Urteil des VG Berlin vom 15.11.2007

VG Berlin: versetzung, gesundheit, rechtsgrundlage, vollstreckung, behörde, entlastung, konsolidierung, stellenausschreibung, zivilprozessordnung, sammlung

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Gericht:
VG Berlin 26.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
26 A 229.07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 1 Abs 2 StPoolG BE
Recht des öffentlichen Dienstes in Berlin: Versetzung von
Personalüberhangkräften zum Zentralen
Personalüberhangmanagement (Stellenpool)
Tenor
Der Bescheid des Bezirksamtes Spandau von Berlin vom 15. November 2007 wird
aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des
aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweiligen Vollstreckungsbetrages
leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen seine Versetzung zum Zentralen
Personalüberhangmanagement (Stellenpool).
Der 1971 geborene Kläger steht als Stadtinspektor (Besoldungsgruppe A 9) im
gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst des Beklagten. Er nahm in der Abteilung
Soziales und Gesundheit des Bezirksamtes Spandau von Berlin (Bezirksamt) im
Fachbereich (FB) 2 das Sachgebiet Soz 2202 wahr. Aus gesundheitlichen Gründen
konnte er keinen Publikumsverkehr versehen und nur eingeschränkt PC-Tätigkeiten
ausführen.
Nachdem der Abteilung Soziales und Gesundheit des Bezirksamtes für das Jahr 2008
nur verminderte Personalmittel zur Verfügung gestellt worden waren, bat dieses mit
Schreiben vom 14. September 2007 intern darum, den Kläger, der als einzige
Verwaltungskraft im FB 2 tätig war, und eine im Angestelltenverhältnis beschäftigte
Mitarbeiterin der Frauenbeauftragten zum Stellenpool zu versetzen. Zur Begründung
hieß es, als Folge der notwendig gewordenen Personalkosteneinsparungen werde
zunächst auf beide Positionen verzichtet. Eine Sozialauswahl sei nicht erforderlich, da
Beschäftigte mit vergleichbarer Tätigkeit nicht vorhanden seien. Es sei jedoch
beabsichtigt, eine Stelle für eine Mitarbeiterin auszuschreiben, die zukünftig sowohl als
Mitarbeiterin der Frauenbeauftragten tätig sein und die im FB 2 anfallenden
Verwaltungsarbeiten abdecken solle.
Der örtliche Personalrat, der Anfang Oktober 2007 zur beabsichtigten Zuordnung des
Klägers zum Personalüberhang und dessen Versetzung zum Stellenpool angehört
wurde, verweigerte seine Zustimmung mit der Begründung, ein Unikat des
Aufgabengebietes „M.“ werde nicht gesehen und bezweifelt, dass es keine
Auswahlgruppe gebe. Ein Erörterungsgespräch wurde am 31. Oktober 2007
durchgeführt.
Mit Bescheid des Bezirksamtes Spandau von Berlin vom 15. November 2007 - zugestellt
am 26. November 2007 - wurde der Kläger mit Wirkung vom 1. Januar 2008 zum
Stellenpool versetzt.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 18. Dezember 2007 bei Gericht
eingegangenen Klage. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Seine Zuordnung
zum Personalüberhang sei rechtswidrig erfolgt. Er rügt, dass entgegen der
maßgeblichen, ermessensbindenden Verwaltungsvorschrift keine Vergleichsgruppe
gebildet worden sei. Im Übrigen spreche seine aus gesundheitlichen Gründen
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gebildet worden sei. Im Übrigen spreche seine aus gesundheitlichen Gründen
eingeschränkte Verwendbarkeit aufgrund der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegen
seine Versetzung zum Stellenpool.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bezirksamtes Spandau von Berlin vom 15. November 2007
aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bringt er vor: Eine Vergleichbarkeit des Klägers mit anderen
Beschäftigten der entsprechenden Besoldungs- bzw. Vergütungsgruppe komme nicht in
Betracht, da dieser aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht anderweitig
im Bereich des Leistungs- und Verantwortungszentrums Soziales einsetzbar gewesen
sei. Die im Stellenplan der Abteilung Soziales für den nichttechnischen
Verwaltungsdienst mit der Besoldungsgruppe A 9 ausgewiesenen Stellen könnten nicht
in einen Vergleich der vom Kläger im FB 2 seinerzeit bekleideten Stelle herangezogen
werden, da dessen Aufgabengebiet aufgrund des nicht vorhandenen Publikumsverkehrs
als einzigartig anzusehen sei. Es habe daher nach Maßgabe der Verwaltungsvorschrift
über die Zuordnung von Beschäftigten zum Personalüberhang (VV-Auswahl) vom 28.
