Urteil des StGH Hessen vom 13.03.2017

StGH Hessen: juristische person, hessen, grundrecht, pflichtstundenzahl, staatsprüfung, verfassungsbeschwerde, beschwerdebefugnis, zinn, kreis, realschullehrer

1
2
3
4
5
6
Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 835
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 15 Verf HE, Art 29 Verf HE,
Art 36 Verf HE, Art 131 Verf
HE, Art 135 Verf HE
Leitsatz
1. Zur Beschwerdebefugnis im Grundrechtsklageverfahren: Juristische Personen des
Privatrechts können Grundrechte oder grundrechtsähnliche Rechte für ihre Mitglieder
nicht geltend machen.
2. Zum Verhältnis zwischen Grundrechtsklage und Verfassungsbeschwerde.
3. Verwaltungsvorschriften können mangels Rechtsnormcharakters im allgemeinen
nicht zum Gegenstand einer Grundrechtsklage gemacht werden. Ihre Bekanntgabe an
Dritte hat nur informatorische Bedeutung.
Tenor
Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Die Gebühr wird auf 10.000,-- DM festgesetzt.
Gründe
A.
I.
Der Hessische Kultusminister regelte durch - nicht veröffentlichten - Erlaß vom 28.
Juni 1976 an die Regierungspräsidenten in Darmstadt und Kassel das Verfahren für
die Stellen- und Lehrerzuweisung an allgemeinbildenden Schulen im Schuljahr
1976/1977 neu, um die Unterrichtsversorgung an diesen Schulen zu verbessern.
Neben haushaltstechnischen Anweisungen zur Durchführung des
Einstellungsverfahrens heißt es in dem Erlaß:
"Im Einstellungsverfahren für den
1.8.1976
1.2.1977
1.8.1977
werden im Rahmen der Einstellungsmöglichkeiten mit Bewerbern mit Erster und
Zweiter Staatsprüfung für ein Lehramt grundsätzlich auf drei Jahre befristete
Angestelltenverträge nach BAT auf 2/3 der festgesetzten Pflichtstundenzahl
abgeschlossen.
Ausgenommen von dieser Regelung sind
1. Bewerber mit Erster und Zweiter Staatsprüfung für ein Lehramt, die im Wege
der Versetzung in den hessischen Schuldienst übernommen werden.
2. Lehrer, die nach einer Beurlaubung wieder in den hessischen Schuldienst
zurückkehren,
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
3. Bewerber mit Erster und Zweiter Staatsprüfung für das Lehramt an beruflichen
Schulen, soweit für sie vom Fachbedarf der Schulen her ein voller
Unterrichtseinsatz in ihren Fächern bzw. in ihrer Fachrichtung gewährleistet ist und
wenn sie als gewichteten Mittelwert aus der Gesamtnote der Ersten und Zweiten
Staatsprüfung mindestens 3,0 erreichen,
4. Bewerber, die nach Abschluß der berufspädagogischen Ausbildung eine
Einstellung als Fachlehrer beantragen,
5. Bewerber mit der Ersten Prüfung zum Erwerb der Lehrbefähigung in musisch-
technischen Fächern.
Diese Bewerber sind nach Maßgabe freier Stellen im Beamtenverhältnis
einzustellen.
Anträge auf eine Ausnahmeregelung im begründeten Einzel fall sind mir zur
Entscheidung vorzulegen. Dabei sind strenge Maßstäbe anzulegen.
Bei der Ermittlung der Anzahl der abzuschließenden 2/3 BAT Verträge für die
verschiedenen Schulformen, Schulaufsichtsbereiche und Schulen bzw. für die
verschiedenen Lehrergruppen ist davon auszugehen, daß für je zwei Stellen drei
2/3 BAT Verträge abzuschließen sind. Da die im befristeten Angestelltenverhältnis
eingestellten Lehrer nicht auf diesen Stellen geführt werden, sondern lediglich das
freie Stellenaufkommen zur Vergütung der BAT Verträge verwendet wird, bestehen
keine Bedenken, die freien Stellen so zu 'kombinieren', daß für einen
Schulaufsichtsbereich (eine Schule) zwei 2/3 BAT Vertrages, für einen anderen nur
ein 2/3 BAT Vertrag abgeschlossen werden, wenn in beiden noch je eine freie Stelle
vorhanden ist. Selbstverständlich ist es auch möglich, auf Antrag befristete BAT
Verträge auf die Hälfte der festgesetzten Pflichtstundenzahl abzuschließen. Es
sollte aber darauf geachtet werden, daß die insgesamt durch Abschluß von BAT
Verträgen erreichte Unterrichtsdeckung der Anzahl freier Stellen entspricht.
