Urteil des SozG Marburg vom 06.10.2010

SozG Marburg: stadt, abrechnung, ddr, weiterbildung, oberarzt, quelle, richtigstellung, niedergelassener, stempel, klinik

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Gericht:
SG Marburg 11.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 11 KA 590/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Gerichtskosten. Die Beteiligten haben einander im Übrigen
keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Abrechnungsfähigkeit von 161 Abrechnungsfällen
der GO-Nr. 1618 EBM 1996 in den Quartalen III/00 bis IV/01 und II/02.
Der Kläger ist seit 1979 niedergelassener HNO-Arzt in A-Stadt. Zuvor war er als
Oberarzt am Universitätsklinikum B-Stadt sowie am Bundeswehrkrankenhaus
beschäftigt, wo er seine Weiterbildung zum HNO-Arzt begonnen hatte.
Mit Schreiben vom 26.01.2001, 25.04.2001, 29.06.2001, 05.10.2001, 28.01.2002,
19.04.2002 und 18.09.2002 erteilte die Beklagte dem Kläger jeweils Bescheide
über die sachlich-rechnerische Richtigstellung seiner Abrechnungen in den
Quartalen III/00 bis IV/01 und II/02, wonach insgesamt 161 Leistungen der GO-Nr.
1618 EBM 1996 nicht zur Abrechnung gelangen konnten. Zur Begründung führte
sie im Wesentlichen aus, dass der Kläger die Vorraussetzung für die
Abrechnungsfähigkeit dieser Leistungen nicht erfülle.
Gegen diese sachlich-rechnerischen Richtigstellungen hat der Kläger mit Schreiben
vom 19.02.2001, 07.05.2001, 10.07.2001, 25.10.2001, 18.02.2002, 24.04.2002
und 26.09.2002 jeweils Widerspruch eingelegt. Zur Begründung trug er im
Wesentlichen vor: Zwar könne er die Subspezialisierung Audiologie und / oder den
Schwerpunkt Audiologie nach Kammerrecht nicht auf dem Arztschild oder dem
Stempel führen, da die Weiterbildungsordnung dies noch nicht vorsehe. Die
Berufsordnung lasse es jedoch im Rahmen der Internetpräsentation bzw. in den
Patienteninformationen zu, in den Praxisräumen auf die Subspezialisierungen
hinzuweisen. Außerdem sei der Anzahl- und Summenstatistik zu entnehmen, dass
die Leistungen nur von wenigen HNO-Ärzten erbracht würden. Für diese
Leistungen bestehe daher ein erheblicher Versorgungsbedarf. Er habe durch
entsprechende Zeugnisse bereits nachgewiesen, dass er als Oberarzt in der HNO-
Klinik in B-Stadt die Abteilung für Stimm- und Sprachstörungen betreut habe. Da
es für die Subspezialisierung Audiologie keinen anerkannten eigenen
Ausbildungsgang gebe, habe er regelmäßig an Fortbildungsveranstaltungen mit
entsprechenden audiologischen Themen teilgenommen. Sein
Tätigkeitsschwerpunkt liege auch in den Bereichen Audiologie, Phoniatrie und
Pädaudiologie, was sich aus der Honorarabrechnung zweifelsfrei ergebe.
Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 29.Juli 2009
zurück.
Sie legte dar, dass mit der Einführung des EBM ’96 der Abschnitt Phoniatrie und
Pädaudioligie in die Abrechnungsvorschriften aufgenommen worden sei. Nach den
Vorgaben dieses Abschnitts sei die GO-Nr. 1618 EBM ’96 nur von Ärzten für
Phoniatrie und Pädaudiologie und HNO-Ärzten mit der Teilgebietsbezeichnung
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Phoniatrie und Pädaudiologie und HNO-Ärzten mit der Teilgebietsbezeichnung
Phoniatrie und Pädaudiologie oder der Subspezialisierung Audiologie
berechnungsfähig. Der Kläger verfüge jedoch über keine dieser Bezeichnungen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage vom 27.08.2009. Zur Begründung
seiner Klage weist der Kläger insbesondere auf die von ihm im Bereich der
Audiologie nachgewiesene Berufserfahrung sowie seine Fortbildungen in diesem
Gebiet hin.
Er beantragt,
die Bescheide über die sachlich-rechnerischen Berichtigungen für die Quartale
III/00 bis IV/01 sowie II/02, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.
Juli 2009, aufzuheben und 161 Fälle der GO-Nr. 1618 EBM 1996 zur Abrechnung
zuzulassen.
Die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
Sie nimmt im Wesentlichen Bezug auf die Gründe des Widerspruchsbescheides.
Die Subspezialisierung Audiologie setze nach § 23 Abs. 12 der
Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer von 1992 eine
entsprechende Anerkennung voraus. Nach dieser Vorschrift dürften Ärzte, die
aufgrund der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Weiterbildungsordnung
geltenden Übergangsbestimmungen rechtmäßig die Arztbezeichnungen nach der
Facharztordnung oder der Subspezialisierungsordnung der ehemaligen DDR
führten und welche nicht in entsprechende Arztbezeichnungen nach der bisherigen
Weiterbildungsordnung oder in entsprechende Arztbezeichnungen nach der neuen
Weiterbildungsordnung umgewandelt werden könnten, diese weiterführen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten sowie des Sach-
und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte der Beklagten
sowie die Prozessakten zu den Aktenzeichen S 11 KA 590/09 bis 596/09, die in der
mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der
Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe
Das Gericht hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den
Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten verhandelt und entschieden,
weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Psychotherapeuten
handelt (§12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die angefochtenen Bescheide über die sachlich-rechnerische Berichtigung der
Abrechnungen für die Quartale III/00 bis IV/01 und II/02, alle in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 29.Juli 2009, sind rechtmäßig und verletzen den
Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Nachvergütung von 161 Fällen der GO Nr.
1618 EBM ’96.
Zur Begründung verweist das Gericht zunächst nach § 136 Abs. 3 SGG auf die
Gründe des Widerspruchsbescheides, die weder in tatsächlicher noch in rechtlicher
Hinsicht zu beanstanden sind.
Das Gericht schließt sich ausdrücklich der ständigen Rechtsprechung des BSG an,
nach der die Abrechnungsfähigkeit von Leistungen nach dem EBM grundsätzlich
an formale Qualifikationen gebunden werden kann (vgl. BSG, zuletzt Urteil vom
17.03.2010, Az. B 6 KA 3/09 R und Urteil vom 09.04.2008, Az. B 6 KA 40/07 R
jeweils m.w.N.).
Der Kläger verfügt unstreitig nicht über die formale Subspezialisierung Audiologie.
Diesbezüglich hat die Beklagtenvertreterin im Termin zur mündlichen Verhandlung
zur vollen Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass es sich bei der
Subspezialisierung Audiologie um eine Bezeichnung handelt, die in der ehemaligen
DDR geführt wurde und die nach § 23 Abs. 12 Musterweiterbildungsordnung der
Bundesärztekammer von 1992 übergangsweise weitergeführt werden durfte. In
den übrigen Bundesländern gab es eine Weiterbildung zum Erwerb der
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den übrigen Bundesländern gab es eine Weiterbildung zum Erwerb der
Subspezialisierung Audiologie nicht.
Somit verfügt der Kläger trotz seiner umfangreichen Aus- und Fortbildung in
diesem Gebiet, nicht über die formal notwendige Qualifikation, sodass eine
Abrechnung der GO-Nr. 1618 für ihn nicht in Betracht kam.
Deshalb konnte die Klage keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 VwGO
und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.