Juni 2005 (DBl. I S. 58 f.) keine Auswahlgruppe (§ 2 VV-Auswahl) gebildet werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Streitakte und des Verwaltungsvorganges des Beklagten Bezug
genommen, die vorgelegen haben und - soweit erheblich - Gegenstand des
Erörterungstermins und der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin
entscheiden konnte, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 101
Abs. 2 und § 87a Abs. 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -), hat Erfolg.
Die Klage ist zulässig; insbesondere ist sie als Anfechtungsklage im Sinne von § 42 Abs.
1, 1. Alt. VwGO statthaft, da die Versetzung zum Stellenpool ein Verwaltungsakt im
Sinne von § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ist (vgl.
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. November 2006 - 4 B 15.04 -
, juris, dort Rn. 15 ff.). Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist
rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die angefochtene, als Versetzung bezeichnete Maßnahme ist § 1
Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes zur Errichtung eines Zentralen
Personalüberhangmanagements - Stellenpool - (Stellenpoolgesetz - StPG) vom 9.
Dezember 2003 (GVBl. S. 589). Nach dieser Vorschrift werden die
Personalüberhangkräfte zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool)
versetzt; dabei dient die Versetzung einem dienstlichen Bedürfnis (§ 1 Abs. 2 Satz 4
StPG). Personalüberhangkräfte sind solche Dienstkräfte, die von den Dienstbehörden
oder Personalstellen dem Personalüberhang zugeordnet worden sind (§ 1 Abs. 2 Satz 1
StPG). Da die Versetzung zum Stellenpool zwingend an die Zuordnung zum
Personalüberhang geknüpft ist und dieser damit eine für die Rechtsstellung des
Beamten entscheidende Bedeutung zukommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. September
2008 - 2 C 3/07 -, juris, dort Rn. 27), ist die Rechtmäßigkeit der Zuordnungsentscheidung
nach dem Gebot effektiven Rechtsschutzes gerichtlich nachprüfbar (vgl. OVG Berlin-
Brandenburg, Urteil vom 14. November 2006, a.a.O. Rn. 51 f). Maßgebliche Bedeutung
kommt insoweit § 1 Abs. 1 Satz 2 StPG zu, der bestimmt, dass dem Stellenpool
diejenigen Dienstkräfte unterstellt werden, deren Beschäftigung durch den Wegfall von
Aufgaben oder die Verlagerung von Aufgaben auf andere Dienstkräfte in ihrer
Dienstbehörde nicht mehr möglich ist. Die danach erforderliche, der Zuordnung von
Dienstkräften zum Personalüberhang zugrundeliegende organisatorische
Umstrukturierungsentscheidung ist allein daraufhin überprüfbar, ob die Gründe des
Dienstherrn für diese Entscheidung willkürlich sind. Soweit diese eine Auswahl unter
mehreren Dienstkräften erfordert, steht dem Dienstherrn ein Beurteilungsspielraum zu.
Soweit sich der Dienstherr bei der Entscheidung über die Zuordnung zum
Personalüberhang - etwa über eine Verwaltungsvorschrift oder eine ständige
Verwaltungspraxis - selbst „gebunden“ hat, ist zu prüfen, ob er diese Selbstbindung im
konkreten Einzelfall eingehalten hat (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.
November 2006, a.a.O. Rn. 53).
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Ausgehend hiervon sind vorliegend bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen für die
Versetzung des Klägers zum Stellenpool nicht gegeben, da dessen Zuordnung zum
Personalüberhang mit Rechtsfehlern behaftet ist. Es bedarf daher keiner Erörterung, ob
die allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommende Vorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 3
StPG mit höherrangigem Recht vereinbar ist (so noch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil
vom 14. November 2006, a.a.O. Rn. 22 ff.) oder wegen der fehlenden Verleihung eines
Funktionsamtes gegen den Kernbereich der hergebrachten Grundsätze des
Berufsbeamtentums verstößt (vgl. zu diesen Bedenken ausführlich BVerwG, Urteil vom
18. September 2008, a.a.O. Rn. 9 ff.).
Die Zuordnung des Klägers zum Personalüberhang ist bereits deshalb rechtswidrig, weil
ihr keine aufgabenbezogene allgemeine Umstrukturierungsentscheidung zugrunde liegt.