Zu den aus dem freien Stellenaufkommen vergüteten BAT Verträgen kommt
hinzu die in den Stellenzuweisungslisten in der Spalte '2/3 BAT Verträge'
ausgewiesene Anzahl."
II.
Mit seinem Antrag vom 1. September 1976, bei der Geschäftsstelle des
Staatsgerichtshofs des Landes Hessen eingegangen am 6. September 1976,
beantragt der Antragsteller festzustellen,
Das Land Hessen hat dadurch gegen den Artikel 33 Abs. 4 und 5 Grundgesetz, §§
1 und 2 Beamtenrechtsrahmengesetz und § 5 Abs. 2 Hessisches Beamtengesetz
verstoßen, daß es im Rahmen der Einstellungsmöglichkeiten mit Bewerbern mit
Erster und Zweiter Staatsprüfung für ein Lehramt grundsätzlich auf drei Jahre
befristete Angestelltenverträge nach BAT auf 2/3 der festgesetzten
Pflichtstundenzahl ab 1. August 1976 abschließt.
Zur Begründung führt er aus, eine Oberprüfung der Rechtsfrage durch die
Verwaltungsgerichte auf Grund von Klagen einzelner Lehramtsbewerber sei
ausgeschlossen, weil mit ihnen ein beamtenrechtliches Dienst- und
Treueverhältnis noch nicht begründet worden sei. Auch im Rahmen eines
arbeitsgerichtlichen Verfahrens könne nicht festgestellt werden, ob der einzelne
Arbeitsvertrag gegen § 5 Abs. 2. HBG verstoße. Da im vorliegenden Falle
Landesrecht verletzt sei, müsse es in analoger Anwendung des § 90 BVerfGG
möglich sein, den Staatsgerichtshof des Landes Hessen anzurufen. In
Übereinstimmung, mit dieser Vorschrift könne jedermann, also auch eine
juristische Person, das Verfassungsgericht anrufen. Der Antragstelle sei eine
Gewerkschaft im Bereich des öffentlichen Dienstes, zu deren Mitgliedsverbänden
der "Hessische Philologenverband", der "Verband Bildung und Erziehung" und der
"Verband Deutscher Realschullehrer" gehörten, also Gewerkschaften, die ihrerseits
ausschließlich Lehrer organisierten.
Auf Grund des Erlasses des Hessischen Kultusministers vom 28. Juni 1976 würden
freiwerdende Beamtenstellen mit Angestellten besetzt, und zwar würden mit den
Bewerbern grundsätzlich auf drei Jahre befristete Angestelltenverträge nach BAT
auf 2/3 der festgesetzten Pflichtstundenzahl abgeschlossen. Dies sei ein Verstoß
gegen § 5 Abs. 2 HBG, der ein Ausfluß der Bestimmungen des Art. 33 Abs. 4 und 5
18
19
20
21
22
23
24
25
gegen § 5 Abs. 2 HBG, der ein Ausfluß der Bestimmungen des Art. 33 Abs. 4 und 5
Grundgesetz sowie dar §§ 1 und 2 des Beamtenrechtsrahmengesetzes sei.
Nach Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz in Verbindung mit § 1 des
Beamtenrechtsrahmengesetzes sei das Recht des öffentlichen Dienstes unter
Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu
regeln. Art. 33 Abs. 4 GG bestimme, daß die Ausübung hoheitsrechtlicher
Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen
Dienstes zu übertragen sei, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und
Treueverhältnis ständen. Danach dürften hoheitsrechtliche Befugnisse in der Regel
nur Beamten übertragen werden, wie es auch in § 5 Abs. 2 HBG und § 2 Abs. 3
Beamtenrechtsrahmengesetz geregelt sei. Anerkanntermaßen gehöre die
Lehrtätigkeit an öffentlichen Schulen zu den hoheitlichen Befugnissen. Auch § 52
Abs. 1 Schulverwaltungsgesetz trage diesem Grundsatz Rechnung. Der Hessische
Kultusminister verstoße aber gegen dieses verfassungsrechtliche Gebot, wenn er
freiwerdende Beamtenstellen nicht mehr mit Beamten besetze, sondern mit
Bewerbern auf drei Jahre befristete Angestelltenverträge für 2/3 der festgesetzten
Pflichtstundenzahl abschließe.
