Urteil des VG Berlin vom 13.03.2017

VG Berlin: entziehung, satzung, eidesstattliche erklärung, wirtschaftswissenschaft, täuschung, faires verfahren, aufschiebende bedingung, anhörung, universität, vergleich

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Gericht:
VG Berlin 3. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 A 319.05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 34 Abs 7 HSchulG BE, § 34 Abs
8 HSchulG BE, § 35 Abs 4
HSchulG BE
Entzug des akademischen Grades wegen Täuschung
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des
jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Entziehung des ihr von der Beklagten verliehenen
Doktorgrades.
Die 1970 geborene Klägerin studierte von Oktober 1989 bis Dezember 1995 an der T.
Betriebswirtschaftslehre und schloss das Studium als Diplom-Kauffrau ab. Parallel dazu
hatte sie an einer Hochschule in Paris ebenfalls ein Diplom in Betriebswirtschaftslehre
erworben. Im Dezember 2000 zeigte sie der Beklagten an, dass sie die gleichzeitige
Durchführung von Promotionsvorhaben an der Beklagten sowie an der Universität L.
anstrebe, wogegen seitens der Beklagten unter der Voraussetzung, dass beiden
akademischen Graden zwei unterschiedliche Dissertationen zugrunde liegen müssten,
keine Bedenken erhoben wurden.
Unter dem 15. Januar 2001 beantragte die Klägerin die Zulassung zum
Promotionsverfahren am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Beklagten gemäß der
Promotionsordnung vom 27. Januar 1993. Die am 16. Januar 2001 unter Betreuung von
Prof. D. fertig gestellte Dissertation zu dem Thema „Die Determinanten des
südafrikanischen Investitionsklimas im Neuen Südafrika und ihre Auswirkungen auf
ausländische Direktinvestitionen“ legte die Klägerin der Beklagten im Mai 2001 mit einer
schriftlichen Erklärung unter Hinweis auf § 7 Abs. 2 der Promotionsordnung vor, dass sie
für die Dissertation folgende Hilfsmittel und Hilfen verwendet habe: „Siehe
Literaturverzeichnis“ und dass sie auf dieser Grundlage die Arbeit selbstständig verfasst
habe. Als Bestandteil der Arbeit fügte sie nach dem 21-seitigen „Quellen- und
Literaturverzeichnis“ und einer Darstellung ihres Werdegangs eine eidesstattliche
Erklärung an, dass sie „die vorliegende Arbeit selbständig und ohne Benutzung anderer
als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe“. Darin heißt es weiter: „die aus
fremden Quellen (einschließlich elektronischer Quellen) direkt oder indirekt
übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht.“ In einer der
veröffentlichten Fassung der Dissertation vorangestellten „Danksagung“ sprach die
Klägerin ihrem Doktorvater ganz besonderen Dank „für den Freiraum bei der Auswahl
des Themas und dessen Bearbeitung“ aus.
In seinem Erstgutachten vom 25. Mai 2001 bewertete Prof. F. die Arbeit mit „cum laude
(gut)“ und bemerkte am Ende des Gutachtens, die Arbeit sei „keine wissenschaftliche
Meisterleistung, sondern ein Produkt gesunden Menschenverstandes und wohl
organisierter empirischer Forschungsarbeit“. Der Zweitgutachter, Prof. D., schloss sich
der Bewertung im Ergebnis an und bemerkte in seinem Gutachten: „In Inhalt wie Aufbau
gleicht die Arbeit eher einer Studie, die für Unternehmen erstellt wird, die vor
Investitionsentscheidungen in Südafrika stehen, als einer typischen Dissertation“ und
„Die Leistung der Arbeit liegt denn auch weniger in ihrem im engeren Sinne
wissenschaftlich-analytischen Gehalt als vielmehr darin, dass F. (die Klägerin) die
Darstellung der Investitionsbedingungen und der Schwierigkeiten, vor denen
Regierungen, Gewerkschaften und die Menschen in Südafrika im Allgemeinen stehen,
gut und überzeugend gelungen ist“. Nach der mit „melius quam rite“ bewerteten
Disputation verlieh der Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Beklagten der Klägerin
am 5. Juli 2001 den akademischen Grad einer Doktorin der Wirtschaftswissenschaft (Dr.
rer. pol.) mit dem Gesamturteil „cum laude (gut)“.
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rer. pol.) mit dem Gesamturteil „cum laude (gut)“.
Im Juni 2003 zeigte der Dekan der Fakultät Wirtschaft und Management der T.
Universität B. dem Dekan des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Beklagten an,
dass eine am Lehrstuhl von Prof. L. des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der T.
Universität B. von Frau C. gefertigte und im Februar 1996 vorgelegte Diplomarbeit mit
dem Titel „Die Determinanten des südafrikanischen Investitionsklimas - Eine Analyse
unter besonderer Berücksichtigung ausländischer Direktinvestitionen“ nach Darstellung
des Lehrstuhlinhabers „in weiten Teilen oft wörtlich und gänzlich ohne Zitat“ in der
Dissertation der Klägerin verwendet worden sei. In einer dreiseitigen Auflistung, die
diesem Schreiben beigefügt war, wurden knapp 90 Passagen als in beiden Arbeiten
übereinstimmend bezeichnet.
Diese Diplomarbeit ist weder in dem „Quellen- und Literaturverzeichnis“ noch in einer
der über 700 Fußnoten der Dissertation der Klägerin genannt.
Im Juli 2003 empfahl der Betreuer der Dissertation der Klägerin (Prof. F.) dem
Vorsitzenden des Promotionsausschusses (Prof. W.) die Einleitung eines Verfahrens zur
Aberkennung des Doktorgrades und begründete dies damit, dass ihm der
Plagiatsvorwurf nach Prüfung eindeutig erscheine. Titel und Aufbau der Arbeit seien von
erheblicher Ähnlichkeit, der Dissertation seien einige Kapitel hinzugefügt, die in der
Diplomarbeit fehlten, 95 von insgesamt 294 Seiten der Dissertation seien vom
Plagiatsvorwurf nicht betroffen, im Übrigen gebe es eine sehr augenfällige
Übereinstimmung, teilweise fast wörtliche Übernahmen. Dies beziehe sich auch auf die
Darstellung von Fakten. In der Dissertation seien zahlreiche mit der Diplomarbeit „ganz
bzw. fast übereinstimmende Formulierungen“ zu finden, zum Teil umfassten die
Übereinstimmungen ganze Absätze.
Die mit Schreiben vom 14. Juli und 4. August 2003 in Kenntnis gesetzte Klägerin nahm
mit Schreiben vom 4. September 2003 zu dem Plagiatsvorwurf Stellung: Es seien auch
geringfügigste Übereinstimmungen aufgelistet worden, die Überstimmungen seien
teilweise unvermeidlich, soweit Übereinstimmungen unverkennbar seien, seien diese
zwangsläufig, weil es sich um überwiegend deskriptiv angelegte Kapitel handele. Ferner
seien Übereinstimmungen durch die Benutzung derselben Quellen zu erklären,
andererseits weise ihre Dissertation deutliche Unterschiede zu der Diplomarbeit auf, da
sie die Entwicklung zwischen 1994 und 2001 berücksichtige. Sie räume ein, es versäumt
zu haben, die Diplomarbeit „ordentlich zu zitieren“. Dies sei jedoch allein deshalb
unterblieben, weil bei Fertigstellung der Dissertation ihr Kraftfahrzeug, in dem sich neben
anderen Büchern auch die Diplomarbeit befunden habe, gestohlen worden sei und weil
es ihr nicht gelungen sei, ein anderes Exemplar der Diplomarbeit zu erlangen. Mit der
Verfasserin der Diplomarbeit habe sie sich mittlerweile durch Abschluss eines Vergleichs
ohne Anerkennung einer Urheberrechtsverletzung geeinigt.
