Urteil des VG Berlin vom 16.07.2010

VG Berlin: aufschiebende wirkung, öffentliches interesse, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, sammlung, vollziehung, vorläufige einstellung, orange, gesundheit, drucksache, rechtsgrundlage

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Gericht:
VG Berlin 10.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 L 274.10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 21 KrW-/AbfG, § 13 Abs 3 KrW-
/AbfG
Untersagung des Einsammelns und Entsorgens von
Nichtverpackungsabfällen über das Sammelsystem der Gelben
Tonne.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage – VG 10 K 269.10 – wird wiederhergestellt und
hinsichtlich der entsprechenden Zwangsgeldandrohungen angeordnet, soweit die
Untersagungsverfügungen im Bescheid des Antragsgegners vom 16. Juli 2010 in Gestalt
des Änderungsbescheides vom 17. August 2010 den Bestand der an das
Sammelsystem Gelbe Tonne
plus
angeschlossenen bis zu 410.000 Haushaltungen
betreffen.
Im Übrigen wird der Rechtsschutzantrag abgelehnt.
Die Verfahrenskosten einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen
tragen der Antragsgegner und die Beigeladene je zu 2/5, die Antragstellerin zu 1/5.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 125.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin – nunmehr in Gestalt der mit ihr verbundenen A. – betreibt seit 2004
im Berliner Stadtgebiet das Wertstoffsammelsystem Gelbe Tonne
Plus
mit einer
Obergrenze von 410.000 angeschlossenen Haushaltungen. Mit der Gelben Tonne
Plus
werden neben Verpackungsabfällen stoffgleiche Nichtverpackungsabfälle wie
Elektrokleingeräte, Holz, Bratpfannen, Kunststoffspielzeug etc. gesammelt. Das
Aufkommen an stoffgleichem Nichtverpackungsabfall wird seit Jahren gleichbleibend mit
etwa 4.500 Jahrstonnen angegeben.
Mit Bescheid vom 16. Juli 2010 untersagte die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt
und Verbraucherschutz der Antragstellerin unter Anordnung sofortiger Vollziehung das
weitere Einsammeln und Entsorgen von Nichtverpackungsabfällen über das
Sammelsystem der Gelben Tonne. Die Antragstellerin habe das Entsorgungsmodell
Gelbe Tonne
plus
bis zum 13. August 2010 einzustellen. Für den Fall der Zuwiderhandlung
drohte sie ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,- Euro je Monat und Hausgrundstück an.
Zugleich untersagte sie der ‚... sofort vollziehbar das Einrichten eines weiteren
Sammelsystems durch eine sogenannte ‚Berliner Wertstofftonne’.
Zur Begründung des Bescheides wies die Senatsverwaltung im Wesentlichen darauf hin,
dass durch ein in anderer Sache ergangenes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom
18. Juni 2009 klargestellt worden sei, dass es sich auch bei dem Sammelsystem der
Antragstellerin nicht um eine gewerbliche Sammlung im Sinne des § 13 Abs. 3 des
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes – KrW-/AbfG – handele. Folglich müssten die
bisher von der Antragstellerin eingesammelten Nichtverpackungsabfälle der
Beigeladenen überlassen werden. Die Tätigkeit der Antragstellerin stelle sich insoweit als
rechtswidrig dar. Die Untersagung der Gelben Tonne
plus
bzw. der Berliner Wertstofftonne
sei geboten und erforderlich, um die Etablierung paralleler privater Entsorgungs- und
Verwertungsstrukturen für Haushaltsabfälle im Land Berlin zu unterbinden. Von einer
Untersagung im Anschluss an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts habe man
bisher abgesehen, weil zunächst die bevorstehende Novellierung des
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes habe abgewartet werden sollen. Mit einem
Abschluss des Rechtsetzungsverfahrens noch in diesem Jahr sei trotz ursprünglich
darauf gerichteter Planung nicht mehr zu rechnen, so dass eine weitere Duldung des
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darauf gerichteter Planung nicht mehr zu rechnen, so dass eine weitere Duldung des
rechtswidrigen Zustandes nicht angezeigt sei. Zudem habe man eindeutig zu erkennen
gegeben, dass eine Ausweitung des Sammelsystems nicht zugelassen werden könne.
