragung des bisherigen Klägers ihre
Ansicht zurück, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft nicht bezweckt sei. Sie hält den
Ausnahmefall gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG für gegeben und sieht sich auch auf
der Grundlage der mündlichen Verhandlung durch die konkreten Lebensumstände des
Ehemanns der Klägerin zu 2. nicht veranlasst, im Ermessenswege von der Sicherung des
Lebensunterhalts abzusehen. Die Klägerin zu 3. erhalte kein Visum, weil ihre Mutter
keines beanspruchen könne. Davon abgesehen erfülle die Tochter nicht die
Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und des Beigeladenen haben vorgelegen und
sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die von den Klägerinnen zulässig erhobene Verpflichtungsklage ist unbegründet. Die
Bescheide des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland Ho-Chi-Minh-Stadt
vom 10. März 2009 sind rechtmäßig, verletzen die Klägerinnen nicht in ihren Rechten
(vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
A. Die Klägerin zu 2. erfüllt mit ihrem auf § 6 Abs. 4 in Verbindung mit §§ 27, 28 Abs. 1
Nr. 1 AufenthG gestützten Begehren, ein Visum zum Nachzug zu ihrem deutschen
Ehemann zu erhalten, immerhin die Voraussetzung, dass die Aufenthaltserlaubnis zur
Herstellung und Wahrung der familiären (ehelichen) Lebensgemeinschaft im
Bundesgebiet angestrebt wird. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung den
Eindruck gewonnen, dass der Ehemann eine Lebensgefährtin für sein fortgeschrittenes
Alter gesucht und nach seiner Überzeugung in seiner Ehefrau gefunden hat. Die
Kammer sieht auch keine auf Tatsachen gründenden Anhaltspunkte dafür, dass die
Klägerin zu 2. mit ihrer Entscheidung für einen Ehemann aus Deutschland nicht auch die
eheliche Lebensgemeinschaft mit diesem anstrebt. Die Eheleute haben jeweils eine Ehe
durchlebt. Sie scheinen bislang noch nicht vertiefte Kenntnisse voneinander zu haben.
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durchlebt. Sie scheinen bislang noch nicht vertiefte Kenntnisse voneinander zu haben.
Auch mag der Ehemann sich weniger einen umfassenden und intensiven Austausch,
mehr die gemeinsame Bewältigung des Alltags versprechen. Er hat die Frage, ob seine
Ehefrau schön sei, mit ersichtlichem Stolz bejaht. Die tatsächliche Aufnahme der jetzt
zwischen ihnen eingegangenen Ehe steht vielleicht unter der Bedingung, dass der
Nachzug nach Deutschland gelinge. Jedenfalls wäre es bloße Spekulation, dass der
Ehemann oder die Ehefrau als wahren Aufenthaltszweck nicht die eheliche
Lebensgemeinschaft sehen, sondern andere Zwecke verfolgen.
Dem Visum für die Klägerin zu 2. steht entgegen, dass der Lebensunterhalt nicht
gesichert ist. Das ist eine in der Regel verlangte Voraussetzung aus § 5 Abs. 1 Nr. 1
AufenthG. Der Lebensunterhalt eines Ausländers ist gesichert, wenn er ihn einschließlich
ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel
bestreiten kann (siehe ausführlicher § 2 Abs. 3 AufenthG). Weder verfügt die Klägerin zu
2. über ausreichende Mittel, noch ist ihr Ehemann in der Lage, ihren Lebensunterhalt zu
sichern. Er nimmt selbst öffentliche Mittel ergänzend in Anspruch.
Die Beklagte hat frei von Rechtsfehlern dem Anspruch der Klägerin zu 2. auf
Visumserteilung die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts entgegengehalten. Die
Beklagte durfte in Anwendung des § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG die Sicherung des
Lebensunterhalts verlangen, und sie tat dies frei von Ermessensfehlern, soweit das
Gericht die behördliche Entscheidung gemäß § 114 VwGO überprüfen darf.