In diesem von der Beklagten im Verlauf des vorliegenden Klageverfahrens in Kopie
übersandten „Rechtsanwaltsvergleich“ vom 24./26. März 2003 verpflichtete sich die
Klägerin, die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Verwertung der veröffentlichten
Fassung ihrer Dissertation sowie die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige
Verwertung der Diplomarbeit oder von Teilen dieser Arbeit zu unterlassen. Ferner
erkannte die Klägerin das Urheberrecht der Verfasserin der Diplomarbeit an deren Arbeit
an, verpflichtete sich, bis auf ein zum privaten Gebrauch bestimmtes Exemplar
sämtliche in ihrem Besitz befindlichen Vervielfältigungsstücke ihrer Dissertation zu
vernichten sowie Schadensersatz gemäß § 97 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz
(Schadensersatz wegen Verletzung des Urheberrechts) sowie eine Entschädigung
gemäß § 97 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz (Nichtvermögensschaden bei vorsätzlicher
oder fahrlässiger Urheberrechtsverletzung) zu leisten und der Verfasserin der
Diplomarbeit deren Rechtsanwaltskosten zu erstatten.
Der Zweitgutachter der Dissertation der Klägerin, Prof. N., schloss sich im September
2003 der Empfehlung, der Klägerin den Doktorgrad abzuerkennen, mit der Begründung
an, es handele sich um einen gravierenden Fall von Plagiat, da die Texte stellenweise
wörtlich identisch und da Struktur und Argumentation der Diplomarbeit übernommen
worden seien. Bei vielen Einzelheiten deuteten die Formulierungen darauf hin, dass auch
weitere, nicht direkt nachweisbare Anleihen bei der Diplomarbeit gemacht worden seien.
Zu berücksichtigen sei auch, dass es sich bei der Dissertation der Klägerin nicht um eine
sonderlich anerkennenswerte Leistung im analytisch-wissenschaftlichen Sinne gehandelt
habe, sondern dass eher die stellenweise akribische Detailforschung und die
überzeugende Gesamtdarstellung honoriert worden seien. Diese Leistungsdimensionen
seien nunmehr weggefallen.
Die Beklagte leitete zunächst ein Verfahren nach ihrer Ehrenkodex-Satzung
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Die Beklagte leitete zunächst ein Verfahren nach ihrer Ehrenkodex-Satzung
(„Ehrenkodex Satzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“) ein. Prof. R. als
Vertrauensperson des Ehrenkodex des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der
Beklagten bestätigte im Dezember 2003 gegenüber dem Vorsitzenden des
Promotionsausschusses, dass auch seiner Auffassung nach der Plagiatsvorwurf
berechtigt sei; jedenfalls liege eine gravierende Verletzung des Zitiergebots vor. Im
Januar 2004 übergab Prof. R. den Fall der zentralen Vertrauensperson, Prof. H., zur
Durchführung eines förmlichen Untersuchungsverfahrens. Dies wurde der Klägerin mit
Gelegenheit zur Stellungnahme im Februar 2004 bekannt gegeben, die auf ihre
Stellungnahme vom 4. September 2003 verwies und eine Ergänzung und Vertiefung
ankündigte, zu der ihr Ende Februar 2004 eine Frist von einer Woche gesetzt wurde.
Anfang März 2004 konstituierte sich die Untersuchungskommission, besprach
Verfahrensfragen und bestimmte Prof. K. zum Berichterstatter. Dessen Votum vom 30.
März 2004 fasste den Tatbestand zusammen, bezog sich dabei auf die vorliegenden
Stellungnahmen derjenigen Hochschullehrer, die bereits mit dem Vergleich beider
Arbeiten befasst waren und sprach sich dafür aus, einen Fall schwerwiegenden
wissenschaftlichen Fehlverhaltens in Form eines Plagiats festzustellen. In der zweiten
Sitzung der Untersuchungskommission am 13. April 2004 folgten deren (fünf) Mitglieder
einstimmig dieser Empfehlung. Das Ergebnis wurde der Klägerin, dem Fachbereich
Wirtschaftswissenschaft der Beklagten, dem Präsidium der Beklagten und der T.
Universität B. mitgeteilt.
Gegenüber dem Rechtsamt der Beklagten machte die Klägerin daraufhin geltend, sie
habe keine ausreichende Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten, insbesondere sei sie
nicht mündlich angehört worden, wie es die Ehrenkodex-Satzung vorsehe. Anfang Juli
2004 beschloss das Präsidium der Beklagten, dass der - als Rechtsaufsichtsbeschwerde
zu betrachtenden - Einwendung der Klägerin nicht abzuhelfen sei, da eine Anhörung der
Klägerin stattgefunden habe. Der Dekan des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft
wurde gebeten, auf Fachbereichsebene zu prüfen, welche akademischen Konsequenzen
nunmehr zu ziehen seien. Der Klägerin wurde mitgeteilt, dass ihrem Anhörungsrecht
entsprochen worden sei, da sie in der ersten Phase der Vorprüfung eine Stellungnahme
abgegeben und sie die ihr in der zweiten Phase der förmlichen Untersuchung zu einer
weiteren Stellungnahme gewährte Frist nicht genutzt habe. Eine mündliche Anhörung
habe sie erst nach Abschluss des Untersuchungsverfahrens begehrt.
Im September 2004 teilte der Promotionsausschuss des Fachbereichs
Wirtschaftswissenschaft der Klägerin mit, dass beabsichtigt sei, dem Leiter der
Hochschule vorzuschlagen, ihr den Doktorgrad zu entziehen. In ihrer Stellungnahme
vom 27. September 2004 wandte die Klägerin ein, dass die Aufstellung der angeblichen
Übereinstimmungen von der Verfasserin der Diplomarbeit stamme, dass in zahlreichen
der aufgelisteten Fälle tatsächlich keine Übereinstimmungen vorlägen, dass auch
allgemeine und deskriptive Informationen als Plagiate dargestellt worden seien, obwohl
die Verfasserin der Diplomarbeit insoweit nicht Urheberin sei, dass viele deskriptive
Informationen aus identischen Quellen übernommen worden seien, dass
Übereinstimmungen in der Gliederung fast zwangsläufig seien, wenn man
Veröffentlichungen internationaler Unternehmensberatungen heranziehe, dass sich
Wertungen und Kern ihrer Dissertation erheblich von der Diplomarbeit unterschieden,
weil sie von einer um fünf Jahre aktuelleren Situation ausgegangen sei. Die Tatsache,
dass sie über zwei Jahre an der Dissertation gearbeitet habe, schließe es aus, dass sie
die Diplomarbeit nur mehr oder weniger übernommen habe. Vielmehr habe sie in
großem Umfang eigene Analysen, eigene wissenschaftliche Untersuchungen und eine
eigene Selektion als eigene geistige Leistung erbracht. Selbst bei thematischen
Ähnlichkeiten habe sie stets aktuelle Zahlen und sonstige aktuelle Angaben verwandt,
so dass kaum echte Übereinstimmungen bestünden.
Die Mitglieder der Promotionskommission sprachen sich im Oktober 2004 nach
Kenntnisnahme der Stellungnahme der Klägerin im Umlaufverfahren für die
Aberkennung des Doktorgrades aus, da der Plagiatsvorwurf nicht entkräftet worden sei.
Im Dezember 2004 gab das Präsidium der Beklagten der Klägerin Gelegenheit, zu der ihr
angekündigten Entziehung des Doktorgrades Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme
erfolgte Anfang März 2005 durch die Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Darin wurde
hervorgehoben, dass der Sachverhalt im förmlichen Untersuchungsverfahren nicht
ausermittelt worden sei. Die den Plagiatsvorwurf bestätigenden Hochschullehrer der T.
Universität und der Beklagten hätten eine von der Verfasserin der Diplomarbeit
zusammengestellte Liste angeblicher Übereinstimmungen ungeprüft als zutreffend
erachtet. Tatsächlich gebe es nur in Teilbereichen Übereinstimmungen, die jedoch
darauf beruhten, dass beide Verfasserinnen dieselben Quellen benutzt hätten. Der
Vorwurf, die Klägerin habe nicht ordnungsgemäß zitiert, sei nicht konkretisiert worden.