Das Land Hessen könne sich demgegenüber nicht darauf berufen, daß der
angegriffene Erlaß nur eine vorübergehende Maßnahme sei. Das
Einstellungsverfahren sei nicht auf den Zeitpunkt des 1. August 1976 beschränkt,
sondern sei auch für die Einstellungstermine am 1. Februar 1977 und am 1.
August 1977 vorgesehen. Darüber hinaus habe der Hessische Kultusminister in
seinen Informationen vom 12. Mai 1976 - Nr. 76/76 - ausgeführt, daß die
vorgesehene generelle Nutzung der freien Stellen im Bereich der
allgemeinbildenden Schulen durch 2/3 BAT Verträge die Beschäftigung möglichst
vieler fertig ausgebildeter Lehrer sicherstellen solle.
III.
Der Hessische Ministerpräsident hält den Antrag für offensichtlich unzulässig, da er
nicht den Anforderungen der §§ 45 ff. StGHg genüge.
Entgegen der Vorschrift des § 46 Abs. 1 StGHG habe der Antragsteller kein
Grundrecht der Verfassung des Landes Hessen bezeichnet, das durch den Erlaß
des Hessischen Kultusministers vom 28. Juni 1976 verletzt sein solle. Art. 33 Abs.
4 und 5 GG seien als Prüfungsmaßstab für den Staatsgerichtshof nicht
heranzuziehen. Auch eine Nachprüfung der vom Antragsteller behaupteten
Verletzung der einfachgesetzlichen Vorschrift des § 5 Abs. 2 HBG sei nicht
Aufgabe des Staatsgerichtshofs.
Der Antragsteller könne überdies... auch nicht in einem... eigenen Grundrecht
verletzt sein. Es sei zwar anzunehmen, daß einige der Lehramtsbewerber, deren
Einstellung in dem Erlaß des Hessischen Kultusministers geregelt werde, Mitglieder
des Antragstellers seien. Eine Vereinigung könne aber Grundrechte ihrer Mitglieder
nicht im eigenen Namen geltend machen, selbst dann nicht, wenn diese Aufgabe
in ihrer Satzung festgelegt sei. Der Erlaß könne allenfalls Grundrechtspositionen
der einzelnen Mitglieder beeinträchtigen. Wegen der höchstpersönlichen Natur der
Grundrechte sei jegliche Prozeßstandschaft ausgeschlossen; es müsse allein dem
einzelnen Mitglied überlassen bleiben, sein eigenes Grundrecht zu wahren.
Schließlich sei der Antrag auch deshalb unzulässig, weil dem angegriffenen Erlaß
keine unmittelbare Außenwirkung zukomme. Ein Mitglied könne von ihm erst dann
betroffen sein, wenn der Erlaß durch eine Einzelmaßnahme ihm gegenüber
vollzogen werde. In diesem Falle, sei eine Grundrechtsklage erst nach Erschöpfung
des Rechtsweges zulässig. Vollzugsmaßnahmen, die den Antragsteller unmittelbar
betreffen könnten, seien nicht vorstellbar.
Eine Umdeutung des Antrages in einen Normenkontrollantrag scheide bereits
deshalb aus, weil der Antragsteller nicht zu dem Kreis der gemäß Art. 131 Abs. 2
HV, §§ 17 Abs. 2, 41. Abs. 1 StGHG Antragsberechtigten zähle.
IV.
Der Landesanwalt hält den Antrag ebenfalls in mehrfacher Hinsicht für
offensichtlich unzulässig. Er schließt sich der vom Hessischen Ministerpräsidenten
vorgetragenen Begründung vollinhaltlich an.
B.
26
27
28
29
30
31
Der Antrag kann Keinen Erfolg haben; er ist unzulässig.
I.