Es bestehe ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung, weil
durch das Sammelsystem dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger fortlaufend
unwiederbringlich überlassungspflichtige Haushaltsabfälle entzogen und damit die
Planungsgrundlagen der öffentlichen Abfallentsorgung in Frage gestellt würden.
Insbesondere durch das angekündigte Angebot der A., die Berliner Wertstofftonne in
allen Berliner Außenbezirken anzubieten, werde in kaum rückgängig zu machender
Weise in die öffentlichen Entsorgungsstrukturen, auf deren Grundlage geplant und die
entsprechenden Gebühren kalkuliert würden, eingegriffen. Es sei der Beigeladenen nicht
zumutbar, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zunächst einen erheblichen
Mengen- und Gebührenrückgang zu verkraften bzw. durch eine entsprechende
Gebührenerhöhung aufzufangen. Auch müssten Nachahmungseffekte sowie ein
Zurückdrängen der Beigeladenen in eine bloße Reservefunktion vermieden werden.
Nach Klageerhebung hat die Senatsverwaltung mit Änderungsbescheid vom 17. August
2010 den Ausgangsbescheid im Untersagungsteil mit Blick auf die Aufgabenverteilung
zwischen der Antragstellerin und der A. GmbH (siehe hierzu das parallele Eilverfahren VG
10 L 330/10) sowie mit Blick darauf modifiziert, dass die A. ihre Anzeige des Projekts
„Berliner Wertstofftonne“ am 26. Juli 2010 zurückgezogen hatte. Die
Zwangsgeldandrohung ist unter Fristsetzung für die Abwicklung bis zum 30. September
2011 auf 50,- Euro je Hausgrundstück und Zuwiderhandlung reduziert, die Anordnung
der sofortigen Vollziehung ohne Änderung ihrer Begründung aufrecht erhalten worden.
Im vorliegenden Eilrechtschutzverfahren reklamiert die Antragstellerin, das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts verkenne den Begriff der gewerblichen Sammlung im Sinne
des § 13 Abs. 3 KrW-/AbfG. Sie selbst genieße im Übrigen mit Blick auf die im
Abfallwirtschaftskonzept 2005 für Berlin enthaltene Gelbe Tonne
plus
und den jahrelangen
auch mit Investitionen verbundenen Betrieb dieses Sammelsystems Vertrauensschutz.
Ein öffentliches Interesse an einer sofortigen Vollziehung sei nicht gegeben, zumal die zu
erwartende Novellierung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes ihre Tätigkeit als
gewerbliche Sammlung privilegiere. Es gehe hier darum, in konzertierter Aktion von
Antragsgegner und Beigeladener einen Konkurrenten vom Markt zu drängen, um die
kommunale Wertstofftonne Orange Box berlinweit einführen zu können.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 26. Juli 2010 gegen den
Untersagungsbe- scheid des Antragsgegners vom 16. Juli 2010 in Gestalt des
Änderungsbescheides vom 17. August 2010 wiederherzustellen.
Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen,
den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage
zurückzu- weisen.
Der Antragsgegner meint, die streitgegenständliche Verfügung sei offensichtlich
rechtmäßig. Schon deshalb überwiege das Vollzugsinteresse. Der Antragsgegner und
die Beigeladene meinen, ein Vollzugsinteresse folge auch daraus, dass die
Antragstellerin mit ihrer Gelben Tonne
plus
aktiv die Etablierung der kommunalen
Wertstofftonne „Orange-Box“ der Beigeladenen bekämpfe, indem sie Hausverwaltungen
von vertraglichen Beziehungen zur Beigeladenen abhalten wolle und versuche, ihr
eigenes Wertstoffsammelsystem auszubauen. Demgegenüber beabsichtige die
Beigeladene, die Orange Box bereits zum 1. Januar 2011 flächendeckend einzuführen.