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Vorwurf, die Klägerin habe nicht ordnungsgemäß zitiert, sei nicht konkretisiert worden.
Der Vorwurf des Plagiats sei unberechtigt, da beide Verfasserinnen aus denselben
Quellen zitiert und deren Strukturen übernommen hätten und die Diplomarbeits-
Verfasserin insoweit keine Autorenschaft beanspruchen könne, derer sich die Klägerin
angemaßt hätte.
Die Beklagte erwiderte darauf, dass eventuelle Fehler im Ehrenkodex-Verfahren die
Rechtmäßigkeit der Entziehung nicht beeinträchtigten, da § 34 Abs. 7 und Abs. 8 BerlHG
ein Ehrenkodex-Verfahren nicht voraussetze. Die Klägerin habe die Verwendung und die
Nichtzitierung der Diplomarbeit zugegeben. Hierbei handele es sich um einen
schwerwiegenden Verstoß gegen § 7 Abs. 2 der Promotionsordnung, der vom
Präsidenten der Beklagten eigenständig zu beurteilen sei. Feststehe, dass jedenfalls
wesentliche Teile der gedanklichen Leistung der Diplomarbeits-Verfasserin ohne Zitat
übernommen worden seien. Dabei sei unerheblich, ob es sich um deskriptive
Informationen handele.
Mit Bescheid vom 9. Mai 2005, der am selben Tag zur Post gegeben wurde, entzog das
Präsidium der Beklagten der Klägerin den ihr am 5. Juli 2001 verliehenen Doktorgrad und
forderte sie zur Herausgabe der Promotionsurkunde unter Androhung eines
Zwangsgeldes von 1.000 € auf. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass
etwaige Verfahrensfehler im Ehrenkodex-Verfahren unerheblich seien, da es sich
insoweit um ein lediglich internes Vorverfahren ohne Bindungswirkung handele. Die
Entziehungsvoraussetzung nach § 34 Abs. 7 Nr. 1 BerlHG sei gegeben, da die Klägerin
über das Vorliegen der Voraussetzungen zur Verleihung des Doktorgrades getäuscht
habe; denn dadurch, dass sie die Diplomarbeit nicht zitiert habe, habe sie gegen ihre
Pflicht gemäß § 7 Abs. 2 der Promotionsordnung zur Angabe sämtlicher Hilfsmittel und
Hilfen verstoßen. Die Diplomarbeit sei ein solches Hilfsmittel gewesen. Deren
gedanklichen Inhalt habe die Klägerin in wesentlichem Umfang übernommen. An
mindestens 60 Stellen hätte sie die Diplomarbeit zitieren müssen. Auch in der
Zusammenstellung und Ordnung deskriptiver Informationen liege eine wissenschaftliche
Leistung. Schließlich habe die Klägerin auch durch Übernahme weiter Teile der
Gliederung der Diplomarbeit deren Gedankenführung übernommen.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin mit am 13. Juni 2005 (einem Montag) bei
Gericht eingegangenem Schriftsatz Klage erhoben. Sie macht im Wesentlichen geltend,
das Ehrenkodex-Verfahren sei fehlerhaft durchgeführt worden. Die dem zugrunde
liegende Satzung sei eine ermessensbindende Verwaltungsvorschrift im Rahmen des
durch § 37 Abs. 4 BerlHG eröffneten Ermessens. Die Untersuchungskommission im
Ehrenkodex-Verfahren habe den Sachverhalt unzureichend erforscht.
Wegen der vergleichbaren Aufgabenstellung und der Nutzung derselben, allgemein
zugänglichen Quellen habe es unvermeidliche Parallelen gegeben. Bei den angeblich
abgeschriebenen Textpassagen sei die geistige Urheberschaft der Verfasserin der
Diplomarbeit nicht geprüft worden. Soweit diese selbst abgeschrieben habe, liege kein
Plagiat vor. Soweit die Klägerin die Diplomarbeit als Anregung benutzt habe, sei dies
eine nach § 24 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz zulässige „freie Benutzung“. Sie habe die
Diplomarbeit einer „eigenpersönlichen, kritischen und fachlich fundierten Durchsicht und
an vielen Stellen einer inhaltlichen Modifizierung unterzogen“. Ihre Dissertation sei „in
großen Teilen von ihr völlig neu verfasst“ worden. Die Dissertation weise auch ein
deutlich höheres Niveau auf. Ihr sei lediglich das Missgeschick geschehen, an einigen
Stellen dem Zitiergebot nicht vollständig nachgekommen zu sein, indem sie lediglich die
Primärquellen, nicht aber die Diplomarbeit benannte.
Übereinstimmungen seien bei feststehenden wirtschaftswissenschaftlichen
Fachbegriffen, bei Wiedergabe allgemeingültiger Definitionen und bei Schilderung
feststehender Fakten zwangsläufig. Thematische Übereinstimmungen, die in der Natur
der Darstellung angelegt und daher unvermeidbar seien, rechtfertigten den
Plagiatsvorwurf nicht. Allenfalls gebe es oberflächliche Ähnlichkeiten. Die bloße Zahl von
Übereinstimmungen sei von „absolut nachrangiger, allenfalls marginaler Bedeutung“.
Der mit der Verfasserin der Diplomarbeit geschlossene Vergleich gelte nur inter partes,
so dass man ihr die dort gemachten Zugeständnisse im vorliegenden Fall nicht
entgegen halten könne. Die Klägerin sei auf die Forderungen der Verfasserin der
Diplomarbeit nur eingegangen, um zu vermeiden, einem unberechtigten Plagiatvorwurf
und einem auf Entziehung des Doktortitels gerichteten Verwaltungsverfahren ausgesetzt
zu werden und das vorliegende Klageverfahren führen zu müssen. Ihr sei Vertraulichkeit
zugesichert worden und sie habe darauf vertraut, dass der Vergleich die Beklagte
hindern würde, gegen sie vorzugehen.
Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid der F. Universität B. vom 9. Mai 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend zu den Gründen des angefochtenen Bescheides trägt sie vor, dass die
Klägerin, nachdem sie sich die Diplomarbeit von deren Betreuer, Prof. L., ausgeliehen
und nach Lektüre zurückgegeben habe, den zuvor ihm gegenüber geäußerten Wunsch,
bei ihm zu promovieren, nicht mehr weiterverfolgt habe. Im Rahmen des sodann an der
Beklagten betriebenen Promotionsverfahrens habe sie das Thema selbst gewählt und
ihrem dortigen Betreuer vorgeschlagen. Dabei habe sie das Thema der Diplomarbeit
übernommen, ohne ihren Betreuer zu informieren. Daher könne sie sich nicht darauf
berufen, dass es wegen vergleichbarer Aufgabenstellungen zu unvermeidlichen
Parallelen gekommen sei. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin darüber hinaus
nicht nur zahlreiche Formulierungen, sondern auch Literaturangaben aus der
Diplomarbeit übernommen habe. Sie habe wesentliche, ihr Thema betreffende, nach
Fertigstellung der Diplomarbeit erschienene Publikationen nicht berücksichtigt, was dafür
spreche, dass sie sich maßgeblich von der Diplomarbeit und der von dieser
ausgewählten Literatur habe leiten lassen. Schließlich habe die Klägerin in dem mit der
Verfasserin der Diplomarbeit geschlossenen Vergleich deren Urheberrecht anerkannt. In
der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte den Bescheid vom 9. Mai 2005 dahin
ergänzt, dass die Promotionsurkunde erst nach Bestandskraft der Entziehung des
Doktorgrades herauszugeben sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte
sowie die Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind
– soweit wesentlich – Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht erhoben,
da der Bescheid vom 9. Mai 2005 gemäß § 41 Abs. 2 VwVfG am dritten Tag nach
Aufgabe zur Post, d.h. am 12. Mai 2005, als bekanntgegeben galt und die Klage am
Montag, dem 13. Juni 2005 bei Gericht eingegangen ist. Ein Vorverfahren war gemäß §§
68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, 26 Abs. 2 Satz 1 AZG nicht durchzuführen.
