Urteil des SozG Münster vom 11.08.1999

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Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Sachgebiet:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Rechtskraft:
Sozialgericht Münster, S 9 KR 15/97
11.08.1999
Sozialgericht Münster
9. Kammer
Urteil
S 9 KR 15/97
Krankenversicherung
rechtskräftig
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu
erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von psychiatrischer Behandlungspflege.
Der 0000 geborenen Klägerin wurde von der Westfälischen Klinik für Psychiatrie und
Neurologie M wegen vaskulärer Demenz und familiärer Belastungssituation psychiatrische
Behandlungspflege verordnet. Die Beklagte übernahm zunächst die Kosten der
Psychiatrischen Behandlungspflege bis 27.02.1996.
Mit Bescheid vom 21.02.1996 teilte sie der Klägerin mit, die beantragte Leistung werde mit
dem 27.02.1996 eingestellt, da nach Auffassung des medizinischen Dienstes eine
medizinische Notwendigkeit für die psychiatrische Pflege nicht gegeben sei. Ab 01.04.1995
seien der Klägerin rückwirkend Leistungen im Rahmen der Schwerpflegebedürftigkeit nach
Pflegestufe I bewilligt worden.
Die Klägerin legte hiergegen am 28.02.1996 Widerspruch ein. Die Beklagte holte daraufhin
eine gutachterliche Stellungnahme von Dr. T vom medizinischen Dienst der
Krankenkassen Westfalen-Lippe ein. Dr. T kam in seinem Gutachten vom 28.05.1996 zu
dem Ergebnis, die Maßnahmen der Pflegeversicherung seien ausreichend. Es handle sich
um eine psychosoziale Betreuungsmaßnahme, die nicht in die Leistungspflicht der
Krankenkasse falle.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.1996 wies die Beklagte den Widerspruch der
Klägerin zurück. Sie führte zur Begründung aus, sie schließe sich der Beurteilung des
medizinischen Dienstes an, wonach die Voraussetzungen für eine weitere
Kostenübernahme psychiatrischer Behandlungspflege nicht vorlägen.
Die Klägerin hat am 17.07.1996 Klage erhoben.
Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Klage vor, aufgrund ihres Gesundheitszustandes
seien die beantragten Leistungen zu bewilligen. Sie nimmt Bezug auf eine Stellungnahme
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der psychiatrischen Ambulanz M vom 14.11.1996.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zur Aufhebung des Bescheides vom 21.02.1996 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 04.07.1996 zu verurteilen, die Kosten der psychiatrischen
Behandlungspflege bis 29.10.1997 zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält an der von ihr im Vorverfahren vertretenen Auffassung fest. Bei der
beantragten Maßnahme handle es sich um eine dauerhafte Bereitstellung bzw. Förderung
von sozialen Kontakten, welche nicht Inhalt einer psychiatrischen Behandlungspflege gem.
§ 37 Sozialgesetzbuch (SGB) V sei.
Das Gericht hat zur Ermittlung des Sachverhaltes eine Auskunft der Westfälischen Klinik für
Psychiatrie und Neurologie M, einen Befundbericht von dem behandelnden Arzt der
Klägerin Dr. T a. d. H sowie eine Auskunft des Zentrum Mobiler Dienste eingeholt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten, die beigezogene
Krankenakte sowie die Pflegejournale Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht die Gewährung von psychiatrischer
Behandlungspflege über den 27.02.1996 hinaus abgelehnt.
Gem. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie
als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der
ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Nach Auskunft des Zentrum Mobiler Dienste (ZMD)
wurde im Falle der Klägerin psychiatrische Behandlungspflege in der Zeit vom 24.05.1995
bis Dezember 1996 durchgeführt. Die psychiatrische Behandlungspflege wurde zwar
ärztlich verordnet von der Westfälischen Klinik für Psychiatrie und Neurologie in M. Anhand
der beigezogenen ärztlichen Berichte und Pflegejournale konnte jedoch nicht festgestellt
werden, dass die verordnete psychiatrische Behandlungspflege über den 27.02.1996
hinaus zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich war.
Ein Behandlungsplan, der im Falle der Klägerin die Behandlungsziele formuliert und die zu
ergreifenden Behandlungsmaßnahmen zur Verwirklichung des Behandlungszieles festlegt,
existiert nicht. Das Zentrum Mobiler Dienste konnte lediglich einen formularmäßigen
Behandlungsplan vorlegen, der allgemein Tätigkeitsinhalts von psychiatrischer
Behandlungspflege aufführt. Es handelt sich hierbei nicht um einen individuell auf die
Klägerin abgestimmten Behandlungsplan, der im übrigen auch nicht erkennen lässt, dass
er von einem Arzt aufgestellt worden ist. In dem formularmäßigen Behandlungsplan wurden
folgende Pflegeinhalte bei der Klägerin angekreuzt:
Aufbau einer Beziehung zur Patientin bei spezifischen Krankheitsbildern wegen
krankheitsbedingter fehlender Motivation, Aktivierung zur elementaren Verrichtungen und
Training elementarer Fertigkeiten, psychische Entlastung im Alltag, geistiges und
psychisches Training, Hilfe beim Erkennen beeinträchtigter Gefühle, Wahrnehmungen und
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Verhaltensweisen, Erarbeitung krankheitsangemessener Sicht- und Verhaltensweisen und
Hilfe bei der Planung und Durchführung der Tages- und Wochenstrukturierung.
Bei diesen Maßnahmen handelt es sich um solche, die der Klägerin alterspraktische
Fertigkeiten vermitteln sollten, bzw. ihre Selbständigkeit bei Alltagsverrichtungen fördern
sollten. Derartige Behandlungsmaßnahmen lassen sich einem ärztlichen Behandlungsziel
nicht zuordnen und bedürfen auch keiner ärztlichen Überwachung. Es handelt sich um
Maßnahmen, die dem pflegerischen Bereich zuzuordnen sind. Auch den Pflegejournalen
ist nicht zu entnehmen, dass Behandlungsmaßnahmen zur Sicherung des Ziels einer
ärztlichen Behandlung durchgeführt worden sind. Es wurden Spaziergänge mit der
Klägerin unternommen und Gespräche geführt, die unter anderem auch die familiären
Schwierigkeiten thematisierten. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass es sich bei
diesen Maßnahmen um eine dauerhafte Bereitstellung bzw. Förderung von sozialen
Kontakten gehandelt hat. Diese waren zwar sicherlich sinnvoll, können aber nicht Inhalt
einer psychiatrischen Behandlungspflege im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V sein.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.