Ein von der Kammer am 4. Oktober 2010 durchgeführter Erörterungstermin hat nicht zu
einer gütlichen Einigung geführt.
II.
Das Eilrechtschutzbegehren der Antragstellerin hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen
Umfang gemäß § 80 Abs. 5 VwGO Erfolg. Insoweit überwiegt das Aussetzungsinteresse
der Antragstellerin das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des
angefochtenen Bescheides.
Für die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes ist ein besonderes öffentliches
Interesse erforderlich, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt
selbst rechtfertigt (so die ständige Rechtsprechung insbesondere des
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selbst rechtfertigt (so die ständige Rechtsprechung insbesondere des
Bundesverfassungsgerichts; vgl. nur: BVerfGE 35, 382 [402], 38, 52 [58], 69, 220 [228],
ferner NVwZ 1996, Seite 58 [59], sowie 1 BvR 2395/09 vom 30. Oktober 2009 und).
Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, bei denen ausnahmsweise der Anlass für den Erlass
des Verwaltungsaktes und der Anordnung seiner sofortigen Vollziehung identisch sein
können, stehen hier nicht in Rede.
Daher trifft die in der Antragserwiderung geäußerte Rechtsauffassung des
Antragsgegners, das Vollzugsinteresse überwiege gegenüber dem Suspensivinteresse
der Antragstellerin schon deshalb, weil die streitgegenständliche Verfügung
„offensichtlich rechtmäßig“ sei, nicht zu. Auch „die offensichtliche Rechtmäßigkeit der
Grundverfügung kann die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht tragen“ (BVerfG,
Beschluss vom 8. April 2010 - 1 BvR 2709/09 – Rn. 19). Denn § 80 Abs. 1 VwGO sieht den
Eintritt aufschiebender Wirkung auch gegenüber rechtmäßigen Verwaltungsakten als
Regel vor, während die Anordnung sofortiger Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO
die Ausnahme ist und daher in der Sache besonderer Gründe jedenfalls dann bedarf,
wenn – wie hier – keine Maßnahme zur Gefahrenabwehr im Raum steht. Im Übrigen wird
die Kammer die Rechtmäßigkeit des Bescheides im Hauptsacheverfahren zu prüfen
haben. Im Rahmen summarischer Prüfung vermag sie schon angesichts der Komplexität
des Streitstoffes – allein im Eilverfahren innerhalb weniger Wochen etwa 500 Seiten
gewechselte Schriftsätze – weder eine offensichtliche Rechtmäßigkeit noch eine solche
Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides anzunehmen.
Die im angegriffenen Ausgangsbescheid formulierte und im Änderungsbescheid
aufrechterhaltene Begründung der Vollziehungsanordnung belegt ein überwiegendes
Vollziehungsinteresse hinsichtlich der Einstellung des Sammelsystems Gelbe Tonne
plus
mit den angeschlossenen 410.000 Haushaltungen nicht. Dass mit dieser Sammlung
durch „Entziehung“ überlassungspflichtiger Haushaltsabfälle „die Planungsgrundlagen
der öffentlichen Abfallentsorgung in Frage gestellt werden“, ist während der seit etwa
fünf Jahren im Rahmen des Berliner Abfallwirtschaftskonzeptes im Einvernehmen aller
Verfahrensbeteiligten durchgeführten Sammlung bisher weder vom Antragsgegner,
noch von der Beigeladenen auch nur behauptet worden. Für die so postulierte Gefahr
bestehen auch keine Anhaltspunkte. Denn das aufgrund der fortlaufenden Angaben der
Antragstellerin in den Bescheid eingeflossene Sammelvolumen von 4.500 Jahrestonnen
steht einem gesamten Wertstoffsammelvolumen der Beigeladenen von nach eigenen
Angaben mehr als 300.000 Jahrestonnen gegenüber (Stellungnahme der BSR zur
Anhörung im Umweltausschuss, Anlage Ast 14 zur Antragsschrift). Damit würde die
Antragstellerin lediglich 1,5 % des wertstoffhaltigen Abfallaufkommens einsammeln, was
eine Berührung der Planungsgrundlagen fernliegend erscheinen lässt.