Zwar sollte das bisher vom Kläger wahrgenommene Aufgabengebiet ausweislich des
Vermerks des Bezirksamtes vom 14. September 2007 - nach vorübergehendem Wegfall
und entsprechender interner Stellenausschreibung - zusammen mit einem anderen von
einer geringer besoldeten bzw. vergüteten Dienstkraft wahrgenommen und auf diesem
Wege eine Arbeitsverdichtung herbeigeführt werden. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass
dieser gezielt auf die Person des Klägers und einer weiteren Dienstkraft gerichteten
Maßnahme, die nach Auffassung des Bezirksamtes in beiden Fällen eine Sozialauswahl
(ausnahmsweise) entbehrlich machte, eine personenungebundene allgemeine
Organisationsentscheidung zur Aufgabenverteilung vorausging (zum Erfordernis einer
solchen Organisationsentscheidung s. VG Berlin, Urteil vom 9. Juni 2009 - VG 28 A 62.07,
S. 8 f. des Entscheidungsabdrucks). Da die Zuordnung der Klägerin zum Stellenpool
auch im Folgenden - sowohl gegenüber dem Personalrat als auch im Klageverfahren -
maßgeblich mit dessen gesundheitsbedingter, individuell eingeschränkter
Verwendbarkeit begründet wurde, stellt sich die behördeninterne Verlagerung des zuvor
vom Kläger wahrgenommenen Aufgabengebiets nicht als Anlass für dessen Versetzung
zum Stellenpool, sondern als deren Folge dar. Ziel des Stellenpoolgesetzes ist jedoch
nicht die „Entlastung“ der Behörde von aus ihrer Sicht schwer verwendbaren
Mitarbeitern, sondern - ausweislich der Gesetzesbegründung (Abg.-Drs. 15/1564, S. 6) -
die sozialverträgliche Bewältigung der zur Konsolidierung des Berliner Landeshaushalts
erforderlichen Personalkostenreduzierung (ebenso VG Berlin, Urteil vom 9. Juni 2009,
a.a.O.).
Unabhängig hiervon fehlt es - selbst wenn man eine organisatorische
Umstrukturierungsentscheidung zur Verlagerung von Aufgaben im Sinne von § 1 Abs. 1
Satz 2 StPG annehmen würde - jedenfalls an der dann erforderlichen Auswahl, welche
Dienstkraft dem Personalüberhang zugeordnet wird. Insoweit ist der Beklagte von seinen
in der VV-Auswahl gesetzten Maßstäben abgewichen, ohne dass dies durch sachliche
Gründe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gerechtfertigt wäre. Nach §
1 VV-Auswahl (Auswahlbereich) war - mangels anderweitiger, zuvor verbindlich
festgelegter und schriftlich begründeter Verfahrensweise - innerhalb des Leistungs- und
Verantwortungszentrums (LuV) Soziales des Bezirksamtes eine Auswahlgruppe zu
bilden, bei der alle vergleichbaren Beschäftigte (vgl. § 2 VV-Auswahl: Vergleichbare
Beschäftigte, Auswahlgruppe) einzubeziehen waren. Zu Unrecht führt der Beklagte die
Einzigartigkeit des vom Kläger zuvor wahrgenommenen Aufgabengebiets im FB 2
(fehlender Publikumsverkehr) bzw. dessen gesundheitsbedingt fehlende anderweitige
Einsetzbarkeit im LuV Soziales zur Begründung dafür an, die Voraussetzungen für die
Bildung einer Auswahlgruppe (vgl. § 2 Abs. 5 VV-Auswahl) hätten gefehlt. Er verkennt
dabei, dass es für die (persönliche) Vergleichbarkeit der Beschäftigten eines
Auswahlbereichs - neben ihrem Arbeitszeitstatus (§ 2 Abs. 2 VV-Auswahl) und der
Zuordnung zu derselben Besoldungsgruppe bzw. der Wahrnehmung austauschbarer
Aufgaben (§ 2 Abs. 3 VV-Auswahl) - allein darauf ankommt, ob diese im Blick auf das
künftig wegfallende Arbeitsgebiet annähernd gleich geeignet sind. Auf die Frage, ob das
wegfallende Aufgabengebiet im Hinblick auf den fehlenden Publikumsverkehr
unvergleichbar geringere Anforderungen als andere Aufgabengebiete im LuV Soziales
stellte, kommt es dabei ebenso wenig an, wie darauf, ob der in dem künftig wegfallenden
Arbeitsgebiet zuletzt Beschäftigte in einem anderen Aufgabengebiet einsetzbar wäre.
Bei Anlegung dieses Maßstabes wären jedoch nach dem Vorbringen des Beklagten
vergleichbare Beschäftigte im LuV Soziales vorhanden gewesen, die in die Sozialauswahl
hätten einbezogen werden müssen.
Die Berufung ist nicht gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, weil keine Gründe
im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711
der Zivilprozessordnung.
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Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes
auf 5.000,00 Euro festgesetzt (Auffangstreitwert).
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