II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten, mit dem der Klägerin
der Grad einer Doktorin der Wirtschaftswissenschaft entzogen wurde, ist rechtmäßig und
verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Beklagte hat ihre Entscheidung, der Klägerin den Doktorgrad zu entziehen, auf §
34 Abs. 7 Nr. 1 des Gesetzes über die Hochschulen im Land Berlin (Berliner
Hochschulgesetzes - BerlHG -)in der Fassung vom 13. Februar 2003 (GVBl. S. 83),
zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. Dezember 2004 (GVBl. S. 484), gestützt. Danach
kann ein von einer staatlichen Hochschule des Landes Berlin verliehener akademischer
Grad wieder entzogen werden, wenn sich nachträglich herausstellt, dass er durch
Täuschung erworben worden ist oder dass wesentliche Voraussetzungen für die
Verleihung nicht vorgelegen haben. Gemäß Abs. 8 dieser Vorschrift entscheidet über die
Entziehung der Leiter der Hochschule auf Vorschlag des Gremiums, das für die
Entscheidung über die dem akademischen Grad zugrunde liegenden Prüfungsleistungen
zuständig ist. Die Promotionsordnung – PromO - des Fachbereichs
Wirtschaftswissenschaft der Beklagten vom 27. Januar 1993 (FU-Mitteilungen 28/1993
vom 8. November 1993) in der Fassung der Änderungsordnung vom 10. Mai 2000 (FU-
Mitteilungen 22/2000 vom 5. Oktober 2000) enthält keine entsprechende
Rechtsgrundlage, sondern verweist in § 19 darauf, dass die Aberkennung des
Doktorgrades nach den hierfür geltenden gesetzlichen Vorschriften erfolgt. § 48 VwVfG
ist hier nicht einschlägig (anders als in dem vom VG Frankfurt/M. durch Urteil vom 23.
Mai 2007 – 12 E 2262/05 – entschiedenen Fall, zitiert nach juris).
2. Verfahrensfehler weist die Entziehungsentscheidung nicht auf.
a) Die Entscheidung wurde zu Recht vom Präsidenten der Beklagten als deren Leiter auf
Vorschlag der Promotionskommission getroffen.
Gemäß § 35 Abs. 4 Satz 2 BerlHG wird der Doktorgrad aufgrund einer Promotion
verliehen. Gemäß § 35 Abs. 4 Satz 1 BerlHG ist Voraussetzung für eine Promotion eine
mit mindestens „ausreichend“ bewertete Dissertation und deren erfolgreiche mündliche
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mit mindestens „ausreichend“ bewertete Dissertation und deren erfolgreiche mündliche
Verteidigung in Form einer Disputation. Über die Bewertung der Dissertation und der
Disputation entscheidet gemäß § 35 Abs. 6 BerlHG ein vom Fachbereich benannter
Prüfungsausschuss. Gemäß § 2 Abs. 1 PromO obliegt die organisatorische und
verwaltungsmäßige Durchführung der Promotionsangelegenheiten dem Fachbereichsrat,
der dazu einen Promotionsausschuss einsetzt. Dieser entscheidet gemäß § 3 Abs. 4
PromO über die Zulassung zum Promotionsverfahren, er bestellt gemäß § 8 Abs. 1
PromO die beiden Gutachter für die Dissertation und gemäß § 9 Abs. 1 PromO beruft er
für die anstehende Promotion die Promotionskommission, welche aufgrund der
vorliegenden Gutachten die Dissertation bewertet, die Disputation bewertet und die
Gesamtnote bildet.
Indem der Vorsitzende des Promotionsausschusses, Prof. W., im Oktober 2004 eine
Stellungnahme der sechs Mitglieder der Promotionskommission einholte, die im Jahr
2001 über die Promotion der Klägerin entschieden hatte, und sich die Mitglieder der
Promotionskommission übereinstimmend dafür ausgesprochen hatten, der Klägerin den
Doktorgrad zuzuerkennen, lag ein entsprechender Vorschlag des für die Entscheidung
über die dem Doktorgrad zugrunde liegenden Prüfungsleistungen zuständigen
Gremiums vor. Aufgrund dieses Vorschlages wurde die Entscheidung über die
Entziehung des Doktorgrades mit Bescheid vom 9. Mai 2005 vom Präsidenten der
Beklagten als deren Leiter getroffen, so dass Bedenken gegen die Zuständigkeit nicht
bestehen.
b) Auch die gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG Bln i.V.m. § 28 Abs. 1 VwVfG erforderliche
Anhörung der Klägerin wurde durchgeführt. Diese Anhörung ist nicht gemäß § 2 Abs. 1
VwVfG Bln i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG entbehrlich; denn bei der Entscheidung über die
Entziehung des Doktorgrades handelt es sich nicht um eine Tätigkeit „bei Leistungs-,
Eignungs- und ähnlichen Prüfungen“, auch wenn dieser Doktorgrad aufgrund von
Prüfungsleistungen verliehen worden war. Im September 2004 hatte der
Promotionsausschuss der Klägerin Gelegenheit gegeben, zu der in Aussicht
genommenen Entziehung des Doktorgrades Stellung zu nehmen. Die Mitglieder der
Promotionskommission votierten in Kenntnis der ausführlichen Stellungnahme der
Klägerin für die Aberkennung des Doktorgrades. Im Hinblick auf die vom Präsidenten der
Beklagten beabsichtigten Entziehung des Doktorgrades erhielt die Klägerin im
Dezember 2004 erneut Gelegenheit zur Stellungnahme, und der Bescheid vom 9. Mai
2005 erging in Kenntnis ihrer im März 2005 abgegebenen weiteren Stellungnahme und
nach deren Prüfung durch das Rechtsamt der Beklagten.
c) Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob in dem von der Beklagten zunächst
durchgeführten Verfahren nach der „Ehrenkodex-Satzung“ Verfahrensfehler,
insbesondere eine unzureichende Anhörung der Klägerin, festzustellen sind, ist nicht
entscheidungserheblich, da es sich bei diesem Verfahren nicht um das der Entziehung
des Doktorgrades zugrunde liegende Verwaltungsverfahren bzw. einen notwendigen Teil
dieses Verwaltungsverfahrens handelte. Nur dann käme es darauf an, ob die der
Klägerin gegebene Gelegenheit, in der ersten Phase der Vorprüfung sowie in der zweiten
Phase der förmlichen Untersuchung schriftlich Stellung zu nehmen, ausreichte oder ob
sie auf ihr Recht, im Rahmen der förmlichen Untersuchung mündlich angehört zu werden
(B.2.2 c Satz 4 der Satzung), ausdrücklich hätte hingewiesen werden müssen. Auch
käme es dann darauf an, ob bei der Vorprüfung und der förmlichen Untersuchung im
Rahmen dieses Verfahrens die Dissertation der Klägerin und die fragliche Diplomarbeit
vorlagen, oder ob die Mitglieder der Untersuchungskommission gemäß Ehrenkodex sich
lediglich auf die Stellungnahmen der beiden Betreuer der Dissertation (Prof. F. und Prof.
N.) und der Vertrauensperson Ehrenkodex des Fachbereichs (Prof. R.), die den
Tatbestand eines Plagiats festgestellt hatten, stützten.