Nach Art. 131 Abs. 3 der Verfassung des Landes Hessen (HV) in Verbindung mit §
45 Abs. 2 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof (StGHG) kann jedermann den
Staatsgerichtshof anrufen, der geltend macht, daß ein ihm von der Verfassung
gewährtes Grundrecht verletzt sei. Daher ist im Verfahren zur Verteidigung der
Grundrechte nur antragsberechtigt, wer selbst Inhaber des angeblich verletzten
Grundrechts oder des grundrechtsähnlichen Rechts ist (vgl. Zinn-Stein, Verfassung
des Landes Hessen, Kommentar, 1963 ff., Art. 131 - 133, Erl. B IV, 18; ebenso zu §
90 BVerfGG: BVerfGE 21, 362 [367] unter Hinweis auf BVerfGE 3, 383 [391 f.]; 6,
273 [277]; 12, 6 [8]). Durch diesen besonderen Bezug zum Grundrecht und die
Abhängigkeit von dem jeweiligen Rechtsbegehren unterscheidet sich die
allgemeine subjektive Beschwerdebefugnis im Grundrechtsklageverfahren von der
Parteifähigkeit im Zivilprozeß und in den verwaltungsgerichtlichen Verfahren, die
im wesentlichen grundsätzlich nur von der materiellen Rechtsfähigkeit abhängt
(vgl. § 50 ZPO, § 61 Nr. 1 VwGO, § 70 SGG, § 57 FGO).
Das Vorbringen des Antragstellers läßt nicht eindeutig erkennen, ob er seinen
Antrag im eigenen Namen oder für seine Mitglieder gestellt hat. Einmal ist er
selbst im Rubrum als Antragsteller bezeichnet, zum anderen weist der
Antragsteller in der Begründung seines Antrages darauf hin, daß er eine
Gewerkschaft im Bereich des öffentlichen Dienstes sei, zu deren
Mitgliedsverbänden der Hessische Philologenverband, der Verband Bildung und
Erziehung und der Verband Deutscher Realschullehrer gehören, die ihrerseits
ausschließlich Lehrer organisieren. Deshalb kann nicht ausgeschlossen werden,
daß der Antrag zugleich im Namen der Mitglieder gestellt sein soll, die von dem
angegriffenen Erlaß des Hessischen Kultusministers vom 28. Juni 1976 betroffen
sind. Trotz einer entsprechenden Aufforderung des Präsidenten des
Staatsgerichtshofs in seiner Verfügung vom 21. März 1977 hat der
Prozeßbevollmächtigte des Antragstellers zu dieser Frage nicht Stellung
genommen. Einer weiteren Aufklärung bedarf es jedoch nicht, weil der Antrag
unter beiden rechtlich möglichen Auslegungen unzulässig ist.
1. Grundrechte oder grundrechtsähnliche Rechte sind höchstpersönlicher Natur;
die Grundrechtsklage ist ein außerordentlicher Rechtsbehelf zur Verteidigung
dieser Rechte. Die Besehwerdebefugnis muß daher dem persönlichen
Geltungsbereich des in Betracht kommenden Grundrechts oder dem verteidigten
Rechtsstatus folgen. Das schließt indessen nicht aus, daß auch juristische
Personen Träger von Grundrechten sein können, soweit die Grundrechte ihrem
Wesen nach auf diese anwendbar sind (vgl. StGH, Beschluß vom 11. April 1973 -
P.St. 697 -, StAnz. 1973, 927 [929] - ESVGH 23, 147 = DÖV 1973, 524).
a) Der Antragsteller hat jedoch entgegen § 46 Abs. 1 StGHG, nach dem der Antrag
das Grundrecht bezeichnen und mit der Angabe des Beweismittels die Tatsachen
darlegen muß, aus denen sieh der Mißbrauch oder die Verletzung des Grundrechts
ergeben soll, keine Grundrechte der Verfassung des Landes Hessen benannt, die
ihm als juristischer Person des Privatrechts zustehen und die nach seiner Ansicht
durch den Erlaß des Hessischen Kultusministers vom 28. Juni 1976 verletzt sind.
Im Grundrechtsklageverfahren kann der Staatsgerichtshof als
Landesverfassungsgericht Maßnahmen der öffentlichen Gewaltregelmäßig nur
dahin überprüfen, ob sie ein Grundrecht der Verfassung des Landes Hessen
verletzen (ständige Rechtsprechung des StGH, u.a. im Beschluß vom 6. Januar
1971 - P.St. 599 -; ebenso Barwinski in Zinn-Stein, Verfassung des Landes Hessen,
Kommentar, 1963 ff., Art. 131 - 133, Erl. B IV 17). Einfaches Bundes- oder
Landesrecht ist für den Staatsgerichtshof ohnehin kein Prüfungsmaßstab. Deshalb
kann er eine Verletzung der §§ 1 und 2 des Rahmengesetzes zur Vereinheitlichung
des Beamtenrechts (Beamtenrechtsrahmengesetz - BRRG. -) in der Fassung der
Bekanntmachung vom 3. Januar 1977 (BGBl. I S. 21) und des § 5 Abs. 2 des
Hessischen Beamtengesetzes (HBG) in der Fassung vom 14. Dezember 1976
(GVBl. 1977 I S. 42), die der Antragsteller rügt, nicht feststellen.