Auch der zweite Begründungsansatz, die Sorge, das Angebot der „Berliner
Wertstofftonne“ in Berlin, werde einen kaum rückgängig zu machenden Einschnitt in die
Berliner Entsorgungsstruktur verursachen, bezieht sich auf ein bereits vor Erlass des
Änderungsbescheides eingestelltes Vorhaben der AWT GmbH.
Das mit dem dritten Begründungspunkt reklamierte legitime Ziel des öffentlichen
Entsorgungsträgers, auch die Abfälle zu erhalten, zu deren schadloser Entsorgung er
verpflichtet sei, und auf deren Grundlage er seine Planung ausrichte und entsprechend
Gebühren kalkuliere, trifft nicht die vorliegende Fallkonstellation. Die seit Jahren von der
Antragstellerin eingesammelten wertstoffhaltigen Abfälle waren nach Aktenlage weder
Gegenstand der Planung noch der Gebührenkalkulation der Beigeladenen. Sie wurden
vielmehr absprachegemäß von der Antragstellerin eingesammelt.
Das vierte Begründungselement der Vollziehungsanordnung hebt das Erfordernis hervor,
einem Mengen- und Gebührenrückgang entgegenzutreten und Nachahmungseffekte zu
verhindern. Ein Mengen- und Gebührenrückgang wird indes durch die gleichbleibende
Einsammlung der oben beschriebenen Jahresmenge wertstoffhaltiger Haushaltsabfälle
nicht verursacht, sondern allenfalls durch die Ausweitung der Sammeltätigkeit;
hinsichtlich einer solchen hat die Kammer die aufschiebende Wirkung der Klage nicht
wiederhergestellt.
Dass der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger in Berlin durch die Tätigkeit der
Antragstellerin „in eine bloße Reservefunktion gedrängt“ werde, kann angesichts des
oben beschriebenen Verhältnisses der Sammelmengen zueinander nicht angenommen
werden.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 2009 (BVerwG 7 C 16.08), nach
dem das Sammelsystem der Antragstellerin derzeit nicht als gewerbliche Sammlung im
Sinne des § 13 Abs. 3 KrW-/AbfG – jedenfalls nach Rechtsauffassung des
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Sinne des § 13 Abs. 3 KrW-/AbfG – jedenfalls nach Rechtsauffassung des
Bundesverwaltungsgerichts - mit der Folge zu beurteilen sein dürfte, dass die mit dem
System Gelbe Tonne
plus
gesammelten Abfälle überlassungspflichtig sind, hat der
Antragsgegner erklärtermaßen nicht zum Anlass für die erst jetzt verfügte Untersagung
genommen. Er hat vielmehr im Oktober 2009 auf eine kleine Anfrage im
Abgeordnetenhaus Berlin zu den Auswirkungen des genannten Urteils auf das
Sammelsystem Gelbe Tonne
plus
erklärt:
„Das Berliner Modell Gelbe Tonne
plus
wurde hinsichtlich der neben den
Leichtstoffverpackungen zusätzlich erfassten Stoffe bisher als gewerbliche Sammlung im
Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG angesehen. Entsprechend der mit Urteil
vom 18. Juni 2009 durch das BVerwG erfolgten Begriffsauslegung der gewerblichen
Sammlungen im Sinne des Krw-/AbfG ist die „Gelbe Tonne plus“ nicht als eine solche
anzusehen. Der Senat hält es angesichts der noch nicht absehbaren zukünftigen
Rechtslage nach Novellierung des KrW-/AbfG auch hinsichtlich der „Gelben Tonne plus“
derzeit für geboten, zunächst die weiteren Entwicklungen abzuwarten.“
(Drucksache 16/13774 Seite 2 zu Nr. 10)
In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass die der Untersagung und der
Vollziehungsanordnung zugrunde liegende Annahme eines rechtswidrigen Tuns der