Die vom Akademischen Senat der Beklagten am 16. Juni 1999 erlassene „Satzung zur
Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ (FU-Mitteilungen 29/2002 vom 16. Dezember
2002) statuiert Regeln guter wissenschaftlicher Praxis und benennt Tatbestände
wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Für Fälle wissenschaftlichen Fehlverhaltens gibt die
Satzung eine Verfahrensordnung unter Benennung der zuständigen
Untersuchungsorgane, der Verfahrensstufen (Vorprüfung und förmliche Untersuchung)
sowie von Verfahrensgrundsätzen vor. Sanktionen für den Fall, dass wissenschaftliches
Fehlverhalten festgestellt wird, sind in der Satzung nicht vorgesehen. Insoweit heißt es
unter B.3. „Sanktionen“ lediglich, dass bei festgestelltem wissenschaftlichen
Fehlverhalten weitere Maßnahmen durch die zuständigen Hochschulorgane (Dekanat,
Präsidium, Fachbereich) „zu prüfen“ sind. Dabei ist der Entzug akademischer Grade
lediglich als ein Beispiel der in diesem Zusammenhang zu prüfenden akademischen
Konsequenzen genannt. Schon hieraus ergibt sich, dass das Verfahren nach der
„Ehrenkodex-Satzung“ nicht zu dem der Entziehung des Doktorgrades zugrunde
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„Ehrenkodex-Satzung“ nicht zu dem der Entziehung des Doktorgrades zugrunde
liegenden Verwaltungsverfahrens gehört und es auch nicht ersetzt. Auch § 34 Abs. 7
BerlHG lässt sich nicht entnehmen, dass die dem Leiter der Hochschule dort
eingeräumte Befugnis, einen akademischen Grad zu entziehen, ein Verfahren nach der
Ehrenkodex-Satzung voraussetzt.
Der Akademische Senat der Beklagten hat die Ehrenkodex-Satzung ausdrücklich auf die
„Empfehlungen der DFG-Kommission ‚Selbstkontrolle in der Wissenschaft’ vom 9.
Dezember 1997 und des HRK-Plenums vom 6. Juli 1998“ gestützt. Die Kommission
„Selbstkontrolle in der Wissenschaft“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft hat in
ihren „Vorschlägen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ Grundregeln für den
Umgang mit Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens aufgestellt und alle
wissenschaftlichen Einrichtungen aufgerufen, dafür ein faires Verfahren auszugestalten
und in Kraft zu setzen. Die Empfehlungen gehen dahin, dass die Hochschulen durch ihre
dafür legitimierten Organe Verfahren zum Umgang mit Vorwürfen wissenschaftlichen
Fehlverhaltens vorsehen sollen und dazu Tatbestände wissenschaftlichen Fehlverhaltens
definieren, Zuständigkeiten, Verfahren und Fristen zur Feststellung des Sachverhalts,
zur Anhörung Beteiligter, zur Wahrung der Vertraulichkeit sowie Sanktionen in
Abhängigkeit vom Schweregrad des Fehlverhaltens sowie die Zuständigkeit für die
Festlegung von Sanktionen regeln sollen. In den Erläuterungen zur Empfehlung 8 heißt
es, dass die gesetzlich, z.B. im Recht der akademischen Grade vorgesehenen
Sanktionen nicht ersetzt, sondern in Erinnerung gerufen und ergänzt werden sollen,
zumal in den gesetzlichen Verfahren nicht alle Fälle von Fehlverhalten in der
Wissenschaft erfasst seien. Das empfohlene Verfahren zur Feststellung
wissenschaftlichen Fehlverhaltens finde seine Grenze dort, wo gesetzliche Regelungen
greifen. Von daher spricht alles dafür, dass das nach der Ehrenkodex-Satzung
vorgesehene Untersuchungsverfahren lediglich der Klärung eines Vorwurfs
wissenschaftlichen Fehlverhaltens bzw. der Feststellung des wissenschaftlichen
Fehlverhaltens dient und daher allenfalls eine an die zuständigen Hochschulorgane zu
richtende Empfehlung vorsieht, welche nach den einschlägigen gesetzlichen Regelungen
vorgesehenen Konsequenzen bzw. Sanktionen in Erwägung gezogen werden sollen. Wird
- wie im vorliegenden Fall - mit der Feststellung wissenschaftlichen Fehlverhaltens
zugleich ein Tatbestand beschrieben, der nach § 34 Abs. 7 BerlHG die Entziehung eines
akademischen Grades rechtfertigt, so sind die dafür vorgesehenen Zuständigkeiten
sowie das dafür vorgesehene Verfahren zu beachten bzw. durchzuführen. Dieses
Verfahren kann nicht als durch das Untersuchungsverfahren nach der Ehrenkodex-
Satzung durchgeführt angesehen werden.
Insbesondere ist der Auffassung der Klägerin nicht zu folgen, die Ehrenkodex-Satzung
stelle eine selbstbindende Verwaltungsvorschrift der Beklagten dar, die sie sich im
Rahmen des ihr nach § 34 Abs. 7 eingeräumten Ermessens gegeben habe. Ein Hinweis
darauf lässt sich weder der Vorschrift des § 34 Abs. 7 BerlHG noch der Ehrenkodex-
Satzung entnehmen. In dieser Satzung fehlt vielmehr jeder konkrete Bezug auf § 34
Abs. 7 BerlHG. Der Entzug akademischer Grade ist - wie oben bereits ausgeführt -
lediglich beispielhaft als eine der bei wissenschaftlichem Fehlverhalten zu prüfenden
Konsequenzen erwähnt. Hinzu kommt, dass das Ziel der Untersuchung nach der
Ehrenkodex-Satzung die Feststellung eines Tatbestandes wissenschaftlichen
Fehlverhaltens ist, während die Entziehung eines akademischen Grades nach § 34 Abs. 7
BerlHG voraussetzt, dass der akademische Grad „durch Täuschung erworben worden
ist“ oder „dass wesentliche Voraussetzungen für die Verleihung nicht vorgelegen
haben“. Das Verfahren nach der Ehrenkodex-Satzung war nicht dazu bestimmt, den
Entziehungstatbestand festzustellen, auch wenn dies - wie im vorliegenden Fall - im
Ergebnis darauf hinauslaufen kann. Von daher sind die im Ehrenkodex-Verfahren
durchzuführenden Anhörungen des Betroffenen auch nicht unter Inaussichtstellung einer
beabsichtigten bzw. erwogenen Entziehung des Doktorgrades durchzuführen. Die mit
der Entziehung des Doktorgrades befassten Organe der Hochschule haben den
Sachverhalt für den Entziehungstatbestand eigenständig und unter Wahrung des
Anhörungsrechts des Betroffenen zu ermitteln. Ob die von der Klägerin gerügten
Verfahrensunzulänglichkeiten im Ehrenkodex-Verfahren überhaupt als Verfahrensfehler
zu bezeichnen wären oder ob hier andere Maßstäbe als in einem auf Erlass eines
belastenden Verwaltungsaktes gerichteten Verwaltungsverfahren anzulegen sind, kann
somit dahinstehen.
3. Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Promotionsordnung
des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Beklagten enthält keinerlei eigenständige
Regelung über die Entziehung eines Doktorgrades, sondern verweist in § 19 auf die
„hierfür geltenden gesetzlichen Bestimmungen“, und damit auf § 34 Abs. 7 BerlHG. Der
Tatbestand des § 34 Abs. 7 Nr. 1, 1. Alt. BerlHG, auf den die Beklagte ihre Entscheidung
gestützt hat, ist erfüllt. Es hat sich nachträglich herausgestellt, dass die Klägerin den ihr
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gestützt hat, ist erfüllt. Es hat sich nachträglich herausgestellt, dass die Klägerin den ihr
verliehenen Doktorgrad durch Täuschung erworben hat. Das der Beklagten hinsichtlich
der Frage, ob bei diesem Tatbestand der Doktorgrad wieder entzogen wird, eingeräumte
Ermessen, ist fehlerfrei ausgeübt worden.
a) Die Dissertation, die gemäß § 35 Abs. 4 BerlHG Voraussetzung für eine Promotion ist,
muss gemäß § 7 Abs. 1 PromO einen unveröffentlichten, selbstständigen Beitrag zur
Forschung darstellen. Gemäß § 7 Abs. 2 PromO muss der Doktorand oder die
Doktorandin „alle Hilfsmittel und Hilfen angeben und versichern, auf dieser Grundlage
die Arbeit selbstständig verfasst zu haben“. Eine dementsprechende Erklärung gab die
Klägerin in ihrem Promotionsverfahren unter dem 8. Mai 2001 und durch die
eidesstattliche Erklärung in der Dissertation ab. Ihre Versicherung, dass sie für ihre
Dissertation die in deren Literaturverzeichnis genannten Hilfsmittel und Hilfen verwendet
und dass sie auf dieser Grundlage die Arbeit selbstständig verfasst habe, hat den
unmissverständlichen Erklärungswert, dass sie sämtliche von ihr zur Anfertigung der
Dissertation verwendeten Hilfsmittel und Hilfen im Literaturverzeichnis aufgeführt und
allein auf deren Grundlage, d.h. nicht unter Heranziehung weiterer, von ihr nicht
benannter Hilfsmittel, die Arbeit verfasst habe.