Desgleichen kann sich der Antragsteller in diesem Verfahren auch nicht auf Art. 33
Abs. 4 und 5 Grundgesetz (GG) berufen. Unabhängig von der Frage, ob diese
Bestimmungen überhaupt Grundrechte oder eine grundrechtsähnliche
Rechtsposition gewähren (vgl. dazu Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz,
Kommentar, 4. Auflage 1976, Art. 33 RdNr. 40 und RdNr. 82 mit weiteren
32
33
34
35
Kommentar, 4. Auflage 1976, Art. 33 RdNr. 40 und RdNr. 82 mit weiteren
Nachweisen und ob der Antragsteller sich als juristische Person auf sie berufen
könnte, sind Normen des Grundgesetzes kein Prüfungsmaßstab für den
Staatsgerichtshof; ihre Verletzung kann nur vor dem Bundesverfassungsgericht
geltend gemacht werden.
b) Entgegen der Ansicht des Antragstellers kann die Zulässigkeit seines Antrages
auch nicht durch eine analoge Anwendung des § 90 Abs. 1 BVerfGG begründet
werden, der die Berufung auf Art. 33 GG ausdrücklich vorsieht. § 90 Abs. 3
BVerfGG regelt das Verhältnis der Verfassungsbeschwerde nach Bundesrecht zur
Verfassungsbeschwerde nach Landesrecht als Konsequenz des Fortbestandes von
inhaltsgleichen Landesgrundrechten in Bezug zu den Bundesgrundrechten (vgl.
Art. 31, 142 GG) ausdrücklich dahin, daß beide Rechtsinstitute selbständig
nebeneinander stehen. Verfahrensrechtlich bedeutet das für das Verhältnis von
Bundes- und Landesverfassungsbeschwerde, daß der Antragsteller ein Wahlrecht
zwischen beiden Beschwerdemöglichkeiten hat; sofern nur die Voraussetzungen
gegeben sind, unter denen die Verfassungsbeschwerde oder die Grundrechtsklage
gegen dieselbe grundrechtswidrige Maßnahme der öffentlichen Gewalt erhoben
werden kann. Bei der Abgrenzung dieses doppelten Rechtsschutzes durch die
Verfassungsgerichte von Bund und Ländern ist davon auszugeben, daß bei dem
betont bundesstaatlich geprägten Aufbau der Bundesrepublik Deutschland die
Verfassungsräume des Bundes und der Länder selbständig nebeneinander
Bestand haben (vgl. BVerfGE 36, 342 [360 ff.]). Daraus folgt, daß ein
Landesverfassungsgericht innerhalb der Verfassungsordnung seines Landes "Herr
seiner Verfahren" ebenso wie das Bundesverfassungsgericht Herr der bei ihm
anhängigen Verfahren ist. Es muß deshalb über die prozessuale Zulässigkeit
seiner Verfahren eigenständig bestimmen können (vgl. dazu BVerfG, aaO., S.
357). Andererseits folgt daraus aber zugleich, daß ein Landesverfassungsgericht
sich nicht umfassendere oder gar neue Zuständigkeiten anmaßen darf, die
außerhalb der verbindlichen Kompetenznormen der Landesverfassung oder der
auf ihrer Ermächtigung beruhenden Verfahrensgesetze liegen. Maßstab für die
Landesverfassungsgerichte ist zunächst allein die Landesverfassung; nur aus ihr
können sie ihre Zuständigkeiten und ihre materielle Prüfungsbefugnis herleiten
und entwickeln (vgl. BVerfGE 36, 342 [368]). Für eine analoge Anwendung
bundesrechtlicher Zuständigkeitsregelungen, wie sie der Antragsteller für möglich
hält, ist daher kein Raum.
c) Selbst wenn man davon ausgeht, daß im Verhältnis von grundgesetzlichen
Vorschriften und inhaltsgleichen Vorschriften des Landesverfassungsrechts die
Verfassungsnormen des Landes auch außerhalb des Grundrechtsbereichs (Art.