Antragstellerin nicht ohne Weiteres gerechtfertigt ist. Das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts besagt (lediglich), dass keine gewerbliche Sammlung im
Sinne des Abfallrechts vorliegt. Das bedeutet zunächst nur, dass der nicht selbst
verwertende private Hausabfallbesitzer hinsichtlich der wertstoffhaltigen Abfallanteile
(soweit nicht Verpackungen) dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger
überlassungspflichtig wird. Ob und wie diese Pflicht erfüllt zu werden hat, kann nach
Auffassung der Kammer durchaus Gegenstand von Absprachen zwischen dem
öffentlich-rechtlichen und privaten Entsorgungsträgern sein. So sieht beispielsweise § 6
Abs. 4 Satz 7 der Verpackungsverordnung vor, dass der öffentlich-rechtliche
Entsorgungsträger vom Einsammler von Leichtverpackungen verlangen kann,
stoffgleiche Nichtverpackungen mit einzusammeln. Dass Derartiges etwa nur einseitig
und nur im Rahmen einer Abstimmung im Sinne des § 6 Verpackungsverordnung und
nicht auch durch eine andersartige Absprache zwischen dem öffentlichen und privaten
Entsorgungsträger - wie hier jahrelang praktiziert - rechtmäßig sollte erfolgen können,
drängt sich unter dem Primat von Entsorgungssicherheit sowie schadloser Verwertung
nicht auf. Vielmehr wird Entsprechendes anscheinend nach wie vor in anderen deutschen
Städten, wie beispielsweise Leipzig einvernehmlich gehandhabt (vgl. , Ausdruck vom 8.
Oktober 2010).
Hintergrund der Untersagung ist nach Aktenlage offenbar auch in erster Linie das
aktuelle Vorhaben der Beigeladenen, in Berlin flächendeckend die kommunale
Wertstofftonne Orange Box einzuführen und die zur „Bekämpfung“ dessen von der
Antragstellerin (und der A.) ins Werk gesetzte Ausweitung der eigenen Sammelsysteme
zu verhindern. Es erscheint indes nicht gerechtfertigt bzw. notwendig, den mit der
Ausweitung einhergehenden Behinderungen der Einführung der Orange Box durch eine
Stilllegung auch des bisherigen Bestandes der Gelben Tonne
plus
zu begegnen. Denn von
diesem Bestand werden nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten nur etwa ein
Viertel der privaten Haushalte in Berlin erfasst. Dies ermöglicht die - auch kurzfristige -
Einführung des kommunalen Wertstoffsystems für die verbleibenden drei Viertel der
Haushalte. Das man dabei, wie es die Vertreterin des Antragsgegners im
Erörterungstermin ausdrückte, „die Aufstellorte der Gelbe Tonne
plus „
wie ein gallisches
Dorf umzingeln“ würde, erzwingt nicht dessen sofortige Beseitigung.
Vor diesem Hintergrund erweist sich die sofortige Vollziehung schließlich mit Blick auf
den von der Antragstellerin eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als
unverhältnismäßig, zumal die Möglichkeit absehbar ist, das mit der für den Herbst 2011
erwarteten (vgl. zum Ablauf: Grunenberg/Wenzel, Überlassungspflichten und
Wertstofftonne, AbfallR 2010 Seite 162) Novellierung des Kreislaufwirtschaftgesetzes
eine das Sammelsystem der Antragstellerin privilegierende Einstufung als gewerbliche
Sammlung erfolgt. Die Befürchtung der Antragstellerin, eine vorläufige Einstellung ihres
Systems würde sich mit Blick auf die zum 1. Januar 2011 von der Beigeladenen
beabsichtigte „flächendeckende“ Einführung der „Orange Box“ als endgültig erweisen,
erscheint in diesem Kontext plausibel. Vertrauensschutzaspekten im Einzelnen wird im
Hauptsacheverfahren nachzugehen sein.