Es bedarf keiner näheren Ausführungen dazu, dass es sich bei der in Rede stehenden
Diplomarbeit um ein „Hilfsmittel“ im vorliegenden Sinne handelt. Die Diplomarbeit stellt
eine wissenschaftliche Arbeit dar, die sich zwar - wie dies bei wissenschaftlichen Arbeiten
nicht nur üblich, sondern auch erforderlich ist - auf zahlreiche, von der
Diplomarbeitsverfasserin zitierte Quellen stützt, die sich jedoch erkennbar nicht darauf
beschränkt, diese Quellen lediglich auszugsweise zu repetieren. Gegenstand der
Diplomarbeit sind jedenfalls die Auswahl der zu dem Thema vorliegenden Quellen und
deren Auswertung. Soweit die Klägerin ihr Argument, Übereinstimmungen zwischen ihrer
Dissertation und der Diplomarbeit seien auf die jeweilige Verwendung derselben Quellen
zurückzuführen, dahin verstanden wissen will, dass nicht die Diplomarbeit, sondern
lediglich die sowohl von deren Verfasserin als auch die von ihr selbst verwendeten (und
auch zitierten) Quellen die in der Dissertation verwendeten Hilfsmittel gewesen seien,
kann ihr schon vom Ansatz her nicht gefolgt werden; denn die Diplomarbeit erschöpft
sich - was keiner näheren Vertiefung bedarf - ganz offensichtlich nicht in einer, einer
bloßen Bibliografie vergleichbaren Arbeit. Unstreitig kannte und verwendete die Klägerin
die Diplomarbeit bei Erstellung ihrer Dissertation. So hat sie unter anderem vortragen
lassen, sie habe die Diplomarbeit einer „eigenpersönlichen, kritischen und fachlich
fundierten Durchsicht und an vielen Stellen einer inhaltlichen Modifizierung unterzogen“,
und in der mündlichen Verhandlung hat sie eingeräumt, dass sie die Diplomarbeit nicht
nur als Orientierung herangezogen habe, sondern dass ihr im späteren Verlauf der
Erstellung ihrer Dissertation nicht mehr bewusst gewesen sei, was (davon) aus der
Diplomarbeit stammte und was nicht, so dass sie die Diplomarbeit auch zitiert hätte,
wenn sie ihr nicht abhanden gekommen wäre. Sie nannte diese Arbeit jedoch weder im
Literaturverzeichnis ihrer Dissertation, noch zitierte sie sie in einer der über 700
Fußnoten, obwohl sich das Thema der Dissertation kaum vom Thema der Diplomarbeit
unterscheidet, obwohl sich erhebliche Übereinstimmungen in den jeweiligen
Gliederungen und in der Struktur der Darstellung zeigen und obwohl zahlreiche
Textpassagen der Dissertation inhaltlich und oft auch wortgleich mit der Diplomarbeit
übereinstimmen. Allein hieraus ergibt sich, dass die Klägerin bei ihrer Dissertation die
Diplomarbeit nicht nur am Rande, sondern maßgeblich verwendete, so dass ihre
wissentlich falsche Erklärung im Rahmen des Promotionsverfahrens, andere als die in
der Dissertation genannten Hilfsmittel nicht verwendet zu haben, ohne Zweifel eine
Täuschung darstellt. Dabei ist hervorzuheben, dass die Diplomarbeit der Klägerin
offenkundig nicht nur als „Anregung“ diente, sondern von ihr als Vorlage für große und
von ihr offensichtlich auch für wesentlich gehaltene Teile ihrer Arbeit benutzt wurde, die
sie sonst eigenständig hätte verfassen müssen. Soweit die Dissertation bei der
Eingrenzung des Themas, der Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes und des
zu ermittelnden Befundes, der Gliederung, der Struktur und vieler Einzeldarstellungen
mit der Diplomarbeit übereinstimmt, stellt sie keine eigene Leistung dar, gibt dies aber
vor. Dies gilt unabhängig davon, inwieweit es sich dabei um „schöpferische“
Eigenleistungen der Verfasserin der Diplomarbeit oder um mehr oder weniger
deskriptive Ausführungen handelt und inwieweit diese sich dabei auf Quellen Dritter
gestützt hat. Soweit die Klägerin dahin verstanden werden will, dass textliche
Übereinstimmungen ihr insoweit nicht vorgehalten werden dürften, widerspricht sie
ihrem eigenen Vortrag, dass auch die „gedanklich fundierte Synthese von in Werken
Dritter vorgefundenen Fakten und Ansichten“ die Anforderungen an eine schöpferische
Leistung erfülle (Schriftsatz vom 31. März 2006).
Die Klägerin hat das wissenschaftliche Zitiergebot nicht nur marginal, sondern in ganz
erheblichem Umfang verletzt:
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- große Teile der Gliederung der Dissertation stimmen in Struktur und Inhalt mit
dem Inhaltsverzeichnis der Diplomarbeit überein,
- in der Einleitung der Dissertation (S. 11 bis 12 und 14 bis 15) finden sich sehr
weitgehende textliche Übereinstimmungen mit der Einleitung der Diplomarbeit (S.
1 bis 2),
- im wirtschaftsgeographischen Teil der Dissertation (S. 50 bis 51, 53, 55) finden
sich teilweise wortgleiche Passagen aus der Diplomarbeit (S. 3, 5) wieder,
- dies gilt auch für den wirtschaftspolitischen Teil (S. 102 f. der Dissertation, S. 22
der Diplomarbeit),
- nahezu wortgleiche Ausführungen gibt es bei der Darstellung der südafrikanischen
Unternehmensrechtsformen (S. 124 f., 125, 125 bis 126, 127 f., 128, 129, 131,
133 der Dissertation, S. 29 bis 30, 31, 32 f., 33 der Diplomarbeit),
- die Darstellung des Finanzsektors (S. 136 bis 139, 141, 142, 144, 146, 147, 149,
150, 151, 152, 153153 bis 154, 156, 157, 158, 159 der Dissertation) weist sehr
weitgehende, oft bis in wortgleiche Formulierungen reichende
Übereinstimmungen mit den entsprechenden Passagen der Diplomarbeit (S. 34
bis 36, 37, 38, 39, 40, 40 bis 41, 42, 44, 45, 46, 48, 47, 49, 50) auf,
- dies trifft auch zu für die Beschreibung des südafrikanischen Steuersystems (S.
161, 163, 165, 169, 170, 171, 173, 175 der Dissertation und S. 50, 51, 52, 53, 54,
55 der Diplomarbeit; S. 174, 175 der Dissertation und S. 56 der Diplomarbeit; S.