Nach § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG soll die Aufenthaltserlaubnis im Fall des Nachzugs
eines ausländischen Ehegatten zu einem Deutschen, der im Bundesgebiet seinen
gewöhnlichen Aufenthalt hat, in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG
erteilt werden. Diese Vorschrift koppelt einen unbestimmten Rechtsbegriff auf der
Tatbestandsseite (in der Regel) mit der Möglichkeit zum behördlichen Ermessen auf der
Rechtsfolgenseite, wobei das Gesetz die Intention des Gesetzgebers mitteilt (soll). Der
unbestimmte Rechtsbegriff „in der Regel“ bezieht sich im System der Rechtsgrundlagen
für Aufenthaltstitel auf Regelfälle, die sich nicht durch besondere Umstände von der
Menge gleich liegender Fälle unterscheiden. Ausnahmefälle sind demgegenüber durch
atypische Umstände gekennzeichnet, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst
ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigen. Bei der
uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegenden Prüfung, ob ein Ausnahmefall
vorliegt, sind alle Umstände auch in den Verhältnissen des Betroffenen zu
berücksichtigen (BVerwGE 129, 367 Rn. 23; BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 – 1 C 3.08
–, Juris Rn. 13 f.). Wird ein Ausnahmefall bejaht, entscheidet die Behörde im
Zusammenhang mit § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen
(zum Ganzen anders die 16. Kammer des VG Berlin, Urteil vom 25. März 2010 – VG 16 K
159.09 V –, Juris Rn. 14 f.). Die Kammer kann offen lassen, ob die Ermessensmöglichkeit
sich aus allgemeinen Erwägungen ergibt (so noch BVerwGE 94, 35 [44] zum
Ausländergesetz 1990) oder nur aus einer Besonderheit des § 28 Abs. 1 Satz 3
AufenthG herleiten lässt. Für Letzteres spricht die Ansicht des
Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 30. April 2009 – 1 C 3.08 – (Juris Rn. 15) zur
Auslegung von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Die Besonderheit des § 28 Abs. 1 Satz 3
AufenthG gründet in dem Umstand, dass selbst im Regelfall von der Sicherung des
Lebensunterhalts lediglich abgesehen werden „soll“, nicht etwa abgesehen werden
muss. Die Vorschrift räumt der Behörde schon für den Regelfall Ermessen ein und
steuert die Ermessensbetätigung in Richtung der Erlaubniserteilung. Es spricht nichts
dafür, dass in einem Ausnahmefall der Behörde eine Ermessensentscheidung nicht
mehr möglich sein soll, vielmehr die Erlaubnis stets versagt werden müsste. Die
Vorschrift behält auch im Ausnahmefall ihren Ermessenscharakter. Es entfällt lediglich
die nur für den Regelfall erklärte Intention des Gesetzgebers, dass eine
Aufenthaltserlaubnis erteilt werden solle. Der Ausnahmefall räumt der Behörde mithin
nicht ein so genanntes intendiertes Ermessen, sondern ein freies Ermessen ein.
Nach diesen Maßstäben ist der Tatbestand eines Ausnahmefalls gegeben. Die zur
Einführung des § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG abgegebene amtliche Begründung lautet
auszugsweise: „Durch den neu eingefügten Satz 3 kann der Ehegattennachzug zu
Deutschen bei Vorliegen besonderer Umstände von der Sicherung des Lebensunterhalts
abhängig gemacht werden. Besondere Umstände liegen bei Personen vor, denen die
Begründung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Ausland zumutbar ist. Dies kommt
insbesondere bei Doppelstaatlern in Bezug auf das Land in Betracht, dessen
Staatsangehörigkeit sie neben der deutschen besitzen, oder bei Deutschen, die
geraume Zeit im Herkunftsland des Ehegatten gelebt und gearbeitet haben und die
Sprache dieses Staates sprechen.“ (BT-Drs. 16/5065, Seite 171). Der für den
Gesetzgeber entscheidende Aspekt der Zumutbarkeit eines Lebens im Ausland könnte
etwa in Bezug auf einen deutschen Globetrotter gegeben sein, der jahrzehntelang an
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etwa in Bezug auf einen deutschen Globetrotter gegeben sein, der jahrzehntelang an
vielen Orten außerhalb Deutschlands gelebt hat, selbst wenn dazu nicht das Land seines
Ehegatten gehört. Der bisherige Kläger fällt unter die zweite Kategorie der vom