142. GG) rechtswirksam bleiben, weil Art. 31 GG eine Vorschrift ist, die
Normenkollisionen lösen soll (vgl. BVerfGE 36, 342 [363, 367]), kann die
Zulässigkeit des Antrages nicht bejaht werden. Voraussetzung dafür wäre, daß
zwei Normen des Grundgesetzes und der Landesverfassung kollidieren. Die
Verfassung des Landes Hessen kennt aber keine dem Art. 33 Abs. 4 und 5 GG
entsprechende Vorschrift. Art. 29. Abs. 1 HV enthält zusammen mit Art. 135 HV
im Gegenteil eine Anweisung an den Gesetzgeber, für alle Angestellten, Arbeiter
und Beamten ein einheitliches Arbeitsrecht zu schaffen (vgl. Zinn-Stein. Die
Verfassung des Landes Hessen, Kommentar Band I [1954], Art. 29 Erl. 1). Fehlt
aber die Möglichkeit einer Kollision zweier Normen der Bundes- und
Landesverfassung, die auf denselben Sachverhalt anwendbar sind und dabei zu
verschiedenen Ergebnissen führen können, so erübrigt sich die Frage nach einer
Verletzung, von Landesverfassungsrecht, die allein vor dem Staatsgerichtshof
gerügt werden könnte.
2. Legt man nunmehr die zweite Auslegungsmöglichkeit zugrunde, daß der
Antragsteller nämlich nicht (nur) die Verletzung eigener Grundrechte oder
grundrechtsähnlicher Rechtspositionen rügen will, sondern die Grundrechtsklage
zur Wahrnehmung der grundrechtlich geschützten Interessen seiner Mitglieder
erhoben hat, so fehlt ihm hierfür die spezifische verfassungsrechtliche
Beschwerdebefugnis nach § 45 Abs. 2 StGHG, weil er als juristische Person nur die
Verletzung seiner eigenen Grundrechte oder grundrechtsähnlichen Rechte, nicht
auch die seiner Mitglieder rügen kann (vgl. StGH, Beschluß vom 31. Januar 1968 -
P.St. 463 -; BVerfGE 16, 147 [158]).
a) Auch wenn zu den Mitgliedern des Antragstellers Lehramtsbewerber gehören,
die von dem angegriffenen Erlaß des Hessischen Kultusministers vom 28. Juni
1976 betroffen worden sind, so folgt doch aus der höchstpersönlichen Natur der
Grundrechtes daß jede Art von Prozeßstandschaft im verfassungsgerichtlichen
36
37
Grundrechtes daß jede Art von Prozeßstandschaft im verfassungsgerichtlichen
Verfahren zur Verteidigung von Grundrechten ausgeschlossen ist (vgl. StGH,
Beschluß vom 11. April 1973 - P.St. 697 -, StAnz. 1973, 927 = ESVGH 23, 147 =
DÖV 1973, 524; ebenso BVerfG in ständiger Rechtsprechung, u.a. BVerfGE 25, 256
[263] mit weiteren Nachweisen). Grundrechte können nicht durch Rechtsgeschäft
auf eine andere natürliche oder juristische Person zur treuhänderischen
Wahrnehmung übertragen werden, damit dies sie im eigenen Namen mit der
Grundrechtsklage verteidigt. Das gilt auch dann, wenn sich ein Verein. Verband
oder ein sonstiger Interessenzusammenschluß durch die Satzung von seinen
Mitgliedern ermächtigen läßt, deren Grundrechte im Prozeßwege zu wahren (so
BVerfGE 16, 147 [158]; vgl. auch Spanner, Die Beschwerdebefugnis bei der
Verfassungsbeschwerde in Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Band I, S.
389 f.; Beyer, Zur Beschwerdebefugnis von Verbänden wegen
Grundrechtsverletzungen, 1976, S. 132 ff.) Die Ausübung der von der Verfassung
des Landes Hessen garantierten Freiheitsrechte und ihre Verteidigung im Falle
staatlicher Eingriffe sind von den Grundrechten selbst nicht zu trennen. Deshalb
muß es auch dem gewerkschaftlich oder in sonstiger Weise verbandsmäßig
organisierten Einzelnen überlassen bleiben, seine eigenen Grundrechte selbst zu
wahren (vgl. Barwinski in Zinn-Stein, Verfassung des Landes Hessen, Kommentar,
1963 ff., Art. 131 - 133 Erl. B IV 19 b).