178, 179 der Dissertation und S. 57, 58 der Diplomarbeit; S. 181, 183 f. der
Dissertation und S. 60, 61 der Diplomarbeit),
- weitere textliche Übereinstimmungen finden sich bei der Darstellung des
Bildungswesens (S. 204 der Dissertation und S. 65 der Diplomarbeit),
- nahezu textgleiche Passagen enthält auch der dem Arbeitsrecht gewidmete Teil
(S. 225, 226, 227 f., 229, 231 der Dissertation und S. 72 bis 73, 74, 75 f. der
Diplomarbeit).
Dieses Ausmaß an Übereinstimmungen der Dissertation mit der Diplomarbeit ließ für die
Klägerin keinen Entscheidungsspielraum zu, ob sie die Diplomarbeit im Quellen- und
Literaturverzeichnis und an zahlreichen Stellen als Fußnote zu nennen hatte. Was die
Klägerin mit ihrem Einwand, ihr sei lediglich das „Missgeschick“ geschehen, „an einigen
Stellen“ dem Zitiergebot „nicht vollständig“ nachgekommen zu sein, indem sie lediglich
die Primärquellen, nicht aber die Diplomarbeit benannte, zum Ausdruck bringen will, ist
nicht nachvollziehbar.
b) In subjektiver Hinsicht genügt für die Täuschung der bedingte Vorsatz (vgl. auch VG
Frankfurt/M. a.aO.). Die Klägerin nahm es zumindest billigend in Kauf, dass die
Promotionskommission über die Urheberschaft wesentlicher Teile der Dissertation
getäuscht wurde, indem sie nicht offen legte, dass und in welchem Umfang sie sich bei
deren Abfassung der von der Verfasserin der Diplomarbeit geleisteten Vorarbeit bedient
hatte. Dies war der Klägerin auch bewusst; denn es handelte sich nicht um fahrlässig
bzw. durch unsachgemäße Zitierweise oder aufgrund eines unabwendbaren Ereignisses
unterbliebene Quellenangaben. Weder kann der Klägerin abgenommen werden, dass
das Abhandenkommen der von ihr gefertigten Kopie der Diplomarbeit nach deren
Auswertung der Grund für das Nichtzitieren war, noch dass sie das Nichtzitieren als mit
wissenschaftlichem Arbeiten und mit ihren ausdrücklichen Erklärungen im
Promotionsverfahren vereinbar ansehen durfte. Das Gericht ist vielmehr davon
überzeugt, dass die Klägerin in großem Umfang und planmäßig fremde Passagen
unmittelbar abgeschrieben, deren Formulierung teilweise nur geringfügig umgestellt und
sie als Gegenstand eigener Arbeit ausgewiesen hat. Sie hat die von ihr bei der
Diplomarbeit gemachten „Anleihen“ bewusst verschwiegen, um den Wert ihrer eigenen
Leistung nicht zu schmälern. Die große Ähnlichkeit der - selbst gewählten -
Themenstellung, der Gliederung, der Abfolge der Darstellung und die vielen, teils
wortwörtlich übernommenen Passagen lassen keinen anderen Schluss zu. Um nicht den
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wortwörtlich übernommenen Passagen lassen keinen anderen Schluss zu. Um nicht den
unzutreffenden Eindruck eigenständiger Ausführungen zu erwecken, hätte die Klägerin
die aus der Diplomarbeit übernommenen Passagen zitieren, in vielen Fällen wohl auch
durch Anführungszeichen kenntlich machen müssen, und zwar unabhängig davon,
welche wissenschaftliche Tiefe diese Passagen aufweisen. Dieser Verpflichtung war die
Klägerin selbst dann nicht enthoben, wenn sie sich – was nicht glaubhaft erscheint –
keinerlei Aufzeichnungen über die aus der Diplomarbeit übernommenen Teile gemacht
haben sollte und nach deren Verlust zu einer ordnungsgemäßen Zitierweise nicht mehr
in der Lage gewesen sein will. Bei ihren in der mündlichen Verhandlung geschilderten
Bemühungen um Wiedererlangung der Arbeit hat sie nach dem Eindruck des Gerichts
die bestehenden Möglichkeiten nicht ausgeschöpft, insbesondere nicht einmal den
Versuch unternommen, von der ihr bekannten Verfasserin der Arbeit ein Exemplar zu
erhalten.
Die zahlreichen Übereinstimmungen sind auch nicht dadurch zu erklären, dass sie sich
durch Verwendung derselben Primärquellen sozusagen zwangsläufig ergeben hätten.
Dies trifft schon vom Ansatz her nicht zu, soweit die Klägerin dazu auf englischsprachige
Literatur und auf Literatur verweist, die erst nach Fertigstellung der Diplomarbeit
publiziert wurde. Auch ansonsten ist die – damit offenbar gemeinte – Behauptung nicht
glaubhaft, sie sei gewissermaßen parallel zu der Diplomarbeit vorgegangen, sei auf
dieselben Quellen gestoßen und habe durch deren Auswertung unvermeidbar gleich-
oder ähnlich lautenden Text produziert. Die in den von der Klägerin im Einzelnen
bezeichneten „Primärquellen“ durchaus vorzufindenden thematischen
Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten sind kein Beleg dafür, dass sie durch
eigenständige Wiedergabe dieser Quellen nur zufällig bzw. zwangsläufig zu einer Art der
Darstellung kam, die nach dem Eindruck des Gerichts nicht anders zu erklären ist, als
dass in weiten Zügen aus der Diplomarbeit abgeschrieben wurde. Das hier festgestellte
Ausmaß einer Vielzahl übereinstimmender Textpassagen ergibt sich nicht aus einem
Vergleich der Dissertation mit diesen „Primärquellen“, sonders erst aus einem Vergleich
mit der Diplomarbeit. Da feststeht, dass die Klägerin die Diplomarbeit kannte und nach
eigenem Vortrag auch auswertete, konnte sie sich - insoweit - ohne eigenständige
Recherche auch auf sämtliche in dieser Arbeit genannten Primärquellen stützen. Nicht
beweisen zu können, dass sie trotz Kenntnis der Diplomarbeit so nicht vorgegangen sei,
geht zu ihren Lasten.
c) Diese Täuschung war erkennbar auch ursächlich für den Erwerb des Doktorgrades.
Gemäß § 35 Abs. 4 BerlHG setzt die Promotion eine mit mindestens ausreichend
bewertete wissenschaftliche Arbeit voraus, die auf selbständiger Forschungsarbeit
beruht. § 7 Abs. 1 der PromO fordert insoweit einen „selbständigen Beitrag zur
Forschung“ und verlangt in Abs. 2, dass alle Hilfsmittel und Hilfen angegeben werden
müssen und versichert werden muss, dass die Arbeit auf dieser Grundlage selbständig
verfasst wurde. Damit sind wesensbestimmende Grundsatzmerkmale einer Dissertation
beschrieben (vgl. Beschluss des Bad.-Württ. VGH vom 13. Oktober 2008 – 9 S 494/08 -,
zitiert nach juris).
Es ist völlig offen, wenn nicht gar höchst fraglich, ob die Promotionskommission die
Dissertation der Klägerin als eine mindestens mit ausreichend zu bewertende
wissenschaftliche Arbeit anerkannt hätte, wenn ihr bekannt gewesen wäre, dass und in
welchem Umfang die Klägerin auf die Diplomarbeit zurückgegriffen hatte. Durch
gezieltes Verschweigen dieses Umstandes verfälschte die Klägerin die
Beurteilungsgrundlage. Sie verhinderte einen der Promotionskommission ansonsten
möglich gewesenen Abgleich mit der Diplomarbeit und eine zutreffende Bewertung der
gegenüber dieser Arbeit bestehenden eigenen wissenschaftlichen Leistung der Klägerin.