Letztlich erfordern auch ökologische bzw. abfallwirtschaftliche Aspekte (vgl. dazu Art. 15
der ab dem 12. Dezember 2010 zu befolgenden Abfallrahmen-Richtlinie 2008/98/EG)
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der ab dem 12. Dezember 2010 zu befolgenden Abfallrahmen-Richtlinie 2008/98/EG)
nicht die sofortige Einstellung der Sammlung über die Gelbe Tonne
plus
. Die
Antragstellerin erzielt mit ihrem Sammelsystem nach Aktenlage eine Verwertungsquote
von 100%. Dem gegenüber ist die Beigeladene unstreitig nicht in der Lage, in gleicher
Weise zu verwerten. Sie müsste sich dazu eigenen Angaben zufolge wiederum privater
Verwerter - etwa der Antragstellerin, die am Hultschiner Damm eine Abfallsortieranlage
mit einer Jahreskapazität von 85.000 Tonnen erklärtermaßen auch zwecks Verbesserung
des hier in Rede stehenden Sammelsystems errichtet hat (vgl. Bl. 198 ff VV) - bedienen
(vgl. die Antwort der Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz vom 14.
Juli 2010 auf eine kleine Anfrage im Abgeordnetenhaus Berlin vom 15. Juni 2010 zu den
Verwertungswegen für die eingesammelten Stoffströme: „Bei einer flächendeckenden
Einführung der Wertstofftonne wird die BSR entsprechende Kapazitäten in Kooperation
mit privaten Entsorgern schaffen, um die Wertstoffmengen zu sortieren und den
unterschiedlichen Verwertungswegen zuzuführen. Die Vorbereitungen dazu laufen
derzeit“, Drucksache 16/14 519).
Mangels vollziehbarer Grundverfügung war hiernach die aufschiebende Wirkung der
Klage hinsichtlich der den Bestand der streitgegenständlichen Sammlung betreffenden
Zwangsgeldandrohung anzuordnen.
Dem gegenüber hält die Kammer die auf § 21 KrW-/AbfG gestützte Untersagung der
Ausweitung des Sammelsystems für rechtmäßig und deren sofortige Vollziehung für im
überwiegenden öffentlichen Interesse geboten. Für eine – einseitige – Ausweitung des
Wertstoffsammelsystems der Antragstellerin besteht derzeit mit Blick auf die oben
genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts keine Rechtsgrundlage und es
liegt auf der Hand, dass sie in die bestehenden Entsorgungsstrukturen eingreifen würde.
Dies sieht die Antragstellerin mittlerweile ebenso. Jedenfalls hat sie im Erörterungstermin
erklärt, sich auf den Betrieb ihres bisher bestehenden Sammelsystems beschränken zu
wollen und dem Antragsgegner zwecks Kontrolle eine Liste der ihr angeschlossenen
Haushalte zukommen zu lassen. Das gleichwohl auch hinsichtlich der untersagten
Ausweitung der Sammeltätigkeit aufrechterhaltende Rechtsschutzbegehren hat die
Kammer daher abgelehnt.
Die diesbezügliche, von Gesetzes wegen sofort vollziehbare (§ 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO
i.V.m. § 4 AGVwGO Berlin) Zwangsgeldandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 6
Abs. 1, 9 Abs.1, 11 und 13 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (VwVG). Sie ist mit
einer angedrohten Höhe von 50,- Euro je Zuwiderhandlung geeignet, erforderlich und
verhältnismäßig im engeren Sinne, zumal die Antragstellerin selbst erklärt hat, keinerlei
derartige Zuwiderhandlungen künftig zu tätigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO, wobei die Beigeladene mit Blick
auf ihre Antragstellung an den Kosten zu beteiligen (§ 154 Abs.3 VwGO), ihr wegen des
eingegangenen Kostenrisikos jedoch auch die Erstattung eines Teils ihrer
außergerichtlichen Kosten zuzubilligen war (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Wertfestsetzung beruht auf den Angaben der Antragstellerin, wobei die Kammer den
für das Hauptsacheverfahren angegebenen Jahresgewinn in Höhe von Euro wegen der
hier nur vorläufigen Regelung halbiert angesetzt und eine nochmalige Halbierung unter
Berücksichtigung des denselben Gewinn betreffenden Eilrechtsschutzverfahrens der A.
(VG 10 L 330.10) vorgenommen hat.
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