Gesetzgeber gebildeten Regelbeispiele. Dabei fiele unter diese Kategorie sogar auch ein
als Deutscher geborener und in Deutschland aufgewachsener Mensch, der die
genannten Bezüge zum anderen Staat erst später erworben hat. Diesem hat der
bisherige Kläger noch voraus, dass er dem vietnamesischen Staat entstammt und eine
dort beheimatete Sprache (Kantonesisch) wie auch nach eigener Angabe Vietnamesisch
selbst viel besser beherrscht als die deutsche Sprache. Es ist nicht aufgezeigt oder
erkennbar, dass der bisherige Kläger der vietnamesischen Kultur entfremdet ist und sich
die deutsche so sehr zu Eigen gemacht hat, dass es ihm schwer fiele, wieder in seiner
früheren Heimat zu leben. Im Gegenteil beruft sich der bisherige Kläger auf seine
fehlende deutsche Sprachkompetenz, um seine Entscheidung für eine vietnamesische
Ehefrau zu begründen. Diese dürfte zumindest in den ersten Jahren einer ehelichen
Lebensgemeinschaft in Deutschland vietnamesische Kultur tradieren. Der bisherige
Kläger nennt denn auch nur als wesentlichen Umstand, der ihn an Deutschland binde,
seine hier lebenden Kinder. Diese sind allerdings erwachsen und in der Lage, ihr Leben
selbst zu meistern. Bei diesen Voraussetzungen ist es hinnehmbar, in verschiedenen
Ländern zu leben und die erwachsenen Kinder auf Besuchsreisen zu sehen.
Der Beklagten unterliefen gegenüber der Klägerin zu 2. keine Ermessensfehler. Der
Bescheid vom 10. März 2009 verstieß nicht gegen eine formelle Pflicht zur Begründung
des Verwaltungsakts. Die Beklagte brauchte nicht gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG die
Gesichtspunkte erkennen zu lassen, von denen sie bei der Ausübung ihres Ermessens
ausgegangen ist. Denn das Verwaltungsverfahrensgesetz ist gemäß seinem § 2 Abs. 3
Nr. 3 nicht auf die Vertretungen des Bundes im Ausland anzuwenden. Davon abgesehen
braucht die Versagung eines Visums nach § 77 Abs. 2 1. Halbsatz AufenthG nicht
begründet zu werden. Entschließt sich – wie hier – die Auslandsvertretung gleichwohl zu
einer stichwortartigen Begründung, verpflichtet sie sich nicht selbstbindend zu einer alle
erwogenen Aspekte wenigstens andeutenden Begründung. Selbst wenn das anders zu
beurteilen sein sollte, findet sich im angefochtenen Bescheid noch vor dem
Gesichtspunkt der damals vermuteten Scheinehe das Argument, dass der
Lebensunterhalt nicht gesichert sei. Die Ermessensbetätigung ist auch materiell
rechtmäßig. Ist selbst im Regelfall des § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG eine Versagung
mangels Sicherung des Lebensunterhalts unter Umständen nicht ausgeschlossen,
bedarf es im tatbestandlichen Ausnahmefall keiner umfangreichen
Ermessenerwägungen der Behörde, um die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts
geltend zu machen. Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte, die in der mündlichen
Verhandlung die persönliche und familiäre Situation namentlich des bisherigen Klägers
erneut in Betracht zog und sich nicht zur Abstandnahme vom Erfordernis des
gesicherten Lebensunterhalts entschloss, das Hinreichende getan.
B. Die Klägerin zu 3. hat keinen Anspruch auf das begehrte, an § 6 Abs. 4 in Verbindung
mit § 32 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu messende Visum. Die in der zuletzt genannten
Vorschrift vorausgesetzte Aufenthaltserlaubnis etc. für den allein
personensorgeberechtigten Elternteil steht der Mutter der fünfzehnjährigen Halbwaisen,
wie ausgeführt, nicht zu.
C. Weil der Kläger seine Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren insoweit gemäß
§ 92 Abs. 3 VwGO eingestellt. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 154 Abs. 1, 155
Abs. 2, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidungen über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgen aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die
Berufung wird gemäß den §§ 124 Abs. 2 Satz 3, 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zugelassen.
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