Dies gilt in besonderem Maße vor dem Hintergrund, dass die Dissertation der Klägerin
von den Gutachtern als „keine wissenschaftliche Meisterleistung, sondern ein Produkt
gesunden Menschenverstandes und wohl organisierter empirischer Forschungsarbeit“,
bzw. ehe als eine einer „Studie, die für Unternehmen erstellt wird, die vor
Investitionsentscheidungen in Südafrika stehen, als einer typischen Dissertation“
gleichende Arbeit angesehen wurde, deren Leistung „weniger in ihrem im engeren Sinne
wissenschaftlich-analytischen Gehalt“ als vielmehr in einer „Darstellung der
Investitionsbedingungen und der Schwierigkeiten, vor denen Regierungen,
Gewerkschaften und die Menschen in Südafrika im Allgemeinen stehen“ liege. Wenn die
Klägerin den vielen ihr vorgehaltenen (und von ihr als solche nicht offen gelegten)
Übereinstimmungen entgegenhält, es handele sich hier weitgehend um Darstellung von
Fakten bzw. um „deskriptive“ Ausführungen, so räumt sie damit ein, über die
Authentizität von für die Beurteilung maßgeblichen Teilen ihrer Arbeit getäuscht zu
haben. Soweit sie darauf verweist, dass sie „auf einem deutlich höheren Niveau“ als die
Verfasserin der Diplomarbeit gearbeitet und über die Befunde dieser Arbeit
hinausgehend größere Passagen (etwa zur Geschichte Südafrikas, zu den
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hinausgehend größere Passagen (etwa zur Geschichte Südafrikas, zu den
volkswirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, zur Kriminalitätsproblematik
und zur Ausbreitung der Aids-Krankheit) „persönlich völlig neu geschaffen“ habe, ändert
dies nichts an der Kausalität der Täuschung; denn die Beurteilung, wie die Dissertation
unter Außerachtlassung der aus der Diplomarbeit übernommenen Teile bzw. im Falle
einer vollständigen Angabe der verwendeten Literatur zu bewerten gewesen wäre, steht
dem Gericht nicht zu. Für die Ursächlichkeit der von der Klägerin begangenen Täuschung
ist nicht von Bedeutung, ob ihr für eine andere Arbeit, als die tatsächlich vorgelegte der
Doktorgrad verliehen worden wäre. Derartige hypothetische Erwägungen im Sinne einer
geltungserhaltenden Reduktion kommen hier nicht in Betracht (vgl. Bad.-Württ. VGH
a.a.O.).
d) Nicht entscheidungserheblich ist die Frage, ob die Dissertation in der Form, wie sie die
Klägerin im Promotionsverfahren vorlegte, ein Werk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. UrhG
darstellte und ob die Übernahme einer großen Zahl von Passagen aus der Diplomarbeit
unter diesem Gesichtspunkt hinzunehmen wäre, weil die Klägerin damit lediglich eine
„kritische(n) Überprüfung und eigenständige(n) Auswahl von bereits veröffentlichten
textlichen Aussagen Dritter in früher erschienenen Werken“ vorgenommen, als eigene
schöpferische Leistung aber eine „gedanklich fundierte Synthese von in Werken Dritter
vorgefundenen Fakten und Ansichten“ geschaffen habe. Denn Gegenstand des
vorliegenden Verfahrens ist nicht die Frage, ob die Klägerin bei der „Verarbeitung“ der
Diplomarbeit in ihrer Dissertation Urheberrechte der Verfasserin der Diplomarbeit
verletzte oder ob es sich dabei urheberrechtlich um eine nach § 24 Abs. 1 UrhG
zulässige freie Benutzung eines anderen Werkes handelte. Es liegt auf der Hand, dass
die Beurteilung, ob eine wissenschaftlichen Standards entsprechende Leistung vorliegt
und von welcher Qualität sie ist, unabhängig davon zu treffen ist, ob die Ähnlichkeit des
zu beurteilenden Werkes mit einem anderen Werk urheberrechtlich hinzunehmen ist.
e) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Die Beklagte ging bei ihrer Entscheidung von
einem vollständig ermittelten Sachverhalt aus und würdigte die Einwendungen der
Klägerin gegen die ihr angekündigte Entscheidung. Unerheblich ist dabei, ob in der
Begründung der Entscheidung die Zahl der als übereinstimmend angesehenen
Passagen und die Zahl der Stellen, an denen die Diplomarbeit hätte zitiert werden
müssen, in jeder Hinsicht zutreffend ist; denn die Beklagte hat deutlich zu erkennen
gegeben, dass für sie insoweit nicht eine exakte quantitative Feststellung
entscheidungserheblich war, sondern das sich bei einer Gesamtschau ergebende
Ausmaß der ohne Quellenangabe übernommenen Teile der Arbeit. Die Beklagte hat
auch das Gewicht des wissenschaftlichen Fehlverhaltens der Klägerin zutreffend beurteilt
und die Bedeutung der Entziehung des Doktorgrades für das durch Art. 12 Abs. 1 GG
geschützte Fortkommen der Klägerin nicht verkannt-. Gerade wegen des Umfangs der
Übernahme fremder Passagen und des Gewichts der darin liegenden Täuschung der
Promotionskommission stellt sich die Entziehung des Doktorgrades nicht als
unverhältnismäßig dar.
4. Als rechtmäßig erweist sich im Ergebnis auch die Aufforderung, die
Promotionsurkunde herauszugeben. Die Beklagte hat sich insoweit auf den öffentlich-
rechtlichen Erstattungsanspruch gestützt. Die Klägerin habe mit der Entziehung des
Doktorgrades den Rechtsgrund für Eigentum und Besitz an der Urkunde verloren.
Zutreffend daran ist der Ansatz, dass der - dem zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch
(§§ 812 ff. BGB) nachgebildete - Erstattungsanspruch zwar grundsätzlich aber nicht nur
dem Ausgleich ungerechtfertigter Vermögensverschiebungen dient und daher auch auf
die Herausgabe des Besitzes an einer Urkunde gerichtet sein kann. Seine
gesetzgeberische Umsetzung erschöpft sich daher nicht in der Regelung des § 49 a
VwVfG. Spezieller dürfte aber § 52 VwVfG sein, der – als Ermessensnorm – die
Zurückforderung einer Urkunde ermöglicht, die aufgrund eines bestandskräftig
widerrufenen oder zurückgenommenen Verwaltungsakts erteilt wurde und die zum
Nachweis oder zur Ausübung der Rechte aus diesem Verwaltungsakt dient. Nicht
einheitlich wird beurteilt, ob § 52 VwVfG Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens
ist(befürwortend: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, § 52 Rn. 4; zurückhaltend:
Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, Rn. 11 zu § 52). Im Ergebnis trägt § 52
VwVfG die Entscheidung unabhängig davon, ob die Norm genannt wurde, und alles
spricht dafür, dass das durch die Norm eröffnete Ermessen im vorliegenden Fall auf Null
reduziert war, weil keine sachgerechte Erwägung in Betracht kam, der Klägerin trotz
bestandskräftiger Entziehung des Doktorgrades die Promotionsurkunde zu belassen.
Unschädlich ist auch, dass die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid das
Herausgabeverlangen zunächst nicht ausdrücklich unter die aufschiebende Bedingung
des Eintritts der Bestandskraft der Entziehung gestellt hatte; denn zum einen ist sie
durch die in der mündlichen Verhandlung erklärte klarstellende Ergänzung des
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durch die in der mündlichen Verhandlung erklärte klarstellende Ergänzung des
Bescheidtenors etwaigen Bedenken entgegen getreten, zum anderen hatte sie auch in
der Formulierung der Zwangsgeldandrohung hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass
sie von einer erst nach Bestandskraft eintretenden Herausgabepflicht ausgehe.
5. Die Androhung eines Zwangsgeldes für den Fall, dass die Klägerin der
Herausgabepflicht nicht nachkommt, ist zu Recht auf §§ 5 Abs. 2 VwVfG Bln i.V.m. § 13
Abs. 1 VwVG gestützt worden. Das Zwangsgeld kommt gemäß § 11 VwVG bei einer nicht
vertretbaren Handlung, wie sie hier in Rede steht, in Betracht.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 709 ZPO.
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