b) Ein Recht des Antragstellers, sich Grundrechte seiner Mitglieder übertragen zu
lassen, um sie im eigenen Namen geltend zu machen, läßt sich auch nicht aus
Art. 15 und 36 HV ableiten. Diese Bestimmungen verbürgen - ebenso wie Art. 9
GG - zwar nicht nur die Freiheit, eine Vereinigung, auch zum Schutze der
Grundrechte, zu bilden, sondern gewährleisten auch das Recht auf Entstehen und
Bestehen (vgl. Zinn-Stein, aaO. [1954], Art. 29 Erl. 3 und Art. 36 Erl. 2; zu Art. 9
GG; BVerfGE 13, 174 [175]). Sie geben aber einer Vereinigung nicht die
Möglichkeit, Grundrechte ihrer Mitglieder selbst zu verfolgen (so Hamann/Lenz,
Grundgesetz, Kommentar, 3 Aufl. 1971, Art. 9 Anm. 2; Schmidt-Bleibtreu/Klein,
Kommentar zum Grundgesetz, 3. Aufl. 1973, Art. 9 RdNr. 9; Maunz Dürig-Herzog,
aaO., Art. 9 RdNr. 17; BVerfGE 16, 147 [158]). Wie das Bundesverfassungsgericht
(aaO.) mit Recht ausführt, kann eine Vereinigung ihre Aufgabe, den Mitgliedern bei
der Wahrnehmung ihrer Grundrechte beizustehen, dadurch erfüllen, daß sie ihnen
Rat erteilt, geeignete Rechtsvertreter beschafft und die Kosten etwaiger
Rechtsstreitigkeiten übernimmt.
II.
Schließlich erweist sich der Antrag im Grundrechtsklageverfahren auch deshalb als
unzulässig, weil er sich nicht gegen eine Rechtsnorm richtet. Nur Rechtsnormen,
wie Gesetze und Verordnungen, die den Antragsteller tatsächlich selbst,
gegenwärtig und unmittelbar rechtlich, nicht erst mit Hilfe eines Vollziehungsaktes,
in einem Grundrecht verletzen, können nach der ständigen Rechtsprechung des
Staatsgerichtshofs mit der Grundrechtsklage angefochten werden. Schon seiner
Form nach, die ein wichtiges Indiz für die rechtliche Natur eines Aktes der
öffentlichen Gewalt darstellt, ist der Erlaß des Hessischen Kultusministers vom 28.
Juni 1976 als Verwaltungsvorschrift erlassen worden. Inhaltlich richtet er sich weder
an den Antragsteller noch an die Lehramtsbewerber, sondern allein an die
Regierungspräsidenten in Darmstadt und Kassel. Er greift daher noch nicht in die
Rechtssphäre jener ein, sondern enthält nur - verwaltungsinterne - Anweisungen
an die Einstellungsbehörden. Eine solche Verwaltungsvorschrift unterliegt noch
nicht der allgemeinen verfassungsrechtlichen Kontrolle durch den
Staatsgerichtshof. Sie kann gegenüber dem einzelnen Lehramtsbewerber erst
dann Rechtswirkung erlangen, wenn die zuständige Verwaltungsbehörde bei seiner
Einstellung danach verfährt (vgl. BVerfGE 2, 237 [242 f.]; 12, 370; 18, 1 [13]; StGH,
Beschluß vom 27. Juli 1977 - P.St. 841-). Daran vermag auch der Umstand nichts
zu ändern, daß die angegriffene Regelung in den "Informationen" des Hessischen
Kultusministers vom 12. Mai 1976 Nr. 76/76 angekündigt worden ist und der Erlaß
vom 28. Juni 1976 dem Antragsteller bekanntgeworden ist. Die Bekanntgabe oder
das Bekanntwerden einer Verwaltungsvorschrift verleiht ihr nach außen noch keine
rechtsverbindliche Kraft, sondern hat nur informatorische Bedeutung. Mangels
Rechtsnormcharakters kann der angegriffene Erlaß auch nicht Gegenstand, eines
Normenkontrollverfahrens sein. Eine entsprechende Umdeutung des Antrages
verbietet sich auch deshalb, weil der Antragsteller nicht zu dem Kreis der in jenem
Verfahren Antragsberechtigten nach Art. 131 Abs. 2 HV, § 17 Abs. 2 StGHG
gehört.
III.
38 Die Kostenentscheidung beruht auf § 24 StGHG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.